Kitabı oku: «Mut zum Rollentausch», sayfa 3
DIE RECHNUNG GEHT AUCH FÜR DIE FRAUEN NICHT AUF
Für Frauen, die immer in Teilzeit gearbeitet haben, geht die Rechnung im Alter nicht auf.
Sehr pointiert drückt es Tanja C., eine Topmanagerin, aus:
„Und wenn ich den Kindern bis zur Matura das Händchen halte, bis dahin nur zwanzig Stunden arbeite, dann ist es logisch, dass ich weniger verdiene als jemand, der bis dahin Vollzeit gearbeitet hat. Und da brauchen sie sich auch nicht beschweren!“
Wohlgemerkt: Mir geht es hier nicht darum, dass Männer und Frauen, die bewusst bei den Kindern bleiben wollen, das nicht tun sollen. Aber sie müssen sich finanziell absichern, sonst geht die Rechnung für sie in der Pension nicht auf. Mehr dazu im Kapitel „Der Wille zur Unabhängigkeit und Selbstbestimmung“.
WAS ES BRAUCHT
Ein wichtiges Kriterium sind die Rekrutierungsprozesse. Sie sind die erste Hürde, der sich Frauen gegenübersehen: Hier schlägt der Unconscious Bias zu, die unbewusste Voreingenommenheit gegenüber ihnen. Diese kann vermieden werden, wenn im Bewerbungsprozess die persönlichen Fähigkeiten der Menschen im Vordergrund stehen, nicht deren Geschlecht.
Es braucht noch mehr Ermöglicher*innen, die hochqualifizierte Frauen dort abholen, wo sie sind: bei der Frage, wie sie Beruf und Familie vereinbaren können. Und wie sie mit ihren Talenten und ihrer Leistung sichtbar werden.
Vor allem international aufgestellte Unternehmen haben erkannt, dass die Förderung von Frauen und Männern, die Arbeit und Familie vereinbaren wollen, positive Auswirkungen auf ihren wirtschaftlichen Erfolg hat. Sie starten Ausbildungsprogramme für Frauen und bieten Netzwerke für sie und für Väter an, die sich über ihre Erfahrungen austauschen wollen.
Die gesamte Gesellschaft könnte davon profitieren, wenn die Arbeitszeit der Menschen an ihre jeweilige Lebenslage angepasst würde.
Jörg Asmussen, Investmentbanker und ehemaliger Staatssekretär, der im Kapitel „Die neuen Männer: Väter in Karenz“ seine Geschichte erzählt, hat dazu einen Vorschlag:
„Das übergeordnete politische Ziel sollte sein: Arbeitszeit soll mit Lebenssituation ‚atmen‘. Die Jungen können viel arbeiten. Mit Kindern weniger. Wenn die größer sind, wieder mehr. Und dann eventuell wieder weniger, wenn die eigenen Eltern Hilfe brauchen. Zum Beispiel jeden Freitag frei.“
FAZIT: DIE RECHNUNG GEHT FÜR ALLE AUF, WENN FRAUEN UND MÄNNER IN DER WIRTSCHAFT UND ZU HAUSE GLEICHGESTELLT SIND
Abgesehen davon, dass die Rahmenbedingungen passen müssen (Ausbau der Kinderbetreuung am Land, familientaugliche Arbeitszeitmodelle), geht die Rechnung für alle auf, für Frauen und Männer, für die Unternehmen und für die Wirtschaft:
– Gemischte Teams in den Führungsetagen sind nachweislich ein Erfolgsfaktor, der sich in den besseren Zahlen dieser Unternehmen widerspiegelt.
– Mehr hochqualifizierte Menschen kommen auf den Arbeitsmarkt und bleiben ihm erhalten. Vor allem,
– wenn sich die Männer aktiv an der wertvollen unbezahlten Arbeit beteiligen; in den Ländern, in denen bis zu achtzig Prozent der Väter in Karenz gehen, bleibt auch nach der Karenz des Mannes nachhaltig eine gerechtere Aufteilung der Haus- und Familienarbeit aufrecht.
– Wenn Frauen weniger lange Unterbrechungen in ihrer Arbeitsbiografie haben, kann der große Unterschied im Einkommen und bei den Pensionen von Frauen und Männern mittel- bis langfristig überwunden werden.
FRAUEN SIND MÜTTER – UND SONST NICHTS?
Die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft: Mutter – und sonst nichts? Betrachtung einer sozialen Konstruktion. In Österreich und in Deutschland wird einer Frau die Wahlmöglichkeit von Rollen auch heute offenbar immer noch nicht zugestanden. Dazu ein kurzer und tiefer Blick in die Geschichte des Mutterbildes in diesen Ländern. Wie gehen die Interviewpartnerinnen mit der Mutterrolle um? Und wie sehen das die Kinder? Wie viel Mutter und wie viel Vater brauchen die Kinder wirklich – Antworten aus der Bindungsforschung.
Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.
Nigerianisches Sprichwort
Das Idealbild der Mutter ist in den Gesprächen mit Frauen und Männern immer präsent, wenn es um die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern mit Kindern geht: Es ist das von der Gesellschaft in Österreich und Deutschland vorausgesetzte Idealbild der Mutter, die zu Hause bei den Kindern bleibt und keiner oder nur einer geringen Erwerbstätigkeit nachgeht. Nur dann ist – noch immer – nach Meinung vieler in unserer Gesellschaft ein gesundes Aufwachsen der Kinder möglich. Und vor allem: Wer bringe den Kindern dann die Werte nahe?!
Dazu eine Gegenfrage: Wer sagt, dass Kinder von Vollzeitmüttern die besseren Menschen sind? Und was ist mit den Vätern? Warum ruft niemand nach der mangelhaften Vermittlung von Werten für die Kinder durch Väter, die nicht da sind, was bis jetzt meistens der Fall ist?
Abgesehen davon ist das eine sehr elitäre Diskussion, weil viele Frauen mit Kindern es sich nicht aussuchen können, zu Hause zu bleiben, und auf Betreuung für die Kinder angewiesen sind. Eine meiner Interviewpartnerinnen meint zum Thema des Mutterideals nur:
„Wir legen da in Österreich und in Deutschland ein gesellschaftliches Gluckentum an den Tag …“ (Thea R.)
Die deutsche Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken zeigt in ihrem Buch „Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos“ den Konflikt der deutschen Frau als Mutter und Berufstätige auf:
„Man fragt sich, wie es dann kommt, dass französische, dänische und italienische Kinder als Erwachsene so schrecklich normal und nicht allesamt als krippengeschädigte Bindungsunfähige herumlaufen.“1
In Frankreich zum Beispiel ist eine Frau immer noch eine Frau, auch wenn sie Kinder hat. Sie hat auch kein Problem damit, mehr Kinder als eine Österreicherin oder eine Deutsche zu haben und diese früh in außerhäusliche Obhut zu geben.2
Das Muttersein ist die große Zerreißprobe für die meisten Frauen im deutschsprachigen Raum, weshalb sie oft ihre berufliche Entwicklung und somit ihre persönliche Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit zurückstellen.
Wobei sich der Arbeitsbereich der Mutter nicht nur auf eigene Kinder erstreckt, sondern auch pflegebedürftige Angehörige miteinbezieht: Achtzig Prozent der pflegebedürftigen Angehörigen werden von Frauen betreut.3
FRAUEN ENTSPRECHEN NICHT – EGAL, WAS SIE TUN?
Dennoch: Noch nie konnten Frauen so frei und selbstbestimmt leben wie in der westlichen Welt des 21. Jahrhunderts. Dabei sind sie allerdings Kritik von allen Seiten ausgesetzt: Aus dem konservativen Lager kommt Kritik an Frauen, die sich nicht in die dort offenbar einzig zugelassene Rolle der Mutter zwängen lassen wollen. Die Feministinnen auf der anderen Seite des Spektrums vermuten nicht ganz unbegründet einen Backlash der Gleichberechtigung, den Rückfall der Frauen in die ihnen traditionell zugewiesene Rolle im Haus hinterm Herd, sobald es wieder einmal Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt gibt oder es beim Kampf um die Erreichung von Machtpositionen eng wird.
Die Wahlmöglichkeit zwischen oder die Kombination von verschiedenen Rollen wird Frauen offenbar auch heute immer noch nicht zugestanden. Ist sie „nur“ Mutter, gilt sie als altmodisch. Und muss sich zudem in unserer Leistungsgesellschaft auch noch rechtfertigen, da ja hier alles über bezahlte Arbeit und Geld bemessen wird. Ist sie „nur“ berufstätig, gilt sie als egoistisch. Ist sie Mutter und berufstätig und will sie gar auch noch Karriere machen, fallen alle über sie her: Sie sei eine „Rabenmutter“ für ihre Kinder, sie könne sich nicht hundertprozentig dem Beruf widmen, vernachlässige ihre Partnerschaft … Wobei Väter, wenn es um Kinder und Vereinbarkeit geht, leider immer ausgeblendet werden. Die Familie wird vor allem in konservativen Kreisen und in der konservativen Politik der Frau allein „umgehängt“, da in erster Linie sie für die Kinder zuständig sei.
Im Folgenden möchte ich ein paar Denkanstöße zu einer in unserer Gesellschaft vorgegebenen Rolle anbieten, die als unumstößlich gilt, aber jene, denen diese Rolle zugewiesen wird – zumal, wenn sie sie in Vollzeit ausfüllen, was als Ideal gilt – in eine schwierige Situation bringt: die Frauen.
SOZIALE KONSTRUKTION: MUTTER
Wenn ich hier vom Idealbild Mutter spreche, dann meine ich damit ein Rollenklischee in unserer Gesellschaft, ein soziales Konstrukt, das in der Realität von Familien mit Kindern in dieser Form weder notwendig noch realisierbar ist und in Wahrheit auch nie existiert hat: die Vollzeitmutter.
Und nein, das Muttersein steckt nicht in den Genen der Frau, wie Christine Bauer-Jelinek klarstellt:
„Man sieht ja im Kulturvergleich, dass Frauen – und natürlich auch Männer – in anderen Ländern oder Epochen unterschiedliche Rollen und Aufgaben in der Gesellschaft erfüllen. Das jeweils angemessene Verhalten wird durch Sozialisation erlernt. Wäre alles angeboren, dann müsste dieses ja überall weitgehend gleich sein.“
Es gibt maßgebliche wirtschaftliche Gründe und es gibt gute Gründe aus der Bindungsforschung, warum wir die Erwartungshaltung an Frauen, die Mütter sind, herunterschrauben können – und sollen.
Im Kapitel „Die neuen Männer: Väter in Karenz“ zeige ich, dass diese vom ersten Tag an eine wichtige Rolle für das Kind spielen und spielen wollen, was den Müttern viel Druck nehmen kann (wenn diese das zulassen).
Manchen Männern fiel auf, wie stark das Ideal der Mutter ist und dass sie als Vater nicht wirklich anerkannt sind: Einer der Väter hatte sein Kind in einem katholischen Kindergarten. Er sagte mir: „Das ist sehr müttergeprägt. Da tue ich mir sehr schwer.“
DAS IDEAL DER HUNDERT-PROZENT-MUTTER: NUR IN DEN OBEREN SCHICHTEN UND ERST SEIT KURZEM
Nur im deutschsprachigen Raum haben wir ein Mutterideal, das vorgibt, dass nur die leibliche Mutter in der Lage und es ihre alleinige Aufgabe sei, die Kinder zu versorgen. Bis vor Kurzem war eine Frau in unserer Gesellschaft dann auch voll anerkannt.
Woran liegt es, dass das Ideal der Mutter im deutschsprachigen Raum so stark ist, so dass jede Frau, die Kinder hat oder kriegen will, ein schlechtes Gewissen hat, wenn sie glaubt, diesem Ideal nicht zu entsprechen? Und dass Frauen, die keine Kinder kriegen können oder wollen, sich in der Gesellschaft nicht anerkannt fühlen?
Um eine Antwort zu und ein umfassenderes Bild von dem Thema zu bekommen, hilft ein Blick in die Geschichte und über die Grenzen des Landes hinaus.
Das Ideal der Vollzeitmutter gibt es erst seit etwa 200 Jahren. Dieses Frauenbild gab es nur in den oberen bürgerlichen Schichten. Die Mütter der unteren gesellschaftlichen Schichten, zum Beispiel Mägde, Hausangestellte, Köchinnen, mussten immer schon arbeiten. Die Frau eines Handwerkers hat immer (mit-)gearbeitet, auch wenn es viele Mägde und Knechte im Haus gab. Die Bäuerin musste ohnehin arbeiten, immer schon, am Feld, im Stall und ihren Haushalt hatte sie sowieso.
Statistische Zahlen vom Ende des 19. Jahrhunderts zeigen, dass über vierzig Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung Frauen waren, vor allem in ungelernten (Hilfs-)Berufen und am Land. Das Familieneinkommen durch den Mann war meistens klein: Praktisch keine Frau konnte es sich leisten, zu Hause bei den Kindern zu bleiben. Und auch damals hat es alleinerziehende Mütter gegeben, denen ohnehin nichts anderes übriggeblieben ist, als einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Diese Kinder sind oft in der erweiterten Familie oder im Haushalt derer aufgewachsen, bei denen die Mutter als Magd, Köchin usw. gearbeitet hat. Kinderbetreuung? Außer in den Adelshäusern und später in vermögenden Industriellenfamilien gab es die schlicht nicht. Vor dem 19. Jahrhundert wuchsen Kinder oft auf sich allein gestellt auf. Für altersgerechte Betreuung musste sich erst das Fach der Pädagogik entwickeln. Und ab sieben Jahren mussten Kinder arbeiten. Nein, damals war es nicht besser als heute.
Dennoch wurde in Deutschland das Ideal der Mutter kultiviert, die das Familienleben hütet, als Gegenwelt zur brutalen, herzlosen (Berufs-)Welt der Männer, so die These Barbara Vinkens.
FRAUEN ALS ARBEITENDE ODER MUTTER, JE NACH KONJUNKTUR
Frauen wurden, je nach Konjunkturlage und gerade herrschender Weltanschauung, auf dem Arbeitsmarkt gebraucht, geholt oder wieder nach Hause geschickt. Dementsprechend wurde das Rollenbild der Mutter propagiert oder eben auch nicht. Ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte: Obwohl im Nationalsozialismus ein Kult um das Mutterideal herrschte, gab es sehr wohl Betreuungsstätten für Kinder – als die Frauen für die Kriegsindustrie gebraucht wurden. In den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts, als die Männer aus dem Krieg zurückkehrten und die Wirtschaft anlief, wurde die Wichtigkeit und der Wert der Mutter bei den Kindern betont. Die Frauen wurden dann wörtlich als die „industrielle Reservearmee für den Arbeitsmarkt“ bezeichnet. Frauen, die arbeiteten, wurden eher bemitleidet, sie entsprachen nicht dem bürgerlichen Ideal der Mutter, die sich ausschließlich um die Kinder und den Haushalt kümmert. Dieses Frauenbild hat aber ohnehin nur für die bürgerlichen Schichten gegolten.
DAS ERBE DES AUSTROFASCHISMUS UND DES NATIONALSOZIALISMUS: DIE IDEALISIERUNG DER SICH AUFOPFERNDEN MUTTER
Der Austrofaschismus in Österreich und der Nationalsozialismus in Deutschland und in Österreich haben in Hinblick auf das Bild der Mutter ein schweres Erbe hinterlassen, das immer noch tief im kollektiven Unbewussten verankert ist. Die Vorstellung von Weiblichkeit war in beiden Ideologien sehr ähnlich. Die Rollen waren ganz klar verteilt: Hier das Ideal des Mannes, der arbeitet, der Frau übergeordnet und ihr Versorger und Beschützer ist. Dort das Ideal der Frau, die sich nur im privaten Bereich aufhält, dem Mann dient, vor allem aber auf die Rolle der Mutter reduziert ist. Im Austrofaschismus war die Rolle der Frau religiös begründet, christliche Werte standen im Vordergrund, das Ideal war die Mutter Maria. Der „gottgewollte“ Geschlechterunterschied wurde unter anderem damit untermauert, dass Frauen keine höhere Bildung mehr erhalten sollten und verheirateten Frauen ein Berufsverbot auferlegt wurde (das mit vielen Ausnahmen letztlich „nur“ Lehrerinnen und Beamtinnen traf). So wurden in Österreich schon ab 1934 Errungenschaften der Zwischenkriegszeit zur Modernisierung der Gesellschaft wieder rückgängig gemacht.
Das war die ideale Vorbereitung für den Nationalsozialismus, in dem die Frau nur mehr auf ihre biologische Funktion als Gebärerin reduziert war, die viele Kinder auf die Welt bringt – die letztendlich als „Kanonenfutter“ dienen sollten – sprich: sie wurden als Soldaten im Krieg gebraucht. Das „Mutterkreuz“, mit einem großen Hakenkreuz in der Mitte, galt als hohe Ehre ähnlich den Auszeichnungen für die Soldaten. Es wurde vom „Führer“ verliehen, und zwar am Muttertag, den zuvor schon die Austrofaschisten wieder eingeführt hatten, nachdem er in Österreich wie in Deutschland schon in Vergessenheit geraten war.4
Das Mutterkreuz versinnbildlichte die Idealisierung der Mutter und war eine Auszeichnung für jene, die mehr als vier Kinder hatten und auch sonst allen (Wahn-)Vorstellungen der Nationalsozialisten entsprachen: Sie mussten „arisch“ sein, eine tadellose Lebensführung vorweisen, die Kinder mussten gute Noten haben etc. Um dieses Mutterkreuz war ein regelrechter Kult entstanden, der auch nach 1945 nicht völlig verschwand: Es gibt Berichte, wonach auch Jahre nach dem Krieg in Familien das Mutterkreuz auf einer Art Altar im Keller drapiert war …
Auch wenn wir mit dem Austrofaschismus und mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun haben wollen: diese unbewussten Prägungen sind noch immer präsent und besonders hartnäckig. Zumal das Bild der Frau als Mutter nach dem Zweiten Weltkrieg wiederauflebte, denn nun wurden die Frauen in der Wirtschaft nicht mehr gebraucht, weil die Männer aus dem Krieg zurückkamen.
Unsere Großmütter und Mütter sind in dieser Zeit aufgewachsen und von dieser Zeit des Mutterkults geprägt, ob sie wollten oder nicht. Sie sind Role Models, Rollenvorbilder für Generationen von Frauen, an die sie diese Rollenbilder und Verhaltensmuster unbewusst weitergegeben haben und die diese Tradition wiederum unbewusst fortsetzen. Das lässt sich wissenschaftlich erklären: Eine relativ junge Disziplin der Biologie, die Epigenetik, untersucht die Metaebene der DNA, unseres Erbmaterials. In diesem Bereich ahnt die Forschung erst, wie Genmechanismen wirken, durch die Krankheiten und soziales Verhalten über Generationen weitergegeben werden.
VERGLEICH MIT ANDEREN LÄNDERN
Die Geschichte Österreichs und Deutschlands zeigt, wie stark und wie nachhaltig Kulturen über Generationen hinweg bis hinein in die Lebensmodelle der Menschen durch Ideologien, politische Umwälzungen und Kriege geprägt sind. Mutterideale gibt es aber auch in anderen Ländern. In Italien zum Beispiel „la mamma“.
Die skandinavischen Länder wiederum, vor allem Schweden, werden gerne genannt, wenn es um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Berufsleben und bei der Kindererziehung geht. Hier wurde bereits in den Sechzigerjahren die Väterkarenz eingeführt. Das ist erstaunlich früh und modern, weil es zu mehr Gleichberechtigung von Männern und Frauen führte. Der Grund für die Entwicklung liegt sicher darin, dass es hier keine ideologische Gehirnwäsche wie im deutschsprachigen Raum des Austrofaschismus und Nationalsozialismus gab, wo die Rollenbilder von Männern und Frauen so deutlich vorgegeben waren.
Dennoch: In keinem der Länder ging die Entwicklung hin zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern von allein, es gab meistens Impulse durch die Politik, die Veränderungen herbeiführten.
LASST UNS DAS ROLLENSPIEL UM DIE MUTTER BEENDEN!
Einer meiner Interviewpartner, ein aktiver Vater, der in Väterkarenz ging, beobachtete an sich selbst, dass Mütter, die ihr Kind ab einem Jahr in eine Kinderbetreuung geben, anders bewertet werden:
„Als Mann tut es mir weniger weh, aber für die Frauen gibt es da sehr wohl ein Stigma. Wenn man die Kinder mit einem Jahr betreuen lässt, hat das einen üblen Beigeschmack. Das kriege ich mit von anderen Frauen und lustigerweise von anderen Männern, die dann sagen, da nimmt man dem Kind was.“ (Sebastian C.)
Einer der Väter in Wien wunderte sich, dass die Kinderbetreuung nicht von mehr Familien genutzt wird:
„Wenn ich unseren Sohn abhole, sind von 250 noch 25 Kinder da. Und da stelle ich mir die Frage: Da gibt es das Angebot, die Kinder zu betreuen, aber trotzdem machen das die Leute nicht. Ich vermute, in den meisten Fällen arbeiten die Frauen in Teilzeit. Die haben wohl ein schlechtes Gewissen.“ (Kurt F.)
Die Rollen dürfen Frauen und Männer nun endlich neu miteinander verhandeln, aber so, dass es für alle Beteiligten mehr Vorteile als Nachteile bringt, persönlich wie wirtschaftlich.
Um den Gegenbeweis zu erbringen, dass es auch ohne vorgegebene Rollen geht, eine Familie mit Kindern zu haben, interviewte ich queere Paare. Die typische Aufteilung der Rollen, was der „Mann“ macht und was die „Frau“ macht, ist hier aufgelöst. Diese Menschen können sich die Rolle aussuchen und sie genießen das in der Familie. Ein homosexueller Mann, der mit Mann und Kind in Wien lebt, sagte mir:
„Ich sehe Vorteile. Das ist ein riesen Vorteil: Man kann beides sein in einer Beziehung, Frau und Mann. Das ist ja keine Diskriminierung.“ (Kurt F.)
Eine Frau, die mit ihrer Frau und zwei Kindern zusammenlebt:
„Es gibt eine Rollenteilung, je nachdem, was wir gerne machen. Gesellschaftlich vorgegebene Rollen fallen weg, zum Glück. Können tut jede alles oder eben nicht.“ (Astrid W.)
Aufschlussreich dagegen ist die Meinung dieser Frau, was die Beziehung nach außen betrifft: Sie sagt, sie fühle sich doppelt benachteiligt: als Mutter, was die Erwartungshaltungen an sie beträfe, und als Frau im beruflichen Umfeld.