Kitabı oku: «Mut zum Rollentausch», sayfa 4

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WAS KINDER WIRKLICH BRAUCHEN

Kinder zu bekommen ist ein Segen. Kinder sind der Ausdruck von Liebe und eine Notwendigkeit für das menschliche Dasein. Sie sind, wie ein österreichischer Spitzenpolitiker es ausdrückte, die „unverhandelbare Gegenwelt“ im durchgetakteten, scheinbar immer schneller werdenden, teil-digitalisierten Leben der Menschen, die für sie sorgen. Der Kinderwunsch bleibt vielen Frauen, Männern und Familien versagt, aus unterschiedlichen Gründen.

Kinder brauchen unendlich viel, vor allem bedingungslose Liebe und Geborgenheit und sichere Bindung an mindestens einen Menschen, um einmal stabile, resilienzfähige und glückliche Erwachsene zu werden. Wenn Kinder da sind, sollten sie im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen, das ist auch eine große Verantwortung für deren Eltern, nicht nur für die Mutter.

Dass die Kinder in der Geborgenheit und Sicherheit einer Familie aufwachsen sollen, um ihre körperliche und seelische Gesundheit zu gewährleisten, ist klar und bleibt hier unhinterfragt. Viele Studien belegen diese Feststellung. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Wir dürfen aber darüber diskutieren, ob dafür nur die Mütter verantwortlich sein müssen. Es geht hier um nichts weniger als die Dekonstruktion eines Rollenbildes, jenes der Mutter. Wenn wir ihre Rolle nicht hinterfragen, hat ein sehr großer Teil unserer Gesellschaft nach wie vor persönliche Nachteile zu erwarten: die Frauen.

Laut Laura Wiesböck ist Österreich „Spitzenreiter bei kollektiver Ablehnung und Skeptizismus bei Erwerbstätigkeit von Müttern mit kleinen Kindern“.5

WIRTSCHAFTLICHE ASPEKTE ZUM MUTTERSEIN: MÜTTER UND BERUFSTÄTIGKEIT

Zunächst einmal eine Klarstellung: Frauen sind im Grunde immer tätig, weil sie auf der ganzen Welt immer noch den größten Teil der unverzichtbaren und wertvollen unbezahlten Haus- und Familienarbeit verrichten (siehe Tabelle im Kapitel „Der Wille zur Unabhängigkeit und Selbstbestimmung“). Die Realität ist außerdem, dass die meisten Mütter in Österreich und in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachgehen (siehe Kapitel „Frauen und Geld“). Frauen wollen arbeiten, Frauen müssen arbeiten, Frauen haben immer schon gearbeitet, auch mit Kindern. Sehr viele Frauen in Deutschland und in Österreich arbeiten in Teilzeit. Kann es sein, dass sie dadurch versuchen, nicht am Ideal der Mutter zu kratzen, das in unserer Gesellschaft noch immer stark vorhanden und verankert ist?

Wenn Menschen, die Kinder haben, wirtschaftlich unabhängig sein wollen, dann sollten sie das auch mit den anderen Bereichen in ihrem Leben vereinbaren können. Die meisten von uns können und wollen es sich schlicht nicht leisten, das nicht zu tun. Natürlich, ohne sich dabei völlig zu verausgaben. Dass das für einige Jahre nicht leicht ist, ist klar.

Wie empfinden das die Frauen, die Kinder haben und berufstätig sind, selbst? Eine Vorständin hat mir bei mehreren Fragen zu ihren Rollen als Frau, Mutter und Führungspersönlichkeit immer die gleiche Lösung angeboten: Sie hat Kommentare und Bewertungen aus ihrem Umfeld einfach ignoriert.

„Der Druck ist schon groß. Aber ich habe mich da nie einwickeln lassen. Ich war taub auf dem Ohr. Ich habe mich damit gar nicht befasst. Ich habe gesagt: Das ist mein Weg! Jede Mutter, die nur im Mutterschutz zu Hause ist, wie ich das gemacht habe, natürlich wird da im Umfeld gesprochen. Aber es wird genauso gesprochen, wenn eine Frau sieben Jahre zu Hause ist. Ich bin immun gegen dieses Thema. Auch heute noch. Mein Familienmodell entspricht dem, was für meine Familie, meinen Mann und meine Kinder das Richtige war.“ (Teresa I.)

Dazu braucht es manchmal sicher eine dicke Haut. Aber ich glaube, da, wo wir im Moment stehen, an dem Punkt, wo die sozial konstruierten Rollenbilder von Frauen und Männern zunehmend hinterfragt werden, besteht jetzt die einzige und beste Möglichkeit, den Zweifeln und den Unsicherheiten zu begegnen, indem ihnen kein Raum gegeben wird, so wie es die Vorständin gemacht hat.

Zuletzt ist die wichtigste Frage folgende: Fühlen sich alle Beteiligten, die Eltern und die Kinder, wohl in ihrem Leben? Dazu sagte mir die Vorständin.

„Zum Glück sind wir in einem Land, wo das jeder selbst entscheiden kann. Mir ist nur wichtig, dass junge Männer und junge Frauen das Ohr verschließen, wenn ihnen irgendjemand einredet, das sei nicht opportun.“ (Teresa I.)

WIE VIEL MUTTER UND WIE VIEL VATER BRAUCHEN UNSERE KINDER?

Weil ich meine, dass hier eine entscheidende Frage auf sachlicher Ebene geklärt werden muss, die Mütter und Väter verunsichern oder beruhigen kann, habe ich die international bekannte Bindungsforscherin Prof. DDr.in Lieselotte Ahnert zurate gezogen mit ihrem Buch, das genau darauf hinweist, was wir hier wissen wollen: „Wieviel Mutter braucht ein Kind?“6 Ahnert forscht seit den Achtzigerjahren zu Kleinkindern in familiärer und außerfamiliärer Betreuung auf der ganzen Welt, von Naturvölkern bis hin zu den modernen Betreuungseinrichtungen.

Nach Ahnert ist der wichtigste Aspekt, der Dreh- und Angelpunkt für das Wohl des Kindes „die sichere Bindung“ zur Mutter. Wobei sie die Bindung ausschließlich zur Mutter insofern relativiert, als sie schreibt:

„Mit Ausnahme des Stillens gibt es kaum Hinweise, dass Frauen darauf vorbereitet sind, der befähigtere Elternteil zu werden.“7

Das heißt aus Sicht der Forschung, die Väter können von Beginn an mindestens genauso gut die Kinder betreuen und eine Bindung zu ihnen aufbauen wie die Mütter. Und das können auch andere Personen inner- oder außerhalb der Familie, solange die sichere Bindung gewährleistet ist. Denn das ist nach Meinung der Forschung das wichtigste Kriterium für ein gesundes Aufwachsen der Kinder. Eine erfahrene Kinderpädagogin bestätigte mir diese wissenschaftliche Ansicht: Ihrer Meinung nach können Männer sehr schnell die Rolle des Vaters einnehmen und das Kind würde das auch schnell annehmen, wenn er sich intensiv um das Kind kümmere.

WENN DIE MUTTER GUT GENUG IST, IST SIE GUT

Zur außerfamiliären Betreuung, ihrem Forschungsschwerpunkt, bietet Ahnert eine sehr differenzierte Ansicht: Sie zitiert einen Kollegen mit dem Begriff der „hinreichend guten Mutter“. Ich würde das so formulieren: der Mutter, die gut genug ist für das Kind. Nachdem die Menschen über die längste Zeit ihrer Entwicklung als Jäger*innen und Sammler*innen lebten, zeigen die Naturvölker, wie unsere Spezies erfolgreich wurde. Und da haben nicht ausschließlich die Mütter ihre Kinder betreut, sondern oft buchstäblich das ganze Dorf.

WIE SEHEN DAS DIE KINDER?

Es ist interessant, sich die Rolle der Mutter einmal aus dem Blickwinkel der Kinder anzusehen und sich zu fragen, was besser ist: ein Mensch, der immer für die Kinder da ist und sich für sie aufopfert; oder ein Mensch, der auch sein eigenes Leben lebt, seine eigenen Erfahrungswelten hat, seine Arbeit und sein eigenes Geld. Und den Kindern somit eine Rolle vorlebt, die neben Liebe und Fürsorglichkeit auch Unabhängigkeit, Gestaltungsmöglichkeiten und Zufriedenheit außerhalb der Familie bietet.

Eine Interviewpartnerin, die schon neben ihren kleinen Kindern studiert hatte und sich dann ins obere Management eines internationalen Konzerns hinaufarbeitete, erzählte mir von der Rede ihrer Tochter auf der Maturafeier:

„Gestern hat sie maturiert und in ihrer Rede hat sie gesagt, sie ist so dankbar, dass sie in ihrem Leben viele, viele Bezugspersonen gehabt hat und dass sie Eltern gehabt hat, die vielleicht nicht immer quantitativ da waren, aber auf jeden Fall qualitativ. Und ihr größter Wunsch ist, dass sie einmal so wird wie ihre Mama! Und da habe ich mir gedacht, so falsch kann es nicht gewesen sein.“ (Thea R.)

Dieselbe Frau hat mir dann erzählt, wie in ihrem Umfeld über sie gesprochen wurde:

„Sie führt zwar kein artgerechtes Leben als Frau, aber immerhin hat sie zwei Kinder gekriegt.“ (Thea R.)

Diese Aussage zeigt einmal mehr, wie tief bei Menschen die Rollenbilder verankert sind.

Für die Kinder ist das Um und Auf die zufriedene, entspannte, ausgeglichene Mutter und der ausgeglichene Vater. Wann sind wir ausgeglichen? Wenn wir das tun, was wir gerne tun, was uns erfüllt und was wir für richtig halten (siehe Kapitel „Was will ich wirklich?“). Meine Interviewpartner*innen, alle in sehr anspruchsvollen Führungspositionen, haben mir diesen Eindruck vermittelt. Die Kinder haben ein sehr feines Sensorium, vor allem gegenüber ihren Bezugspersonen. Sie merken sofort, ob die entspannt sind oder nicht. Ich konnte das bei meinen Töchtern auch sofort merken. Es kommt also auf ihre innere Haltung an, mit der die Mutter ihren Kindern gegenübertritt.

Die Bindungsforscherin bestätigt diese Sicht, indem sie den berufstätigen Müttern sagt:

„Wenn sie ihre Arbeit als vorteilhaft für sich selbst, das Kind und die Familie ansehen, können sie mit größerem Selbstverständnis eine gute Beziehungsqualität zu ihren Kindern entwickeln.“8

Christine Bauer-Jelinek ortet eine große Verunsicherung bei Frauen, egal, was sie tun:

„Das schlechte Gewissen haben beide: Frauen, die bereits nach vier Monaten wieder Vollzeit arbeiten, fühlen sich als ‚Rabenmütter‘. Frauen, die nach einem Jahr noch nicht zurück in den Beruf gehen wollen, weil sie beispielsweise stillen oder die Zeit mit dem Kind genießen, müssen mit dem Vorwurf der ‚Gluckenmutter‘ fertig werden, weil alle sagen: ‚Was, du bist noch immer zu Hause?‘ In meiner Coachingpraxis erzählen beide von großem Druck und schlechtem Gewissen.“

Der Psychotherapeut Mathias Wais, der mit seinen Klient*innen Biografiearbeit durchführt und darüber mehrere Bücher geschrieben hat9, beobachtet in vielen der heutigen Frauenbiografien, dass sich ein Leitmotiv durchzieht: das Schuldgefühl. Will sich eine Frau aus den Rollenvorstellungen, die an Frauen geknüpft sind, herausentwickeln, wird sie in unserer Gesellschaft meistens auf Widerstand stoßen. Und sie hat ein schlechtes Gewissen.

Wais: „Lange haben Frauen ihre Individualisierung, ihre Ich-Entwicklung zurückstellen müssen. Jetzt kommt [sie] mit Macht.“

Wenn wir aus unseren Köpfen und Gefühlen die Glaubensmuster, Prägungen und Klischees zum Idealbild der Mutter und Familie verbannen können, werden sich sehr individuelle Lösungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ergeben, die sich zum Wohle aller Beteiligten auswirken. Diese sind im Kapitel „Der Wille zur Unabhängigkeit und Selbstbestimmung“ beschrieben. Die Lösung für die Lebensform muss jede Frau, jeder Mann und die Familie gemeinsam für sich finden.

DIE NEUEN MÄNNER: VÄTER IN KARENZ

Warum gehen Männer in Väterkarenz? Über ihre Motive. Was bringt es den Vätern, den Kindern, der Partnerin, den Unternehmen, der Gesellschaft? Über die Herausforderungen, die Männer erwarten, wenn sie in Väterkarenz gehen. Das Paradox bei der Väterkarenz in Österreich. Die Praxis in den Unternehmen, in denen Männer in Karenz gehen dürfen. Die Forschung zur Väterkarenz: Wie alles begann. Die Zahlen zu Vätern in Karenz in Österreich und in Europa. Die Wirkmächtigkeit der sozial konstruierten Geschlechterrolle „Mann“ und warum es gut wäre, wenn Männer neue Lebenskonzepte ausprobieren würden.

Für Männer in Österreich braucht es auch im Jahr 2019 immer noch viel Mut, um in Väterkarenz zu gehen.

Ein Beispiel: Ein Angestellter eines großen, sehr bekannten (halbstaatlichen!) Unternehmens, der in Väterkarenz gehen will, bekommt von seinem Vorgesetzten gesagt: „Willst du den Arsch deines Babys auswischen oder Karriere machen?“ Und dann teilte er ihm noch mit: „Wenn du nicht in Karenz gehst, wirst du mein Nachfolger.“ Er entschied sich trotz dieses Angebots für die Karenz. Das Ganze ereignete sich in den Nullerjahren, ist also nicht so lange her. Aufgestiegen ist dann tatsächlich ein anderer. Er behielt seinen Job, musste aber bis zum obersten Chef darum kämpfen, und nicht einmal sein ehemaliges Büro hatte er wieder bekommen …

Männern, die sich ihren Kindern widmen und in Karenz gehen wollen, geht es ähnlich wie Frauen: Während sie im „gebärfähigen Alter“ oft keine Karrierechance bekommen, müssen Männer, wenn sie den Wunsch äußern, die Väterkarenz zu beanspruchen, um Job und Karriere fürchten. Willkommen im 21. Jahrhundert!

Als ich ein Paar mit Kind interviewte, das sich für die Väterkarenz entschieden hatte, meinte sie nur:

„Anscheinend muss man so lang positive Beispiele vor den Vorhang zerren, bis die Leute sagen: ‚Na ja, es funktioniert scheinbar doch.‘“ (Ute C.)

Auch international tut man sich noch schwer mit Vätern, die aktiv die Betreuung von kleinen Kindern übernehmen: Im Internet verbreitete sich vor einiger Zeit die Geschichte eines Mannes, der unter dem Hashtag #SquatForChange (= hocken für eine Veränderung) seine Wickeltechnik zeigte, die er sich aneignete, da es auf Herrentoiletten meistens keine Wickeltische gibt.

Tatsache ist, das Rollenbild des Mannes bedarf dringend einer Revision: Genauso wie Frauen bestimmten Rollenbildern entsprechen sollen, sind Männer stereotypen Mustern und Vorstellungen von Männlichkeit unterworfen. Und das heißt zunächst einmal – stark vereinfacht, aber wichtig für das, was wir hier besprechen –: Alles, was mit Familie, Kindern, Gefühlen, Sensibilität usw. zu tun hat, ist unmännlich. Wobei diese Vorstellungen über das soziale Konstrukt Mann ganz unterschiedlich bewertet werden, je nachdem, wo der Mann privat und beruflich situiert ist: in der Stadt, am Land, in gebildeten oder in eher bildungsfernen Schichten der Bevölkerung. Mit den Interviews von zwanzig Männern, die zeitweise oder dauerhaft in Väterkarenz gegangen sind, konnte ich einen Einblick gewinnen, wie es mit der Väterkarenz in Österreich steht.

DIE MOTIVE DER MÄNNER, IN VÄTERKARENZ ZU GEHEN

Trotz schwieriger Rahmenbedingungen gibt es immer mehr Väter, die in Karenz gehen. Warum tun sie das? Männer, die in Väterkarenz gehen, haben zwei handfeste und gleichwertige Motive.

Das Herzensmotiv: die Liebe zu den Kindern

Das allererste Motiv für Männer, in Väterkarenz zu gehen, ist reine, bedingungslose Liebe zu ihren Kindern. Viele von ihnen erzählten mir, dass sie ihren Kindern näher sein wollten, als es die meisten der Väter bei ihnen selbst waren.

So erklärte mir Jörg Asmussen, ein Spitzenökonom aus Deutschland:

„Ich wollte selber Zeit mit meinen Kindern verbringen … im normalen Alltag, nicht irgendwann am Freitag und dann am Sonntag wieder los … Ganz normal, wenn die in die Schule gehen … dass man am Alltag Teil hat.“

Einer der Männer erzählte mir, dass er den ausdrücklichen Wunsch nach einem Kind hatte und deshalb mit seiner Frau „in Verhandlung“ ging, wie er mir sagte. Da seine Frau mehr verdiente als er, war klar, dass er mit dem Kind zu Hause bleiben wird. Den Wiedereinstieg machte der Beamte in Teilzeit und er konnte sich die Arbeit auch dann immer relativ flexibel einteilen.

Alle Männer erzählten mir, dass sie ihre Entscheidung sehr pragmatisch und sachbezogen getroffen haben. An erster Stelle stand der Wunsch, bei den Kindern zu sein. Diese Männer achteten also nicht zuerst darauf, was für den Mann „üblich“ ist, wenn er Vater wird. Sie machten sich keine Gedanken darüber, was „die Leute“ so reden, was das Umfeld denkt, wenn sie zu Hause bleiben. Das merkten sie erst später und wunderten sich. Es wurden Fakten nebeneinandergestellt und es wurde erwogen, was im Spannungsfeld zwischen Beruf, Kindern und Geld zu tun ist, damit für alle Beteiligten, Vater, Mutter, Kinder, ein möglichst angenehmes und förderliches Leben möglich ist.

Die Väter haben es alle nicht als etwas Besonderes gesehen, sich für die Karenz zu entscheiden. Jörg Asmussen sagt dazu, er sei gerne ein Rollenmodell, „aber mir erscheint das immer völlig normal“.

„Ich habe nicht daran gedacht, mir war es egal, wenn die Leute meinten: ‚Jetzt bist du aber schon lange daheim …!‘“. Der Mann, der mir das sagte, lebt am Land, arbeitet aber in der Stadt. Im Interview mit mir reflektiert er über seine Entscheidung, und da wird deutlich, wie gewöhnungsbedürftig es für das Umfeld ist, wenn ein Mann zu Hause bei den Kindern bleibt, also etwas tut, was noch nicht ins Rollenbild passt. Er erklärte mir das so:

„Es ist deine Entscheidung, zu der du selbst stehen musst. Die anderen ziehen sich zurück in den gewohnten Rahmen, wie es die Eltern schon gemacht haben, wie es der Arzt gesagt hat … da fühlen sie sich sicher. ‚Warum macht ihr das anders, ist das jetzt so schlecht gewesen?‘ Wir sind die ‚Exoten‘ in der ganzen Umgebung …“ (Ulrich H.)

Väter (und Mütter), bei denen die Kinder an erster Stelle stehen, entwickeln andere Wertigkeiten: So erzählte mir eine Familie, dass es ihnen lieber sei, für den teureren Kindergarten zu zahlen als sich ein größeres Haus zu kaufen. Eine andere Familie wiederum löste einen Bausparvertrag auf, damit der Vater länger bei den Kindern bleiben konnte.

Wenn Väter über die anstrengende Arbeit mit kleinen Kindern erzählen, wird diese wahrgenommen und sichtbar – wenn eine Mutter davon erzählt, wird es wahrscheinlich nicht als etwas Besonderes bewertet.

Keiner der Väter, mit denen ich gesprochen hatte, bereute auch nur eine Minute der Zeit, die er mit seinen Kindern verbracht hatte, trotz der vielen Hindernisse. Im Gegenteil: Alle berichteten mir von der Bereicherung, die ihnen dadurch zuteilwurde. Und manche von ihnen wären sehr gerne länger in Väterkarenz geblieben, wenn es die Umstände, vor allem die Einkommensverhältnisse und der Arbeitgeber, zugelassen hätten.

Das Motiv des partnerschaftlichen Teilens der Zeit mit den Kindern

Die Väter wollen sich die Elternzeit partnerschaftlich mit der Mutter ihrer Kinder teilen. Viele Männer erklärten mir, dass sie stolz auf den beruflichen Weg und auf die Position ihrer Partnerin seien. Sie wollten nicht, dass sie wegen der Kinder lange unterbrechen muss oder gar ihren Job verliert. Einer meiner Interviewpartner sagte dazu:

„Kinder an sich kann man sich leisten, aber die Frage ist schon wichtig: Können beide danach wieder arbeiten. Es geht darum, dass auch Ute (seine Ehefrau, Anm.) in der Gesellschaft wieder ihre Rolle hat und ihren Job wahrnehmen kann. Das ist mir wichtig, es geht nicht darum: Wir wollen nur das Geld. Es geht darum, dass beide wieder ins Berufsleben kommen, möglichst schnell. Weil man ist ja draußen! Der Wiedereinstieg ist nicht leicht.“ (Sebastian C.)

Ein anderer Vater dazu:

„Meine Frau war froh, wieder arbeiten gehen zu können. Ich habe kein Problem damit, dass sie mehr verdient als ich. Wir sehen das als Familieneinkommen. Sie kann ruhig besser sein als ich. In Wahrheit ist sie auch besser als ich.“ (Norbert W.)

Einer der Väter meinte, wenn seine Partnerin, die eine Führungsposition hat, länger wegbliebe, ginge es nicht um „das Geld, sondern die Position, die sie dann nicht mehr hat“.

Der Partner einer Unternehmerin, zwei Kinder, wählte bewusst einen stabilen Job als Angestellter, um das Risiko des Unternehmertums in der Familie auszugleichen. Er sieht die Entscheidung pragmatisch, weiß aber auch: „Sie arbeitet wesentlich härter als ich, das will ich nicht.“

Die meisten meiner Interviewpartnerinnen forderten von vornherein von ihrem Partner ein, dass er in Väterkarenz geht oder sich zumindest maßgeblich einbringt, was die Kinder betrifft. So wie eine heutige Vorständin, die mir erklärte:

„… und wenn das nicht gewesen wäre, hätte ich das nach kürzester Zeit beendet, ehrlich. Bei Kindern merkt man gleich, ob etwas funktioniert. Und man muss auch etwas fordern, das ist für Frauen auch eine wichtige Eigenschaft. Im Beruf und in der Familie muss man sich seine Position erarbeiten. Es ist ein Geben und Nehmen. Es muss partnerschaftlich sein.“ (Teresa I.)

Abgesehen davon wollen immer mehr Männer aus der traditionellen Rolle ausbrechen, mehr oder weniger alleine für die materielle Versorgung der Familie zuständig zu sein. Das bringt viel Verantwortung und Druck mit sich, die viele nicht mehr alleine tragen wollen.

Immer weniger Menschen lassen sich in die Zwänge unserer Leistungsgesellschaft einspannen. Sie stellen sich zunehmend die Frage nach dem Sinn des Lebens: Leben, nur um zu arbeiten, während sie eher arbeiten wollen, um zu leben. Meine Interviewpartnerinnen erzählten mir, dass einige Männer wie die Frauen in den Bewerbungsgesprächen um einer höheren Lebensqualität willen auf geregelte Arbeitszeiten Wert legten und sich eher nicht für den Job verausgaben wollten.

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22 aralık 2023
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