Kitabı oku: «Philosophisches Taschenwörterbuch», sayfa 2
Sie beweisen es noch mit Passagen aus Jesaja und Ezechiel – aber die Hebräer, zu denen Mose sprach, konnten weder Ezechiel noch Jesaja, die erst mehrere Jahrhunderte danach lebten, gelesen haben.
Es ist völlig unnütz, über Moses verborgene Gefühle zu streiten: Tatsache ist, dass er in seinen Gesetzen, die er dem Volk gab, nie über ein zukünftiges Leben sprach und alle Strafen oder Belohnungen auf das gegenwärtige Leben begrenzt. Wenn er von dem künftigen Leben wusste, warum hat er dann dieses wichtige Dogma nicht ausdrücklich erwähnt? Und falls er es nicht kannte, was war dann der Zweck seiner Mission? Dies ist eine Frage, die viele große Persönlichkeiten stellen. Sie antworten, dass Moses und aller Menschen Herr sich das Recht vorbehielt, den Juden zu einer von ihm bestimmten Zeit eine Lehre zu erklären, die sie während ihres Aufenthalts in der Wüste nicht imstande gewesen seien zu verstehen.
Wenn Mose das Dogma der Unsterblichkeit verkündet hätte, so wäre es nicht von einer der großen Gelehrtenschulen der Juden immerfort bekämpft worden. Die große Schule der Sadduzäer wäre vom Staat nicht zugelassen, nicht mit den erstrangigen Staatsaufgaben betraut worden, und man hätte keine Hohenpriester aus ihrer Mitte gewählt.
Es scheint, als hätten sich die Juden erst nach der Gründung Alexandrias in drei Sekten aufgeteilt: die Pharisäer, die Sadduzäer und die Essener. Der Historiker Flavius Josephus, ein Pharisäer, erklärt uns im 13. Buch seiner Jüdischen Altertümer, dass die Pharisäer an die Seelenwanderung glaubten, die Sadduzäer an den Untergang der Seele mit dem Körper, die Essener – sagt ebenfalls Josephus – hielten die Seele für unsterblich. Ihnen zufolge kamen die Seelen aus den höchsten Schichten der Atmosphäre in luftiger Form zu den Körpern herunter, wo sie von einer gewaltigen Anziehungskraft festgehalten werden, und nach dem Tod bleiben diejenigen, welche guten Menschen angehört haben, jenseits des Ozeans, in einem Land, wo es weder warm noch kalt ist, wo es weder Wind noch Regen gibt. Die Seelen der Bösen kommen in ein völlig entgegengesetztes Klima. Solcherart war die Theologie der Juden.
Derjenige aber, der alleine die ganze Menschheit lehren sollte, verurteilte alle drei Sekten, aber ohne ihn hätten wir niemals etwas über unsere Seele erfahren können, weil ja die Philosophen niemals eine präzise Vorstellung von ihr hatten, und Mose, der einzige wirkliche Gesetzgeber der Welt vor dem unseren, Mose, der mit Gott von Angesicht zu Angesicht sprach und ihn dabei nur von hinten sah, hat die Menschen in einer tiefen Unkenntnis über diesen erhabenen Gegenstand gelassen. Daher ist man sich erst seit siebzehnhundert Jahren der Existenz der Seele und ihrer Unsterblichkeit gewiss.
Cicero hatte nur Vermutungen, sein Enkel und seine Enkelin konnten die Wahrheit von den ersten Galiläern, die nach Rom kamen, erfahren.
Aber vor dieser Zeit und seither auch in der ganzen übrigen Welt, wo die Apostel nicht hinkamen, sagte jedermann zu seiner Seele: Wer bist du, woher kommst du, was tust du, wohin gehst du? Du bist ich weiß nicht was, du denkst und fühlst, aber auch wenn du hunderttausend Millionen Jahre fühlen und denken würdest, wirst du doch niemals aus eigener Erkenntnis, ohne die Hilfe eines Gottes, mehr darüber wissen können.
O Mensch, dieser Gott hat dir den Verstand gegeben, damit er dich gut leite, aber nicht, damit du in das Wesen der Dinge dringst, die er geschaffen hat.
AMITIÉ – Freundschaft
Das ist ein stillschweigender Vertrag zwischen zwei füreinander offenen und aufrichtigen Personen. Ich sage offen, weil ein Mönch, ein Einsiedler, keineswegs bösartig sein muss und doch lebt, ohne die Freundschaft zu kennen. Ich sage aufrichtig, weil die Bösartigen nur Komplizen haben, Wollüstlinge haben Kumpane ihrer Ausschweifungen, Gewinnsüchtige Teilhaber, Politiker versammeln Parteigänger, der gewöhnliche Müßiggänger hat seine Beziehungen, Prinzen haben Höflinge, allein aufrichtige Menschen haben Freunde. Cethegus war der Komplize von Catilina und Maecenas der Höfling von Octavius, aber Cicero war der Freund von Atticus.
Wozu führt dieser Vertrag zwischen zwei zartfühlenden und aufrichtigen Seelen? Die Verpflichtungen sind je nach dem Grad ihrer gegenseitigen Offenheit und der Anzahl der erwiesenen Dienste usw. stärker oder schwächer.
Die Begeisterung für die Freundschaft war bei den Griechen und bei den Arabern stärker als bei uns. Die Erzählungen über die Freundschaft, die sich diese Völker ausgedacht haben, sind bewundernswert, wir haben nichts Vergleichbares, wir sind in allem ein wenig trockener.
Die Freundschaft war bei den Griechen Bestandteil der Religion und der Gesetzgebung. Die Thebaner hatten das Regiment der Liebenden*: ein schönes Regiment! Einige haben es für ein Regiment von Sodomiten gehalten; sie irren und halten die Nebensache für die Hauptsache. Die Freundschaft war bei den Griechen durch Gesetz und Religion geboten. Die Päderastie wurde bedauerlicherweise von ihren Sitten toleriert, man sollte einem Gesetz aber nicht den schändlichen Missbrauch anlasten. Wir werden später darauf zurückkommen.
AMOUR – Liebe
Amor omnibus idem.* Hier müssen wir uns auf körperliche Dinge beziehen, denn Liebe ist ein Stoff der Natur, den die Fantasie bestickt hat. Willst du eine Vorstellung von der Liebe bekommen, so schau auf die Spatzen in deinem Garten, auf deine Tauben; betrachte den Stier, welchen man zu deiner Jungkuh bringt; sieh den stolzen Hengst, den zwei Stallburschen der friedlichen Stute zuführen, die ihn erwartet und ihren Schweif zur Seite dreht, um ihn zu empfangen; sieh, wie seine Augen sprühen; höre sein Gewieher; betrachte dies Springen und Tänzeln, die gespitzten Ohren, das Maul, wie es sich unter kurzen Zuckungen öffnet, die geblähten Nüstern, den entflammten Atem, der daraus entweicht, die Mähne, die sich sträubt und wogt, diese ungestüme Bewegung, mit der er sich auf das Objekt stürzt, das seine Natur ihm bestimmt hat. Du aber sei bloß nicht eifersüchtig, sondern gedenke der Vorzüge der menschlichen Gattung: sie entschädigen in der Liebe für alles, was die Natur den Tieren mitgab: Kraft, Schönheit, Zwanglosigkeit, Schnelligkeit.
Es gibt sogar Tiere, welche die Sinneslust überhaupt nicht kennen. Die schuppigen Fische sind dieser Wonne beraubt, das Weibchen wirft Millionen von Eiern in den Schlamm; das Männchen, das darauf stößt, zieht darüber hin und befruchtet sie mit seinen Samen, ohne sich zu bekümmern, welchem Weibchen sie zugehören.
Die meisten der Tiere, die sich paaren, kosten die Lust nur mit einem einzigen Sinn aus, und sobald dieses Verlangen gestillt ist, erlischt alles. Kein Lebewesen außer dir kennt die Umarmung; dein ganzer Leib ist empfindsam; deine Lippen vor allem genießen eine Wollust, die nichts ermüdet, und diese Lust gehört deiner Gattung allein. Schlussendlich kannst du dich jederzeit der Liebe hingeben, während die Tiere nur einen bestimmten Zeitraum haben. Wenn du diesen Vorrang bedenkst, wirst du mit dem Grafen von Rochester sagen: »Die Liebe brächte noch ein Land von Atheisten dahin, das Göttliche anzubeten.«*
Weil die Menschen die Gabe erhalten haben, alles, was die Natur ihnen gewährt hat, zu vervollkommnen, haben sie auch die Liebe vervollkommnet. Die Sauberkeit, die Körperpflege, die die Haut zarter machen, erhöhen die Lust am Berühren, und die Sorge um unsere Gesundheit macht die Organe der Lust empfindsamer.
Alle anderen Empfindungen münden schließlich in die der Liebe, so wie Metalle, die sich mit Gold verbinden: die der Freundschaft, der Achtung kommen verstärkend hinzu; die Gaben des Körpers und des Geistes sind zusätzliche Bande.
Nam facit ipsa suis interdum faemina factis,
Morigerisque modis, et mundo corpore cultu,
Ut facile insuescat secum vir degere vitam. *
LUKREZ
Vor allem die Eigenliebe lässt all diese Bande immer fester werden. Man beglückwünscht sich selbst zu seiner Wahl, und die Illusionen schmücken zuhauf dieses Werk aus, dessen Grundlagen die Natur geschaffen hat.
Das also ist es, was du den Tieren voraus hast, doch wenn du so viele Freuden genießt, die sie nicht kennen, so auch viele Leiden, von denen sich die Tiere überhaupt keine Vorstellung machen! Das Schreckliche für dich ist, dass die Natur in drei Vierteln der Erde die Liebesfreuden und die Quellen des Lebens mit einer scheußlichen Krankheit vergiftet hat, die nur den Menschen trifft und die nur bei ihm die Fortpflanzungsorgane infiziert!
Es ist mit dieser Pest nicht so wie mit zahlreichen anderen Krankheiten, die eine Folge unserer Maßlosigkeit sind. Es ist mitnichten die Ausschweifung, die sie in die Welt gebracht hat. Phryne, Lais, Flora, Messalina* wurden nicht von ihr befallen, sie ist auf Inseln entstanden, wo die Menschen in Unschuld lebten, und hat sich von dort aus in der Alten Welt ausgebreitet.
Wenn es jemals einen Grund gab, die Natur anzuklagen, dass sie ihr eigenes Werk missachtet, ihrem eigenen Plan widerspricht, gegen ihre eigenen Absichten handelt, dann aus diesem Anlass. Ist dies die beste aller möglichen Welten? Wie das? Wenn jene Krankheit Cäsar, Antonius, Octavius nicht befiel, hätte es dann nicht sein können, dass sie auch François I verschonte? Nein, sagt man, die Dinge wurden so zum Besten eingerichtet: Ich möchte es glauben, aber es fällt schwer.
AMOUR NOMMÉ SOCRATIQUE – Sokratische Liebe (Homosexualität)
Wie hat es geschehen können, dass ein Übel, Vernichter des Menschengeschlechts, wäre es allgemein, ein schändliches Attentat auf die Natur, trotzdem so natürlich ist? Es scheint der letzte Grad bewusster Verderbtheit zu sein und ist doch übliche Praxis von Leuten, die noch gar nicht die Zeit hatten, verderbt zu werden. Es hat in ganz frische Herzen Eingang gefunden, die noch gar nicht Ehrgeiz, Täuschung noch Geldgier kannten; es ist die blinde Jugend, die sich gleich am Ausgang der Kindheit aus fehlgeleitetem Instinkt dieser Verwirrung hingibt.
Früh offenbart sich die Neigung der beiden Geschlechter zueinander; aber was man auch immer über Afrikanerinnen und die Asiatinnen des Südens gesagt haben mag, diese Neigung ist im Allgemeinen sehr viel stärker beim Mann als bei der Frau, dies ist ein Gesetz, das von Natur aus für alle Tiere gilt, es ist immer das Männchen, das das Weibchen angeht.
Die jungen Männchen unserer Art fühlen die Kraft, die die Natur in ihnen entfaltet, und finden, da sie gemeinschaftlich erzogen werden, kein natürliches Objekt für ihren Trieb; so begnügen sie sich mit dem, was ihm gleicht. Oft gleicht ein Knabe mit der Frische seines Teints, seinem plötzlichen Erröten, der Sanftheit seiner Augen zwei oder drei Jahre lang einem schönen Mädchen; wenn man ihn liebt, so geschieht das, weil die Natur einen Fehlgriff begeht; man huldigt dem Geschlechtlichen, indem man sich an das bindet, was dessen Schönheit aufweist, und wenn mit dem Alter diese Ähnlichkeit geschwunden ist, hat der Fehlgriff ein Ende.
Citraque juventam,
Atatis breve ver et primos carpere flores. *
Man weiß zur Genüge, dass dieser Fehlgriff der Natur im Süden viel verbreiteter ist als im eisigen Norden, weil dort das Blut hitziger ist und die Gelegenheit häufiger: daher ist, was beim jungen Alkibiades nur als Schwäche erscheint, eine widerliche Schändlichkeit bei einem holländischen Matrosen oder einem Moskauer Marketender.
Ich kann es nicht hinnehmen, dass man behauptet, die Griechen hätten diese Zügellosigkeit gutgeheißen. Man zitiert Solon, den Gesetzgeber, weil er in zwei schlechten Versen gesagt hat:
Zärtlich liebe einen schönen Knaben,
Solange er keinen Bart am Kinn trägt.
Aber wahrhaftig, handelte Solon als Gesetzgeber, als er diese beiden lachhaften Verse schrieb? Er war damals noch jung. Und als der Lüstling weise wurde, hütete er sich, seinen republikanischen Gesetzen eine derartige Schändlichkeit einzufügen. Es ist wie wenn man Théodore de Bèze bezichtigte, er habe in seiner Kirche die Knabenliebe gepredigt, weil er in seiner Jugend Verse für den jungen Candide verfasst hat, in denen es heißt:
Amplector hunc et illam. *
Man missbraucht einen Text Plutarchs, der in den Plaudereien seines Dialog über die Liebe einen Gesprächspartner sagen lässt, dass die Frauen der wirklichen Liebe nicht wert seien, ein anderer Gesprächsteilnehmer jedoch unterstützt die Seite der Frauen, wie es seine Pflicht ist.
Es ist gewiss, soweit die Wissenschaft von der Antike es sein kann, dass die sokratische Liebe keineswegs schändlich war; hier hat der Begriff der Liebe getäuscht. Was man die Liebhaber eines jungen Mannes nannte, war genau das, was bei uns die Edelknaben der Fürsten sind, was die Ehrenkinder waren: junge Männer, die für die Erziehung einem Kind aus hohem Hause zur Seite gestellt wurden, gemeinsam dieselben Studien machten, dieselben militärischen Übungen, eine kriegerische und heilige Einrichtung, die man zu nächtlichen Festen und Orgien missbrauchte.
Das Heer der Liebenden, das Laios schuf,* war eine unbesiegbare Einheit junger Krieger, die durch Eid verpflichtet waren, ihr Leben füreinander zu geben; und es war das disziplinierteste Heer, das die Antike je hatte.
Sextus Empiricus und andere haben gut reden, wenn sie behaupten, die Knabenliebe sei von den Gesetzen Persiens empfohlen worden. Sie sollten den Text des Gesetzes zitieren, sie sollten das Gesetzbuch vorzeigen, und würden sie es vorzeigen, so glaubte ich es noch immer nicht und würde sagen, die Geschichte sei falsch, und zwar deshalb, weil sie unmöglich ist. Nein, in der Natur des Menschen liegt es nicht, ein Gesetz zu verfassen, das der Natur widerspricht und ihr Schimpf antut, ein Gesetz, welches das Menschengeschlecht auslöschte, würde es buchstabengetreu befolgt. Gewisse Leute haben beschämende Praktiken, die in einem Land toleriert wurden, für ein Gesetz des Landes ausgegeben. Sextus Empiricus, der an allem zweifelte, hätte sehr wohl an einer solchen Rechtsprechung zweifeln sollen. Würde er zu unserer Zeit leben und sehen, wie zwei oder drei junge Jesuiten einige ihrer Schüler missbrauchen, hätte er dann das Recht, zu sagen, dieses Spiel sei ihnen nach den Regeln Ignatius von Loyolas erlaubt?
Die Knabenliebe war in Rom derart verbreitet, dass man nicht darauf kam, diese Geschmacklosigkeit zu bestrafen, der alle Welt mit gesenktem Haupt nachging. Octavius Augustus, dieser lüsterne Mordbube und Feigling, der es wagte, Ovid zu verbannen, fand es sehr gut, dass Vergil den Alexis besang* und dass Horaz kleine Oden auf Ligurinus verfasste,* aber das alte Scantinia-Gesetz*, das die Knabenliebe verbot, bestand noch immer: Kaiser Philippus verhalf ihm wieder zur Geltung und hat alle kleinen Jungen, die diesem Metier nachgingen, aus Rom vergejagt. Schlussendlich glaube ich nicht, dass jemals eine zivilisierte Nation Gesetze gegen die guten Sitten gemacht hat.
AMOUR PROPRE – Eigenliebe
Ein Bettler aus der Gegend um Madrid bat mit edler Geste um Almosen. Ein Passant sagte zu ihm: »Schämen Sie sich denn nicht, diesem unwürdigen Beruf nachzugehen, wo Sie doch arbeiten können?« – »Mein Herr, antwortete der Bettler, ich bitte Sie um Geld, und nicht um Ratschläge«; dann drehte er ihm den Rücken zu und bewahrte so seine kastilische Würde. Das war schon ein stolzer Herr, dieser Bettler, ein Weniges genügte, um seine Eitelkeit zu verletzen. Aus Eigenliebe bat er um Almosen und duldete nicht, dass eine andere Eigenliebe ihn rügte.
Ein Missionar reiste durch Indien und traf auf einen Fakir, kettenbehängt, nackt wie ein Affe, der auf seinem Bauch lag und sich für die Sünden seiner indischen Mitbürger auspeitschen ließ, die ihm dafür einige Heller in Landeswährung gaben. »Welche Selbstverleugnung!«, sprach einer der Zuschauer – »Selbstverleugnung?«, erwiderte der Fakir; »Sie sollen wissen, dass ich mir in dieser Welt nur den Hintern versohlen lasse, um es Ihnen in einer anderen zurückzugeben, wenn Sie das Pferd sein werden und ich der Reiter.«
Diejenigen, die gesagt haben, dass die Eigenliebe die Grundlage all unserer Empfindungen und Handlungen sei, haben folglich absolut recht in Indien, in Spanien und auf der ganzen bewohnbaren Erde; und weil man nicht schreibt, um den Menschen zu beweisen, dass sie ein Gesicht haben, braucht man ihnen auch nicht zu beweisen, dass sie Eigenliebe besitzen. Diese Eigenliebe ist das Werkzeug unserer Selbsterhaltung und gleicht dem Werkzeug unserer Arterhaltung; es ist uns unentbehrlich, es ist uns teuer, es bereitet uns Vergnügen, und man muss es verbergen.
ANGE – Engel
Engel heißt auf Griechisch »der Abgesandte«; man ist auch nicht viel klüger, wenn man weiß, dass die Perser Peris hatten, die Hebräer Malachim, die Griechen ihre Daimonoi.
Aber was uns vielleicht klüger macht, ist, dass es schon immer einer der ersten Gedanken der Menschen gewesen ist, zwischen der Gottheit und uns vermittelnde Wesen einzusetzen: Das sind jene Dämonen, jene Genien, welche die Antike sich ausdachte. Der Mensch schuf die Götter immer nach seinem Bilde. Man sah, dass die Fürsten ihre Befehle durch Boten übermitteln ließen, also schickte auch die Gottheit ihre Kuriere, Merkur, Iris waren Kuriere, Sendboten.
Die Hebräer, dieses einzige von der Gottheit selbst geführte Volk, gaben den Engeln, die Gott ihnen schließlich zu schicken geruhte, zunächst keine Namen; sie entlehnten die Namen, die die Chaldäer ihnen gaben, als das jüdische Volk in Babylonien gefangen gehalten wurde. Michael und Gabriel werden zum ersten Mal von Daniel, einem Sklaven dieses Volkes, genannt. Der Jude Tobias, der in Ninive wohnte, wusste vom Engel Raphael, der mit seinem Sohn auf die Reise ging, um ihm das Geld eintreiben zu helfen, das ihm der Jude Gabael schuldete.*
In den jüdischen Gesetzen, das heißt, im Levitikus und im Deuteronomium, findet sich nicht die geringste Bemerkung über die Existenz von Engeln, geschweige denn über ihre Verehrung; daher glaubten die Sadduzäer nicht an Engel.*
Aber in den Geschichten der Juden ist viel von ihnen die Rede. Diese Engel besaßen einen Körper, sie hatten Flügel auf dem Rücken, so, wie die Heiden erfanden, dass Merkur welche an den Fersen hatte; manchmal verbargen sie ihre Flügel unter ihren Gewändern. Wie sollten sie auch keine Körper haben, wo sie doch aßen und tranken und die Einwohner Sodoms die Sünde der Päderastie mit den Engeln begehen wollten, die zu Lot kamen.
Nach Maimonides kannte die alte jüdische Tradition zehn Stufen, zehn Ordnungen von Engeln. 1. Die Chajot Hakodesch, die Reinen, Heiligen. 2. Die Ophanim, die Schnellen. 3. Die Oralim, die Starken. 4. Die Chasmalim, die Flammenden. 5. Die Seraphim, die Brennenden. 6. Die Malakim, Engel, Boten, Abgesandte. 7. Die Elohim, die Götter oder Richter. 8. Die Bene Elohim, Kinder der Götter. 9. Die Cherubim, die Spiegelbilder. 10. Die Ychim, die Beseelten.*
Die Geschichte vom Sturz der Engel findet sich nicht in den Büchern Mose; das erste Zeugnis, von dem man berichtet, ist das des Propheten Jesaja, der den König von Babylon anherrscht: »Was ist aus dem Tributeintreiber geworden? Die Tannen und die Zedern erfreuen sich seines Sturzes; wie bist du vom Himmel gefallen, o Helel, Stern des Morgens?« Man übersetzte dieses Helel mit dem lateinischem Wort Luzifer, und danach hat man den Namen Luzifer in allegorischem Sinn dem Fürsten der Engel gegeben, die im Himmel Krieg führten; und schließlich ist dieser Name, der Träger des Lichts und Morgenröte bedeutet, zum Namen des Teufels geworden.
Die christliche Religion ist auf dem Sturz der Engel aufgebaut. Diejenigen, die sich auflehnten, wurden aus den Sphären, die sie bewohnten, hinabgestürzt in die Hölle im Inneren der Erde und wurden zu Teufeln. Ein Teufel in Schlangengestalt verführte Eva und brachte dem Menschengeschlecht die Verdammnis. Jesus kam zur Erlösung des Menschengeschlechts und um den Teufel zu bezwingen, der uns noch immer in Versuchung führt. Jedoch ist die dem zugrunde liegende Überlieferung nur in dem apokryphen Buch Henoch zu finden, zudem unterscheidet sie sich stark von der traditionellen Überlieferung.
Der heilige Augustinus hat in seinem 109. Brief keinerlei Schwierigkeiten, den guten und den bösen Engeln von allem losgelöste und geschmeidige Körper zuzuordnen.* Papst Gregor II. hat die zehn von den Juden anerkannten Engelchöre auf neun Chöre, neun Stufen oder Ordnungen, verringert; dies sind die Seraphim, die Cherubim, die Throne, die Herrschaften, die Tugenden, die Gewalten, die Fürsten, die Erzengel und schließlich die Engel, die den acht weiteren Ordnungen ihren Namen geben.*
Die Juden hatten im Tempel zwei Cherubim mit jeweils zwei Köpfen, einen Stier- und einen Adlerkopf, dazu sechs Flügel. Heute stellen wir sie als fliegenden Kopf mit zwei kleinen Flügeln unterhalb der Ohren dar. Die Engel und die Erzengel stellen wir in Gestalt junger Männer dar, mit zwei Flügeln auf dem Rücken. Hinsichtlich der »Throne« und der »Mächte« ist man noch nicht auf den Gedanken gekommen, sie darzustellen.
Der heilige Thomas sagt in seiner Quaestio 108, Artikel 2, die Throne seien ebenso nah bei Gott wie die Cherubim und die Seraphim; sind sie es doch, auf denen Gott sitzt. Scotus hat tausend Millionen Engel gezählt. Nachdem die alte Mythologie von den guten und den bösen Genien vom Orient auf Griechenland und Rom übergegangen war, haben wir diese Ansicht bestätigt, indem wir jedem Menschen einen guten und einen bösen Engel zuordneten, von denen der eine ihm beisteht, der andere ihm von der Geburt bis zum Tode schadet; aber man weiß noch nicht, ob diese guten und bösen Engel andauernd von einem Einsatzort zum anderen wechseln, oder ob sie von anderen Engeln abgelöst werden. Man konsultiere zu dieser Frage die Summa des heiligen Thomas.*
Man weiß nicht genau, wo sich die Engel aufhalten, ob in der Luft, im leeren Raum oder auf den Planeten. Gott wollte nicht, dass wir etwas darüber wissen.