Kitabı oku: «Seelische Erkrankungen bei Menschen mit Behinderung», sayfa 8
Traumatisierungen durch das Erleben überwältigender Ereignisse
Erfahrungen können eine traumatisierende Dimension haben, auch wenn sie die jeweilige Person nicht primär betreffen. Dies kann in unterschiedlicher Weise geschehen, beispielsweise durch das Miterleben eines schweren Unfalls oder indem ein Mensch Zeuge eines Verbrechens wird (einen Mord mit ansehen muss, eine Leiche auffindet etc.). Hierzu gehört auch das Miterleben von Großbränden oder Naturkatastrophen wie schweren Überschwemmungen, Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Hurrikans oder Ähnlichem. Auch die Konfrontation mit einer schwerwiegenden Erkrankung oder dem Tod besonders von Angehörigen kann traumatisierend wirken, vor allem, wenn die Vermittlung dieser eingreifenden Veränderung in unsensibler Weise geschieht.
Gemeinsam ist all diesen schmerzlichen Erfahrungen die eigene Ohnmacht, die Hilflosigkeit, das Entsetzen und die damit zusammenhängende schwere Angstsymptomatik.
Das Erleiden einer emotionalen Traumatisierung
Unterschätzung durch »undramatischen Verlauf«
Eine besondere Form der Traumatisierung stellt die emotionale Traumatisierung dar. Da diese Form der Traumatisierung meist »undramatisch« verläuft, für die Umgebung oft nicht unmittelbar wahrnehmbar, werden die Bedeutung, die Schwere und die Auswirkungen dieser Erfahrungen für die Entwicklung eines Menschen häufig gravierend unterschätzt. Hierzu gehört all das, was mit Vernachlässigung, Deprivation (d.h. Mangel, Verlust oder Entzug von elementaren Beziehungen), seelischer Verwahrlosung oder auch mit der Missachtung von primären Bedürfnissen zusammenhängt.
Einschätzung oft nicht möglich
Kinder können durchaus spüren, ob die erlittene Gewalt, der sie ausgesetzt sind, ungerecht, »nicht richtig« ist. Je älter sie werden, können sie auch das grundlegend Falsche und für sie Schädliche von sexueller Gewalt ahnen und zunehmend erkennen. Den Formen der emotionalen Gewalt sind sie jedoch in besonderer Weise ausgeliefert. Sie verstehen oft nicht das Unrechte daran, erleben diese Bedingungen als gegeben. Oder sie empfinden sich selber als »schuldig«, als so wertlos, dass sie diese Art des Umgangs »verdienen«.
Diese »leisere« Form der Gewalt kommt ganz überwiegend in der Primärfamilie vor. In etwas abgewandelter Form können Kinder dies jedoch auch in Kindergarten, Schule oder anderen sozialen Zusammenhängen erleiden.
Auch der sogenannte »Liebesentzug« stellt eine subtile Form der Gewalt dar.
Da Kinder diese Erlebnisse als primäre Erfahrungen machen, fehlt ihnen ein Korrektiv, das Wissen, welches Maß an Beachtung, Unterstützung bzw. Förderung ihnen »eigentlich« zusteht.
Oft wird die Bedeutung einer emotionalen Traumatisierung erst in der weiteren Entwicklung, immer wieder auch erst im Erwachsenenalter sichtbar. Es bedarf eines sehr aufmerksamen Nachfragens, um die hiermit zusammenhängenden Umstände bewusst zu machen.
In der Therapie – im Einzelnen dazu später (siehe Seite 113 ff.) – wird es hier vorrangig und zentral um ein »Nachschaffen« von Vertrauensbildung und Wahrgenommen-Werden gehen.
Transgenerationale Traumatisierung
Übertragung auf spätere Generationen
Mit wachsender Aufmerksamkeit für Formen der Traumatisierung und deren Erforschung wurde deutlich, dass eine Traumafolgestörung auch bei Menschen auftreten kann, die selber kein Trauma erlitten haben. Zunehmend wird deutlich, dass dieses Phänomen nicht selten ist – häufig aber übersehen wird. Wir müssen heute davon ausgehen, dass nicht nur individuell erlittene Verletzungen zu einer Traumatisierung führen, sondern dass Traumata von einer Generation zur nächsten – möglicherweise auch noch auf weitere nachfolgende Generationen – übertragen werden können. Dabei handelt es sich oft um »kollektive Traumata« wie Kriegserlebnisse, erlittene Gewalt bei Migranten und Ähnliches. Aber auch individuell erlittene schwere Traumata wie Missbrauch und Vernachlässigung können in ihren Auswirkungen übertragen werden.
epigenetische Faktoren möglich
Der Weg dieser Weitergabe über Generationen ist noch nicht hinreichend erforscht. Möglicherweise spielen hier sogenannte epigenetische Faktoren eine Rolle. Vielleicht aber muss auch der Begriff der »Vererbung« – der sich bisher fast ausschließlich auf die genetisch vermittelte Weitergabe stützt – neu formuliert werden.
Begünstigend für diese Form der »Vererbung« scheint es zu sein, wenn es einer Person nicht möglich ist, im Rahmen des eigenen Lebens das Erlittene zu thematisieren und weitestmöglich zu «klären«. Problematisch wirkt es sich aus, wenn ein Geschehen »im Dunkel« geblieben ist.
Die Folgen einer Traumatisierung
hirnorganische Veränderungen
Die Auswirkungen einer Traumatisierung können sehr vielfältig und tiefreichend sein und müssen differenziert betrachtet werden. Schwere, anhaltende frühe Traumatisierungen können bis hin zu hirnorganischen Veränderungen führen. Dies betrifft insbesondere drei Strukturen des Gehirns.
Amygdala
Zum einen kann die Funktion der Amygdala beeinträchtigt sein. Diese auch als »Mandelkern« bezeichnete Zellstruktur im Zentralnervensystem ist Teil des Temporallappens und somit Teil des Limbischen Systems. Dieser Bereich verarbeitet von außen kommende Impulse und leitet vegetative Reaktionen dazu ein. Insbesondere gehören hierzu die Wahrnehmung von Erregung und im weiteren Sinne alle Bereiche von Angst und Furcht, wie sie als Reaktionen auf so empfundene Bedrohungsreize auftreten können; wir nennen sie auch unser »Angstzentrum«. Eine der Folgen einer frühen Traumatisierung ist eine erhöhte Aktivität der Amygdala – und damit eine oft erhöhte Angstbereitschaft.
Hippocampus
Ein weiterer Bereich des Limbischen Systems ist der Hippocampus. Er ist wichtig für die Gedächtniskonsolidierung, also die Überführung von Gedächtnisinhalten aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis. Diese Funktionen haben mit dem Lernen zu tun. Bei früh traumatisierten Menschen kann die Ausbildung dieses Hippocampus beeinträchtigt sein, er bleibt dann kleiner. Dies hat zur Konsequenz, dass die Lernfähigkeit, besonders die Fähigkeit Betroffener zum Lernen aus Erfahrung, beeinträchtigt sein kann, vor allem auch das Erlernen der wesentlichen Erfahrung: Das war, das kommt nicht wieder – oder auch: Der, der mir das angetan hat, kommt nicht wieder. Und: Ich weiß, dass ich ein anderer geworden bin!
präfrontaler Cortex
Ein weiterer Bereich ist der Frontallappen oder auch Stirnlappen des Gehirns. Dieser Bereich, darin vor allem der präfrontale Cortex, reguliert die kognitiven Prozesse mit dem Ziel, dass jeweils situationsgerechte Handlungen ausgeführt werden können. Auch beeinflusst der Stirnlappen die Amygdala im Hinblick auf Beruhigung und Angstregulierung. Dieser Frontallappen wird durch eine im frühen Lebensalter erlittene Traumatisierung ebenfalls in seiner Ausbildung gehemmt und bleibt kleiner.
Diese zutiefst mit dem Angsterleben und der Angstentwicklung zusammenhängenden komplexen hirnorganischen Veränderungen führen dazu, dass sich betroffene Menschen schneller fürchten, einen stärkeren Schreckreflex aufweisen, dass sie viel eher eine Angst vor der Nähe zu anderen Menschen empfinden, im Alltag allgemein ängstlicher sind – kurz: dass sie ein Leben in Alarmbereitschaft leben.
Körpergedächtnis
Unabhängig von diesen konkreten, bis in die hirnorganische Struktur gehenden Veränderungen sprechen wir bei der PTBS oft auch vom »Körpergedächtnis«. Der Traumaforscher Bessel van der Kolk hat folgerichtig sein wesentliches Buch zur Traumafolgestörung Verkörperter Schrecken benannt und darin Traumaspuren im Gehirn oder auch übergreifend im Körper beschrieben.41
Vereinfachend benennen wir mit Körpergedächtnis eine umfassende Reaktion unseres Körpers auf traumatisierende Ereignisse. Diese kann – wie beschrieben – bis in die Gehirnstruktur reichen, Formen der Muskelanspannung ebenso wie vegetative Symptome umfassen und Einfluss auf die Herzaktionen, die Verdauungsbereiche, regenerative Faktoren, die Krankheitsanfälligkeit, Regulationsstörungen und etliche Funktionen mehr nehmen.
Entscheidend und übergreifend verbindet alle diese Symptome, dass bei einem Betroffenen die aktive, bewusste und willentliche Handlungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt ist.
Dissoziation
Ein wesentliches Phänomen zum Verständnis von Auswirkung und Folgen einer Traumatisierung ist die Dissoziation (auch »Fragmentation«). Dissoziation beschreibt das teilweise oder vollständige Auseinanderfallen von körperlichen und seelischen Funktionen und umfasst damit Bereiche der Wahrnehmung, des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität, aber auch der Motorik.
Spaltung zwischen Ich und Emotionen
Dissoziation kann zwischen Bewusstsein und Körper auftreten, Dissoziation kann einen Teil des Körpers umfassen, dann eine Spaltung beispielsweise zwischen dem Kopf und den Gliedmaßen oder den Gliedmaßen und dem restlichen Körper bewirken mit der Folge, dass Gliedmaßen nicht mehr willentlich gesteuert werden können. Bei einer Dissoziation kann ebenso eine Spaltung zwischen dem Ich und den Emotionen, zwischen Gedanken und Empfindungen auftreten. Auch zu einer Spaltung zwischen dem Ich und der Erinnerung an einen Teil eines Ereignisses oder an ein Ereignis als Ganzes kann eine Dissoziation führen.
Somit erschwert oder verhindert eine solche Dissoziation die Möglichkeit, dass ein Mensch seiner selbst in der Fülle bewusst wird, auch über die Möglichkeiten der eigenen Entwicklung, Bewältigung und Verwandlung. So können die eigenen Gefühle als fremd oder nicht zugänglich erlebt werden, was zur Folge hat, dass sich die Betroffenen in ihrer Autonomie des eigenen Handelns als beschränkt und begrenzt erfahren.
Ein 32-jähriger Mann wurde Opfer eines heimtückischen Raubüberfalls, bei dem sein Vertrauen ausgenutzt wurde. Trotz weitgehender Integration in Privat- wie Berufsleben treten Zustände einer vermeintlichen Apathie auf; er erlebt sich dann handlungsunfähig, ausgeprägt verlangsamt, nimmt die Umgebung »wie von weit her« wahr und hat kein Gefühl dafür, wie seine Füße auf dem Boden stehen.
Eine 32-jährige Frau war in der Kindheit schwerster Isolation und teilweise Bedrohung ausgesetzt. Sie hat nicht die einem Kind von Naturzustehende Hilfe und Unterstützung erfahren dürfen. Kleine Herausforderungen, Änderungen eines Vorhabens oder Konflikte führen zu dissoziativen Zuständen. Sie erlebt sich dann »wie schwebend«, hat kein Gefühl für den Körper, alles geht ihr zu schnell, sie empfindet sich wie abgeschnitten von sich selbst, wie gelähmt. Dies führt in sozialen Situationen (unter anderem bei Ämterkontakten) zu schwierigen Situationen: Sie »stelle sich dumm«, wird ihr gesagt, sie »verweigere sich«, sei »affig und überheblich«. Diese Konflikte, die Unfähigkeit, sich zu erklären, verstärken die Symptomatik erheblich.
»Schonung« der Seele
Wie andere Symptome der PTBS beinhaltet die Dissoziation auch den Aspekt einer – wenn auch nur vorläufigen – Lösung, die eine Hilfe für die Betroffenen darstellen kann: Durch die Abspaltung des Affekts, der Gefühle oder auch von belastenden Erinnerungen bleibt die Seele von den überwältigenden, bedrängenden und überfordernden Eindrücken »verschont«. Dies kann uns in der Begleitung eines traumatisierten Menschen lehren, mögliche therapeutische Prozesse vorsichtig und abwartend einzusetzen. Grundgedanke der Therapie bleibt es, zuzuwarten, Hilfe anzubieten, aber nicht aufzudrängen und die jeweilige und aktuelle Möglichkeit des Betroffenen zu einzelnen Schritten zu respektieren – und so lange gegebenenfalls das Fortbestehen einer Symptomatik zu akzeptieren.
Kernsymptome einer PTBS
Flashback
Als Flashbacks bezeichnen wir plötzlich auftretende ungesteuerte Erinnerungseinschübe, die einen Menschen ereilen und überwältigen können – wie ein »Blitz«, plötzlich und unmittelbar. Der oder die Auslöser eines solchen Flashbacks werden Trigger genannt. Solch ein Trigger verweist immer in meist unspezifischer Weise auf die ursächlich traumatisierende Situation oder auf Personen, die damit in Zusammenhang stehen.
aufgezwungene Regression
Im Durchleben eines Flashbacks kann ein einmal Erlittenes wie gegenwärtig erlebt und erneut durchlitten werden. In gewisser Hinsicht ist die ganze Fülle des traumatischen Geschehens in diesem Erleben wieder da. Und zwar immer wieder in gleicher oder zumindest sehr ähnlicher Weise – immer mit der gleichen ursprünglichen Ohnmacht, Hilflosigkeit und Angst, aber ohne dass die traumatisierende Situation selber bewusst erinnert bzw. eingeordnet werden kann. Ganz so, als wäre der betroffene Mensch in dem Alter, in dem er stand, als sich das traumatisierende Geschehen ereignete. Ein Flashback stellt somit auch eine massive aufgezwungene Regression dar.
Solche Flashbacks ereignen sich immer dann, wenn das Geschehene nicht zwischenzeitlich bewältigt oder verarbeitet werden konnte, wenn auch noch so unzureichend.
Das Geschehene ist in einer tiefen Schicht des Gedächtnisses »gelagert«. Wir beschreiben diese Ebene auch als »Körpergedächtnis«.
Eine jetzt 25-jährige Frau wurde im ersten Schulalter Opfer sexueller Gewalt in der Herkunftsfamilie durch den Stiefvater. Trotz insgesamt sehr positiver und zukunftsgerichteter, kraftvoller Entwicklung treten immer wieder – oft unvermittelt – Phasen auf, in denen sie wie in das damalige Erleben »versinkt«, mal »getriggert« durch Erleben von Gewalt (beispielsweise in Nachrichten etc.), mal ohne erkenntliche Auslöser. In diesen oft über Stunden anhaltenden Zuständen regrediert sie (d. h. sie geht auf eine frühere Stufe ihrer Entwicklung zurück), sie wirkt unbeholfen und schutzlos wie das Kind, das sie zur Zeit der Tat war.
Intrusionen
Eine leicht abgeschwächte Form dieser Flashbacks sind Intrusionen. Es handelt sich dabei um sich aufdrängende, stark belastende isolierte Sinneseindrücke, Erinnerungen, Gedanken und Gefühle. Intrusionen können getriggert werden durch charakteristische Situationen, Geräusche, Gerüche oder andere Sinneseindrücke. Auch Intrusionen führen zu einem Empfinden des Ausgeliefertseins und sind mit oft ganz erheblicher Angst verbunden.
Ein jetzt 23-jähriger Mann wurde als Jugendlicher von einer Gruppe Jugendlicher überfallen und misshandelt. Dabei wurde er auf den Wiesenboden niedergedrückt. Dieser Geruch, auch der von gemähtem Gras, oder manchmal eine sich aufdrängende Geruchserinnerung daran lässt die damals erlebte Angst wieder unmittelbar aufbrechen.
Ein Zugführer konnte es nicht verhindern, einen Menschen, der in suizidaler Absicht auf den Gleisen stand, zu überfahren. Immer wenn ein Signalhorn ertönt, führt dies bei ihm zu Panik, heftigem Schweißausbruch und einer Erstarrung.
Amnesie
Ein weiteres Symptom der PTBS kann die Amnesie sein, ein Gedächtnisverlust. Dieser kann ein Geschehen in Gänze oder Teilaspekte eines Geschehens der Erinnerung verschließen; das traumatische Geschehen als solches kann dann nicht erinnert werden. So kann in bestimmten Situationen eine beeinträchtigte Stimmung, ein Missbehagen, eine Dysphorie, Ängstlichkeit oder Ähnliches auftreten, ohne dass der Betroffene dies durch aktive Erinnerung einem entsprechenden Geschehen zuordnen kann. Dies kann als sehr verunsichernd erlebt werden.
Amnesien sind relativ häufig, insbesondere »partielle Amnesien«, also ein auf eine bestimmte Zeit oder bestimmte Eindrücke begrenzter Gedächtnisverlust.
Eine 49-jährige Frau erlitt vor über dreißig Jahren eine Vergewaltigung. Dies geschah am Strand während eines Urlaubsaufenthalts. Sie lebte ihr Leben dann nach außen hin scheinbar unbeeinträchtigt weiter, gründete eine Familie, war berufstätig. Allerdings litt sie unter diffusen Ängsten, einer depressiven Grundstimmung und eingeschränkter sexueller Empfindungsfähigkeit, ohne von den Ursachen dieser Beeinträchtigungen zu wissen. Ohne es begründen zu können, vermied sie all die Jahre, in die Nähe eines Meeres zu kommen. Eine Amnesie hatte alles verborgen.
Ausgelöst durch ein verordnetes Heilbad wurde ihr das Geschehen wieder bewusst. Nach einer dann sehr schweren Zeit konnte eine Bewältigungsarbeit des Erlittenen beginnen.
Vermeidungsverhalten
Ein weiteres Kernsymptom der PTBS kann eine Übervorsichtigkeit oder auch ein entsprechendes Vermeidungsverhalten sein. So werden bestimmte Orte gemieden, die möglicherweise unmittelbar mit dem traumatisierenden Geschehen in Verbindung standen. Ein Betroffener meidet dann beispielsweise Menschenansammlungen oder sucht Geschäfte nur in ruhigen Situationen auf. Er verzichtet auf Fahrten mit dem Aufzug oder Ähnliches oder möchte im Kino ganz am Rand sitzen, um jederzeit schnell den Raum verlassen zu können. Es gibt zahlreiche Formen einer Vermeidung, und viele schränken die Erlebensmöglichkeiten der Betroffenen stark ein.
Auf der anderen Seite können wir dieses Verhalten auch als eine (vorläufige) Lösung bzw. Selbsthilfe sehen: Das Verhalten stellt einen Selbstschutz dar – in gewisser Weise ist es »Not-wendig«.
Schlaf
Der Schlaf kann im Zuge einer PTBS erheblich beeinträchtigt sein. Jede Form von schwerem Einschlafen, unterbrochenem Schlaf, frühem Aufwachen und Ähnliches ist hier denkbar. Albträume können beispielsweise zu einer Angst vor dem Einschlafen führen und so die Erholung im Schlaf weitgehend verhindern.
Stimmungsveränderungen
Weiterhin kann es zu feineren oder auch tieferen Stimmungsveränderungen kommen. Konkrete depressive Zustände sind möglich, auch eine Dysphorie, eine bedrückte, gereizte Stimmungslage vielleicht mit Missmut oder einer anderen Form der Gefühlsabflachung verbunden. Das kann bis zu einer tiefen Hoffnungslosigkeit traumatisierter Menschen führen. Aber auch Impulsivität oder schwer einfühlbares aggressives Verhalten kann im Rahmen einer solchen Stimmungsveränderung auftreten.
Die Beziehung zum Partner einer 25-jährigen Frau mit erlittener schwerer sexueller Traumatisierung war durch immer wieder plötzlich aufbrechende Stimmungsveränderungen, aggressive Reizbarkeit und hohe Verletzlichkeit erheblich belastet. In wiederholten Paargesprächen konnte insbesondere dem tief verunsicherten Partner vermittelt werden, nicht ursächlich für diese Stimmungseinbrüche verantwortlich zu sein, wie er vermutete. Er musste nun nicht mehr – bedrängend – nach dem jeweiligen Grund fragen. Er konnte zum einen besser für sich sorgen, zum anderen signalisieren, dass er »da sei«, wenn sie seine Nähe suchte. Die Entspannung vertiefte das Vertrauen in die Beziehung.
Angst
Ein alles übergreifendes Phänomen ist die Angst. Die hirnorganischen Veränderungen, die durch frühe, schwere und anhaltende Traumatisierungen bewirkt werden können, haben wir bereits oben ausgeführt (siehe Seite 88 f.).
All dies führt dazu, dass von einer Traumatisierung betroffene Menschen eine erhöhte Angstbereitschaft haben, sehr leicht erschrecken, sich schlecht auf nahe Beziehungen zu anderen Menschen einlassen können und ihr Leben oftmals um die Vermeidung ihrer Ängste herum konstruieren müssen.
Eine 52-jährige Frau hat lange Kinderjahre mit emotionaler Deprivation (siehe Seite 86 f.) und anhaltenden Gewalterfahrungen durchlitten. Dennoch hat sie ein eigenes Leben aufbauen können, ist sowohl in eine Beziehung wie auch beruflich gut integriert. Sie lebt stark in Befürchtungen, erwartet immer »das Schlimmste« und traut sich nur sehr wenig zu. Hinter jeder aufkommenden Freude liegt die Befürchtung, dass ihr diese rasch wieder genommen werden könnte.
Ein Leben in ständiger Angstbereitschaft ist schrecklich. Wie viel schrecklicher aber ist es, wenn die eigentlichen Ursachen der Angst nicht im Hier und Jetzt gefunden und damit auch nicht wirksam angegangen werden können.