Kitabı oku: «Auf die Dämmerung folgt die Finsternis», sayfa 6
Es ist – drittens – ein fundamentaler Irrtum, dass der Mensch nur von einer Identität geprägt sei, etwa seiner Religion. Da sich aber jeder Mensch zum einen in unterschiedlichen Gruppen bewegt, die eindeutig seine Identitäten mitbestimmen, kann zweifellos ausgeschlossen werden, dass nur eine Identität gibt, die Denken, Handeln usw. bestimmt. Der Umstand, dass Identität von Traditionen bestimmt wird, schließt eine völlige Neuorientierung etwa beim Verlassen des bisherigen Landes ein; anders gesagt, wer in ein ihm bislang fremdes Umfeld wechselt, braucht Veränderungen seiner Identität, im Sinne einer neuen Lebensgestaltung.
Letztlich ist der (vorgebliche) „Kampf der Kulturen“ als Begriff unhaltbar, denn er suggeriert den so die dann naheliegende Analogie von Kampf = Krieg und somit die Schlussfolgerung, dass „Kulturen“ per se „einander feind seien“. Was aber westliche Politiker und Medien nicht davon abbringen konnte, statt der Kulturen auch noch die Religionen ins Spiel zu bringen
III.4. Das neoliberale Wunderwerk bis zur globalen Finanzkrise 2008
Der Übergang vom Kapitalismus der „sozialen Marktwirtschaft“ zum neoliberalen Kapitalismus der „Deregulierung“ der Märkte zog sich über einen langen Zeitraum hin. Ausgehend von den USA und Großbritannien in den 80er Jahren, denen die anderen westlichen Industriestaaten schrittweise folgten, bestimmten diese die globalen Märkte. Die wichtigste Voraussetzung für die neoliberale Transformation lieferte die Politik selbst, indem sie auf ihre Rechte auf „Regulierung“ verzichtete. Die modernen Theoretiker des Neoliberalismus – wie Milton Friedman – vertraten die Auffassung, dass allein der private Sektor in der Lage wäre, effizient zu produzieren und Dienstleistungen zu erbringen. Deshalb müsse der Staat auf das bisherige Recht auf regulierende Maßnahmen verzichten. Was darüber hinaus dazu führte, dass es in der westlichen Welt zu einer Privatisierungswelle kam, die große Teile des Verkehrswesens, vor allem die Bahn, medizinische Einrichtungen, Versorgungseinrichtungen wie Wasserwerke und Müllabfuhr u. a. umfasste. Das „Mantra“ des Neoliberalismus war und sind die „Selbstregulierungskräfte der Märkte“. Nun wirkten vor der Ära des Neoliberalismus die Märkte durchaus auf Grundlage analoger Steuerungsmechanismen, allerdings reduzierte die soziale Komponente zweifelfrei die Profitraten. Summa summarum bedeutete die Transformation zum Neoliberalismus vor allem eine Optimierung der Unternehmensgewinne, gelegentlich auch ihre Maximierung.
Mit der Katastrophe der globalen Finanzkrise – die keiner von den Theoretikern voraussah, geriet das „Gebäude“ von den „Selbstregulierungskräften“ schwer ins Wanken; nachdem die Politik mit Milliardenaufwand von Steuergeldern den Kollaps des privaten Banksystems abgewendet hatte, zog sie sich mehr oder weniger kampflos zurück. Von einer wirksamen Kontrolle war bald keine Rede mehr.
Zu den längst unübersehbaren Auswirkungen des Neoliberalismus gehören: Die zunehmend größere Kluft zwischen Arm und Reich in den Industrieländern, der wirtschaftliche Niedergang der einstigen „Dritten Welt“, die immer weiter zunehmende Anzahl von Arbeitsverhältnissen mit eingeschränkten Rechten für die Beschäftigten, die Zunahme prekärer Arbeit und Schaffung einer „Reserve“ an Arbeitslosen. Ins Auge fällt des Weiteren eine wachsende kriminelle Energie in Unternehmen und Banken, die symptomatisch für die Härte des Kampfes um Marktanteile ist. Was Umwelt- und Klimaschutz betrifft, liegt es in den „Gesetzmäßigkeiten“ des Neoliberalismus, dass auch hier die Rendite absoluten Vorrang besitzt. Was zwangsläufig dazu führt, dass selbst bestehende Regeln bzw. Vorschriften – „dank“ der Unterstützung der Politik – folgenlos missachtet werden.
An nur einem Beispiel soll der Versuch einer Dokumentation unternommen werden, wie die „Praxis“ renommierter Unternehmen aussieht. Der Lebensmittelkonzern Nestlé betreibt einen globalen Handel mit „Mineralwasser“; dafür kauft er Land auf, wo immer es geht, u. a. in Afrika. Auf diesem Besitz werden die Wasserreserven monopolisiert, ausgepumpt, mit Zusatzstoffen versehen und in Plasteflaschen abgefüllt. Der finanzielle Aufwand zur Wasserförderung und Verarbeitung ist minimal – nur wenige Cent für Tausende Liter Wasser; der Preis einer Ein-Liter-Flasche beläuft sich auf 2 Dollar. Der Gewinn ist gigantisch, manche sprechen von 10.000%.51
(Zu den zuletzt behandelten Themen werden in den folgenden Abschnitten weiterführende Betrachtungen vorgelegt)
Nach 25 Jahren
Jacques Rupnik beschreibt die Welt nach 1989 als Ergebnis einer dreifachen Transformation: Übergang zur Demokratie als Basis legitimierten Regierens, die Globalisierung der Marktwirtschaft mit ihrem technologischen Aufschwung und der Triumph des Westens im Kalten Krieg, mit dem wiedervereinten Europa und der Suche nach einer neuen internationalen Ordnung… In seiner „Bilanz“ 25 Jahre später konstatiert Rupnik die Erschöpfung dieser Entwicklung: erstens vom demokratischen Elan zur Krise der Demokratie und dem Aufstieg autoritärer Regime, zweitens die Erschütterung der wirtschaftlichen Vormachtstellung des Westens durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und drittens das Ende der Hoffnungen auf ein geeintes freies Europa und – aufgrund der Wiederkehr der Machtpolitik52 – auf eine neue internationale Ordnung im Zeichen der „global gouvernance“.
Nelson Mandela – bewundert und doch vergessen
Als Nelson Mandela nach 28jähriger Haft am 11. Februar 1990 entlassen wurde, war Südafrika von blutiger Gewalt gezeichnet. Der Weg zur Aufhebung der Apartheid schien von unüberwindbaren Konflikten belastet. Die Last, die Mandela auf sich nahm, war unvorstellbar groß. Sein Ansehen war sicher außergewöhnlich hoch – ein Mann, der auch deshalb einzigartig war, weil er sich trotz der endlosen Haftjahre zu einem Weg der Versöhnung von Schwarzen und Weißen bekannte und sich kompromisslos dafür einsetzte. Es dürfte außer der Hoffnung ebenso viel Skepsis nicht nur in Südafrika gegeben haben, ob ihm und seinen Anhängern unter den Schwarzen und Weißen die Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft gelingen würde; angesichts der fundamentalen Schwierigkeiten, die solch einem Wandel entgegenstanden, war trotz aller Zweifel die Hoffnung groß.
Als Mandela am Ende dieses Kampfes zum Präsidenten der Republik Südafrika gewählt wurde, waren die Jahrzehnte der Apartheid ohne einen von vielen befürchteten Bürgerkrieg überwunden. Bei seiner Amtseinführung am 10. Mai 1994 sprach er, nachdem er diesen großen Moment gewürdigt hatte, am Ende seiner Rede über das, was erreicht werden müsse: „Aus den Erfahrungen eines außergewöhnlichen menschlichen Unheils, das viel zu lange andauerte, muss eine Gesellschaft geboren werden, auf die die gesamte Menschheit stolz sein kann. (…) Es soll Gerechtigkeit für alle geben. Es soll Frieden für alle geben. Es soll Arbeit, Brot, Wasser und Salz für alle geben. Laßt alle wissen, daß Körper, Geist und Seele eines jeden befreit worden sind, um sich zu verwirklichen. Niemals, niemals, niemals darf es wieder geschehen, daß dieses schöne Land die Unterdrückung des einen durch den anderen erfährt und die Erniedrigung erleidet, der Lump der Welt zu sein.
Die Sonne möge nie untergehen über einer so ruhmreichen menschlichen Errungenschaft. Laßt die Freiheit regieren. Gott segne Afrika.“53
Als Nelson Mandela am 5. Dezember 2013 starb, trauerte die Welt wie selten zuvor. Nachrufe – auch von vielen Politikern – würdigten seine Persönlichkeit, seine menschliche Größe, seinen Mut und seine Gesinnung und außergewöhnliche Klugheit.
Worin das „Geheimnis“ seines erfolgreichen Weges bestand, wurde nicht nur, aber eben auch von den westlichen politischen Eliten bewusst oder unbewusst „übersehen“ oder – möglicherweise – nicht begriffen. Wer Konflikte lösen, Kriege beenden und Menschen versöhnen will, kann das nur dann erreichen, wenn er nicht „Partei“ ergreift, sondern unabhängig zu entscheiden bereit ist. Nur, dass dies eigentlich kein „Geheimnis“ ist.
Europa, die NATO und der Kosovo-Konflikt
1996 – also wenige Jahre nach dem Beginn der Präsidentschaft Nelson Mandelas demonstrierten die NATO-Mitgliedsstaaten mit makabren Folgen, dass sie im Übermaß die besondere Fähigkeit besitzen, Konflikte mit ihrer menschenfreundlichen Parteinahme aufs äußerste zu verschärfen. Nachdem bereits während des jugoslawischen Bürgerkrieges diese „Methode“ zur Anwendung kam, entschieden Politik und Militär dieser Methode mit allen Konsequenzen zu folgen. In der serbischen Provinz Kosovo, die von Albanern und Serben bewohnt war, herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände, die zu immer härteren Auseinandersetzungen zwischen serbischen Polizeieinheiten und den Freischärlern der UÇK mit ihren Anschlägen auf die serbische Bevölkerung führten. Die Gewalt eskalierte – Bombenanschläge, Massaker an Zivilisten beider Seiten. Dass die serbische Seite – nach der Rechtslage – eigentlich die Pflicht hatte, die Aktionen der UÇK zu bekämpfen, rechtfertigt nicht die Gewalt gegen die albanische Zivilbevölkerung; andererseits war die UÇK zweifelsfrei eine terroristische, illegale Streitmacht. In dem westlichen Militärbündnis sah man das ganz anders. Die Serben waren die „Verbrecher“ und die UÇK-Kämpfer Freiheitskämpfer. Da die Serben auch traditionell mit Russland verbündet waren, folgte man dieser „Linie“ bei der Zerschlagung Jugoslawiens. Es lag offenkundig im strategischen Interesse insbesondere der Nato, Serbien nachhaltig zu schwächen. Dass serbische Verbände im Kosovo gewaltsam gegen Zivilisten vorgingen, soll hier nicht bezweifelt werden, ebenso wenig wie die Notwendigkeit einer Lösung des Konflikts, der immer mehr Opfer forderte. Schließlich befasste sich der UN-Sicherheitsrat damit, ohne durchschlagenden Erfolg. Immerhin wurden beide Seiten aufgefordert, den Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen. Dass sah man in den westlichen Zentralen aber ganz anders: die Kosovo-Albaner mussten um jeden Preis befreit werden. Zur Begründung musste auch ein serbischer „Hufeisenplan“ herhalten, der wie durch Zauberhand auftauchte. Der angebliche serbische Plan – dass er authentisch war, konnte nie bewiesen werden – enthielt die vorgeblich geplante Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo. Mit dem erhebenden Gefühl, Retter der Kosovo-Albaner zu sein, machten sich der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer und der Verteidigungsminister Rudolf Scharping dafür stark, Serbien mit Luftangriffen zu zwingen, seine Ansprüche im Kosovo aufzugeben. 78 Tage lang bombardierten Nato-Bomberstaffeln Ziele in Serbien – bis hin zu Luftangriffen auf Belgrad… Ein eklatanter Bruch des Völkerrechts, ausgerechnet von einem Staatenbund, der sich rühmte demokratisch zu sein und Wahrer der Menschenrechte. Wer nach dem Sinn dieses Militärschlags fragt, bekommt tatsächlich eine Antwort. Während der Kosovo permanent von wirtschaftlichen Krisen gebeutelt wird, richteten die USA dort einen der größten europäischen Militärstützpunkte ein, mit Blick auf den Balkan und nach Osten. „Vielleicht“ war das der einzig wahre Grund für diesen Militärschlag.
Mitten in Afrika
Im Jahr 1994 blickte die Welt mit Entsetzen nach Afrika, ein Kontinent, der, abgesehen von den Maghreb-Staaten, selten in den Schlagzeilen zu finden ist. Die westliche Staatengemeinschaft musste – geradezu paralysiert – zusehen, wie in Ruanda innerhalb weniger Monate die Hutu-Mehrheit ein Massaker unter der Minderheit der Tutsi anrichtete, dem wahrscheinlich drei Viertel dieses Stammes zum Opfer fielen. Berichte bezeugen die ungeheuerliche Brutalität mit der Teile der ruandischen Armee, so genannte Milizen und bewaffnete Zivilisten Männer, Frauen und Kinder umbrachten. Ein weiterer Genozid – der nachträglich auch schwerwiegende Fragen aufwarf. Warum reagierten die UN und führende westliche Staaten erst derart spät, als bereits Hunderttausend umgebracht worden waren?
Hutus gegen Tutsis – waren es allein die Spannungen zwischen zwei Stämmen, die zu diesen Massakern führten? Gab es keinen sozialen Hintergrund für diesen Genozid? Welche Rolle spielten Armut und Mangel an Versorgungsgütern, die nicht für alle reichten? Fragen, die gerade mit Blick auf Afrika von den politischen Führungen der großen Industrienationen ganz selten gestellt und nie beantwortet werden.
Irakkrieg, der erste
Zwei Jahre nach Ende des Irak-Iran-Krieges, der Saddams Irak wirtschaftlich schwer geschadet hatte, richtete der Diktator seinen Blick auf das reiche Kuwait. Mit einem Blitzangriff wurde im August 1990 das kleine Land überwältigt. Nachdem Saddam am 15.1.1991 ein letztes Ultimatum der UN ignoriert hatte, begann unter US-amerikanischer Führung der Angriff unter dem Namen „Dessert Storm“ mit der schlagartigen Befreiung Kuwaits und dem Feldzug gegen den Irak. Als die Straßen nach Bagdad frei sind, bekommt der kommandierende General Schwarzkopf die Order, den Vormarsch zu stoppen. Mit dieser Entscheidung von US-Präsident George Bush sen. war der I. Golfkrieg beendet. Saddam Husein blieb – zwar militärisch geschwächt – an der Macht. Die nachfolgenden Sanktionen änderten daran nichts. Sie trafen aber umso heftiger die Bevölkerung. Als letzte „Zeichen“ des Krieges brannten die Ölfelder, bis die Feuer von US-amerikanischen Spezialisten gelöscht werden konnten. Wie sich 12 Jahre später herausstellte, war es eine kluge Entscheidung, den Feldzug in diesem Stadium zu beenden.
Der 11. September 2001 und der Kampf gegen den Terror
Es war ein Schreckensszenario – der Anflug der beiden Passagiermaschinen auf die „Twin Towers“, der Einschlag und die Detonationen, die verzweifelten Menschen an den Fenstern und der Einsturz beider Hochhäuser. Der folgenschwerste Anschlag für die USA und weit darüber hinaus. Ein terroristischer Akt von ungeheurer Dimension. Der von der Bush-Administration eingesetzte Untersuchungsausschuss kam zu dem Ergebnis, dass „Al Qaida“ und deren Führer, Osama Bin Laden, diesen Anschlag geplant und vollzogen hätten. Die Attentäter, die vier Flugzeuge gekapert hatten, ein drittes schlug im Pentagon ein, die vierte Maschine stürzte ab, bevor sie das „Weiße Haus“ erreichte, stammten aus Saudi-Arabien, einem strategisch wichtigen Verbündetem der USA im Nahen Osten. Der Bericht beantwortete allerdings keine der vielen Fragen: Vielmehr nährte er die Zweifel angesichts tiefgreifender Unklarheiten zur Vorgeschichte, also zur Vorbereitung der Anschläge durch die Attentäter in den USA, zum Versagen von CIA und Militär vor und während der Anschläge, die undurchsichtigen Manöver der Bush-Regierung usw. usf.54
Letztlich wurde die Frage nach den wirklichen „Hintermännern“ der Anschläge zumindest zweitrangig, nachdem George W. Bush jr. den „Kampf gegen den Terror“ verkündet hatte, der, zutreffender ausgedrückt, zum „Krieg gegen den Terror“ wurde. Unter Missachtung der verfassungsmäßigen Rechte wurde nicht nur ein Krieg vorbereitet, sondern ein System von globaler Überwachung und Kontrolle geschaffen. Die „Militärdoktrin“ besagte, dass alle – auch kriminelle – Methoden der Kriegsführung nicht nur möglich wurden, sondern ebenso befohlen werden konnten. Mit unvorstellbaren Milliarden-Summen wurde ein Überwachungsapparat unter dem Kürzel „NSA“ enorm vergrößert. In seinem Auftrag arbeiteten bald Hunderte von Privatunternehmen mit immensen Profiten für diese „Firma“. Die CIA erhielt alle Vollmachten für ihre Aktionen, die letztlich dazu führten, dass Gefangene – im Auftrag der Regierung – systematisch gefoltert wurden unter Mitwirkung von Wissenschaftlern, die als Autoren von Foltermethoden Millionen an Honoraren einsteckten. Ein weiterer „Wirtschaftszweig“ entstand mit privaten Militärdienstleistungsunternehmen, die von der Logistik über die Versorgung bis hin zu militärischen Einheiten alles anboten und dazu die Möglichkeit lieferten, militärische Aktionen jenseits der Öffentlichkeit durchzuführen. Eine dieser Firmen, „Black Waters“, galt als besonders berüchtigt.55 In so genannten „Denkfabriken“ bzw. „Desinformationszentren“ entstanden Szenarien zur „Begründung“ aller Maßnahmen von Regierung und Armee oder zu Informationskampagnen, mit der die Öffentlichkeit weltweit getäuscht wurde. Als einigen Mitarbeitern der NSA klar wurde, dass auch die amerikanische Bevölkerung systematisch überwacht werden sollte und wurde, entschieden sie sich, intern dagegen zu protestieren. Sie stießen auf erbitterten Widerstand bei ihren Vorgesetzten. Unterstützung war selten. Schließlich sahen sie sich und ihre Unterstützer zunehmend Repressionen ausgesetzt, bevor sie versuchten, die Öffentlichkeit gegen alle Widerstände und Drohungen zu informieren: Diane Roark, Stabsmitarbeiterin im Senat, Bill Binney, Computerspezialist im Dienste der NSA, Thomas Drake, hoher NSA-Beamter u. a. die Whistleblower der „ersten Stunde“. Als Edward Snowden sich entschied, zuerst die USA zu verlassen, bevor er an die Öffentlichkeit ging, wusste er, was alle, die vor ihm gegen das Überwachungssystem vorzugehen versuchten, an Repressionen auszuhalten hatten.
Irakkrieg, der zweite
Der „Zweite Irakkrieg“ auch Operation „Iraqui Freedom“ genannt, begann am 20. März 2003 und wurde am 1. Mai des gleichen Jahres von George W. Bush als beendet erklärt, mit der Behauptung, dass „Al Qaida“ besiegt worden sei. Dass dieser Krieg in jeder Hinsicht bis heute andauert, scheinen die Sieger von damals noch immer nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Irgendwie ist das sogar verständlich – erfüllte doch dieser Krieg nahezu alle Kriterien, die einen Krieg als völkerrechtswidrig kennzeichnen.
Das beginnt mit den Begründungen für den Angriff auf den Irak: Zuerst sollte er „Al Qaida“ zerschlagen, dann ging es um die Rettung der Welt vor den Massenvernichtungswaffen, die Saddam gehortet haben sollte (Für die Verbreitung und „Begründung“ dieser Behauptung stellte sich vor allem der britische Premier, Tony Blair, zur Verfügung). Um dem Feldzug die besondere Weihe zu verleihen, sollte nach dem Sieg der Irak zur ersten Demokratie in Nahost werden, dessen Beispiel alle anderen Staaten folgen würde. Dass nun ausgerechnet der Irak einer der wenigen Staaten war, der dem fundamentalistischen Terror, also auch „Al Qaida“ jede Betätigung verbot, hätten Bush und Blair wissen können, eigentlich wissen müssen. Dass der Irak, der schwer unter westlichen Sanktionen litt, keine Massenvernichtungswaffen besaß, mussten selbst die Kriegsherren nach dem Sieg einräumen. Die demokratische Umwandlung führte zu einem brutalen Bürgerkrieg und zu andauernden Angriffen auf die US-amerikanische „Schutzmacht“. Auch wenn die USA versuchten mit einer „Koalition der Willigen“ aus 47 Staaten (darunter die Mehrzahl der europäischen Staaten) eine eigenartige „Legitimation“ des Krieges zu konstruieren, so ändert das nichts daran, dass die Verantwortlichen in Politik und Militär sich eines „Kriegsverbrechens“ schuldig gemacht hatten. Bis 280.000 Zivilisten starben in den Kriegsjahren, kriegsgefangene Iraker wurde gefoltert, misshandelt und gedemütigt. Und wieder einmal wurde „Partei ergriffen“: die sunnitischen Eliten in Verwaltung und Militär wurden in die „Wüste geschickt“, während den Schiiten, die gewiss tatsächlich unter Saddam unterdrückt waren, mit dem Segen der Besatzungsmacht die „Macht“ übertragen wurde. Die entlassenen Sunniten hatten aber ein „Rückzugsgebiet“ in den Regionen sunnitischer Stämme und Clans. Dort organsierten sie sich neu und wurden zur treibenden Kraft beim Aufbau der terroristischen Organisation „Isis“. Die schiitische Mehrheit und ihre politischen Führer terrorisierten die sunnitische Bevölkerung und verfügten ihrerseits über ein strategisch bedeutsames „Hinterland“ mit dem Iran – Zentrum der Schiiten und Todfeind der USA. Dieses „Parteinehmen“ ist eine der Ursachen für das regelmäßige Scheitern der USA-Außen- und Militärpolitik – angefangen in Afghanistan bis heute. Zu verheerenden Folgen führte zum anderen, dass es bei „Interventionen“ wie in Afghanistan und später in Libyen an strategischen Konzepten fehlt, wie die Verhältnisse im Erfolgsfall zu gestalten wären, bzw. wie die vielleicht „unerwarteten“ Nachfolge-Konflikte zu lösen sind.
Demaskierend ist gerade in diesem Zusammenhang der Umgang westlicher Politiker und der „Leitmedien“ mit dem Irakkrieg und dessen gravierenden Folgen – nämlich der dauerhaften Destabilisierung des Nahen Ostens –, eine “tour de force“ von Verdrängung und Preisgabe demokratischer Grundpositionen und der Missachtung der permanent beschworenen Menschenrechte. Kurz gesagt, ein unmoralischer Kotau vor dem „Hort“ der Freiheit und Demokratie. Bedenkt man die Dimension dieses Kriegsverbrechens, das nur wenige Jahre zurückliegt und dazu noch aus dem „Kampf gegen den Terror“ ein Geschäft gemacht hat, bei dem der Staat an der globalen Überwachungen private Unternehmen partizipieren lässt und sein Gewaltmonopol mit privaten Söldnerarmeen teilt, sollten, ja müssten sich alle Demokraten lautstark empören und zur Wehr setzen. Dass dies nicht geschehen ist, könnte damit erklärt werden, dass es in den politischen Führungsetagen schlicht an Demokraten fehlt.
Wer nun aber der Meinung ist, dass Putins Griff nach der Krim „im Interesse der Sicherheit Russlands“ im Vergleich mit Bushs Irakkrieg wie eine „Bagatelle“ aussieht, der ist – nach den Maßstäben der Heuchler – selbstverständlich ein Feind der Demokratie. Nicht, dass man nun jeden Tag Kritik an den USA üben müsste, aber wäre es nicht endlich an der Zeit, aus der Demokratie keine „Hure“ zu machen, über die man je nach Bedarf und Nutzen verfügt?
Wie man mit imperialer Arroganz den zweiten Irakkrieg „erklärt“, dokumentiert ein Gespräch mit einem Bush-Vertrauten, Paul Wolfowitz, das 2016 geführt wurde56. Die Antwort auf die Frage nach den vorgeblichen Massenvernichtungswaffen Saddams lautet: „Ich war nicht verantwortlich für die Geheimdienste. Deren Urteil war eindeutig. Natürlich hätten wir einen anderen Ansatz verfolgt, wenn wir gewusst hätten, dass Saddam Hussein keine Massenvernichtungswaffen hortet, sondern nur plant, wie er nach seiner Festnahme zugegeben hat. Wir wären nicht einmarschiert.“ Das Erstarken des IS fand – so Wolfowitz – nicht etwa im Irak statt, als sich die in Massen entlassenen Offiziere und Soldaten Saddams einer „Splittergruppe“, die sich „Isis“ nannte anschlossen, sondern – wo wohl sonst – erst in Syrien. „Militärische Interventionen sind gerechtfertigt, denn es wäre ein großer Fehler, die Förderung von Demokratie grundsätzlich abzuschreiben“. Was schiefgelaufen sei, war die Errichtung einer Besatzungsregierung, die vom Außenministerium angeordnet worden wäre. „Wir kamen, um das Land zu befreien. Dann haben wir es besetzt.“ Und letztlich hat erst Obama alles falsch gemacht. Kein Wort dazu, dass die Terroristen von „Al Qaida“ erst nach Saddams Hinrichtung im Irak Fuß fasten und unter Al Zaqwiri einen gnadenlosen Terror inszenierten, dem die US-Streitkräfte mit terroristischer Gnadenlosigkeit in nichts nachstanden. Kein Wort zum damaligen Außenminister Powell, der damals noch mitspielte, als er die dürftigen Beweise zu Saddams Massenvernichtungswaffen in der UN vortrug, um es später als einer der wenigen aus Bushs Führungsmannschaft zu bereuen.
Russland und China – Rückkehr und Aufstieg
Entgegen allen Erwartungen der westlichen Welt veränderte sich die globale Entwicklung der Weltwirtschaft. Mit dem Machtwechsel im „Kreml“ von Boris Jelzin zu Wladimir Putin waren vor allem die Wiederherstellung der staatlichen Ordnung, das Ende der „wilden“ Privatisierung und der Abbau der riesigen Staatsverschuldung verbunden. Als Putin Präsident wurde, lag die Wirtschaftsleistung Russlands im Verhältnis zum Anfang der 90er Jahre nur noch bei 50%. Dass Putin auf massiven Widerstand einiger der neuen Oligarchen stieß wie auch auf militanten Widerstand der organisierten Kriminalität in der Wirtschaft und in anderen Lebensbereichen, war ebenso unvermeidlich wie die Härte, mit der Putin diese Auseinandersetzungen führte und diese „Neuordnung“ durchsetzte. Unbestreitbar sicherte er damit einen immensen Wirtschaftsaufschwung und die Sanierung der Staatsfinanzen, eine gewisse Verbesserung der Lebensverhältnisse und eine Erhöhung der Sicherheit nach innen und außen. Angesichts riesiger Rohstoffvorkommen, eines steigerungsfähigen Wirtschaftspotentials und der Wiederherstellung militärischer Stärke kehrte Russland als Großmacht in die globale Welt zurück. Es war Putin, der auf die westliche Welt zuging, um Russland in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen und in die globale Sicherheitsarchitektur einzubinden. Im Widerstreit der europäischen und US-amerikanischen Positionen setzte sich schließlich die Position, Russland als Konkurrenten und Gegner zu sehen – also die unipolare Weltsicht der USA –, durch.
Mit einem radikalen Umbau von einer zentralen Planwirtschaft zur freien Marktwirtschaft, verbunden mit einem Höchstmaß an Industrialisierung unter der autoritären Führung der Kommunistischen Partei, entwickelte sich China zur neuen Großmacht, als Wirtschaftsmacht mit einer wachsenden Bevölkerung von mehr als 1 Milliarde Menschen. Zugleich wurde China zu einem Großmarkt für Unternehmen aus aller Welt, denen dieser Markt große Profite verschaffte. Aus der unipolaren Welt der 90er Jahre war eine Welt von Machtzentren geworden, die sich sowohl wirtschaftlich als auch militärisch in Konkurrenz befanden. Die Europäische Union hätte sicher das Potential für eine Großmacht gehabt, war aber im Ganzen zu instabil für eine gemeinsame Außen- und Wirtschaftspolitik und verstand sich ohnehin als dankbarer Partner der USA.
Im Kontext zu den politischen und militärischen Ereignissen, Entwicklungen und Konflikten wird eindeutig erkennbar, dass die USA im Wesentlichen an ihrem Selbstverständnis als „einzigartige“ Weltmacht festhielten, was sich in ihrer prinzipiell abwertenden Betrachtung Russlands und seines Präsidenten in den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Strategien und Forderungen immer deutlicher nachweisen lässt. Schließlich war es Obama, der den pazifischen Raum als „Schlachtfeld der Zukunft“ bezeichnete. Der Kampf um den „Eurasischen Kontinent“ wurde nun sowohl zu Lande als auch zu Wasser geführt.
Von der „Orangerevolution“ zum ukrainischen Bürgerkrieg
Wenn man bei einer Analyse57 des Ukrainekonflikts erst beim Maidan-Protest ansetzt, dann ist es verdammt einfach mit einer fundamentalen Kritik an Putins Russland. Ohne die Vorgeschichte – bis in die 90er Jahre zurück – können Russlands politische Reaktion und die daraus folgenden Maßnahmen nicht ernsthaft analysiert werden.
Mit dem Ende des „Kommunismus“ wurde die USA zur alleinigen Weltmacht. Das Ziel, die einzige Hegemonialmacht zu sein, schien erreicht. Russland versank während der „Jelzin-Herrschaft“ im politischen und wirtschaftlichen Chaos, die Wirtschaftsleistung ging um gut 50% zurück. Die Volksrepublik China war noch unvorstellbar weit davon entfernt, zu einer Wirtschaftsgroßmacht aufzusteigen und noch belastete das Desaster des Massakers auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ die internationale politische Akzeptanz. Da Chinas Wirtschaft nach marktwirtschaftlichen Gesetzen ausgerichtet wurde, ohne die politische Führungsrolle der kommunistischen Partei in Frage zu stellen, entwickelte sich das Land auch zu einer wirtschaftlichen Großmacht. Zu Beginn des neuen Jahrtausends war klar, dass die Ära einer einzigen Hegemonialmacht zu Ende ging. Doch ein multipolares Weltsystem war für die USA unannehmbar. In der Bush-Ära galt also erst recht die bisherige Agenda – Sicherung der alleinigen Dominanz, politisch, wirtschaftlich und militärisch. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Russlands unter Putins Führung erwuchs den USA ein neuer, alter Gegenpart, der – zumal als bislang als einzige gleichrangige Atommacht – sich den USA und ihrem Selbstverständnis als alleinige Hegemonialmacht widersetzte. Ebenso war inzwischen unübersehbar, dass China zu einer starken Wirtschaftsmacht im globalen „Wettbewerb“ geworden war, die zunehmend an weltpolitischer Bedeutung gewinnen würde. Die Geostrategen der USA, die bereits intern den Irak-Krieg aus wirtschaftlicher Sicht längst begründet und gefordert hatten, entwickelten die Grundzüge einer neuen Strategie für die „Ostpolitik“, in der die Ukraine bereits eine zentrale Stellung erhielt. Der erste Schritt dorthin war die „Osterweiterung“ der Nato, nachdem mehrere osteuropäische Staaten sich mit eigenen Kontingenten in der „Koalition der Willigen“ an der militärischen Eroberung des Iraks 2003 beteiligt hatten. Das wurde von der Bush-Administration schnellstmöglich mit der Nato-Mitgliedschaft honoriert. Fast zeitgleich liegt der Beginn des US-amerikanischen Eingreifens in der Ukraine. Spätestens in den Wochen der „Orange-Revolution“ 2004 unterstützten amerikanische Stiftungen und damit wie so oft auch die CIA die politische Opposition, damals Juschtschenko und Timoschenko, deren Forderung nach einer Westorientierung der Ukraine sie umgehend zu Demokraten machte. 70 Millionen Dollar soll den Amerikanern die Abwahl von Janukowitsch wert gewesen sein. Auch wenn dieser „Coup“ gelang, so führte er nicht zum erhofften Ergebnis, weil Janukowitsch die folgende Wahl eindeutig und rechtmäßig gegen Timoschenko für sich entscheiden konnte.
Die Begründung für diese – völkerrechtlich fragwürdige – Einmischung klang selbstverständlich edel und erhaben: Schließlich ginge es darum, den so genannten demokratischen politischen Kräften jede Unterstützung angedeihen zu lassen, damit diese ihr Land zur Demokratie erheben könnten. In Wahrheit ist dieses hehre Ziel nicht einmal von zweitrangiger Bedeutung. Zu keiner Zeit war die Ukraine wirtschaftlich derart am Ende und durch den Bürgerkrieg weiter von demokratischen Verhältnissen entfernt als von 2014 bis heute. Auch wenn die westlichen Apologeten Russland alle Schuld dafür „in die Schuhe schieben“ wollen, kann dieses propagandistische Manöver eines nicht aus der Welt schaffen, dass nämlich auch hier die oben beschriebene Methode „praktiziert“ wurde, die immer wieder zu gleichartigen Resultaten geführt hat. Wie wenig es der US-amerikanischen Politik um Demokratie ging und geht, belegt ein Blick auf die jüngere Geschichte Lateinamerikas. Alle Staaten, die heute demokratisch sind, konnten diese Wandlung erst dann einleiten, nachdem sie die Ära blutiger Diktaturen, die allesamt die volle Unterstützung der US-Administration und ihrer „Dienste“ bekamen, überwunden hatten. Erst mit dem Ende des kommunistischen Weltsystems benötigten die USA diese Diktatoren nicht mehr.