Kitabı oku: «Wilhelm Raabe – Gesammelte Werke», sayfa 2

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Wunn­igel

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Zum wil­den Mann

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Abu Telfan

Vorwort zur ersten Auflage

In­dem ich die­ses nicht in ei­nem lus­ti­gen Som­mer ent­stan­de­ne Buch in die Hän­de der Le­ser gebe und es ih­rem gu­ten Her­zen an­be­feh­le, drängt es mich, eine gute Ge­wohn­heit scheue­rer Zei­ten und schä­mi­ge­rer Au­to­ren wach­zu­ru­fen und mich strengs­tens ge­gen alle Miss­deu­tun­gen zu ver­wah­ren. Ich bit­te ganz ge­hor­samst, we­der den Ort Abu Tel­fan noch das Tu­mur­kie­land auf der Kar­te von Afri­ka zu su­chen; und was das Mond­ge­bir­ge an­be­trifft, so weiß ein je­der eben­so gut als ich, dass die Ent­de­cker durch­aus noch nicht ei­nig sind, ob sie das­sel­be wirk­lich ent­deckt ha­ben. Ei­ni­ge wol­len an der Stel­le, wo äl­te­re Geo­gra­fen es no­tier­ten, einen großen Sumpf, an­de­re eine aus­ge­dehn­te Salzwüs­te und wie­der an­de­re nur einen un­be­deu­ten­den Hü­gel­zug ge­fun­den ha­ben, wel­ches al­les kei­nes­wegs hin­dert, dass ich für mei­nen Teil un­be­dingt an es glau­be. –

Stutt­gart, im No­vem­ber 1867

Der Ver­fas­ser

*

Wenn ihr wüss­tet, was ich weiss, sprach Ma­ho­met, so wür­det ihr viel wei­nen und we­nig la­chen.

Erstes Kapitel

An ei­nem zehn­ten Mai zu An­fan­ge des sie­ben­ten Jahr­zehnts die­ses, wie wir alle wis­sen, so hoch­be­gna­de­ten, er­leuch­te­ten, lie­bens­wür­di­gen neun­zehn­ten Jahr­hun­derts setz­te der von Alex­an­dria kom­men­de Lloyd­damp­fer ein In­di­vi­du­um auf dem Molo von Triest ab, wel­ches sich durch man­che Son­der­lich­keit im bun­ten Ge­wim­mel der üb­ri­gen Pas­sa­gie­re aus­zeich­ne­te und selbst den an man­cher­lei Er­schei­nun­gen der Men­schen und Völ­ker ge­wöhn­ten Ter­ge­s­ti­nern als et­was Neu­es sich dar­stell­te. Ein ver­wil­der­te­res und, trotz der hal­b­eu­ro­päi­schen Klei­dung, aschan­ti-, kaf­fern- oder man­ding­o­haf­te­res Sub­jekt hat­te seit lan­ger Zeit nicht vor dem Zoll­hau­se auf sei­nem Kof­fer ge­ses­sen und ver­blüfft um­her­ge­starrt. Der Mann hät­te sich in das Frem­den­buch oder viel­mehr auf den Frem­den­zet­tel des Schwar­zen Ad­lers dreist als »par­ti­co­la­ris­si­mo« ein­zeich­nen dür­fen; er tat es aber nicht, son­dern schrieb ein­fach sei­nen Na­men: Leon­hard Ha­ge­bu­cher, hin­ein und füg­te, den Po­li­zei­vor­schrif­ten ge­mäß, hin­zu: »Kriegs­ge­fan­ge­ner – kommt aus Abu Tel­fan im Land Tu­mur­kie, Kö­nig­reich Dar-Fur – geht nach Leip­zig im Kö­nig­reich Sach­sen.« Na­tür­lich ließ sich eine Vier­tel­stun­de spä­ter ein kai­ser­lich-kö­nig­li­cher Be­am­ter bei ihm mel­den, um sich ver­wun­dert ei­ni­ge wei­te­re Aus­kunft zu er­bit­ten, ver­ließ ihn je­doch wie­der eine Vier­tel­stun­de dar­auf noch et­was ver­wun­der­ter mit der alt­klas­si­schen Be­mer­kung: »Aus Afri­ka doch im­mer et­was Neu­es.«

Um sei­ne Rech­nung im Schwar­zen Ad­ler be­zah­len und sei­ne wei­te­ren Rei­se­kos­ten de­cken zu kön­nen, ver­kauf­te der Fremd­ling einen Ele­fan­ten­zahn an einen Händ­ler in der Post­stra­ße und fuhr auf der Ei­sen­bahn, ohne un­ter­wegs die Adels­ber­ger Grot­ten zu be­sich­ti­gen, nach Wien, wo er wohl Ge­le­gen­heit ge­fun­den hät­te, ei­ni­gen mit­ge­brach­ten Gold­staub ge­gen ein gu­tes Agio in Pa­pier zu ver­wan­deln, es je­doch in An­be­tracht, dass der Tries­ti­ner El­fen­bein­händ­ler eben­falls be­reits in Pa­pier ge­zahlt hat­te, un­ter­ließ. Na­tür­lich er­schi­en auch in Wien, au­ßer dem be­kann­ten, für sein Klos­ter sam­meln­den Barm­her­zi­gen Bru­der, ein Po­li­zei­be­am­ter auf sei­ner Stu­be, er­such­te ihn eben­falls sehr höf­lich, ihm einen ge­nau­ern Ein­blick in sei­ne Per­so­nal­ak­ten zu ge­stat­ten, und ver­ließ ihn gleich­falls ver­wun­dert und be­frie­digt. So­bald sich die Tür hin­ter dem Be­am­ten ge­schlos­sen hat­te, leg­te sich der Rei­sen­de wie­der ins Bett, und da er in dem­sel­ben bis zu sei­ner Ab­fahrt nach Prag ver­blieb, so konn­te er selbst­ver­ständ­lich we­der den Sankt-Ste­phans-Turm be­stei­gen noch den Pra­ter be­su­chen. In Prag kam er am Abend an, und da er am an­de­ren Mor­gen in der Frü­he nach Dres­den ab­reis­te, so kam der kai­ser­lich-kö­nig­li­che Be­am­te tsche­chi­scher Na­tio­na­li­tät, wel­cher es gleich den Kol­le­gen zu Triest und Wien für sei­ne Pf­licht hielt, sich spe­zi­el­ler nach ihm zu er­kun­di­gen, zu spät und gab nur dem Wirt zu den Drei Kar­pfen den Rat, künf­tig in sol­chen ab­son­der­li­chen und ver­däch­ti­gen Fäl­len den Gast den ers­ten Zug ver­säu­men zu ma­chen. Die Pra­ger Glo­cken ver­nahm der Kriegs­ge­fan­ge­ne aus dem Lan­de Tu­mur­kie noch vom Eil­zu­ge aus, um dann so­gleich wie­der sänf­tig­lich zu ent­schlum­mern. Er schlief, bis ihn die kö­nig­lich-säch­si­schen Maut­be­am­ten zu Bo­den­bach weck­ten, und durch den Kampf um sei­ne Hab­se­lig­kei­ten er­mun­tert, blieb er wach bis Dres­den, wo er im Schat­ten der Drei Palm­zwei­ge auf dem Palais­platz in der Neu­stadt von neu­em ein­sch­lief.

Es ist nicht zu ver­lan­gen, dass die Po­li­zei sich über­all per­sön­lich be­mü­he; in Dres­den kam sie nicht zu dem Rei­sen­den aufs Zim­mer, son­dern zi­tier­te, we­ni­ger ver­bind­lich als in den kai­ser­lich-kö­nig­li­chen Staa­ten, ihn zu sich aufs Büro, was dem Le­ser der Ab­wechs­lung we­gen nicht un­lieb sein kann, da­ge­gen aber dem ge­heim­nis­vol­len Fremd­ling ganz und gar nicht ge­le­gen war. Da er muss­te, so ging er, wie je­der gute Deut­sche es tut, kam schlaf­trun­ken zu­rück und fuhr, ohne sich nach der Six­ti­ni­schen Ma­don­na und der Brühl­schen Ter­ras­se um­zu­se­hen, nach Leip­zig ab und ruh­te sanft auf dem sü­ßen Be­wusst­sein, auch die Dres­de­ner Si­cher­heits­be­hör­de über sei­ne Per­sön­lich­keit nicht in Un­ru­he und Zwei­fel ge­las­sen zu ha­ben.

Zwi­schen Dres­den und Leip­zig liegt Rie­sa an der Bahn. Da trinkt man ein sehr gu­tes Eier­bier. In der Nähe von Leip­zig soll der Fürst Schwar­zen­berg den Kai­ser Na­po­le­on ge­schla­gen ha­ben, was je­den­falls eine große Merk­wür­dig­keit wäre, wenn es sich be­wei­sen lie­ße. Wir wol­len aber die Sa­che in der Dun­kel­heit be­ru­hen las­sen, in wel­cher sie uns von un­sern Vä­tern über­lie­fert wur­de – die al­ten Her­ren wuss­ten nicht ge­nau­er als wir, wer ei­gent­lich bei Leip­zig den Kai­ser Na­po­le­on ge­schla­gen habe.

Der Kriegs­ge­fan­ge­ne ver­schlief Pauns­dorf, wo die Sach­sen zur gu­ten Sa­che über­tra­ten, und be­fand sich in Leip­zig, wo die Po­li­zei, auf­ge­klärt durch die Ver­lags­ar­ti­kel ei­ni­ger hun­dert Buch­händ­ler­fir­men und to­le­rant ge­macht durch das drei­mal im Jah­re wie­der­keh­ren­de Mess-Völ­ker­ge­wim­mel, ihn zum ers­ten Mal seit sei­ner An­kunft auf dem Ter­ri­to­ri­um des Deut­schen Bun­des un­ge­scho­ren ließ und über die Un­zu­kömm­lich­keit sei­ner An­ga­ben im Frem­den­buch hin­weg­sah. Wir sind ihr sehr dank­bar da­für, denn sie hat uns da­durch einen Ru­he­punkt ver­schafft, von wel­chem aus wir die fer­nern Er­leb­nis­se und Aben­teu­er un­se­res in­ter­essan­ten Fremd­lings durch ei­ni­ge we­ni­ge er­klä­ren­de Wor­te ein­lei­ten kön­nen.

Auf un­se­rer, wenn auch nicht lan­gen, so doch un­zwei­fel­haft un­ge­mein ver­dienst­vol­len li­te­ra­ri­schen Lauf­bahn ha­ben wir uns arg und viel ge­plagt, ver­kann­te Cha­rak­tere, al­ler­lei Spie­gel der Tu­gend und der gu­ten Sit­te, ab­schre­cken­de Bei­spie­le des Trot­zes, des Ei­gen­sinns und der Un­art, lehr­rei­che, lieb­li­che Exem­pel aus der Ge­schich­te und aus der Na­tur­ge­schich­te, sei es in al­ten oder neu­en Do­ku­men­ten, sei es in den Gas­sen oder den Ge­mä­chern, auf dem Haus­bo­den oder im Kel­ler, in der Kir­che oder in der Knei­pe, im Wal­de oder im Fel­de auf­zu­stö­bern und sie nach bes­tem Ver­mö­gen ab­ge­stäubt, ge­wa­schen und ge­kämmt in das rech­te Licht zu stel­len. Da ist uns seit dem Jah­re acht­zehn­hun­dert­vierund­fünf­zig man­cher Schweiß­trop­fen ent­fal­len und man­che Dumm­heit ent­fah­ren. Hier wa­ren wir zu breit, dort zu flach, hier zu flüch­tig, dort zu re­fle­xiv, hier zu hoch, dort zu tief. Hier wa­ren wir af­fek­tiert, dort ma­ni­riert, hier zu sen­ti­men­tal, dort zu tri­vi­al, hier zu tran­szen­den­tal, dort zu real, und un­ser ein­zi­ger Trost bleibt nur, dass wir über­all und im­mer zu be­schei­den ge­we­sen sind.

Sei­en wir letz­te­res heu­te ein­mal nicht, son­dern rüh­men wir uns nach un­serm Ver­diens­te!

Wie­der liegt ein recht maul­wurfs­ar­ti­ges Su­chen und Wüh­len hin­ter uns, und vor uns lie­gen die Ma­te­ria­li­en der sehr wahr­haf­ten Be­ge­ben­hei­ten, de­ren Zu­sam­men­stel­lung wir jetzt un­ter­neh­men. Mit dem un­be­ding­tes­ten Ver­trau­en auf die Teil­nah­me und Aner­ken­nung der Le­ser wer­fen wir un­sern Hü­gel auf: »Al­ler­seits schöns­ten gu­ten Mor­gen!«

Ah, welch ein Ver­gnü­gen, wie­der ein­mal die Nase aus der Tie­fe em­por­zu­re­cken! In wel­cher Pracht und Herr­lich­keit steht der Gar­ten der deut­schen Li­te­ra­tur! Wie blitzt der Tau aus den Au­gen des ge­fühl­vol­len Pub­li­kums an je­der schö­nen Blü­te, wie ju­bi­lie­ren die ly­ri­schen Ler­chen in der blau­en Luft, wie jauchzt der Kuckuck, wie freut sich der hu­mo­ris­ti­sche Frosch aus dem Grun­de sei­nes ge­spren­kel­ten Bau­ches!

Wahr­lich, es ist eine Lust, sich noch le­ben­dig zu füh­len in sei­ner Haut und in sei­ner Na­ti­on; aber wie ha­ben wir auch ge­sucht und ge­wühlt! Man gebe uns das uns von Rechts we­gen ge­büh­ren­de Lob, und gebe es uns umso will­fäh­ri­ger, als wir doch wie­der ein­ge­ste­hen, dass al­les mensch­li­che Wis­sen und Wol­len nur Stück­werk sei: un­se­re über alle Be­grif­fe reich­hal­ti­gen Ma­te­ria­li­en sind lan­ge nicht so voll­stän­dig, wie wir es im In­ter­es­se der Nach­welt wün­schen möch­ten. Ver­schie­de­ne alte Tan­ten und Ba­sen ha­ben in kei­ner Wei­se be­wo­gen wer­den kön­nen, ihre Schrän­ke, Kom­mo­den und Strick­beu­tel zu öff­nen; die wich­tigs­ten Pa­pie­re sind auf eine schmäh­li­che Art zu­grun­de ge­gan­gen, und mehr als eine löb­li­che Ver­wal­tungs- oder Jus­tiz­be­hör­de mehr als ei­nes hoch­löb­li­chen deut­schen Bun­des­staa­tes hat es schroff von der Hand ge­wie­sen, uns einen Blick in ihre Archi­ve zu ge­stat­ten.

Wir wa­ren auf Ver­mu­tun­gen an­ge­wie­sen, wo wir Ge­wiss­heit wünsch­ten, und un­se­re Fan­ta­sie fand häu­fig einen viel wei­te­ren Spiel­raum als un­ser Ver­stand oder das, was wir un­se­re Ver­nunft zu nen­nen be­lie­ben.

Wir neh­men un­ser Lob schef­fel­wei­se und löf­fel­wei­se; – wir ha­ben das mög­lichs­te ge­leis­tet in Be­zug auf Wahr­heit, Ernst und Un­par­tei­lich­keit; wir ha­ben uns we­der durch den Ge­schmack des Ta­ges noch durch die glück­li­che Leich­tig­keit un­se­res li­te­ra­ri­schen Hand­werks zu Aus­schrei­tun­gen ver­füh­ren las­sen. In je­der Be­zie­hung ha­ben wir uns be­strebt, dem großen Vor­wurf nach­zu­wach­sen, und we­der häus­li­ches noch öf­fent­li­ches Un­ge­mach ha­ben uns je län­ger als eine Er­dum­dre­hung in un­serm Vor­wärts­schrei­ten auf­ge­hal­ten; ja wir ha­ben so­gar jede schlaflo­se Nacht für einen Se­gen er­ach­tet; denn sie be­för­der­te uns ge­wöhn­lich we­nigs­tens einen Schritt wei­ter auf un­serm ho­hen Pfa­de. Nie­mals aber wur­de auch ein schwie­ri­ge­res, ver­ant­wor­tungs­vol­le­res Werk von uns un­ter­nom­men als die­se Ge­schich­te der Heim­kehr

Leon­hard Ha­ge­bu­chers.

Und sie war umso schwie­ri­ger, je leich­ter sie im An­fan­ge er­schi­en!

Es war recht an­ge­nehm, einen Hel­den frisch, fromm und frei aus dem al­le­run­be­kann­tes­ten, al­lerin­ners­ten Afri­ka in Triest lan­den zu las­sen. Man hät­te glor­reich lü­gen kön­nen, ohne die min­des­te Ge­fahr zu lau­fen, des­sen über­führt zu wer­den, und wir hat­ten uns ent­schlos­sen, es zu tun. Was al­les hät­ten wir mit un­se­rer be­kann­ten Ge­fäl­lig­keit über den Go­ril­la, die Tsetse­f­lie­ge, den Tschad­see, den Sam­be­si und der­glei­chen Ku­rio­si­tä­ten sa­gen kön­nen! Über­all hat­ten wir es mit Din­gen zu tun, von wel­chen je­der­mann et­was ge­hört hat, ohne je­doch et­was Ge­nau­e­res dar­über zu wis­sen.

Wie ge­sagt, nach­dem un­ser li­te­ra­ri­sches Schick­sal uns die Gunst hat­te zu­teil wer­den las­sen, die Be­kannt­schaft un­se­res Freun­des Ha­ge­bu­cher zu ma­chen, wa­ren wir an­fangs fest da­von über­zeugt, dass eine sol­che Art, ihn nach sei­ner lan­gen Ab­we­sen­heit der er­staun­ten eu­ro­päi­schen Welt von neu­em be­kannt zu ma­chen, die ein­zig rich­ti­ge sei, und un­ser ent­zück­tes Herz schlug und flat­ter­te wie ein be­trun­ke­ner Schmet­ter­ling über den tau­send Blu­men des Mond­ge­bir­ges – Dsche­bel al Kom­ri.

Wie je­doch auf je­den Rausch bin­nen kur­z­em die Er­nüch­te­rung folgt, so trat die­sel­be auch sehr bald nach die­ser ers­ten ge­ho­ben-sü­ßen schrift­stel­le­ri­schen Be­täu­bung ein. Je be­kann­ter wir mit dem viel­ge­wan­der­ten treff­li­chen Man­ne wur­den, de­sto mehr griff in un­se­rer See­le die Ge­wiss­heit Platz, dass er sei­ne man­nig­fal­tigs­ten, bun­tes­ten, ge­fahr­volls­ten, ge­heim­nis­volls­ten Aben­teu­er nicht in Ägyp­ten, Nu­bi­en, Abys­si­ni­en und im Kö­nig­reich Dar-Fur er­leb­te, son­dern da, wo aus al­ter Ge­wohn­heit der my­thi­sche Name Deutsch­land auf der Land­kar­te ge­schrie­ben steht, da, wo das bie­ders­te Volk der Erde seit ur­al­ter Zeit Treu und Red­lich­keit übt und, seit es aus dem Ur­schlamm ent­stand, sei­nen Re­gie­run­gen nicht ein ein­zi­ges Mal einen ge­rech­ten Grund zur Kla­ge ge­ge­ben hat.

So wur­de eine große Auf­ga­be durch die an­de­re ver­drängt; es han­del­te sich nicht mehr um Äthio­pi­en, son­dern um Ger­ma­ni­en, nicht mehr um Nym­phaea lo­tus, son­dern um Her­ba ni­co­tia­na, nicht mehr um un­sträf­li­che Lieb­lin­ge der Göt­ter, son­dern um arg und oft ge­straf­te Sün­den­bö­cke der Men­schen. Der Schmet­ter­ling vom Mond­ge­bir­ge wur­de wie­der zu ei­nem ge­wöhn­li­chen, weiß­gel­ben But­ter­vo­gel, der sein kur­z­es Som­mer­le­ben über ei­ner an­ge­neh­men deut­schen Wie­se aus­tum­melt, ru­hig sei­ne Eier legt und der Va­ter ei­ner ent­setz­li­chen Men­ge sehr grü­ner und dick­lei­bi­ger Rau­pen wird, was man dann in be­stimm­ten Fäl­len Ro­ma­ne schrei­ben nennt.

Wir be­fin­den uns aber aus­nahms­wei­se dies­mal nicht in ei­nem sol­chen Fal­le; wir schrei­ben et­was ganz an­de­res als einen Ro­man und sind fest über­zeugt, dass nie­mals ein Bio­graf Le­ben­di­ger oder To­ter mit tiefe­rer Wür­di­gung ei­nes großen Ge­gen­stan­des die Fe­der er­grif­fen hat, durch wel­che Be­mer­kung wir noch dazu aber­mals un­se­re Be­rech­ti­gung ma­ni­fes­tie­ren, uns im Gast­ho­fe zum Palm­baum in Leip­zig nach dem Fremd­ling, der hof­fent­lich bin­nen kur­z­em recht vie­len an­stän­di­gen Leu­ten ein sehr gu­ter Be­kann­ter sein wird, um­zu­se­hen.

Al­ler An­fang ist schwer, sagt das Sprich­wort und trifft hier durch­aus nicht zu. Es war nichts leich­ter, als den Kriegs­ge­fan­ge­nen des Sul­tans von Dar-Fur vom Molo zu Triest bis in den Palm­baum zu Leip­zig zu ver­fol­gen und ihn da­selbst samt sei­ner afri­ka­ni­schen Kis­te im Zim­mer Num­mer ein­un­dacht­zig zu de­po­nie­ren. Wo blie­ben aber Mann und Kis­te nach­her?

Gleich den Ju­den in der Wüs­te, wel­chen Je­ho­va die ih­rem Zuge vor­an­wan­deln­de Feu­er­säu­le im nicht un­be­grün­de­ten Är­ger vor der Nase aus­bläst, gleich dem lie­ben­den Ge­müt, wel­ches beim Mond­auf­gang in der Jas­min­lau­be einen Kuss er­war­te­te und eine Ohr­fei­ge er­hält, gleich der deut­schen Na­ti­on in al­len den Au­gen­bli­cken, wo ihr ein Licht auf­geht, ste­hen wir sehr ver­dutzt und im dicks­ten Ne­bel.

Leip­zig ist eine schö­ne Stadt und, wenn wir dem Volks­lie­de glau­ben wol­len, so­gar eine See­stadt. In sei­ner nächs­ten Um­ge­bung pfle­gen, wie wir be­reits lei­se be­rührt ha­ben, seit län­ge­rer Zeit die Völ­ker­schlach­ten statt­zu­fin­den, und dass sei­ne Mes­sen und sein Buch­han­del zu den eu­ro­päi­schen Berühmt­hei­ten ge­hö­ren, ha­ben wir auch schon an­ge­ge­ben. Leip­zig ist die Stadt der Denk­mä­ler, und es ist ein großer Vor­zug, da­selbst zu ei­nem Mo­nu­ment be­rech­tigt zu sein – Ha­ge­bu­cher aber war es nicht. Ha­ge­bu­cher kam nicht als An­füh­rer von hun­dert­tau­send Mann Mon­go­len, Schwe­den oder Fran­zo­sen; er kam nicht als Ver­le­ger oder Sor­ti­men­ter, er kam nicht als Händ­ler in Le­der oder Fuchs­pel­zen, es ge­lüs­te­te ihn nicht nach den von Dich­tern und Fein­schme­ckern gleich ge­ach­te­ten Ler­chen – was woll­te er in Leip­zig?

Er hat­te we­der mit der All­ge­mei­nen Mo­den­zei­tung noch mit den Blät­tern für li­te­ra­ri­sche Un­ter­hal­tung ir­gend et­was zu schaf­fen – was woll­te er in Leip­zig?

Ja, was woll­te er in Leip­zig? Un­säg­lich ha­ben wir uns ab­ge­müht, es her­aus­zu­be­kom­men, und als alle un­se­re Nach­for­schun­gen nur zu der einen Ver­mu­tung, er wol­le aus­schla­fen, lei­te­ten, er­ho­ben wir uns jauch­zend: was für einen fri­schen, mun­tern, hell­äu­gi­gen Hel­den konn­ten wir un­sern Le­sern vor­füh­ren! Lei­der aber ver­lor sich schon im nächs­ten Au­gen­blick jeg­li­che Spur von eben­die­sem Hel­den; wir stan­den, wie ge­sagt, ver­wirrt und ver­dutzt und tapp­ten im dicks­ten Ne­bel um­her. Wir ver­folg­ten eine dunkle Spur über den Au­gus­tus­platz, durch die Grim­mai­sche Stra­ße, aber sie führ­te hin­ab in die Ein­ge­wei­de der Erde, und wenn auch nicht zu den »Müt­tern«, so doch in Au­er­bachs Kel­ler, wo sie sich ver­lor. Eine zwei­te, noch va­ge­re Spur brach­te uns durch das Frank­fur­ter Tor an der großen Fun­ken­burg vor­über nach dem Kuh­tur­me und ließ uns da­selbst in ei­nem Kampf auf Le­ben und Tod mit dem furcht­ba­ren Ge­trän­ke »Gose« auf das schmäh­lichs­te im Stich. Auch in ei­nem Ku­chen­gar­ten zu Reud­nitz op­fer­ten wir uns für das all­ge­mei­ne li­te­ra­ri­sche Bes­te ohne Re­sul­tat, und ein un­be­stimm­tes Gerücht, wel­ches den aben­teu­er­li­chen Mann aus Afri­ka, den Kriegs­ge­fan­ge­nen des Herr­schers von Dar-Fur, im Knob­lauchs­duft und Mück­en­tanz des Ro­sen­tals, auf ei­ner Bank in der Nähe von Goh­lis gäh­nend sein Rei­se­ta­ge­buch ver­voll­stän­di­gen lässt, wird ewig ein Gerücht blei­ben; denn nie­mals wur­de uns die Exis­tenz die­ses Rei­se­ta­ge­bu­ches zu ei­ner Ge­wiss­heit.

Türler ve etiketler
Yaş sınırı:
18+
Hacim:
5251 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783962816056
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
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