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In der idyllischen Landschaft der Sternberger Seen stößt der interessierte Besucher auf eine archäologische Besonderheit: die Rekonstruktion des slawischen Tempelortes am Groß Radener See. Damit entstand ein eindrucksvolles Museum, das z. B. durch die Ausstattung einzelner Gebäude Einblicke in das Leben eines slawischen Ortes vor dem Jahr 1000 gewährt.
[03] Groß Raden – ein eindrucksvolles Freilichtmuseum
Mecklenburg-Vorpommern
Die Grabungsgeschichte
Etwa ein Kilometer nordöstlich des Dorfes Groß Raden, unweit von Sternberg, liegt ein Binnensee, der in der Literatur als Sternberger oder Groß Radener See bezeichnet wird. Sicherlich wäre der See heute einer von vielen in Mecklenburg-Vorpommern, hätte nicht schon im Jahr 1842 der Archivar und Leiter der Großherzoglichen Sammlungen in Schwerin, George Christian Friedrich Lisch (1801–1883), von einem Bodendenkmal, einem auf einer flachen Insel gelegenen slawischen Burgwall mit einem Durchmesser von 50 m, berichtet. Im Jahr 1905 entging der Wall nur knapp der Vernichtung und systematische archäologische Untersuchungen erfolgten erst zwischen 1973 und 1980. Dabei kamen erstaunliche Ergebnisse zum Vorschein, die schon 1983 dazu führen sollten, dass an dieser Stelle ein Freilichtmuseum errichtet wurde.
Ausgrabungen und Ergebnisse
Bei den archäologischen Untersuchungen wurden nur etwa 50 Prozent der Siedlung – das entspricht rund 7000 m² oder etwa der Größe eines Fußballfeldes – ausgegraben. Die Bedingungen, die die Archäologen vorfanden, kann man als ideal bezeichnen, weil hier nie Ackerbau betrieben wurde und der feuchte Untergrund auch erwarten ließ, dass organisches Material zu finden sei.
Bei den Ausgrabungen zeigte sich vor allem auch eine Veränderung in der Landschaft: Als die slawische Siedlung entstand, gab es eine Halbinsel, der eine Insel vorgelagert war. Heute stellt sich die Situation anders dar. Der Bereich zwischen der Halbinsel und der Insel ist im Laufe der Jahrhunderte verlandet. Um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, musste man bei der Anlage des Museums mittels „Kanälen“ die Anmutung einer Insel schaffen.
Die Archäologen stellten bei ihren Ausgrabungen fest, dass zunächst im 9. Jh. eine Siedlung auf der Halbinsel entstand, die durch einen Graben und eine Palisade mit Wehrgang gesichert war. Der Zugang erfolgte über eine heute rekonstruierte Brücke, die zum einzigen Tor führte.
Innerhalb des so begrenzten Siedlungsgebietes vermuteten die Ausgräber 40 Häuser, die eng beieinander standen. Es handelte sich dabei um recht einfache Gebäude mit einer Grundfläche von 20 m², die aus Holz und einer Art Fachwerk errichtet waren. Exemplarisch sind einige dieser Häuser wieder errichtet worden.
Das Besondere an der Siedlung war aber, dass ihr ein Plan zugrunde lag. Nachgewiesen werden konnte dies, da man einen heute wieder vorhandenen Bohlenweg fand, der die Siedlung durchschnitt und zu einem Brückenbau führte, dessen Länge mit 100 m angegeben wird und der die Verbindung zur Insel darstellte. Zu beiden Seiten des Bohlenwegs standen die Häuser.
Eine Antwort auf die Frage, warum in dieser Phase eine Brücke zur Insel geschlagen wurde, lässt sich vermuten. Auf der Insel konnten nämlich Reste von Gebäuden nachgewiesen werden, die in der Forschung als Speicherbauten gedeutet werden.
Blickt man auf den Plan der Siedlung, so erkennt man im südwestlichen Teil Groß Radens ein Gebäude, dass innerhalb der Siedlung isoliert ist und zu dem ebenfalls ein Bohlenweg führte. Dieser 7 x 11 m große Bau war mit einigem Aufwand errichtet worden, weil seine Wände aus einer doppelten „Stabbohlenwand“ bestanden. Außerdem war er von Pfosten umgrenzt, die in regelmäßigen Abständen nachgewiesen werden konnten. Bei den äußeren Bohlen glaubt man, in deren oberen Abschlüssen stilisierte Menschendarstellungen erkennen zu können. An den Schmalseiten des Gebäudes ließen sich Lücken nachweisen, die auf jeweils einen Eingang hindeuten. Ob das Gebäude überdacht war, ließ sich bei den Ausgrabungen nicht eindeutig ermitteln. In der Rekonstruktion hat man sich dafür entschieden, ein Walmdach zu bauen.
Wie aber ist der Bau zu interpretieren? Weil man in der Nähe der Eingänge Pferdeschädel gefunden hatte, entstand die Vermutung, es handele sich um einen Tempel. Gestützt wird diese Vermutung durch Beschreibungen slawischer Tempel in mittelalterliche Quellen, wie etwa in der Gesta Danorum des Chronisten Saxo Grammaticus (ca. 1140–1220).
Interessante Einblicke in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Ortes bot ein kleiner Werkplatz, der von den Wohnhäusern getrennt angelegt war. Der Grund dafür konnte die Archäologie liefern: Man grub hier eine Reihe von Kuppelöfen aus, die zur Keramikherstellung und zum Backen von Brot dienten. Von ihnen ging eine latente Gefahr aus, die die ganze Siedlung hätte zerstören können. Oft genug sind im Mittelalter ganze Städte abgebrannt.
Weiter konnte in der Siedlung eine differenzierte Wirtschaft durch die Funde dokumentiert werden: Schmiede, Böttcher und andere Handwerke ließen sich beobachten.
Etwa um das Jahr 930 veränderte sich offenbar die Sicherheitslage in Groß Raden, denn die Insel erhielt einen Holz-Erde-Wall. Nur ein Zugang war vorhanden, den man aufgrund seiner Konstruktion als Tunneltor bezeichnet.
Nur wenige Jahre später, um 950, wurde die Siedlung einschließlich der Inselbebauung vollständig zerstört. In der Forschung denkt man daran, hier eine Verbindung mit einem Feldzug des späteren römisch-deutschen Kaisers Otto I. im Jahr 955 gegen die hier ansässigen Slawen zu ziehen. Allerdings – auch das legen die Befunde nahe – scheint ein ausreichendes Bevölkerungspotential in Groß Raden verblieben zu sein, da ein schneller Wiederaufbau erfolgte.
Wesentliche Veränderungen gegenüber der ersten Siedlungsphase bestanden in einer veränderten Wohnarchitektur. Die Häuser wurden größer und in Blockbauweise angelegt. Auf einen Wiederaufbau des Tempels verzichtete man, vielleicht weil die Einwohner des Ortes den Kult auf die Insel verlegten.
Die Insel erhielt einen neuen, größeren Kreiswall mit einem Innendurchmesser von 25 m und einer Höhe von mindestens 8 m. Entlang des Walls entstanden Gebäude, die bislang nicht gedeutet werden konnten. Wie bei seinem Vorgänger erfolgte der Zugang durch ein Tunneltor, das 2009 rekonstruiert wurde. (Abb. 3)
Abb. 3 Groß Raden, Freilichtmuseum (Slawische Siedlung). Blick auf die Insel mit dem Ringwall. Im Vordergrund die Brücke, die die Siedlung auf der Halbinsel mit der Befestigung verbindet.
In einer letzten Phase wurde der Wall nochmals verstärkt, doch reichte dies nicht aus, um die Siedlung Groß Raden im 10. Jh. vor dem endgültigen Untergang zu bewahren.
Archäologisches Freilichtmuseum Groß Raden, Kastanienallee, 19406 Groß Raden, Tel. 03847-2252, www.freilichtmuseum-gross-raden.de
Literatur
D. Jantzen, Das Archäologische Freilichtmuseum Groß Raden. Altslawischer Tempelort des 9. und 10. Jahrhunderts. Ein Führer durch das Freigelände ²(2012).
Im 19. Jh. war Plate-Pekatel Ort eines sonderbaren Fundes, der in der Forschung seit seiner Auffindung reichlich Anlass zur Deutung bietet. Aus einem bedeutenden Grabhügel der Bronzezeit kam ein merkwürdiges Objekt zum Vorschein, das die Frage „Kult- oder Tischgerät?“ aufwirft.
[04] Plate-Peckatel (Lkr. Ludwigslust-Parchim) – ein Grab mit einem besonderen Fund
Mecklenburg-Vorpommern
Im 19. Jh. gab es in Peckatel vier Grabhügel, die in einer Niederung lagen. Sie erweckten das Interesse von George Christian Friedrich Lisch (1801–1883), der in den Jahren 1843 und 1845 zwei der Hügel ausgraben konnte. Der dritte Hügel wurde durch den Eisenbahnbau 1888 zerstört und der letzte fiel den Interessen des Eigentümers zum Opfer.
Glücklicherweise hatte Lisch die Hügel soweit aufgenommen, dass wir heute ihre Größe kennen. Sie hatten etwa einen Durchmesser von 30 m und ihre Höhe schwankte zwischen 1,5 und 3 m.
Der Hügel I war mit einer Steineinfassung aufwendiger konstruiert als Hügel II. Bei den Bestattungen in beiden Hügeln handelte es sich sowohl um Körper- als auch Brandbestattungen.
Interessant war aber aufgrund der Beigaben Hügel I. In ihm fand man zahlreiche Gegenstände aus Bronze. Dazu zählten ein Messer, ein Griffzungenschwert, ein Tüllenbeil und eine Fibel. Herausgehoben waren aber ein Armring aus Gold und ein seltsames Gefäß aus Bronze, das auf ein Gestell mit vier Rädern montiert war: ein Kesselwagen. Ein genauerer Blick auf diesen und seine Bestandteile zeigt, dass das Objekt selbst eine Höhe von 35,5 cm hat. Die schon erwähnten Räder haben einen Durchmesser von 10,7 cm und sind wie die Achsen gegossen. Diese sind über geschmiedete Gestänge mit einem Fußelement verbunden, das den eigentlichen Kessel aus getriebenem Bronzeblech mit einem Buckeldekor trägt. Vier tordierte Griffe sind am Gefäßrand angebracht. (Abb. 4)
Abb. 4 Schwerin, ehemals Museum für Vor- und Frühgeschichte. Kesselwagen aus Peckatel.
Gesichert ist somit, dass hier jemand beigesetzt worden war, der in seiner Heimat eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Aber wie war dieser Kesselwagen zu deuten? Diese Frage musste sich auch der Ausgräber gestellt haben, der den Fund zunächst als singulär betrachten musste. Inzwischen hat sich zwar der Denkmälerbestand etwas erweitert, doch einer präzisen Deutung entziehen die Kesselwagen sich weiterhin. In der Forschung finden sich zwei Deutungsvarianten: Einmal könnte es sich um Tischgerät gehandelt haben, weil die meisten dieser Objekte aus Gräbern geborgen wurden. Die andere Lesart sieht in diesen Gegenständen eher Kultgerät, wobei ein großer Bogen von Griechenland bis in den Nahen Osten geschlagen werden muss. Dabei stützt man sich auf Münzbilder aus dem griechischen Kranon oder verweist auf derartige Wagen im Tempel von Jerusalem. Aufgrund der Funde können wir heute den Grabhügel in die späte Bronzezeit datieren. Damit kommen wir in die Jahre von 1200 bis 1000 v. Chr.
Literatur
S. Hansen, Archäologische Funde aus Deutschland (2010) 50 f. Abb.; G. Rennebach, C 2 Peckatel, in: J. Herrmann (Hrsg.). Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1989) 435 f. Abb. S. 436.
In der idyllischen Landschaft am Flüsschen Tollense stießen in den 1990er-Jahren Hobby-Archäologen auf Funde aus der Bronzezeit, deren nähere Untersuchung ein vorgeschichtliches Drama ans Tageslicht brachte. Seit 1996 werden nun archäologische Untersuchungen und begleitende Forschungen, durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert, durchgeführt. Sie belegen eindrucksvoll, dass das Leben in der Bronzezeit keineswegs immer friedlich war.
[05] Das Tollensetal – Archäologie eines Schlachtfeldes aus der Bronzezeit
Mecklenburg-Vorpommern
Was führte dazu, dass an der Tollense so intensiv geforscht wird? Zu den ersten Entdeckungen gehörten eine Holzkeule und ein menschlicher Oberarmknochen, in dem eine Pfeilspitze steckte. Diese Funde erweckten das Interesse der Archäologen des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommerns und der Kollegen der Universität Greifswald.
Die ersten Ausgrabungen brachten Skelettreste von Menschen und Pferden in nicht korrekter anatomischer Lage ans Tageslicht. Darunter befand sich auch ein eingeschlagener Schädel. Diese Funde deuteten darauf hin, dass es sich um Opfer einer gewalttätigen Auseinandersetzung handelte. Zusätzliche Bedeutung besaß der Fund, weil man auch Material fand, das durch C14-Analysen in die Zeit von 1300 bis 1110 v. Chr. datiert werden konnte. Damit bot sich die Deutungsmöglichkeit, hier den Schauplatz einer größeren kriegerischen Auseinandersetzung in der Bronzezeit zu sehen. Diese Interpretation verdichtete sich, als im Jahr 1999 eine zweite Holzkeule und weitere Skelettreste gefunden wurden.
Im Laufe der Jahre hat sich das Projekt inhaltlich entwickelt. Neben weiteren Ausgrabungen an verschiedenen Stellen, auch unter Wasser, erfolgten Begehungen, die Pfeilspitzen aus Bronze und Feuerstein zum Vorschein brachten. Daneben richtet sich das Interesse auf die Erforschung der bronzezeitlichen Landschaft und die Rekonstruktion der damaligen Bevölkerung durch naturwissenschaftliche Methoden wie Isotopenuntersuchungen, Paläogenetik sowie die Anthropologie.
Der Leser wird an dieser Stelle fragen, warum sich an der Tollense die organischen Funde so gut erhalten haben. Dies erklärt sich durch die geologischen Bedingungen. Im Laufe der letzten Jahrtausende sorgte der Anstieg des Meeresspiegels der Ostsee durch den daraus resultierenden Rückstau für die Anhebung des Wasserspiegels an den Flüssen des Hinterlandes. Dies trug zur Torfbildung entlang der Flüsse bei, die eine Schicht mit einer Stärke von teilweise mehr als 4 m ausbildete. Und der Torf ist es, der organische Materialien durch Luftabschluss und durch die im Boden befindlichen Gerbstoffe konserviert.
Hatte man schon zu Anfang der Untersuchungen erkannt, dass es sich hier um Opfer von Gewalt handelte, verdichtete sich mit der zunehmenden Zahl von Skelettfunden die Deutung dahingehend, dass nun von einem Schlachtfeld gesprochen werden kann (Abb. 5); man konnte die Skelettreste mehr als 100 Menschen zurechnen. Deren Alter lag zwischen 20 und 40 Jahren. Es handelte sich überwiegend um Männer. Hier gefundene Skelettreste von Frauen und älteren Kindern sprechen nicht zwangsläufig gegen eine Schlachtfeldtheorie, da sie als Beteiligte und Opfer durchaus in Frage kommen.
Abb. 5 Tollensetal, Blick über eine Ausgrabungsfläche. Im Vordergrund sind deutlich Skelettreste erkennbar.
Bei den bisherigen Untersuchungen kam man zu dem Ergebnis, dass der Fundort nicht unbedingt auch Tatort gewesen sein muss. Darauf deuten die ungeordneten und nicht im anatomischen Zusammenhang liegenden Skelettreste hin; die Leichen müssen vor ihrer endgültigen Ablagerung im Wasser getrieben und dort zerfallen sein. Die Fundsituation entspricht nicht der einer Begräbnisstätte, zumal keine Grabbeigaben gefunden wurden. Eine Opferstätte anzunehmen wäre spekulativ.
Das Tollenstal war noch für weitere Überraschungen gut. Im Uferprofil des Flusses konnten an einer neuen Fundstelle weitere Skelettreste unterhalb der Wasserlinie geborgen werden. Ein Fund inmitten der Knochen war außergewöhnlich; man entdeckte einen goldenen Spiralring. Ein ähnliches Stück war bereits im Vorjahr an anderer Stelle im Tollensetal gefunden worden.
Derartiger Schmuck stammt in Mecklenburg-Vorpommern sonst überwiegend aus Gräbern und Depotfunden.
Neben einem Oberschenkelknochen entdeckten die Archäologen an derselben Fundstelle zwei dunkel gefärbte, spiralförmig gewundene Ringe, deren Material als Zinn identifiziert werden konnte. Weil sich Gegenstände aus Zinn nur sehr schlecht im Boden erhalten, gibt es nur wenige Funde aus der Vorgeschichte.
Denken wir heute an Zinn, so fällt uns zunächst ein, dass dieses Material über viele Jahrhunderte hinweg in besseren Haushalten für Teller, Tassen und andere Gefäße genutzt wurde. Aber im Lauf der Menschheitsgeschichte kam dem Material eine ganz andere Bedeutung zu: Zinn war ein Rohstoff, ohne den die Bronzezeit nicht denkbar gewesen wäre; Bronze entsteht durch die Verbindung von Kupfer und Zinn, einem seltenen und daher kostbaren Rohstoff, der über weite Strecken gehandelt wurde.
Will man die Funde bewerten, so kann man der Interpretation der dort tätigen Archäologen folgen: „Der Nachweis eines Gruppenkonflikts der Bronzezeit von bislang ungeahntem Ausmaß verleiht den Fundstellen im Tollensetal überregionale Bedeutung. Mit dem Auftreten von Gold und Zinn bekommt die Deutung des Konflikts eine zusätzliche Dimension.“
Literatur
D. Jantzen – T. Terberger, Gewaltsamer Tod im Tollensetal vor 3200 Jahren, AiD 2011/4, 6–11.
Von der Pleite zum Superfund! Unter diesem Motto könnte der Grabhügel von Seddin stehen, der im späten 19. Jh. aus wirtschaftlichen Gründen von den damaligen Eigentümern ausgebeutet werden sollte. In der Gegend gab es neben dem „Königsgrab“ zahlreiche andere Grabhügel, die durchweg im 19. Jh. abgetragen wurden, da man das Steinmaterial der Grabkammern (Findlinge) und anderes Geröllmaterial aus den Hügeln gut für den Straßenbau verwenden konnte.
[06] Seddin – ein Königsgrab?
Brandenburg • Berlin
Wer heute das „Königsgrab“ von Seddin, wie es in der Literatur immer noch genannt wird, besuchen will, muss sich zunächst an der Ortsangabe Groß Pankow, Ortsteil Wolfshagen, orientieren. Schon vor langer Zeit war Seddin dem Ort Wolfshagen zugeschlagen worden. Die Grabanlage findet sich etwa 2 km südwestlich des Ortskerns von Seddin und ist über die K 7017 zu erreichen, von der man rechts abbiegt.
Der Grabhügel und seine Funde
Ein Hügel, der einen Durchmesser von etwa 90 m und eine Höhe von 11 m aufwies und ein Volumen von rund 30.000 m³ – das entspricht etwa dem Fassungsvermögen von 100 Transportcontainern – besaß, zeichnete sich im 19. Jh. noch deutlich im Gelände ab. Im Jahr 1888 erweckte er das Interesse des Grundeigentümers, der, so heißt es, große wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte. In der lokalen Überlieferung wurde der Hügel mit der Grablege eines Riesen in Verbindung gebracht, der in einem goldenen Sarg beigesetzt sei. Schatzsuche war also das Motiv und von einer wissenschaftlichen Ausgrabung konnte daher auch keine Rede sein. (Abb. 6)
Abb. 6 Seddin, Königsgrab. Zeichnerische Rekonstruktion (Schnitt durch den Grabhügel und Grundriss der Grabkammer).
Nachdem der Besitz seinen Eigentümer gewechselt hatte, sollte die wirtschaftliche Ausbeutung weitergehen, nun aber mit realistischen Plänen: Statt nach Gold zu suchen, ging es nun um die Gewinnung von Steinmaterial aus dem Hügel. Im Herbst 1899 stieß man bei der Steingewinnung in der Mitte des Hügels auf einen Steineinbau, bei dem es sich nur um eine Grabkammer handeln konnte. Diese Kammer, deren Höhe und Durchmesser später mit 2 m angegeben wurde, besteht in seinem Grundriss aus einem Neuneck aus aufrecht stehenden Steinblöcken; die Abdeckung ist ein falsches Gewölbe, d. h. Steinplatten wurden so übereinander gelegt, dass die jeweils folgende ein kleines Stück vorsprang. Die Steinblöcke wiesen einen Lehmverputz auf, der wohl bemalt war.
Im ersten Moment gewann offenbar der Schatzsucherinstinkt die Oberhand. Ohne fachliche Anleitung und ohne Dokumentation wurde die Kammer geöffnet und die wertvollen Funde geborgen. Entweder hatte man die Befürchtung, der Wert des Ausgegrabenen könne durch Gerüchte an die zuständigen Behörden gelangen, oder der Finder war zur Einsicht gekommen, was er auf seinem Grund gefunden habe, müsse doch gemeldet werden.
Die Funde wurden nun von Seiten des Staates gesichert und zunächst in das Märkische Provinzialmuseum nach Berlin gebracht. Nach 1945 gelangten die Funde, soweit sie die Wirren des Zweiten Weltkrieges überstanden hatten, in das Museum für Vor- und Frühgeschichte zu Berlin. Mit der Einrichtung des Brandenburgischen Landesmuseums im Jahr 2008 wurden sie dorthin abgegeben. Zeitgleich mit der Sicherung der Funde erfolgte die Unterschutzstellung des Grabhügels. Im Zuge dieses Verfahrens wurde die Grabkammer zugänglich gemacht; dieser Zustand ist noch heute aktuell.
Die Funde verteilen sich auf mehrere Bestattungen. Die Hauptbestattung war die eines etwa 30- bis 40-jähren Mannes, dessen Leichenbrand (Asche und Knochenreste) in einer reich verzierten, aus mehreren Teilen gefertigten Urne aus Bronzeblech beigesetzt wurde. Die Urne selbst fand sich in einem rund 0,5 m hohen Tongefäß; ob kultische Gründe für diese Art der Aufbewahrung verantwortlich waren oder ob man die kostbare Urne vor Schäden schützen wollte, lässt sich nicht beantworten.
Neben der Hauptbestattung fanden sich zwei Nebenbestattungen, die vom Material der Urnen deutlich bescheidener waren. Es handelte sich um Tongefäße, in denen jeweils der Leichenbrand einer 20 bis 30 Jahre alten Frau gefunden wurde.
Das Inventar des Grabes erwies sich als überaus reich, weil es neben der Urne der Hauptbestattung zahlreiche Bronzeobjekte enthielt. Darunter befanden sich u. a. ein Schwert, ein Messer, ein Rasiermesser, ein Tüllenbeil, zwei Schalen, Schmuck und eine gegossene Tasse. Aufsehenerregend waren aber zwei Nadeln aus Eisen, die zu dieser Zeit besonders wertvoll waren.
Die kostbare Ausstattung des Grabes und die beiden Nebenbestattungen – die Forschung sieht in ihnen Witwenopfer – deuten darauf hin, dass es sich hier um die Grablege einer hochrangigen Persönlichkeit gehandelt haben muss. In gewisser Weise spiegelt sich dies auch in der Bezeichnung des Grabhügels als „Königsgrab“ wider.
Bei der Datierung des Grabes ging man lange Zeit davon aus, dass es um 800 v. Chr., also in der späten Bronzezeit, angelegt wurde. Archäologische Untersuchungen im Jahr 2003 erbrachten Fundmaterial, welches sich für eine C14-Analyse eignete. Dabei kam man auf das Datum 829 v. Chr.; allerdings muss man bei dieser Methode hinsichtlich ihrer Genauigkeit doch einige Abstriche machen. Bei weiteren Untersuchungen in der Nähe des Grabhügels fand man mehrere Feuergruben, deren Inhalte ebenfalls C14-Analysen erlaubten. Hier erhielt man Daten, die zwischen 1101 und 904 v. Chr. liegen. Damit stellt sich die Frage, ob diese Gruben mit dem Grab in Verbindung stehen.