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Heeseberg-Museum Watenstedt
Das Heeseberg-Museum befindet sich in den Gebäuden eines denkmalgeschützten Bauernhofs. Neben den archäologischen Funden vom Heeseberg finden sich eine volkskundliche Sammlung sowie Fossilien.
Literatur
I. Heske, Bronzezeitlicher Herrschaftssitz mit Außensiedlung, AiD 2010/4, 8–13; H. Brandorff, Das Heeseberg-Museum in Watenstedt (2008); S. Grefen-Peters – H. Zellmer, Von der Salzwiese zum Steppenrasen: Erlebnispfad Heeseberg – Großes Bruch – Hünenburg (2008).
Nordstraße 32, 38384 Watenstedt, Tel. 05345-296, www.samtgemeindeheeseberg.de
Im Jahr 2008 stand ein seltsamer Fund am Beginn der sensatio-nellen Entdeckung eines antiken Schlachtfeldes im Harz! Wer waren die Akteure, wer war der Sieger und warum kam es hier zur Schlacht? Diese Fragen konnten durch umfangreiche Untersuchungen geklärt werden, die die Beziehungen zwischen dem freien Germanien und dem Römischen Reich im 3. Jh. n. Chr. in einem neuen Licht erscheinen lassen. Wäre das freie Germanien vielleicht doch beinahe noch römisch geworden?
[16] Northeim: Harzhornschlacht – Geheimoperation Schlachtfeldarchäologie
Niedersachsen
Lange glaubte man, mit der katastrophalen Niederlage des Varus im Jahr 9 n. Chr. sei den Römern jegliche Lust vergangen, im freien Germanien Einfluss zu nehmen. Spätere Feldzüge der Römer in germanisches Gebiet, von denen die Quellen berichten, wurden zumeist als Abwehr feindlicher Angriffe oder als begrenzte Strafexpeditionen verstanden.
Im Jahr 233 n. Chr. waren die Alamannen, ein germanischer Stamm, einmal mehr in römisches Reichsgebiet eingefallen und bis Mainz vorgedrungen. Dies war möglich geworden, da der Kaiser Severus Alexander (222–235 n. Chr.) für einen Feldzug im Orient Truppen aus den westlichen Provinzen abgezogen hatte.
Nachdem der Kaiser den Krieg im Orient verloren hatte, widmete er sich dem Vergeltungsangriff gegen Germanien. Dazu zog er 234 n. Chr. in Mainz ein Heer zusammen und bereitete den Aufmarsch durch eine Brücke über den Rhein vor. Statt nun den Feldzug auch durchzuführen, wollte er den Alamannen aber lieber riesige Geldsummen bezahlen. Die Truppen in Mainz, darunter die 4. Legion, meuterten, ermordeten Severus Alexander und riefen den erfahrenen Feldherrn Maximinus Thrax (235–238 n. Chr.) zum neuen Kaiser aus. Maximinus führte den Feldzug durch, doch wurde über dessen Verlauf und Ausmaß fast nichts überliefert.
Umso bedeutender sollte daher ein Ereignis im Jahr 2008 sein, als zwei glücklicherweise ehrliche Sondengänger unweit der Stadt Northeim in einem Waldstück immer wieder auf Metallfunde stießen. Die Vielzahl der Objekte veranlasste die Finder, sich mit der zuständigen Kreisarchäologie in Verbindung zu setzen, auch auf die Gefahr hin, sich gewaltigen Ärger einzuhandeln, da es sich bei ihrem Hobby eigentlich um ein illegales handelt.
Die Fachleute erkannten schnell, dass hier eine ganz besondere Fundstelle vorliegen müsse. Sofort begann man unter größter Geheimhaltung die Stelle zu begehen. Zahllose Metallgegenstände – Waffen, Münzen und Schuhnägel, mit denen die Sohlen römischer Soldatenstiefel beschlagen waren, und andere militärische Ausrüstungsgegenstände – deuteten auf die Anwesenheit einer größeren römischen Truppe hin. Aufgrund der Verteilung der Funde und ihrer Zusammensetzung war schnell klar, dass hier kein römisches Lager zu finden war, sondern dass es sich offenkundig um ein antikes Schlachtfeld handelte.
Die weiterführenden Untersuchungen, die den Begehungen folgten, erlaubten es, den Ablauf des Geschehens zu rekonstruieren. Danach war eine römische Armee vermutlich bis zur Elbe vorgestoßen. Weil bei deren Rückmarsch eine schmale Senke zwischen dem Harzhorn im Westen und dem unwegsamen Bergland im Osten passiert werden musste, blockierten die Germanen den Weg, um aus sicherer Position heraus die Römer angreifen zu können. Jedoch konnten die Römer aufgrund der überlegenen Waffentechnik und eines geschickten Umgehungsmanövers den Durchbruch erzwingen und in verschiedenen Einzelgefechten die germanischen Gegner besiegen. Damit war der Rückweg frei. (Abb. 16)
Abb. 16 Northeim. Die Landschaft am Harzhorn.
In den nächsten Jahren wird man den Verlauf der Schlacht noch viel genauer darstellen können. Drei Voraussetzungen für diese Prognose spielen dabei eine wichtige Rolle: Das Schlachtfeld lag seit den Geschehnissen so abseits, dass es nie bebaut oder auch nur als Ackerland genutzt wurde. Daneben bot der kalkhaltige Boden optimale Voraussetzungen für die Konservierung von Metallobjekten. Und schließlich muss man das Verhalten der damaligen Konfliktparteien näher betrachten. Die siegreichen Römer wollten ihren Erfolg nicht aufs Spiel setzen, indem sie sich um das Aufräumen eines Schlachtfeldes kümmerten, während die Germanen, die sonst gerne das Schlachtfeld plünderten, den Ort ihrer Niederlage aus religiösen Gründen oder des Aberglaubens wegen mieden.
Noch heute lassen sich die Positionen der Gegner genau nachvollziehen. Dort, wo viele römische Pfeilspitzen gefunden wurden, befanden sich die Ziele der Römer, die germanischen Stellungen. Genauso lässt sich aus der Verteilung der Schuhnägel ein römisches Bewegungsprofil ableiten.
Die Ausgräber stellten sich natürlich sofort die Frage, mit welchem geschichtlichen Ereignis diese Schlacht verbunden gewesen sein könnte. Eine Antwort gaben die Funde: Unter den zahlreichen römischen Münzen stammten die jüngsten aus dem Jahr 228 n. Chr.; damit musste die Schlacht nach diesem Datum stattgefunden haben. Im Jahr 2011 kam ein weiterer Schlüsselfund ans Tageslicht: Eine hervorragend erhaltene römische Pionieraxt konnte durch eine Inschrift dem Material der 4. Legion zugeordnet werden, die 234/235 n. Chr. zu den in Mainz ansässigen Truppen gehörte. Damit war klar, dass hier ein Zeugnis jenes Feldzuges vorlag, den Severus Alexander geplant, Maximinus Thrax aber durchgeführt hatte. Die Dimensionen deuten auch darauf hin, dass Rom sein Interesse am freien Germanien im 3. Jh. n. Chr. noch nicht verloren hatte und vielleicht ein Abschnitt unserer Geschichte neu bewertet werden muss.
Das Schlachtfeld kann mit Führern besichtigt werden. Weitere Informationen: www.roemerschlachtamharzhorn.de/besucher-information.html
Literatur
F. Haedecke, Roms vergessener Feldzug – Das Schlachtfeld am Harzhorn, in: A. Hesse (Hrsg.), Deutschlands Supergrabungen (2012) 76–83; M. Geschwinde – P. Lönne, Die Spur der Sandalennägel. Hintergründe zur Entdeckung eines römischen Schlachtfeldes. AiD 2009/2, 38–39; M. Geschwinde – H. Haßmann – P. Lönne – M. Meyer – G. Moosbauer, Roms vergessener Feldzug. Das neu entdeckte römische Schlachtfeld am Harzhorn in Niedersachsen, in: Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH – Museum und Park Kalkriese (Hrsg.), 2000 Jahre Varusschlacht II, Konflikt (2009) 228–232.
Höhlen – geheimnisvolle Welten unter der Erde! Noch heute geht von diesen Räumen eine große Faszination aus. Dafür gibt es viele Gründe: Mancher Besucher erfreut sich einfach an den Naturwundern, die Höhlen bieten können, andere wiederum werden von ihrer Neugier angetrieben, in Bereiche vorzustoßen, die vielleicht noch nie ein Mensch betreten hat. Vor Tausenden von Jahren aber hatten Höhlen eine ganz andere Funktion. Sie boten als Wohnraum Schutz gegen menschliche oder tierische Feinde und schlechtes Wetter oder waren Kultorte und letztlich auch Begräbnisstätten.
[17] Osterode – Die Lichtensteinhöhle
Niedersachsen
Die Höhle und ihre Überraschungen
Als im Jahr 1972 eine Gruppe von Höhlenforschern am Nordwesthang des Lichtensteins unweit von Osterode auf der Suche nach einem mittelalterlichen Geheimgang eine Höhle entdeckte, konnten die Beteiligten noch nicht ahnen, welche sensationelle Entdeckung sie gemacht hatten. Statt des vermeintlichen Geheimgangs fand man eine natürliche Höhle, die letztendlich den Namen der über ihr gelegenen Burgruine Lichtenstein erhalten sollte. Das Ereignis, das die Höhle schließlich weltbekannt machen sollte, fiel in das Jahr 1980: In der inzwischen gut erforschten Höhle stießen die Höhlenforscher auf eine unpassierbare Engstelle. Neugierig, was da noch kommen könnte, erweiterten sie die Engstelle und erschlossen fünf neue Kammern.
Völlig überraschend stieß man auf unzählige Knochenreste und zahlreiche Gegenstände, die natürlich die Archäologen auf den Plan riefen. Bei den nun folgenden Ausgrabungen zeigte sich, dass hier die Skelette von 40 Menschen – Männer, Frauen und Kinder – ruhten. Zwischen den menschlichen Überresten lagen Ringe, Armreifen, Gürtelhaken, Keramik und viele andere Dinge, die schnell eine Datierung der Fundstelle in die Zeit von ca. 1000–700 v. Chr. ermöglichten. Außerdem wiesen andere Funde, Knochen von Nutz- und Wildtieren, aber auch Feuerstellen auf rituelle Mahlzeiten hin. (Abb. 17)
Abb. 17 Osterode, Lichtensteinhöhle.
Schnell spekulierte man darüber, warum die Toten hier bestattet worden waren. Diese Frage drängte sich umso mehr auf, weil in der „Urnenfelderkultur“, so nennt die Forschung eine bronzezeitliche Kultur, in dieser Zeit die Bestattungssitten von der Körperbestattung zur Totenverbrennung wechselten. Schnell verbreiteten sich Theorien, die von Massenmord über Menschenopfer bis hin zu Kannibalismus reichten. Diese Hypothesen konnten aber alle inzwischen ausgeräumt werden. Tatsache ist, dass die Lichtensteinhöhle als Grablege verstanden werden muss.
War der Fund allein schon spektakulär, so sollten naturwissenschaftliche Untersuchungen noch ganz andere überraschende Ergebnisse liefern. Als man noch vermutete, es könnte sich hier um einen Opferkult handeln, interessierten sich ab 2002 die Anthropologen der Universität Göttingen für die Skelettreste. Aufgrund der Umgebungsbedingungen war das Knochenmaterial in einem so guten Zustand, dass DNA gewonnen und analysiert werden konnte. Schließlich war klar: Die in der Höhle Beigesetzten gehörten alle zu ein und derselben Großfamilie.
Bald nach dieser Erkenntnis, im Jahr 2007, führte man bei Bewohnern der Region ebenfalls DNA-Tests durch. Überraschend zeigte sich, dass einige der heute hier lebenden Menschen Nachkommen jener Menschen aus der Höhle waren und so auf einen Stammbaum mit mehr als 120 Generationen zurückblicken können.
HöhlenErlebnisZentrum Iberger Tropfsteinhöhle
Das HöhlenErlebnisZentrum vereinigt zwei Museen. Dabei handelt es sich um das „Museum am Berg“, das den Funden aus der Lichtensteinhöhle gewidmet ist, während sich das „Museum im Berg“ der Geologie der Region widmet.
Museum am Berg
Weil die Originalhöhle „Lichtenstein“ selbstverständlich nicht be-sichtigt werden kann, hat man hier ein Museum geschaffen, das unter Nutzung der verschiedensten Medien die Kultur der Bronzezeit anschaulich darstellt.
Im Zentrum des Museums ist aber die Kopie der Lichtensteinhöhle in Originalgröße zu sehen. Dabei mag sich mancher Besucher die Frage stellen, wie die dort Bestatteten wohl ausgesehen haben mögen. Diese Frage wird eindrucksvoll beantwortet, wenn man vor unter Verwendung moderner Methoden rekonstruierten Köpfen einer kleinen Familie, bestehend aus den Eltern und einer Tochter, steht. Durch diesen Anblick wird man zu der Erkenntnis kommen, dass diese Menschen uns trotz einer zeitlichen Distanz von rund 3000 Jahren sehr nahe stehen.
Literatur
St. Flindt, Die Menschen aus der Lichtensteinhöhle: Größter DNA-Pool der Bronzezeit (2010); J. Udolph, Lichtensteinhöhle, Siedlungskontinuität und das Zeugnis der Familien-, Orts- und Gewässernamen, in: S. Brather (Hrsg.), Historia archaeologica. Festschrift für Heiko Steuer zum 70. Geburtstag (2009) 85-105; R. Lange, Der Nachfahre – Ein Leben im Schatten des Lichtensteins (2008).
An der Tropfsteinhöhle 1, D-37539 Bad Grund, www.hoehlen-erlebnis-zentrum.de
Eindrucksvoll liegt inmitten einer idyllischen Heidelandschaft das größte Hügelgräberfeld Nordeuropas, in dem sich noch heute ein Hügel an den nächsten reiht. Stellt man sich aber die Landschaft vor rund 2500 Jahren vor, so muss diese Begräbnisstätte noch eindrucksvoller gewesen sein, denn so manches Grab ist im Laufe der Zeit verschwunden.
[18] Pestrup – nichts als Gräber
Niedersachsen
Etwa 3 km südöstlich von Wildeshausen liegt ein riesiges Gräberfeld in der Heide, das 1992 zum Grabungsschutzgebiet erklärt wurde. Auf 39 ha finden sich 531 Hügelgräber, von denen ein Teil in den Jahren 1958/59 untersucht wurde. Es ist davon auszugehen, dass die Nekropole am Ende ihrer Belegungszeit sogar etwa 1000 Grabhügel aufwies. (Abb. 18) Dieser Schwund lässt sich sicher auf Raubgrabungen zurückführen, die wohl im 19. Jh. massiv zunahmen. Daneben gab es in diesem Jahrhundert aber auch die ersten systematischen Grabungen. Der Oberkammerherr Friedrich von Alten (1822–1894), dem wir den Hinweis auf die Raubgrabungen verdanken, führte hier in den Jahren 1876, 1880 und 1882 verschiedene Ausgrabungen durch. Unter den Gräbern, deren Normalgröße zwischen 8 und 13 m liegt, gibt es einige, die durch ihre Größe auffallen und daher unter der Bezeichnung „Königsgräber“ geführt werden. An ihrer Basis haben diese Hügelgräber einen Durchmesser von rund 30 m und waren mindestens 1 m hoch.
Abb. 18 Pestrup, Gräberfeld. Das Gräberfeld wurde über viele Jahrhunderte genutzt. Es ist eines der größten in Europa.
Das Gräberfeld ist in vielerlei Hinsicht von Interesse, weil man hier Bestattungssitten von der späten Bronzezeit bis in die frühe Eisenzeit, also vom 9. bis zum 2. Jh. v. Chr., nachvollziehen kann.
Bei einigen Gräbern, die aufgrund der Beigaben in das 5. Jh. v. Chr. datiert werden konnten, ließ sich ein Phänomen beobachten, das der Ausgräber J. Petzold als „rituelles Pflügen“ bezeichnete. Man muss sich den Vorgang so vorstellen: Bevor der Tote verbrannt wurde – Brandbestattungen wurden vom Belegungsbeginn des Gräberfeldes bis zu seinem Ende im 2. Jh. v. Chr. vorgenommen – pflügte man im Acker ein schmales Beet. Darauf errichte man den Scheiterhaufen und verbrannte den Toten. Danach sammelte man die Knochenreste ein, füllte sie in Urnen und erhöhte das „Beet“ wallartig.
Literatur
E. Probst, Deutschland in der Bronzezeit (1999) 319. 478 Anm. 15.
Im Schatten der großen Bagger fanden die Archäologen an der Abbaukante des Braunkohletagebaus von Schöningen Zeugnisse der Menschheitsgeschichte, die unsere Vorstellungen über das Leben der frühen Menschen in mancherlei Hinsicht berichtigen. Die hier gefundenen Speere, die als die ältesten erhaltenen Jagdwaffen der Menschen gelten, und der Fundplatz selbst belegen nicht nur den Erfindungsreichtum unserer Ahnen, sondern geben auch Auskunft über das Leben einer urgeschichtlichen Sippe vor rund 400.000 Jahren.
[19] Schöningen – Ausgrabung unter Extrembedingungen
Niedersachsen
Tagebaue sind Fluch und Segen für die Archäologie, weil einerseits großflächig archäologische Denkmäler zerstört werden, andererseits aber Funde ans Tagelicht kommen, die sonst wahrscheinlich nie gefunden würden. Ein solcher Fall ist auch der Braunkohletagebau in Schöningen, Landkreis Helmstedt, in dem eine Reihe vor- und frühgeschichtlicher Fundstellen entdeckt wurde.
Im Jahr 1992 stieß man tief unter dem heutigen Niveau (8–15 m) auf Schichten, die dem Paläolithikum, der Altsteinzeit, zugerechnet werden müssen.
Eine Fundstelle aber erwies sich für die Forschung als überaus wichtig. Man konnte die Spuren eines Sees feststellen, in dessen Umfeld bis Ende des Jahres 1997 mehrere Tausend Einzelfunde gemacht wurden. Dabei handelte es sich um die Reste von Jagdbeute und Steinwerkzeugen. Herausragend aus der Fundmasse waren aber hölzerne Objekte: Schon 1994 fand man ein Wurfholz, für das man nach Aussagen der Ausgräber im entsprechenden Zeitraum keine Parallelen kennt. Wenig später, im Spätsommer 1995, kam der sensationelle Fund zutage. Dabei handelte es sich um sieben Speere aus Fichtenholz mit einer Länge von 1,82 m bis etwa 2,50 m. (Abb. 19) Dass es sich dabei keineswegs um primitive Waffen handelte, belegten die sorgfältige Zurichtung der Spitzen und wohlüberlegte Wahl des Schwerpunktes im vorderen Bereich, also einem idealen Punkt für einen Wurfspeer.
Abb. 19 Schöningen, Speer VII in Fundlage.
Wie alt aber sind diese Speere und von wem wurden sie angefertigt? Der erste Teil der Frage lässt sich natürlich nicht auf das Jahr genau beantworten, weil hier archäologische und naturwissenschaftliche Methoden an ihre Grenzen stoßen. Jedoch können wir den Funden aufgrund ihrer Lage und ergänzend dazu aus Vergleichsfunden bei den Steingeräten ein Alter von etwa 300.000 Jahren zuweisen. Damit sind die Speere von Schöningen die bislang ältesten erhaltenen Jagdwaffen der Menschheit. Aufgrund der Datierung können wir eine Antwort auf den zweiten Teil der Frage geben, wer die Speere angefertigt hat, weil wir uns auch hier in zeitlichen Dimensionen bewegen, die nicht viele Deutungsmöglichkeiten liefern. So können wir festhalten, dass diese Jagdwaffen vom homo erectus, dem aufrecht gehenden Menschen, einem Vorläufer des heutigen Menschen, gefertigt wurden.
Neben der Tatsache, dass es sich hier um die ältesten Jagdwaffen des Menschen handelt, barg die Fundstelle aber noch weitaus wichtigere Informationen über das Leben unserer Vorfahren in der Altsteinzeit. Hatte man nämlich lange Zeit geglaubt, der homo erectus habe sich überwiegend von Aas ernährt, so widerlegt der Fundplatz Schöningen diese Theorie. Hier fanden sich nämlich Knochen von Jagdbeute, bei der es sich um Wildpferde handelte. Zwischen 15 und 20 Tiere wurden hier erlegt und verarbeitet.
Darüber hinaus beleuchtet Schöningen auch das geistige Potential und das soziale Verhalten. Die Anfertigung von funktionierenden Waffen setzt Erfahrung und Planung voraus; der Jäger oder die Jägerin musste schon im Vorfeld einer Jagd die Waffe herstellen. Die Anzahl der getöteten Pferde deutet auf eine größere Gruppe von Jägern hin; daher muss der homo erectus in entsprechenden Gemeinschaften gelebt haben. Wie diese allerdings ausgesehen haben, lässt sich aus den Funden nicht erklären.
Das Forschungs- und Erlebniszentrum „paläon“
Die Speere aus Schöningen werden zurzeit noch im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover aufbewahrt und ausgestellt. Jedoch wird gegenwärtig ein interdisziplinäres Forschungs- und Erlebniszentrum in Schöningen selbst errichtet, das eine Gesamtschau zur eiszeitlichen Landschaft der Region geben soll. Die Eröffnung ist für das Frühjahr 2013 vorgesehen.
Da noch keine weiteren Informationen vorliegen, sei auf den „Förderverein Schöninger Speere – Erbe der Menschheit e. V.“ verwiesen, der auch die genannte Website unterhält.
Literatur
S. Hansen, Archäologische Funde aus Deutschland (2010) 12 f. Abb. 13; H. Thieme (Hrsg.), Die Schöninger Speere. Mensch und Jagd vor 400.000 Jahren (2008).
Paläon – Forschungs- und Erlebniszentrum, Paläon 1, 38364 Schöningen, www.palaeon.de, www.erbederMenschheit.de
Im Jahr 1990 sollte das sachsen-anhaltinische Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte in Halle um einen spektakulären Fund reicher werden. Bei einem Sandabbau in der Nähe von Magdeburg kam ein intaktes germanisches Fürstengrab ans Tageslicht.
[20] Gommern – römischer Luxus für einen germanischen Fürsten im 3. Jh. n. Chr.
Sachsen-Anhalt
Die Geschichte der Entdeckung begann mit einer Fundmeldung durch einen ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger, der Teile des Grabes entdeckte und seinen Fund umgehend meldete. Da es sich zeigte, dass hier etwas Bedeutendes zu erwarten war, begann man sofort mit der Ausgrabung. Die Ergebnisse, die erst nach rund zehn Jahren intensiver Forschung und Restaurierung vorlagen, zeichneten folgendes Bild.
Das Grab befand sich auf einer Düne am östlichen Ufer des Urstromtals der Elbe. Es bestand aus einer Grabkammer aus Holz, die etwa 3 m unter der heutigen Oberfläche lag. Nach oben hin war die Grabkammer durch eine massive Steinschicht abgedeckt, deren Steine aus zwei Regionen kamen, die beide etwa 4 km vom Grab entfernt waren. Bei den archäologischen Untersuchungen zeigte sich, dass das Grab mit einem sehr flach angelegten Hügel versehen war, der im Laufe der Jahrhunderte vollständig verschwand.
Die Steinschicht war für die Archäologen in gleicher Weise Segen und Fluch. Einerseits war es sehr aufwendig, die Steine abzutragen und sie hatten, wie sich zeigen sollte, das Inventar des Grabes beschädigt. Die Grabkammer war eben nicht für die Ewigkeit errichtet worden. Anderseits aber hatten sie verhindert, dass das Grab beraubt wurde.
Insgesamt gesehen stellte sich die Ausgrabung als sehr schwierig dar. Daher entschloss man sich, die Kammer als Block zu bergen und unter Laborbedingungen auszugraben. So konnte man Erkenntnisse gewinnen, die vielleicht bei der klassischen Ausgrabung nicht möglich gewesen wären.
Nach dem Abschluss der Untersuchungen zeigte sich folgende Situation: Der Tote war etwa im Alter von 25 bis 30 Jahren bestattet worden. Dabei lag er auf einem Möbelstück und war von vielen Beigaben umgeben. Dazu zählten bemalte hölzerne Gegenstände und Gefäße aus dem gleichen Material, die vom wissenschaftlichen Standpunkt natürlich überaus interessant sind. Aber erst die zahlreichen Gegenstände aus Gold und Silber ließen das Grab in der breiten Öffentlichkeit in einem besonderen Licht erscheinen.
Doch schauen wir zunächst noch einmal auf den Toten selbst. Neben seiner Bekleidung, in der er beigesetzt worden war, hatte man ihm in einer Truhe noch weitere Kleidung mit in das Grab gegeben. Was an seiner Tracht metallen war, bestand aus Silber. Selbst Dinge des persönlichen Bedarfs, Schere, Messer, Sporen, aber auch Pfeilspitzen, waren aus dem gleichen Material gefertigt. Angesichts dieses Aufwandes mag der heutige Betrachter sich fragen, ob etwa die Pfeilspitzen aus Edelmetall wirklich zum täglichen Bedarf gehörten oder als Statussymbol mit in das Grab gelangten.
In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Toten stand eine Goldmünze, die man in dessen Mund gelegt hatte. Hier wird man sofort an den „Charonspfennig“ denken, mit dem der Tote die Überfahrt ins Jenseits bezahlen sollte, sodass also Bestattungssitten mediterranen Ursprungs Eingang in die germanische Glaubenswelt gefunden hatten.
Während die bisher genannten Objekte von den Ausgräbern noch in den Bereich der Tracht eingeordnet werden, so wies das Grab aber auch Gegenstände auf, die als Herrschaftszeichen gedeutet werden können, weil sie aus Gold bestehen: ein Halsring, zwei Fibeln und ein Fingerring.
So bot das Grab interessante Einblicke in die Lebenswelt des Grabherrn. Die Archäologen fanden nämlich neben einheimischer Keramik auch Tafel- und Trinkgeschirr, das zu einem großen Teil aus römischer Produktion stammte. Besondere Aufmerksamkeit weckte bei diesen Objekten ein ganz spezieller Eimer, der als Hemmoorer Typ, benannt nach einem Fundort etwa 35 km südöstlich von Cuxhaven, bezeichnet wird. Eigentlich ist dieser gut erforscht, doch das Material des Gommerner Stückes hebt diesen deutlich von seinen Verwandten ab; er ist in Silber gefertigt und man kennt bislang nur wenige Exemplare aus diesem Material. (Abb. 20) Ebenfalls aus dem Rahmen fallend war eine Trinkgarnitur, bestehend aus einer silbernen Kelle und einem zugehörigen Sieb aus dem gleichen Material. Weitere Aufmerksamkeit erweckte nicht nur bei den Ausgräbern ein bronzener Dreifuß mit Pantherfüßen und Bacchusbüsten, der als Untersatz für eine hölzerne, ebenfalls gefundene Tischplatte gedient hatte.
Abb. 20 Gommern, germanisches Fürstengrab. Zum reichen Inventar gehört ein Eimer vom Typ Hemmoor aus Silber.
Aber noch eine Reihe anderer Objekte aus dem Grab deuten auf eine Sonderstellung des Toten hin. Zum Grabinventar gehörte ein Prunkgürtel, mit Blattgold verziert und mit Silberschnallen versehen, sowie ein Schild. Dieser besaß Beschläge aus Silber und Applikationen aus vergoldetem Pressblech. Darüber hinaus war der Schild farbig: Es konnte ein weißer Hintergrund beobachtet werden, der mit den Farben Ägyptisch Blau und Zinnoberrot bemalt war. Besonders interessant ist der Schildbuckel. Er wurde nämlich durch einen germanischen Handwerker aus einem römischen Gegenstand gefertigt und nach dem Geschmack des Auftraggebers mit Vergoldungen und Glaseinlagen versehen.
Abschließend stellt sich natürlich die Frage, welche wirtschaftlichen Ressourcen einen solchen Grabluxus erlaubten. Die Archäologen konzentrierten sich dabei auf die Topografie und kamen zu dem Ergebnis, dass der Tote von Gommern bzw. seine Familie möglicherweise eine Region kontrollierte, die sich vom Fiener Bruch und Fläming bis zur Elbe erstreckte. Das entspricht einer maximalen Fläche von rund 700 km² und in diesem Raum konnten mehrere kaiserzeitliche Siedlungen nachgewiesen werden. Vergleicht man diese Fläche mit deutschen Großstädten, so war der Herrschaftsbereich mehr als doppelt so groß wie München oder um nur rund 100 km² kleiner als Berlin.
Die Funde aus dem Fürstengrab werden voraussichtlich 2014 auch wieder im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) zu besichtigen sein. http://www.lda-lsa.de/landesmuseum_fuer_vorgeschichte
Literatur
M. Becker, Das germanische Fürstengrab von Gommern, in: Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH – Museum und Park Kalkriese (Hrsg.) 2000 Jahre Varusschlacht. Konflikt (2009) 370 f.
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