Aus der Haut sein rothes Blut.
Parzival der Knappe gut
5Stand hier zornig auf dem Feld.
Sein Gabilot ergriff der Held:
Wo der Helm und das Visier
Sich scheiden ob dem Härsenier,57
Traf ihn durchs Aug das Gabilot
10Und durch den Nacken, daß er todt
Hinfiel, der Falschheit Gegensatz.
Seufzern, Klagen machte Platz
Ithers Tod von Gahevieß,
Der Frauen naße Augen ließ.
15Die seine Minne je empfand,
Der war die Freude fern gebannt,
Der war verscherzt der heitre Scherz,
Verwandelt in der Trauer Schmerz.
Parzival war noch so dumm,
20Er kehrt' ihn hin und wieder um,
Ihm die Rüstung abzustreifen;
Doch konnt ers nicht begreifen.
Das Helmband und manch Schinnelier58
Mit seinen blanken Händen zier
25Wust er nicht auszustricken,
Noch sonst herab zu zwicken;
Jedoch versucht ers oft genug,
Der weder weise war noch klug.
Das Streitross und das Pferdelein
Huben an zu wiehern und zu schrein.
[156]Da vernimmt es Iwanet,
Der vor der Stadt am Graben steht,
Vetter und Knapp der Königin:
Da er hörte, wie die Pferde schrien,
5Und da er Niemand drauf ersah,
Der Liebe Willen that ers da,
Die er zu Parzivalen trug,
Daß zu ihm lief der Knappe klug.
Da fand er Itheren todt
10Und Parzival in Dümmlingsnoth;
Wie bald er ihm zu Hülfe sprang!
Da sagt' er Parzivalen Dank,
Daß den Preis erworben seine Hand
An dem von Kukumerland.
15»Gott lohns. Doch rathe was ich thu.
Ich kann hier gar nicht recht dazu:
Wie brings ich von ihm und an mich?«
»Sei nur getrost, ich lehr es dich,«
Sprach der stolze Iwanet
20Zum Fils dü Roi Gachmuret.
Entwappnet ward der todte Mann
Da vor Nantes auf dem Plan,
Das Kleid dem Sieger angelegt,
Der noch der Einfalt Zeichen trägt.
25Iwanet sprach: »Die Ribbalein
Dürfen nicht unterm Eisen sein:
Du sollst nun tragen Ritterskleid.«
Das Wort war Parzivalen leid.
Da begann der gute Knab:
»Was mir meine Mutter gab,
[157]Das soll nicht von mir kommen,
Mag es schaden oder frommen.«
Das dauchte wunderlich genug
Iwaneten (der war klug);
5Dennoch folgt' er ihm getrost,
Und war ihm nicht darum erbost.
Er schuht' ihm über die Ribbalein
Zwei Eisenhosen licht von Schein;
Mit edeln Borten ohne Leder
10(Sie gehörten zu jedweder)
Fügt' er ihm Sporen goldesroth.
Eh er ihm den Halsberg bot,
Band er ihm um manch Schinnelier.
Nicht lange mehr, so sah man hier
15Von Haupt zu Fuß in blankem Stahl
Den ungeduldgen Parzival.
Gern hätt der Knappe wohlgethan
Seinen Köcher umgethan.
»Ich reiche dir kein Gabilot,
20Weil dieß die Ritterschaft verbot,«
Sprach Iwanet der Knappe werth;
Er schnallt' ihm um ein scharfes Schwert:
Das lehrt' er ihn vom Leder ziehn
Und widerrieth ihm zages Fliehn.
25Näher zog er dann heran
Des todten Mannes Kastilian;
Es war von Beinen hoch und lang.
Der gewappnet in den Sattel sprang,
Stegreife braucht' er nicht,
Von dessen Raschheit man noch spricht.
[158]Noch ließ Iwanet nicht nach,
Er lehrt' ihn unter Schildesdach
Nach Kunstgebrauch gebahren
Und des Feindes Brust nicht sparen.
5Er gab ihm in die Hand den Sper.
Darnach verlangte den nicht sehr;
Doch fragt' er: »Wozu soll das frommen?«
»Die gegen dich tjostierend kommen,
Auf die sollst du ihn brechen,
10Durch ihren Schild verstechen.
Wer das recht zu treiben weiß,
Der hat vor den Frauen Preis.«
Die Aventüre giebt Bericht,
Nicht zu Köln noch Mastricht
15Könnt ihn ein Maler schöner malen,
Als man ihn sah vom Pferde stralen.
Zu Iwaneten hub er an:
»Lieber Freund und Kumpan,
Ich hab erworben, was ich bat:
20Meinen Dienst nun magst du in der Stadt
Dem König Artus sagen
Und ihm meine Schande klagen.
Bring ihm zurück den Goldnapf hier.
Ein Ritter brach die Zucht an mir,
25Daß er die Jungfrau schlug so sehr,
Die mein gelacht von Ohngefähr.
Mir liegt ihr Jammer stäts im Sinn,
Es rührt mein Herz nicht obenhin:
Wohl muß inmitten drinne sein
Der Jungfrau unverdiente Pein.
[159]Nun thus, weil wir uns gerne sehn,
Und laß den Schimpf dir nahe gehn.
Gott hüte dein; ich will nun fahren:
Der mag uns Beide wohl bewahren.«
5Jämmerlich da liegen ließ
Der Held Ithern von Gahevieß.
Der war im Tod noch minniglich,
Im Leben lebt' er seliglich.
Hätt ihn getödtet Ritterschaft,
10Ein Sperstoß ihn dahingerafft,
Wer klagte dann so seltne Noth?
Er starb von einem Gabilot.
Viel lichte Blumen ihm zum Dach
Iwanet darnieder brach.
15Er stieß des Gabilotes Stiel
In die Erde, wo er fiel;
Dann in Kreuzesform ein Holz
Stach der sinnge Knappe stolz
Durch des Gabilotes Schneide.
20Daß er dieß auch nicht vermeide,
Er macht' es in der Stadt bekannt,
Wo manche Frau verzagend stand,
Und mancher Ritter weinte,
Seine Treue so bescheinte.
25Da ward der Jammer allgemein.
Man holte schön den Todten ein:
Die Königin ritt aus dem Thor;
Man trug das Heiligtum ihr vor.
Ob dem König von Kukumerland,
Gefällt von Parzivalens Hand,
[160]Frau Ginover die Königin
Sprach jammervoller Worte Sinn:
»Weh, o weh und heia hei!
Artusens Würdigkeit entzwei
5Muß brechen dieses Wunder:
Der aller Tafelrunder
Höchsten Preis sollte tragen,
Wo der vor Nantes liegt erschlagen.
Sein Erbtheil nur begehrte,
10Den man hier sterben lehrte.
Er war doch lange Ingesind
Allhier, daß weder Mann noch Kind
Uebles je von ihm vernahm.
Aller Falschheit war er gram,
15Ueber allen Trug erhaben.
Nun muß ich allzufrüh begraben
Des höchsten Preises Siegel.
Sein Herz, der Tugend Spiegel.
Der Treue Grundfeste,
20Rieth immer ihm das Beste,
Wo man nach Frauenminne
Mit festem Muth und Sinne
Sollt erweisen Mannestreu.
Den Frauen wuchert immer neu
25Des hier gesäten Leides Kraut,
Aus deiner Wunde Jammer thaut.
Dir war doch wohl so roth dein Haar,
Daß dein Blut die Blumen klar
Nicht röther konnte machen.
Du verbietest weiblich Lachen.«
[161]Ither der lobesreiche Held
Ward königlich der Gruft gesellt.
Sein Tod die Frauen seufzen lehrte,
Als ihm die Rüstung den bescherte:
5Das Ende gab ihm ja nach ihr
Des blöden Parzivals Begier;
Als er mehr Verstand gewann,
Da hätt ers lieber nicht gethan.
Dieser Sitte pflag das Ross,
10Daß keine Arbeit es verdroß:
Ob es kalt war oder heiß,
Es gerieth vom Laufen nie in Schweiß,
Obs über Stein und Wurzeln ging.
Das Gürten war an ihm gering:
15 Ein Loch schnallt' es nur hinauf,
Wer zwei Tage saß darauf.
Gewappnet ritts der kindsche Mann
Den Tag so weit, ein Kluger kann
Es nicht in zweien reiten,
20Stünd er auch auf bei Zeiten.
Er ließ es rennen, selten traben
Und wust ihm wenig anzuhaben.
Da der Abend anbrach,
Gewahrt' er eines Thurmes Dach.
25Da wähnt' in seinem Sinn der Thor,
Der Thürme wüchsen mehr hervor;
Ihrer stunden viel auf Einem Haus.
Er dachte, Artus säe sie aus.
Das schrieb er ihm für Wunder an
Und dacht, er wär ein heilger Mann.
[162]Also sprach der blöde Held:
»Meiner Mutter Volk baut schlecht ihr Feld:
So hoch ja wächst ihr nie die Saat,
Die sie in dem Walde hat,
5Wo es doch selten trocken wird.«
Gurnemans de Graharz59 hieß der Wirth
In der fern erschauten Veste.
Eine Linde wiegte breite Aeste
Davor auf grüner Wiese.
10Zu breit noch lang war diese,
Nur in dem rechten Maße.
Da trug ihn Ross und Straße
Dahin, wo er ihn sitzen fand,
Dem die Burg war und das Land.
15Ermüdung war es, die ihn zwang,
Daß er den Schild nicht richtig schwang,
Zu sehr vor, zu sehr zurück,
Und nimmer nach der Sitte Schick,
Die da galt für rechtes Maß.
20Fürst Gurnemans alleine saß.
Die Linde gab mit Wonne
Schatten vor der Sonne
Dem Hauptmann aller wahren Zucht.
Des Sitte Tadel zwang zur Flucht,
25Der empfing den Gast: so war es recht;
Nicht Ritter war bei ihm noch Knecht.
Parzival alsbald begann,
In seiner Einfalt hub er an:
»Meine Mutter hieß mich dessen Rath
Erflehn, der graue Locken hat.
[163]Dafür will ich euch dankbar sein,
Da so mir rieth die Mutter mein.«
»Kommt ihr guten Rath zu hören
Hieher, so müßt ihr es verschwören
5Mir zu zürnen um den Rath
Und immer thun, wie ich euch bat.«
Da warf der edle Fürst zuhand
Einen jährgen Sperber von der Hand,
Der gleich sich in die Veste schwang,
10Daß seine goldne Schelle klang.
Das war ein Bote: Jungherrn gleich
Kamen in Kleidern schön und reich.
Die bat er: »Führt hinein den Gast
15Und entledigt ihn der Eisenlast.«
Der sprach: »Meine Mutter sprach wohl wahr,
Altmannes Wort bringt nicht Gefahr.«
Da führten sie ihn ein zuhand,
Wo er viel werthe Ritter fand.
Auf dem Hof war eine Statt,
20Wo man ihn abzusteigen bat.
Der warf in seiner Thorheit ein:
»Mich hieß ein König Ritter sein;
Was mir darauf auch widerfährt,
Ich komme nicht von diesem Pferd.
25Euch zu grüßen rieth die Mutter mir.«
Sie dankten beiden, ihm und ihr.
Da so das Grüßen war gethan
(Das Ross war müd und auch der Mann),
Manches Grundes sie gedachten,
Eh sie vom Ross ihn brachten
[164]Zu einer Kemenaten.
Da hört' er Alle rathen:
»Laßt den Harnisch von euch thun,
Daß sich die müden Glieder ruhn.«
5Sie entwappneten ihn insgemein.
Als sie die rauhen Ribbalein
Und die Thorenkleider sahen,
Da erschraken, die sein pflagen.
Mit Scheu ward es am Hof gesagt;
10Der Wirth war schier vor Scham verzagt.
Ein Ritter sprach mit höfscher Zucht:
»Gleichwohl, so edle Frucht
Ersah nie meiner Augen Licht;
Er hat, was Glück und Heil verspricht,
15In reiner hoher süßer Art.
Wie ist so der Minne Stolz bewahrt?
Mich jammert immer, daß ich fand
An der Lust der Welt so schlecht Gewand.
Wohl doch der Mutter, die ihn trug,
20Der aller Gaben hat genug.
Sein Helmschmuck ist wohlgethan,
Die Rüstung stand ihm herlich an,
Eh wir sie niederbanden,
Und von Quetschungen fanden
25Manche Schramme roth von Blut,
Die an sich trug der Knappe gut.«
Zu dem Ritter sprach der Wirth: »Gieb Acht,
Ein Weib gebot ihm diese Tracht.«
»Nein Herr, er hat noch solche Sitten,
Er wüste wohl kein Weib zu bitten,
[165]Ihn zum Diener zu erwählen;
Sonst möcht ihm nichts zur Minne fehlen.«
Der Wirth sprach: »Laßt uns zu ihm gehn,
Und seine fremde Tracht besehn.«
5Die Herren gingen hin zu Stund
Und fanden Parzivalen wund
Von einem Sper; der blieb doch ganz.
Sein unterwand sich Gurnemans.
Der war solch ein Unterwinder,
10Daß ein Vater seine Kinder,
An Treue Theil zu haben,
Nicht beßer könnte laben.
Seine Wunden wusch und band
Ihm der Wirth mit eigner Hand.
15Nun war auch aufgelegt das Brot.
Des war dem jungen Gaste Noth:
Hungrig war er überaus.
Nüchtern war er Morgens aus
Geritten von dem Fischersmann.
20Die er vor Nantes dann gewann,
Die Wunde, und der Harnisch schwer,
Macht' ihn müd und hungrig noch viel mehr,
Dazu die weite Tagereise
Von Artus dem Bretaneise,
25Wo man ihn allwärts fasten ließ.
Der Wirth ihn mit sich eßen hieß;
Da mocht erlaben sich der Gast:
In den Gaumen schob er solche Last,
Viel Speise ward zu nicht gemacht.
Des hatte doch der Wirth nicht Acht:
[166]Ihn ermahnte stäts aufs Neue
Gurnemans der Vielgetreue,
Daß er wacker äße
Und der Müdigkeit vergäße.
5Man hob den Tisch hinweg zur Zeit.
»Ich wette, daß ihr schläfrig seid;
Ihr wart früh auf am Morgen doch.«
»Meine Mutter, Gott weiß, schlief wohl noch,
Sie pflegt nicht früh zu wachen.«
10Der Wirth begann zu lachen
Und führt' ihn zu der Schlafstatt hin:
Da bat er ihn sich auszuziehn;
Er thats nicht gern, doch must es sein.
Von Härmelin ein Laken fein
15Bedeckte seinen bloßen Leib;
Nie gebar so werthe Frucht ein Weib.
Wie ihn Schlaf und Müde lehrte,
Auf die andre Seite kehrte
Sich der Held nicht manches Mal;
20So lag er bis zum Morgenstral.
Der edle Fürst gebot bei Zeit,
Daß ein Bad ihm wär bereit
Vor dem Teppich, wo er lag,
Eh höher stiege der Tag.
25Also must es Morgens sein;
Viel Rosen warf man ihm hinein.
Ob Niemand ihn bei Namen rief,
Der Gast erwachte, der da schlief:
Der werthe, süße Jüngling
In die Kufe sitzen ging.
[167]Ich weiß nicht, wer sie darum bat:
Jungfraun in reichem Staat
Und von Ansehn minniglich
Kamen zu ihm sittsamlich:
5Die wuschen ihm und strichen sanft
Seiner Quetschungen Ranft
Mit blanken linden Händen.
Das durft ihn nicht befremden,
Dem Witz noch wenig Hülfe bot.
10Also trug er Freud und Noth
Und entgalt der Einfalt nicht bei ihnen,
Da ihn mit holden Mienen
Jungfrauen so hantierten.
Wovon sie parlierten,
15Zu Allem schwieg er stille fein,
Es dürft ihm doch zu früh nicht sein:
Denn sie schienen wie ein zweiter Tag.
Als so ihr Schein im Wettstreit lag,
Da löscht' er selbst das Doppellicht:
20Versäumt an Weiße war er nicht.
Sie boten ihm ein Laken dar;
Doch nahm er des mit Nichten wahr.
So konnt er sich vor Frauen schämen:
Er wollt es nicht vor ihnen nehmen.
25Die Jungfrauen musten gehn,
Sie durften da nicht länger stehn.
Sie hätten gern vielleicht gesehn,
Ob tiefer ihm was wär geschehn.
So getreu ist Weiblichkeit,
Des Freundes Schaden ist ihr leid.
[168]Da schritt der Gast ans Bett und fand
Für sich bereit schön weiß Gewand.
Von Gold und edler Seide fein
Einen Hosengürtel zog man drein.
5Auch gab man roth scharlachne Hosen
Dem nimmer Kraft- noch Muthlosen.
Avoi! wie seine Beine standen!
Da war der rechte Schick vorhanden.
Scharlachbraun von schönem Schnitte
10Und wohlgefüttert nach der Sitte
Waren Rock und Mantel lang,
Von Härmelin inwendig blank.
Schwarz- und grauer Zobel stand
Als Besatz vor jedem Rand;
15Die warf er über sogleich.
Mit einem Gürtel schön und reich
Must er den Leib verzieren,
Und dazu sich affischieren
Einen theuern Fürspann;
20Sein Mund dabei vor Röthe brann.
Da kam der treue Wirth daher,
Ihm folgten Ritter stolz und hehr.
Der empfing den Gast. Als das geschehn,
Die Ritter musten all gestehn,
25Sie sahen niemals schönern Leib.
Getreulich priesen sie das Weib,
Die solche Frucht der Welt gebar.
Aus höfscher Zucht, und weil es wahr,
Sprachen sie: »Ihm wird gewährt,
Wohin um Huld den Dienst er kehrt.
[169]Minn und Gruß sind ihm bereit,
Ergehts nach seiner Würdigkeit.«
Das gestanden Alle da
Und Jeder, der ihn künftig sah.
5Der Wirth ergriff ihn bei der Hand
Und führt' ihn mit sich unverwandt.
Unterwegs fragt' ihn der,
Wie seine Ruhe wär
Bei ihm gewesen diese Nacht?
10»Herr, lebend wär ich nicht erwacht!
Ein Glück, daß mir die Mutter rieth,
Euch zu besuchen, als ich schied.«
»Nun Gott lohn es euch und ihr;
Herr, zu gütig seid ihr mir.«
15Hin ging der Held, an Witz noch krank,
Wo man dem Wirth und Gotte sang.
Der Wirth ihn bei der Messe lehrte,
Was der Seele Heil ihm mehrte:
Opfern, und segnen sich
20Und rüsten vor des Teufels Schlich.
Sie gingen wieder auf den Saal:
Da stand der Tisch gedeckt zum Mal.
Der Wirth bei seinem Gaste saß,
Der ungeschmäht die Speisen aß.
25Da sprach der Wirth mit Höflichkeit:
»Wär euch die Frage, Herr, nicht leid,
So hätt ich gern vernommen,
Wannen ihr wärt gekommen?«
Er sagt' ihm Alles ungelogen,
Wie er von der Mutter war gezogen,
[170]Vom Ringlein und vom Fürspann,
Und wie er Harnisch gewann.
Der Wirth erkannte den Ritter roth:
Er seufzte: denn es schuf ihm Noth.
5Dem Gast er nun den Namen ließ
Und ihn den rothen Ritter hieß.
Da man hinweg die Tafel nahm,
Da wurde wilde Sitte zahm.
Der Wirth sprach zu dem Gaste sein:
10»Ihr redet wie die Kindelein:
Was geschweigt ihr eurer Mutter nicht
Und gebt uns anderlei Bericht?
Haltet euch an meinen Rath,
Der scheidet euch von falschem Pfad.
15»So heb ich an: »Legt nimmer hin
Die Scham, die aller Zucht Beginn.
Schamloser Mann, wie taugte Der?
Als ob er in der Mauße wär,
So rieselt von ihm Würdigkeit
20Und weist ihn zu der Hölle Leid.
»Ihr tragt so edeln Schickes Schein,
Wohl mögt ihr Volkes Herre sein.
Ist hoch und höht sich eure Art,
Seht, daß ihr stäts im Herzen wahrt
25Erbarmung gegen dürftgen Mann;
Wider dessen Kummer kämpfet an
Mit Gut und milden Gaben:
Solche Demuth sollt ihr haben.
Der kummervolle werthe Mann,
Der vor Scham nicht betteln kann
[171](Das ist ein unsüßes Leid),
Dem seid zu helfen gern bereit.
Wenn ihr dessen Kummer stillt,
Das ist zu lohnen Gott gewillt.
5Er ist übler dran, als der da geht
Zur Thüre, wo das Fenster steht.
»Ihr sollt verständig überein
Wißen arm und reich zu sein.
Denn wo der Herr zu viel verthut,
10Das ist nicht herlicher Muth,
Und will er Schatz nur mehren,
Das mag ihn auch nicht ehren.
»Das rechte Maß sei euer Orden.
Ich bin wohl inne geworden,
15Daß ihr rathbedürftig seid:
Nun meidet Unfug jederzeit.
»Ihr sollt so viel nicht fragen;
Doch dürft ihr nicht versagen
Bedachte Antwort, die gemeßen
20Ziemet auf die Frage dessen,
Der euch mit Worten will erspähn.
Ihr möget hören, möget sehn,
Erwittern, kosten, merken:
Das wird den Sinn euch stärken.
25»Laßt Erbarmung bei der Kühnheit sein:
Dem Rathe sollt ihr Folge leihn.
Wer im Kampf euch bietet Sicherheit,
That er euch nicht solches Leid,
Das Herzleid müste geben,
Nehmt sie und laßt ihn leben.
[172]»Ihr legt oft Harnisch an euch:
Legt ihr ihn ab, so reinigt gleich
Euch an Händen und Gesicht
Vom Rost des Eisens, das ist Pflicht.
5So schaut ihr wieder hell und klar:
Des nehmen Frauenaugen wahr.
»Seid mannlich und wohlgemuth,
Das ist zu werthem Preise gut.
Die Frauen haltet lieb und werth:
10So wird ein junger Mann geehrt.
Gebt keinem Wankelmuth euch hin:
Das ist rechter Mannessinn.
Wenn ihr sie thören wollt mit Lügen,
Wohl mögt ihr ihrer viel betrügen:
15Lohnt treuer Minne falsche List,
Das bringt euch Lob gar kurze Frist.
Da wird des Schleichers Klage
Das dürre Holz im Hage,
Denn es knistert und kracht,
20Daß der Wächter erwacht.
Strauchweg und verbotner Schlich
Führen übeln Streit mit sich.
Dieß meßet gegen wahre Minne.
Die werthe hat auch kluge Sinne
25Wider Falschheit und Betrug.
Haßte sie euch je mit Fug,
So müstet ihr geschändet sein
Und immer dulden Scham und Pein.
»Dieß sollt ihr nah dem Herzen tragen:
Ich will euch mehr von Frauen sagen.
[173]Mann und Weib, die sind geeint
Wie die Sonne, die heut scheint,
Und der heut genannte Tag,
Die beide Niemand scheiden mag.
5Sie blühn hervor aus Einem Kern:
Das merket und erwäget gern.«
Dem Wirthe dankt' er für das Wort.
Der Mutter schwieg er hinfort
Mit Reden, doch im Herzen nicht;
10Das ist getreuen Mannes Pflicht.
Der Wirth sprach, was ihm Ehre schuf:
»Lernt auch Kunst, euch ists Beruf,
An ritterlichen Sitten.
Wie kamt ihr her geritten!
15Glaubt mir, ich sah schon manche Wand,
Wo der Schild an seinem Band
Beßer hing als euch am Hals.
Es ist wohl Zeit noch allenfalls:
Laßt uns hinaus zu Felde,
20Daß ich von Kunst euch melde.
Bringt sein Ross und mir das meine
Und jedem Ritter das seine.
Auch sollen Junker mit zuhand:
Ein jeder führ' an seiner Hand
25Einen starken Schaft und neu durchaus;
Den bring er uns aufs Feld hinaus.«
So kam der Fürst auf den Plan:
Da ward mit Reiten Kunst gethan.
Er unterwies seinen Gast
Wie er das Ross in voller Hast
[174]Mit des Sporengrußes Pein,
Bei fliegender Schenkel Schein
Auf den Gegner sollte schwenken,
Den Schaft gehörig senken
5Und den Schild tjostierend vor sich halten:
»So müßt ihr Schildesamt verwalten.«
So trieb er Ungeschick ihm aus,
Wie ein schwankes Reis im Saus
Unartgen Kindern gerbt das Fell.
10Dann ließ er kommen Ritter schnell,
Daß er mit ihnen tiostierte.
Seinen Gast er selber führte
Ihnen entgegen in den Ring.
Da brachte dieser Jüngling
15Seinen ersten Tjost durch einen Schild,
Daß es wohl für ein Wunder gilt,
Und daß er hinters Ross verschwang
Einen starken Ritter groß und lang.
Ein andrer Gegner war gekommen.
20Da hatt auch Parzival genommen
Einen starken neuen Schaft.
Seiner Jugend blühte Muth und Kraft.
Den jungen süßen sonder Bart
Lehrte Gachmuretens Art
25Und angeborne Mannheit:
Das Ross ersprengt' er wohl zum Streit
In gestrecktem Laufe, wie man soll,
Und zielt' auf die vier Nägel60 wohl:
Des Wirthes Ritter hielt nicht Bügel,
So daß er fallend maß den Hügel.
[175]Viel kleiner Stücklein wohl zerschellt
Von Splittern sah man auf dem Feld.
Also stach er fünfe nieder.
Da nahm der Wirth ihn zu sich wieder;
5Erhalten hatt er hier den Preis;
Er ward im Streit noch klug und weis.
Die sein Reiten hier gesehn,
Die Kundgen musten all gestehn,
Es wohne Kunst und Kraft ihm bei.
10»Mein Herr wird seines Jammers frei.
Nun verjüngt sich wohl sein Leben.
Er soll zum Weib ihm geben
Seine Tochter, unsre Frauen.
Ist er klug, ihr sollt es schauen,
15So lischt ihm seines Kummers Noth.
Für der dreien Söhne Tod
Ritt ihm nun Ersatz ins Haus:
Nun endlich blieb sein Heil nicht aus.«
So kam der Fürst am Abend heim:
20Gedeckt die Tafel muste sein.
Seine Tochter ließ er kommen
Zu Tisch, so hab ich es vernommen.
Da das Mägdlein kam heran,
Nun höret wie der Wirth begann
25Zu der schönen Liaßen:
»Du sollst dich küssen laßen
Diesen Ritter, biet ihm Ehre;
Ihn beräth des Heiles Lehre.
Euch aber macht ichs zum Beding,
Daß ihr der Magd den Fingerring
[176]Ließet, wenn sie einen hätte;
Sie hat ihn nicht, noch Spang und Kette.
Wer schenkt' ihr einen Fürspann
Wie der Frauen dort im Tann?
5Die hatte Einen, der ihr gab,
Was ihr der Schönen nahmet ab.
Liaßen könnt ihr wenig nehmen!«
Der Gast begann sich des zu schämen;
Er küsste sie doch auf den Mund:
10Dem war wohl Feuerfarbe kund.
Liaße war gar minniglich,
Voll wahrer Keusche sicherlich.
Der Tisch war nieder und lang;
Man sah an ihm nicht großen Drang.
15Am Ende saß der Wirth allein;
Den Gast setzt' er mitten ein
Zwischen sich und sein Kind.
Ihre blanken Hände lind
Musten schneiden, wie der Wirth gebot,
20Den man hieß den Ritter roth,
Was der zu eßen trug Begehren.
Niemand wird es ihnen wehren,
Blickten sie sich heimlich an.
Das züchtige Mädchen wohlgethan
25That gern des Vaters Gebot.
Sie und der Fremdling blühten roth.
Bald ging das Mägdlein hinaus.
So pflegte man den Gast im Haus
Bis an den vierzehnten Tag.
In seinem Herzen Kummer lag,
[177]Um anders nicht, als weil ihm schien,
Ihm müß erst Ruhm im Streite blühn,
Eh er daran würde warm,
Was man da heißet Frauenarm.
5Ihn dauchte, werthe Brautschaft
Sei ein Glück von hoher Kraft
Für dieses Leben wie für dort.
Ungelogen ist das Wort.
Eines Morgens er um Urlaub bat:
10Da räumt er Graharz die Stadt.
Der Wirth gab ihm ins Feld Geleit:
Da hob sich neues Herzeleid.
Da sprach der Fürst aus Treu erkoren:
»Mir geht der vierte Sohn verloren,
15Da ich mich entschädigt glaubte
Dreier, die der Tod mir raubte.
Nur dreifach war bisher mein Schmerz;
Wer mir aber jetzt das Herz
Mit der Hand in Viere schlüge,
20Jedes Stück von dannen trüge,
Das dauchte mich ein Hochgewinn.
Eins für euch (ihr reitet hin);
Für meine Söhne drei, die lieben,
Die muthig sind im Kampf geblieben.
25Doch solchen Lohn giebt Ritterschaft;
Ihr End umstrickt mit Jammers Haft.
»Mir lähmt ein Tod die Freude gar,
Meines Sohnes, der so blühend war;
Er hieß mit Namen Schenteflur.
Da Kondwiramur
[178]Leib und Leben nicht wollt ergeben,
Verlor ihr Helfer, er das Leben
Von Klamide und von Kingraun.
Mir ist durchlöchert wie ein Zaun
5Das Herz von Jammersschnitten.
Nun zu früh seid ihr geritten
Von mir trostlosem Mann.
O weh, daß ich nicht sterben kann,
Da Liaße die schöne Magd
10Und mein Land euch nicht behagt.
»Mein andrer Sohn hieß Komte Laskoit:61
Den hat mir Ider Fils de Noit
Erschlagen eines Sperbers halb:
Davon ist meine Freude falb.
15Mein dritter Sohn hieß Gurzgri,
Dem Mahaute verlieh
Ihren blühenden Leib:
Denn es gab sie ihm zum Weib
Ihr stolzer Bruder Eckunat.
20Gen Brandigan der Hauptstadt
Kam er um Schoidelakurt geritten;
Da hat auch er den Tod erlitten:
Ihn erschlug Mabonagrein.
Mahaute ließ den lichten Schein.
25Seine Mutter auch, mein Weib, ist todt
Vor Leid um ihn und Sehnsuchtsnoth.«
Wohl sah der Gast des Wirthes Qual;
Der unterschied sie ihm zumal.
Da sprach er: »Herr, ich bin nicht weise;
Doch komm ich je zu Ritters Preise,
[179]Daß ich wohl Minne mag begehren,
Liaßen sollt ihr mir gewähren,
Eure Tochter, die schöne Magd.
Ihr habt mir allzuviel geklagt:
5Kann ich des Jammers euch entschlagen.
Des laß ich euch so viel nicht tragen.«
Urlaub nahm der junge Mann
Von dem getreuen Fürsten dann
Und von dem Ingesind zumal.
10Die Dreizahl in des Fürsten Qual
Stieg traurig nun zur Vierzahl auf.
Die vierte Einbuß ist sein Kauf.