Kitabı oku: «Karibien», sayfa 2

Yazı tipi:

„Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll“, stammelte er. „Er ist sonst ...”

„Du willst doch nicht etwa sagen, der Schwachkopf brät die Fische aus dem Aquarium? Die Lieblinge meines Vaters? Seine wertvollen Amazonasschönheiten?”

Rodney nickte vage. Er ahnte, während er im Keller geplaudert hatte, war Schmiss über das Aquarium voll exotisch schillernder Zierfische hergefallen. Fettfreies, aufregend verpacktes Eiweiß! Schmiss’ gesamte Lebensphilosophie ließ sich auf Kohlenhydrate und Proteine reduzieren. Für ihn war das ungewöhnliche Äußere der Zierfische vermutlich Hinweis auf einen interessanten Geschmack gewesen.

Die Dicke brach in ein gewaltiges Lachen aus. Sie lachte, bis ihr die Tränen kamen. Wellen liefen über ihr Fett. Sie beruhigte sich nur langsam und stützte sich schnaufend am Türrahmen ab.

„Ehrlich, wenn ihr nich’ von selbst gekommen wärt, hätt’ ich euch rufen sollen. Ich hoffe, ihr scheißt ihnen auch noch auf den Teppich.”

Rodney fühlte sich zutiefst in seiner Einbrecherehre gekränkt.

„Ich muss doch sehr bitten! Wir sind keine Vandalen, Miss!”

Die Frau kam augenblicklich zu sich.

„Wenn du mich belästigen willst, dann richtig, aber nich’ mit so dummen Sprüchen, okay? Oder ist das alles, was du draufhast?”

Rodney warf ihr einen bösen Blick zu und kehrte, ohne sie einer Antwort zu würdigen, in die Küche zurück.

„Du wirst uns noch auf den elektrischen Stuhl bringen mit deinen Schweinereien“, raunte er Schmiss zu, der es sich mit einem Teller und zwei Scheiben Toast, auf dem braune, schwarz verkrustete Häufchen lagen, am Küchentisch bequem gemacht hatte.

Schmiss stellte Messer und Gabel auf und blickte begriffsstutzig zu seinem Boss hoch.

„Tierquälerei!“, erläuterte dieser. „Das ist das Schlimmste, was es gibt”.

„Aber das sin’ nur Fische! Schmecken nich’ mal besonders gut. Willste mal probieren?”

Rodney schüttelte unwillig den Kopf.

„Wir haben jedenfalls definitiv ein Problem. Sie hat uns gesehen. Und sie kennt deinen Namen.”

„Sie kennt meinen Namen?”

Rodney nickte kurz.

„Sie ist raffiniert.”

„Willst du sie etwa ...” Schmiss machte große, erschrockene Augen und fuhr sich mit dem fettigen Messer über den Hals.

„Ich weiß nicht.“ Rodney stöhnte gereizt. „Keine Ahnung, was wir tun sollen!”

Schmiss schaute ihn noch eine Weile an und runzelte dabei die Stirn, denn er wusste, dies tat man angesichts von Problemen. Als dies zu keiner Lösung führte, wandte er sich wieder seinem Toast zu, sägte ein großes Stück ab und schob es sich in den Mund. Rodney sah schweigend zu, wie sein Freund die Mahlzeit beendete.

„Und du frisst die Dinger wirklich? Ich hätt’ gewettet, die Hälfte von denen is’ giftig, so wie die ausgesehen haben.”

Schmiss und Rodney zuckten zusammen und blickten schuldbewusst zur Küchentür. Die Dicke trug jetzt einen türkisen Hosenanzug. Eine brennende Zigarette steckte zwischen ihren Lippen.

„Wie wär ‘s mit ‘nem richtigen Frühstück?”

„Jetzt?”

„Klar! Der Geruch ist zwar widerlich, aber ich hab’ Hunger davon gekriegt.”

Bevor Rodney etwas einwenden konnte, hatte Schmiss bereits akzeptiert.

„Na, das is’ mir mal ‘n ganzer Kerl.” Sie betrachtete Schmiss anerkennend. „Dacht’ ich mir schon, dass diese Glitzerdinger bei dir nich’ lang’ vorhalten. Wir wär ‘s stattdessen mit ‘ner Runde Eier und Speck für alle?”

Schmiss nickte freudig; und Rodney stimmte zögerlich mit ein, als er erkannte, dass seine Weigerung nichts ändern würde.

„Na also! Wer sagt ‘s denn! Vielleicht wird aus deinem Kumpel ja doch noch was.” Sie blinzelte Schmiss zu und öffnete den turmhohen Kühlschrank, den Schmiss für den Abtransport bereits einen halben Meter weit nach vorne gerückt hatte. „Wie heißt ihr überhaupt?”

Schmiss nannte ihr stolz seinen Namen. Rodney überlegte kurz, ob er sich einen Alias zulegen sollte, ahnte aber, dass dieser nicht lange Bestand haben würde und als Beweis mangelnden Vertrauens gegen ihn verwendet werden könnte, und blieb auch bei der Wahrheit.

„Und ich bin Sylvie!” Sie hielt eine Schachtel Eier und eine Reihe in Plastikfolie eingeschweißter Speckscheiben in der Hand. „Nett, euch kennen zu lernen, Jungs!”

„Ganz meinerseits!“ Schmiss strahlte zufrieden und griff nach dem Glas Milch, das er sich eingeschenkt hatte.

Sylvie wischte die Pfanne, die Schmiss auf dem Herd hatte stehen lassen, mit einer Handvoll Küchenpapier sauber, legte sechs Streifen Speck hinein und starrte diese an, als wollte sie sie mittels telepathischer Energie braten. „Ich habe nachgedacht“, verkündete sie schließlich.

Rodney und Schmiss, die es damit auch gerade versucht hatten, allerdings erfolglos, sahen interessiert zu ihr hinüber.

„Ich kann hier nicht mehr bleiben. Außer ich ruf’ bei Officer Mitchell an, aber das würdet ihr ja sicher nicht wollen, oder?”

Rodney und Schmiss schüttelten synchron die Köpfe.

„Dacht’ ich ‘s mir doch! Aber keine Sorge! Ich hab’ ‘nen Plan.” Sylvie schaltete die Herdplatte ein und beobachtete, wie die Speckstreifen zu bruzzeln begannen. „Ich meine, ich kann meinem Vater schlecht erzählen, ich hätt’ geschlafen, während irgendwelche Wilden das Haus geplündert und die Fische frittiert haben“, stellte sie wie für sich fest. „Und dass ich weg war, glaubt er mir nie und nimmer. Dazu kennt er mich zu gut!” Sie griff nach den Eiern, schlug sie auf, ließ jeweils eines auf jeden Speckstreifen gleiten und betrachtete zufrieden, wie sich ihr Werk der Vollendung näherte. Sie bereitete die Kaffeemaschine vor, nahm drei Becher und stellte sie auf den Küchentisch. Sie holte drei Teller aus einem Oberschrank, tat auf jeden zwei Eier und zwei Speckstreifen und trug sie ebenfalls zum Küchentisch. „Und sag bloß nicht, diese Urwaldkreaturen waren dir lieber!“, warnte sie Schmiss mit spielerisch erhobenem Zeigefinger.

Schmiss schüttelte den Kopf.

„Die wa ‘n ‘n Fehler“, gestand er offen. „Kann ich noch ‘n bisschen Toast haben, um den fiesen Geschmack loszuwerden?”

„Sollst du haben.“ Sylvie bestückte den Toaster, holte die Kaffeekanne und setzte sich zu den beiden Einbrechern. „Wie wär ‘s mit ‘nem richtigen Verbrechen, wenn ihr schon mal dabei seid?”

Rodney ließ vor Schreck beinahe das Salz fallen.

„Verbrechen?” Schmiss sah Sylvie verdutzt an.

„Genau! Und ihr müsst dafür nicht mal was anstellen! Nur mich mitnehmen! Wozu ihr jetzt eh verpflichtet seid, nachdem ihr mich in so ‘ne schwierige Lage gebracht habt! Den Rest erledige ich.”

Schmiss zuckte mit den Achseln und wandte sich wieder seinem Frühstück zu. Da von ihm offenbar nichts verlangt wurde, war ihm die Sache egal.

„Was hast du vor?” Für Rodney stand bereits fest, dass er mit Sylvies Plan nichts zu tun haben wollte.

Sie lächelte ihn überlegen an, schob sich aber erst noch ein großes Stück Speck in den Mund.

„Ihr entführt mich“, murmelte sie mit vollem Mund und schenkte allen Kaffee ein. „Ganz einfach!” Sie schluckte runter und fuhr verständlicher fort: „Ich komm’ mit euch mit, versteck’ mich bei euch, schick’ meinem Vater ‘nen Brief und verlang’ Lösegeld. Vielleicht komm’ ich so doch noch zu meiner Kreuzfahrt.” Sie zwinkerte Rodney zu.

„Und was, wenn er zur Polizei geht?”

„Ja was wohl?”, fragte sie höhnisch zurück. „Wenn ‘s keine Täter gibt, kann man auch keine finden.”

„Ich weiß nicht ...” Rodney nahm ein Stück Toast und zerkrümelte es über seinem Teller.

„Du weißt nicht ... nun, das kann ich mir denken. Erstens scheint ihr beide mir eh ‘n bisschen unterbelichtet zu sein, zweitens ist euch völlig schnurz, in was für ‘ne beschissene Lage ihr mich gebracht habt.”

Rodney warf Schmiss, der sich nicht vom Essen ablenken ließ, mit gebeugtem Kopf einen vorsichtigen Blick zu.

„Was hältst du davon?”

Schmiss wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und zuckte mit den Schultern.

„Von mir aus! Du hast in deinem Trailer ja eigentlich genug Platz.”

„Nun, du wirst es nicht bereuen, Kleiner“, rief Sylvie erleichtert und knuffte Rodney gegen die Schulter. Dieser lächelte tapfer und fragte sich längst, wie er in das alles hineingeschlittert war.

Sylvie

„Und das ist es?” Sylvie sah sich im ersten Licht der Dämmerung ungläubig um und ließ die Reisetasche, die an einem langen Riemen von ihrer Schulter gehangen war, zu Boden fallen. Rodney, der mit zwei prallvollen Koffern hinter ihr her in den Doppeltrailer gewankt war, nickte müde.

„Gar nicht schlecht, oder?”

„Ein Drecksloch, nicht mehr und nicht weniger!”

Die abgewetzte Auslegware am Boden, das an vielen Stellen zersplitterte Plastikfurnier an den Wänden, die vergilbte und stellenweise vom Schimmel geschwärzte Decke gaben ihr Recht. Rodney erkannte zum ersten Mal, dass sein Zuhause tatsächlich ein wenig heruntergekommen war.

„Na ja, man müsste es vielleicht ein bisschen herrichten.”

„Da hilft höchstens die Schrottpresse. Wenn du geglaubt hast, dass ich dir diesen Saustall in Ordnung bringe, hast du dich gründlich geirrt.”

„Man hat hier seine Ruhe. Und ich habe eine Satellitenschüssel!” Er wies mit dem Kinn auf eine Pyramide aus fünf gefährlich übereinander getürmten Fernsehern verschiedener Größen und Marken.

„Großartig!” Sylvie verdrehte die Augen. „Ich bin jedenfalls total erledigt. Wo ist das Schlafzimmer?”

Rodney wies auf eine angelehnte Tür.

„Und das da ist das Bad?”

Er nickte.

„Heißes Wasser?”

„Selbstverständlich!” Er versuchte, empört zu klingen.

„Handtücher?”

Er zuckte vorsichtig mit den Achseln.

„Schon gut! Ich brauch jetzt jedenfalls ‘ne Dusche. Und dann nichts wie ab in die Heia! Vielleicht ist das Ganze ja doch nur ‘n Alptraum!” Sie öffnete ihre Tasche, entnahm ihr einen bunten Beutel und zwei Handtücher und verschwand im Badezimmer. Rodney schleppte die Koffer ins Schlafzimmer, kehrte in den Wohnbereich zurück und ließ sich vorsichtig auf einem verstaubten Sofa nieder, wo er dem ungewohnten Prusten und Plätschern zuhörte, das durch die dünnen Wände drang.

„Ich bin fertig“, verkündete Sylvie, als sie mit einem roten, ihr deutlich zu kleinen Morgenmantel und einem turbanartig um den Kopf geschlungen Handtuch bekleidet wieder aus dem Bad erschien. „Ich hoffe du hast nichts dagegen?” Sie breitete die Arme aus und sah kokett an sich hinab.

Rodney schüttelte den Kopf.

„Okay, dann sehen wir mal weiter.” Sie ging auf nackten, frisch verdreckten Sohlen ins Schlafzimmer, tauchte noch einmal kurz auf, um eine Decke und ein Kissen auf dem Sofa abzuladen, und warf die Tür hinter sich endgültig und mit Nachdruck zu. Rodney stand auf und richtete sich mit der Decke und dem Kissen einen Schlafplatz auf dem Sofa ein.

„Und du meinst, das funktioniert?” Schmiss warf Rodney über das Bierglas in der Hand hinweg einen besorgten Blick zu.

„Keine Ahnung! Aber ich schätz’ mal, wir müssen mitmachen. Sonst hängt sie uns hin!”

„Und du glaubst wirklich, ihr Vater is’ so bescheuert und zahlt auch nur einen Cent, damit sie ihm wieder auf die Nerven geht und in seinem Keller rumlungert? Eher zahlt er uns was dafür, dass wir sie für immer beiseite schaffen.” Schmiss fuhr sich über die blonden Haarstoppel und sah sich in der Bar um, in der sie sich getroffen hatten. Die Wände waren mit rohen, nicht entrindeten Planken getäfelt, auf denen noch die Spuren der Sägeblätter zu erkennen waren. Alles Mobiliar war fest am Boden verschraubt wie in einem Gefängnis oder einer Irrenanstalt. Sägespäne bedeckten den Boden. Zwei Holzfällertrupps, die für den Samstagabend aus dem Wald an die Küste gekommen waren, unterhielten sich lautstark und schielten immer wieder zum Eingang, als könnte einer der ihnen so verhassten Fischer unversehens dort auftauchen und Anlass zu einer der Schlägereien bieten, für die das Sailor ‘s Grave berühmt war.

„Du weißt, ich mag es nicht, wenn du schlecht von anderen redest. Das ist nur ein Zeichen von Schwäche. So was hast du gar nicht nötig.”

„Schwäche?” Schmiss sah seinen Chef beleidigt an.

Rodney nickte und spielte mit seinem Glas Cola.

„Außerdem bist du nicht ihr Vater! Der hält sie bestimmt für was ganz Besonderes und zahlt, was immer sie verlangt.”

„Sie ist super fett, das ist aber auch schon alles, was an ihr besonders ist. So viel kannst du gar nich’ klauen, wie die futtert.”

„Sie hat vor ‘nem halben Jahr ihre Mutter tot in der Badewanne gefunden. Und sie ist gestresst. Sie muss sich an eine neue Umgebung gewöhnen, neue Leute. Das ist nicht einfach. Und du trägst nicht gerade dazu bei, dass sie sich bei uns willkommen fühlt! Kein Wunder, dass sie sich in Ding Dongs flüchtet!”

„Ich kann sie einfach nicht ausstehen. Wenn sie wieder weg is’, bin ich auch wieder nett zu ihr.” Schmiss kicherte und bemerkte die drei Gestalten in karierten Flanellhemden und schweren Stiefeln nicht, die sich in der Nähe aufgebaut hatten und immer wieder zu ihm hinüber schielten.

„Wusste gar nicht, dass die hier Schlitzaugen rein lassen“, sagte der eine von ihnen laut zu seinen Kumpels.

„Was will der Kuli denn hier? Es gibt keine Hunde zu fressen und keine verfaulten Eier.”

„Sucht vermutlich seine opiumrauchende Mama, die mir nachher für ‘nen Dollar einen blasen wird.”

Schmiss, der in keiner Weise hatte erkennen lassen, dass er die drei Kerle überhaupt bemerkt hatte, sprang plötzlich auf und stürzte sich mit dem Kopf voran auf den mittleren von ihnen, der kaum Zeit gehabt hatte zu reagieren und mit Schmiss zu Boden ging.

„Schmiss!“, rief Rodney entsetzt. „Hör doch gar nicht auf die Idioten!” Er erhob sich und sah, wie sich Schmiss von seinem ersten Opfer los machte und sich dem nächsten zuwandte, der bereits an seinem Kragen zerrte und ihm einen Schlag auf das Ohr versetzt hatte. Der Dritte holte zu einem Tritt aus.

„Hey, das gilt nicht!“, schrie Rodney, flog auf einen der Angreifer und versuchte, ihn von hinten zu würgen. Der Kerl schüttelte Rodney ab wie eine lästige Fliege und wollte seinem Kumpel zur Hilfe kommen, der unter der Einwirkung eines Magenschwingers einknickte, da hatte sich Rodney bereits erhoben und sich erneut auf ihn gestürzt. Die übrigen Gäste des Sailor ‘s Grave hatten bereits eine Art Kreis um die fünf Kämpfer gebildet und feuerten sie dankbar an.

„Los, Rod, der hat doch genau deine Kragenweite!“, rief einer und nippte an seinem Bier.

Rodney und Schmiss kämpften verbissen, aber schließlich machte sich bemerkbar, dass sie den drei Holzfällern zahlen- und kräftemäßig unterlegen waren. Als sie endgültig zu Boden gegangen waren und die drei Holzfäller ihr Werk mit Fußtritten vollenden wollten, griffen die anderen Gäste ein.

„Okay, Jungs, ihr habt euren Spaß gehabt, jetzt verduftet von hier oder der Wirt hetzt euch Sheriff Marge auf den Hals.”

Der größte von den Dreien, dessen eine Auge bereits völlig verquollen war, reagierte nicht und musste handgreiflich daran gehindert werden, den ohnmächtigen Rodney weiter zu misshandeln. Seine beiden Kumpels – dem einen liefen wegen einer Platzwunde auf der Stirn zwei rote Rinnsale über die Wange, der andere humpelte – nahmen ihn zwischen sich und schleppten ihn zum Ausgang.

Als Rodney wieder zu sich kam, beugte sich ein rundes, hübsches Frauengesicht über ihn.

„Fay!”

Die junge Frau hatte halblanges, blondes Haar, das in einer dramatischen Welle nach hinten gekämmt war. Sie lächelte und legte einen Finger auf Rodneys Lippen.

„Psst! Du hast ganz schön was abbekommen.”

„Bin ich tot? Bin ich im Himmel?“

Fay schüttelte den Kopf.

„Was ist mit Schmiss?“

„Dem wird in der Notaufnahme eine Platzwunde vernäht.“

„Habt ihr Marge angerufen? Weil, ich hab’ihr nämlich eigentlich versprochen ...”

„Keine Sorge!” Fay strich ihm über die Wange.

„Gut!” Rodney stieß erleichtert die Luft aus.

Fay kämmte das Haar zurück, das ihm teilweise ins Gesicht hing.

„Eine Schlägerei ist hier doch nichts Besonderes. Wir leben schließlich in der Welt des Fressens und Gefressen-Werdens. Der Welt der Schmerzen, sagt Berta.”

„Scheint eine richtig weise Frau zu sein, deine Berta.”

„Sie sagt, die Arbeit hier ist schlecht für mein Karma.” Fay zuckte mit den Schultern.

„Nun, Marge und die Handelskammer werden das bald ändern. Sie sagen, in einem Jahr wird man Wilbourne nicht mehr wiedererkennen.”

„Ich weiß. Ich kann mich nur nicht so richtig darüber freuen, schlechtes Karma hin oder her.”

Rodney, den man auf eine Bank gelegt hatte, rappelte sich langsam auf.

„Du kannst ja zu dieser Berta auf die Insel ziehen, wenn ‘s dir hier nicht mehr passt.”

„Genau daran habe ich ehrlich gesagt auch schon gedacht.” Fay verschränkte die Arme. „Es ist wirklich schön dort drüben. Und so friedlich!”

„Die Toteninsel! Lebendig kriegst du mich dort nicht hin!” Rodney grinste und betastete sein Gesicht. „Wie seh ich aus?”

„Großartig! Und du wusstest genau, dass ich das sagen würde, du Schuft!” Sie gab ihm eine leichte Ohrfeige.

„Hey, eine Schlägerei ist genug für heute, meint ihr nicht?”

„Es war doch nur ...” Fay zuckte zusammen und drehte sich um; und ein Blick sagte ihr, dass sie auf Ausreden besser verzichtete. Fat Fred, seit einem Unfall mit einer Kettensäge Wirt des Sailor ‘s Grave und Träger einer Handprothese, die sich kaum vom Haken Captain Hooks unterschied, hatte sich trotz seines gewaltigen Gewichts lautlos hinter ihr aufgebaut. Sein Gesicht hatte, obwohl es weitgehend dem Kindchenschema entsprach, nichts Gewinnendes an sich. Er ruckte kurz mit dem Kopf; und schon entfernte sich Fay nach einem letzten Blick für Rodney Richtung Theke, wo der Barmann mit dem Füllen der Biergläser nicht mehr nachkam.

Fred wandte sich an Rodney, der seinen Körper nach blauen Flecken abtastete.

„Ich scheine mich vor zwei Wochen nicht klar genug ausgedrückt zu haben“, knurrte er.

„Doch, Fred!”

„Wir haben einen neuen Sheriff, falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte. Eine wichtigtuerische Bibelfanatikerin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, in Wilbourne aufzuräumen, damit hier Mom und Dad und die Kleinen Urlaub machen und den Typen von der Handelskammer die Taschen füllen können! Und ich hab ‘noch nicht genug Kohle beisammen für ein Häuschen in Key West. Ich kann ‘s mir nicht leisten, wegen dauernder Schlägereien die Lizenz zu verlieren. Und die, die glauben, meinen wohlverdienten Lebensabend gefährden zu dürfen, werden mich so richtig kennen lernen.” Fred rammte Rodney seine Edelstahlklaue zwischen die Beine. „Hast du mich diesmal verstanden?”

Rodney, der vor Schmerz zusammengezuckt war, nickte hastig.

„Völlig, Fred!“, stieß er japsend hervor.

Sylvie hatte sich die Mühe gemacht, jeden Buchstaben des Briefs mit der Lösegeldforderung einzeln auszuschneiden, und genoss diese sich über drei volle Tage erstreckende Beschäftigung, was zum einen an der Vorfreude und dem Gedanken an den zukünftigen trägen Luxus unter der Sonne der Karibik lag und zum anderen daran, dass sie sich in eine der Bastelstunden im Kindergarten versetzt fühlte, wo die Welt noch in Ordnung gewesen war und sie nicht unter anstrengenden Lehrern und einer bösen Stiefmutter zu leiden gehabt hatte.

„Wie in so ‘nem scheiß Märchen, sag’ ich dir.” Sylvie klemmte ihre auffällig helle Zunge zwischen die Lippen und konzentrierte sich ganz auf die Rundungen eines großen S. „Sie quält mich, wo ‘s nur geht. Und ihm ist ‘s egal. Kümmert sich gar nicht mehr um mich! Tut so, als wär’ ich gar nich’ da! Aber das werden die mir büßen! Das hier is’ nur der Anfang.” Sie lachte und ließ die Schere sinken. „Am liebsten ... Ich sollte einfach hingehen und ein Kissen nehmen und es auf ihr hässliches, verschrumpeltes Gesicht pressen und mich drauflegen; und sie zappelt und zuckt, aber es hilft nichts, weil ich sie festhalte und ihr mit dem Ellbogen auf den Hals drücke; und sie will schreien und hat das Maul voll Kissen und wird schwächer und schwächer und kratzt ein wenig, ganz leicht, wie ein Kätzchen nur; und ihr wird kurz schwarz vor den Augen, dann bäumt sie sich noch mal auf, dann wird sie ruhiger und endlich kalt.” Sylvie hatte die Hände auf dem Tisch zu Fäusten geballt und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Langsam kam sie wieder zu sich. Sie schnaufte. „Und ich hätte ja sogar ‘n Alibi, oder? Schließlich bin ich ja entführt!” Sie kicherte und sah kurz zu Rodney.

Rodney starrte sie entsetzt an.

„Das einzige Problem is’, dass er immer neben ihr schläft. Immer, immer, immer! Es ist zum Verrücktwerden. Dabei ist sie hässlich und alt und hat Mundgeruch.” Sylvie schüttelte sich. „Wirklich wahr! Wie ‘n alter Hund kurz vorm Einschläfern! Und sie verliert auch das Haar und ist kurzsichtig. Es wäre ‘ne Erlösung für alle Beteiligten!” Ihre Erregung hatte sich gelegt; und sie war zu einem gemütlichen Plauderton und ihrer Handwerksarbeit zurückgekehrt. „Wir hatten doch wirklich alles. Uns ging ‘s richtig gut nach dem ... dem Unfall von meiner Mutter. Waren voll zufrieden! Schon traurig natürlich, war ja echt tragisch, glaubt ja keiner, was so alles passieren kann im Haushalt, aber wir sind damit fertig geworden. Ich hab’ ihn getröstet, obwohl eigentlich eher ich ... ich mein’, ich war es schließlich, die sie gefunden hat, aber ich hab’ alles für ihn gemacht. Ich hab’ sogar angefangen, für ihn zu kochen. Nein wirklich!” Sie sah Rodney an, als hätte der in irgendeiner Form seinen Zweifel geäußert und widersprochen. „Ich hab’ gekocht; und das gar nicht schlecht; und bin nur noch halbtags ins Nagelstudio gegangen, weil ich mehr Zeit für ihn haben wollte und für sein Essen und so.” Ihr Blick verfinsterte sich kurz. „Nicht, dass das nötig gewesen wäre! Er ist ja lieber von zu Hause weggeblieben. Jeden Tag zehn Stunden im Elektrizitätswerk! Als hätten sie ihn da wie so ‘nen Hamster in ‘nem riesigen Rad laufen lassen, wo man Strom mit macht! Und kaum heiratet er wieder, geht er in den Ruhestand! Meint, genug ist genug und er will sein Leben ja auch noch genießen. Als wenn er das mit mir nicht hätte tun können! Und noch dazu mit dieser Hexe! Irgendwas hat sie ihm ins Essen gemischt, da bin ich mir sicher. Eine ehemalige Nachbarin! Ist schon zur Totenwache mit ‘ner Kasserolle angerückt und ist ab da bei jeder Gelegenheit mit was zum Essen vorbeigekommen und hat sich das von mir auch nicht ausreden lassen. Sie hat es sofort auf ihn abgesehen gehabt und kein bisschen Rücksicht genommen auf unsere Trauer. Und in dem Essen war was drin, da möcht’ ich wetten. Sie hatte ja vorher schon den eigenen Mann vergiftet. Wussten alle in der Straße. Alle außer Dad natürlich! Der hat ihren Fraß gierig in sich rein geschaufelt, als müsste er bei mir Hunger leiden. Aber ich nicht! Ich hab’ ihr Essen nicht angerührt. Hab’ sie sofort durchschaut! Vom ersten Augenblick an! Ich hab’ mich geweigert. Auch später, als sie bei uns eingezogen ist! Ich hatte solche Angst.” Tränen kullerten über ihre Wangen und wurden vom Rouge blutrot gefärbt. „Und er hat nix gemacht dagegen. Hat gar nich’ gemerkt, dass sie mich aus ‘m Haus drängen will. Aus meinem eigenen Elternhaus!”

„Arme Sylvie!” Rodney kaute ratlos auf der Unterlippe. „Willst du einen Pfefferminztee?”

„Das wäre schön.” Sylvie blickte ihn dankbar an und legte die Schere weg. „Weißt du, du bist ‘n echter Freund. Der einzige Freund, den ich noch hab’! Komisch, was?”

Rodney nickte beklommen und ging zum Herd. Die Küche war nur durch eine Art Theke, unter der sich die Geschirrschränke befanden, und ein Holzgitter, das mit Plastikpflanzen berankt war, vom Wohnbereich mit seiner zerschlissenen Sitzgarnitur getrennt.

„Das war voll fies“, fuhr Sylvie fort, als sie die Garfield-Tasse in den Händen hielt, in der ein Teebeutel schwamm. „Und hinterher hätt’ sie sich nich’ zu beschweren brauchen, denn sie hätt’ echt gewarnt sein müssen von wegen meiner Mutter, weil die meinte ja auch, entweder ich reiß’ mich zusammen und tanz’ nach ihrer Pfeife oder sie schmeißt mich raus, obwohl ‘s ja eigentlich Daddys Haus is’ und ich ‘s mal erben werd’ und so, und man sieht ja, das ihr das überhaupt nich’ bekommen is’, dieser Hochmut, und ich sag’ dir, wenn ihr nicht dazwischengefunkt hättet, mir wär’ da schon noch was eingefallen, weil so ‘n Unfall, der passiert schnell mal; und ich hab’ da diesen Film gesehen, was zeigt, dass Fernsehen überhaupt nich’ so schädlich is’ für die Birne, wie meine Mutter immer gesagt hat. In dem Film fahren die zwei im Auto; und sie öffnet heimlich seinen Gurt, und dann fährt sie gegen ‘nen Baum; und er ist tot, was aber vielleicht mit Airbags nicht mehr funktioniert.”

„Na ja, jetzt ist ja alles gut“, behauptete Rodney lahm. „Du bist sie los und kannst dich hier erholen, und wenn ‘s dir wieder besser geht ...”

„Nichts ist gut!“, fauchte Sylvie. „Ich hock’ hier in diesem Drecksloch; und sie lässt sich von meinem Dad in meinem Haus verwöhnen; und ich hab’ niemanden, überhaupt niemanden mehr ...”

„Aber Sylvie, das ist doch gar nicht wahr! Du hast Schmiss und mich zum Beispiel. Wir sind deine neuen Freunde. Hast du doch selbst gesagt.”

„Hör mir nur mit diesem mongoloiden Nazi auf! Und ich wette, du überlegst dir auch schon, wie du mich loswerden kannst.”

„Stimmt nicht!”, widersprach Rodney voll schlechtem Gewissen. „Wirklich! Ich find’ es total super, nicht mehr so allein zu wohnen. Es ist immer jemand da, mit dem man sich unterhalten kann.”

Sylvie warf ihm einen misstrauischen Blick zu.

„Na gut! Wollen wir mal hoffen, dass das so ist.” Sie lächelte verschmitzt. „Zuzutrauen wär ‘s dir glatt.” Es klang nicht wie ein Kompliment.

„Ich hab’das Alleinsein echt satt“, murmelte Rodney, überzeugender diesmal.

„Ist schon gut.“ Sylvie winkte ab und widmete sich wieder den Zeitungsblättern und der Schere.

Willkommen zu Hause, Waldo! stand auf dem Pappschild, das sie in den wolkenverhangenen Himmel hielten. Sie waren zu dritt: Rodney, Schmiss und Finch, ein vom Leben und seinen Stürmen gezeichneter Seemann, der seine Karriere als Steuermann eines Kühlschiffs beendet hatte, seither im Hafen von Wilbourne auf einem umgebauten Kutter lebte und davon erzählte, wie er mit diesem noch einmal um die Welt fahren würde, aber nie auch nur die leisesten Anstalten traf, tatsächlich den Anker zu lichten. Es regnete; und die Pappe begann, sich zu wellen; und die mit wasserlöslicher Farbe gemalten Buchstaben zerliefen und standen bald auf bunten, dürren Stelzen. Endlich erschien Waldo in der Glastür des Krankenhauses. Er öffnete sie vorsichtig und blieb stehen.

„Wär’ wirklich nicht nötig gewesen. Das reinste Empfangskomitee!” Er lächelte verlegen.

„Mein Gott, Waldo, du hast doch nicht etwa abgenommen?”, brummte Finch mit seiner tiefen Stimme. Er war mittelgroß und hager. Er nahm seine schmutzige Kapitänsmütze ab und wischte sich mit dem Ärmel seines Blazers über die nasse Stirn. Seine knollige Nase und überhaupt die ganze Gesichtshaut waren von kleinen, blauen und roten Äderchen überzogen. Er trug Ledersandalen, deren Sohlen aus alten Autoreifen geschnitzt waren. Seine weiße Hose reichte nur knapp bis zu den Knöcheln.

Waldo, an dem die hellbraune Windjacke und die Cordhose lose herab hingen, die aus dem Fundus des Krankenhauses stammten, hob die Arme und ließ sie wie gebrochene Flügel wieder fallen. Er trug eine grüne Kappe, auf deren Vorderseite Zoloft stand.

„Wenn du wüsstest, was die einem hier zu essen geben, wärst du nicht so überrascht. Und dann noch die widerlichen Tischmanieren mancher Mitinsassen!” Er winkte traurig ab.

„Das klingt, als bräuchtest du ein anständiges Frühstück“, rief Rodney betont fröhlich. Waldo nickte müde.

Sie kletterten in Rodneys Lieferwagen: Rodney, Waldo und Finch saßen vorne; und Schmiss ließ sich auf dem mit einer alten Wolldecke gepolsterten Reserverad nieder, das hinten auf der Ladefläche lag.

„Was haben die denn mit dir so lang da drin gemacht?”, fragte er von hinten.

„Das Gleiche wie sonst: Sie haben mich justiert.” Waldo machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen.

„Dich justiert? Wie ‘nen Vergaser oder so was?”

„Genau! Welche Pillen, welche Dosierung und so!”

„Damit du die armen Touristen nicht mehr erschreckst?” Finch, der kein Auto hatte und auch nur selten in einem mitfuhr, blickte mit kindlicher Freude aus dem Seitenfenster.

„Der Arzt da drinnen meinte, ich erinner’ ihn an einen dieser Japsen, die sich dreißig Jahre lang auf irgendwelchen Pazifikinseln im Dschungel versteckt gehalten haben, ohne mitzukriegen, dass der Krieg längst vorbei ist.”

„Hat Humor, der Mann!”

„Eins steht fest: Ich lass’ mich von den Typen nicht noch einmal vollspritzen. Eher blas’ ich mir selbst was ins Hirn.” Waldo betrachtete seine blassen Hände, als wären sie ihm fremd. „Ich erkenn’ mich gar nicht wieder.“

„Wir dich auch nicht!“, verriet Rodney grinsend. „Du hast noch nicht ein einziges Mal geflucht.”

„Wenn diese Spritzen die einzige Möglichkeit sind, diesen scheiß Krieg loszuwerden, behalt’ ich ihn lieber. Es ist alles so gedämpft. Kennt ihr das: Du gibst das Kommando Arm nach oben!, und dann vergehen erst einmal fünf Sekunden, bevor was passiert? Genauso ist es im Moment. Und es ist alles weit, weit weg.”

„Nichts, wogegen unser House of Pancakes nicht ein geeignetes Mittel hätte!“, rief Rodney und stellte den Dodge auf dem Parkplatz von Wilbournes einzigem Restaurant ab.

„Als wenn dein Kopf mit Watte vollgestopft wäre! Als wenn ich Handschuhe anhätte!“, murmelte Waldo. „So kann man nicht Schachspielen!”

„Das ist jetzt auch gar nicht nötig. Für ‘s Erste reicht es, wenn du eine belgische Waffel vertilgst.” Finch, den die Arthritis plagte, ließ sich vorsichtig von der Sitzbank auf den Asphalt des Parkplatzes gleiten. Das dünne weiße Haar, das unter der Kapitänsmütze hervorschaute, flatterte im Wind.

„Ich könnte ‘ne 16jährige Muschi essen und würde nichts dabei spüren.”

„Hey, habt ihr das gehört?”, rief Rodney. „Ein schweinischer Gedanke! Es scheint so, als würden die Pfannkuchen bereits ihre Wirkung tun. Muss der Geruch sein oder die Aura oder so was!”

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