Kitabı oku: «12 Jesse Trevellian FBI Thriller August 2021: Krimi Paket», sayfa 5
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Verstärkung durch Kräfte des Buffalo Police Departments rückte an, um den Gefangenen abzutransportieren. Wenig später traf auch Dr. Franklin Martin ein.
„Ich bin überzeugt davon, dass Roxanne hier betäubt wurde“, meinte ich.
„Haben wir dafür einen schlüssigen Beweis?“, erkundigte sich Dr. Martin.
„Nein, aber er wäre vielleicht zu erbringen.“
„Und wie?“, mischte sich nun Josephson ein, dessen Tonfall seine Skepsis verriet.
„Ich vermute, dass Roxanne ihren Wagen hier abgestellt hatte – das bedeutet, er könnte Reifenspuren hinterlassen haben. Mit etwas Glück sogar ein brauchbares Profil.“
„Sie denken doch nicht etwa daran, hier sämtliche parkenden Fahrzeuge entfernen zu lassen und zwei Dutzende Erkennungsdienstler nach Reifenspuren suchen zu lassen!“, empörte sich Josephson und stemmte dabei seine unwahrscheinlich langen Arme in die Hüften.
„Genau so etwas hatte ich im Sinn, Captain.“
„Hören Sie, das ist Wahnsinn und steht auch überhaupt nicht im Verhältnis zu den zu erwartenden Ergebnissen! Wir haben sehr wahrscheinlich den Täter und es reicht vollkommen, um ihm so viele der zurückliegenden Fälle nachzuweisen, dass er entweder für den Rest seiner Tage in die Psychiatrie oder in die Todeszelle wandert! Wo genau er Roxanne Brady nun betäubt und wo er sie getötet hat, ob das schon hier war oder ein paar Straßenzüge weiter auf dem brachliegenden Gelände dieser Spedition – das spielt doch keine so gewichtige Rolle! Zumal uns Larry sicherlich bald darüber Auskunft geben wird! Da bin ich mir sicher! Diese Typen kenne ich! Die brennen doch regelrecht darauf, wenn sie jemandem ihr verquastes Weltbild erzählen können!“
„Und Sie meinen, vor lauter Dankbarkeit verraten sie uns dann auch Tathergang und Motiv?“
„Bei allem Respekt, Agent Trevellian, aber das wäre nun wirklich nicht das erste Mal.“
„Trotzdem, ich wüsste es gerne genau und würde Sie bitten, eine entsprechende erkennungsdienstliche Aktion anzuordnen. Und zwar möglichst, bevor es einen länger anhaltenden Regenguss gibt, der vielleicht sämtliche noch vorhandenen und verwertbaren Spuren vernichtet.“
Mir war die ganze Zeit schon aufgefallen, was für ein nachdenkliches Gesicht Dr. Franklin Martin machte. Dem Psychologen und Profiler in den Diensten des Buffalo Police Department schien irgendetwas gegen den Strich zu gehen. Mir war noch nicht so recht klar, was das wohl sein mochte, aber er bot im Moment das Bild eines Menschen, der sehr intensiv nachdachte.
Dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Er kratzte sich am Hinterkopf und ich bekam ganz unerwartet einen Bundesgenossen für meine Ansicht...
„Captain, ich wüsste auch gerne, wo genau die Tat stattgefunden hat. Und ich halte es auch nicht für übertrieben, die von Agent Trevellian angesprochene Aktion hier durchzuführen.“
„Und darf ich vielleicht auch den Grund für Ihre Ansicht erfahren?“, fragte Captain Josephson.
Dr. Martin schüttelte den Kopf. „Dafür ist es noch zu früh. Aber ich schlage vor, dass wir uns alle morgen früh zu einem Briefing treffen. Vielleicht bin ich dann mit meiner Analyse schon etwas weiter.“ Als der Profiler die verwirrten und in Josephsons Fall auch ziemlich verärgerten Gesichter um sich herum sah, lächelte er mild und fügte noch hinzu: „Sehen Sie, ich hatte für diese Serie, die wir bisher angenommen haben, nach Durchsicht sämtlicher Unterlagen bisher eigentlich immer einen anderen Tätertyp angenommen. Jemanden, der zwar unter einem Zwang steht und vielleicht auch noch unter anderen, sekundären Zwangserkrankungen leidet, aber nicht jemanden, der unter einem religiösen Wahn leidet. Der Täter, den ich bisher angenommen habe, ist in der Lage sehr überlegt und planvoll zu handeln. Sehen Sie sich doch an, was dieser Larry hier veranstaltet hat! Das gleicht doch mehr einem Amoklauf!“
„Vielleicht haben Sie sich einfach nur geirrt, Dr. Martin.“
Martins Lächeln wurde dünn. „Wir wollen unseren Disput über die Natur des Täters an dieser Stelle nicht noch einmal vertiefen, Captain.“
„Das ist mir durchaus auch lieber so.“
„Und ich will auch keineswegs ausschließen, dass ich mich geirrt habe! Aber dann möchte ich das abgeklärt haben und dabei wäre ich gerne nicht in erster Linie auf die Aussagen dieses Wirrkopfs angewiesen, der vielleicht sogar einen Mord gestehen würde, den er gar nicht begangen hat!“
Josephson wandte sich an mich. „Gratuliere, Agent Trevellian, Sie bekommen Ihre Großaktion. Aber mal Hand aufs Herz: So ein Zirkus wird doch auch in New York City nicht jedes Mal veranstaltet, wenn irgendein Detail nicht ganz klar ist.“
Ehe ich antworten konnte, hatte Dr. Martin das Wort ergriffen. „Für die Art des angenommenen Täterprofils ist es meiner Ansicht nach von entscheidender Bedeutung, ob der Täter bereits hier zuschlug oder ob das Verbrechen an einem anderen Ort geschah.“
Josephson machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich hoffe nur, dass auch etwas dabei herauskommt“, knurrte er und wählte dann per Handy das Hauptquartier an.
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Wir blieben noch eine Weile am Ort des Geschehens, während die Erkennungsdienstler mit ihrer Arbeit begannen. Das Schwierigste war dabei die Beleuchtung. Außerdem versuchten zwei Dutzend Police Officers herauszufinden, wem die geparkten Wagen jeweils gehörten. Zumeist wurden sie in den umliegenden Mietshäusern und Geschäften fündig.
Die Arbeit der Kollegen ging ziemlich zäh voran und Josephson fuhr schließlich mit uns zurück zum Hauptquartier.
Dr. Martin beschäftigte sich inzwischen mit dem Festgenommenen. Für den nächsten Morgen wurde ein Briefing verabredet.
Als Milo und ich etwas später auf dem Weg zu unserem Hotel waren, rief Agent Max Carter an.
„Es gibt neue Erkenntnisse über die Müll-Mafia-Organisation, in die Brian Mondale mit seiner JAMAICA BAY verwickelt war.“
„Ist Mondale endlich zur Vernunft gekommen und hat ausgesagt?“, fragte Milo.
„Dass die Spuren in diesem Fall nach Buffalo weisen, war ja schon vorher klar. Schließlich hat Jack Mantaglia dort zumindest einen Auftragsmord begangen, bei dem es unserer Ansicht danach ging, einen Geschäftspartner daran zu hindern sich den Behörden zu offenbaren. Leider haben wir keine Aussage von Mondale. Der verschanzt sich noch hinter einer Mauer, die seine Anwälte um ihn errichten. Aber Randolph Jordan, der Kapitän der JAMAICA BAY war inzwischen zu einer umfangreichen Aussage bereit. Er ist zwar in viele Dingen nicht eingeweiht gewesen, aber immerhin hat er uns ein paar Hinweise gegeben, die interessant sein könnten.“
„Wir sind ganz Ohr“, versprach Milo.
„Jordan gab uns den Hinweis, dass Mondale einer Organisation angehörte, zu deren nächsthöheren Ebene er keinen unmittelbaren Kontakt hatte. Das alles sei über einen Verbindungsmann namens Gregory Sumner gelaufen. Sumner steht schon seit längerem in Verdacht, mit Hilfe von Strohmännern in dubiose Grundstücksgeschäfte verwickelt zu sein.“
„Und es gibt wirklich keinen Hinweis darauf, wer hinter Sumner steht?“
„Nein. Jordan bezweifelt sogar, dass Mondale Näheres darüber weiß. Nat versucht, über das Verfolgen von Geldströmen Näheres zu erfahren. Schließlich sitzt Mondale in Untersuchungshaft und wir haben jetzt die Möglichkeit, seine wirtschaftlichen Verhältnisse genauestens zu durchleuchten. Wir arbeiten da inzwischen eng mit der Steuerfahndung zusammen, aber es würde schon an ein Wunder grenzen, wenn wir da schnelle Ermittlungserfolge verzeichnen könnten.“
„Die Materie ist wohl ziemlich kompliziert“, stellte Milo fest.
Max konnte das nur bestätigen. „Allerdings!“
„Vielleicht könntest du uns ein kleines Dossier über diesen Gregory Sumner zusammenstellen, in dem alles aufgelistet ist, was über seine Geschäftsbeziehungen bekannt ist. Vielleicht ergeben sich dann Zusammenhänge mit unseren Ermittlungen hier in Buffalo.“
„Das ist schon geschehen“, versicherte Max. „Die Daten sind bereits auf dem Rechner in eurem Sportwagen.“
„Na, bestens!“, sagte Milo.
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Das Hotel, in dem für uns Zimmer gemietet worden waren, trug den Namen Wellington Plaza und gehörte einer Kette an, die rund um die großen Seen recht verbreitet war. Sowohl in Kanada als auch auf amerikanischer Seite zwischen New York State und Michigan. Es war ein Mittelklasse-Hotel. Bevor wir auf unsere Zimmer gingen, luden wir die Daten, die Max Carter uns geschickt hatte auf ein PDA. Bevor uns am nächsten Morgen mit den Kollegen des Buffalo Police Department zum Briefing trafen, mussten wir uns mit den Daten einigermaßen vertraut machen.
Am Morgen fuhren wir nach dem Frühstück ins Hauptquartier des Buffalo Police Department.
Captain Josephson erwartete uns zusammen mit Detective Sergeant Serena Morgan in einem Konferenzraum. Dr. Franklin Martin traf etwas später ein.
Er gab einen Bericht über die Befragung des Mannes, den wir bisher nur unter seinem Vornamen Larry kannten.
Seine Identität hatte inzwischen festgestellt werden können. Sein voller Name lautete Larry William Basener. Er besaß einen College-Abschluss, arbeitete aber gegenwärtig als Aushilfsfahrer in einer Wäscherei. „Den Job, den er davor in einem Fast Food Restaurant hatte, verlor er, weil er Gäste anpöbelte und sie verdächtigte, vom Satan beeinflusst zu sein“, erklärte Martin. „Der Mann leidet zweifellos unter einer starken Psychose. Er glaubt, dass die Welt vom Satan beherrscht wird, der seiner Ansicht nach fast allen Menschen als eine Art Dämon innewohnen würde. Durch das Tragen eines Satanszeichens, des umgekehrten Kreuzes, glaubte er sich vor dieser feindlichen Umwelt schützen zu können. Er leidet außerdem unter paranoiden Vorstellungen.“
„Und Sie zweifeln noch immer daran, dass wir den Richtigen verhaftet haben?“, fragte Josephson kopfschüttelnd. „Ich denke, dass er unser Mann ist!“
Der Profiler hob die Augenbrauen. „Zumindest hat er aber kein feindseliges Verhältnis zu rothaarigen Frauen“, erklärte Dr. Martin. „Er kam mit drei Jahren in eine Pflegefamilie, weil die Mutter drogensüchtig und nicht in der Lage war, sich um ihr Kind zu kümmern. Welche frühkindlichen Traumata er da erlitten hat, ist bisher schwer zu beurteilen. Da fehlen mir noch wesentliche Informationen. Tatsache ist aber, dass Larry Basener zu einer rothaarigen Pflegemutter kam. Als ich mit ihm über sie zu sprechen begann, wurde er zugänglicher und war mehr und mehr bereit, sich zu öffnen.“
„Kann man seine frühkindlichen Erlebnisse nicht auch als dein Indiz für seine Täterschaft werten?“, argumentierte Josephson.
Aber der Captain der Homicide Squad bekam für diese Meinung keine Unterstützung. Franklin Martin war anderer Ansicht. Er schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, die Sache scheint bei Basener etwas anders zu liegen, als Sie vielleicht denken. Basener hatte ein überaus positives Verhältnis zu seiner Pflegemutter. Er bezeichnet sie als eine der wenigen Menschen, die nicht vom Satan beherrscht würden.“
„Mit anderen Worten, er hat eigentlich keinen Grund, rothaarige Frauen umzubringen“, stellte ich fest.
Martin nickte. „So ist es. Er war übrigens mehrfach in psychiatrischer Behandlung. Seine Probleme begannen, nach dem Tod der Pflegemutter. Sie starb an Krebs, als er vierzehn war. Danach kam es zum ersten Mal zu einer mehrmonatigen Einweisung in eine psychiatrische Klinik. Auf die entsprechenden Unterlagen warte ich noch. Aber ich bin mir ehrlich gesagt nicht mehr sicher, ob wir die überhaupt noch brauchen, um Basener als Täter auszuschließen.“
„Weshalb?“, fragte Josephson. „Also für mich ist das längst noch nicht so klar. Vielleicht hat er seiner rothaarigen Pflegemutter nie verziehen, dass sie krank wurde und starb. Kann das nicht auch als ein Im-Stich-Lassen empfunden werden?“
„Völlig richtig, Captain. Aber Tatsache ist nun mal, dass Larry Basener das nicht auf diese Weise verarbeitet hat.“
„Dr. Martin, er hatte einen Elektro-Schocker, er ist dem letzten Opfer gefolgt, das ihm eine Abfuhr erteilte...“
Josephson nippte an seinem Kaffee und es war für mich überdeutlich, dass er diesen Fall einfach nicht mit der nötigen sachlichen Kälte betrachten konnte. Zu tief saß die Niederlage, die ihm der mysteriöse Killer vor Jahren beigebracht hatte.
Dr. Martin schloss unterdessen sein Laptop an einen Beamer an. Er projizierte eine Karte an die Wand, die den Norden der USA zeigte. Im Westen reichte der Kartenausschnitt bis Idaho, im Osten bis zur Grenze von Maine. Kreuze markierten Orte vor allem in New York State, Ohio, Pennsylvania und Indiana. Außerdem gab es noch eine Reihe von Fragezeichen, die sich vor allem auf Illinois, Michigan und Wisconsin konzentrierten. In Wisconsin gab es außerdem ein Kreuz.
„Sie sehen hier eine geografische Übersicht über alle Fälle, die wir mit dem Red Hair Killer in Verbindung bringen. Die Kreuze bezeichnen Fälle, in denen das sehr wahrscheinlich ist, obwohl wir in manchen davon keine Leiche vorfanden. Aber bei sämtlichen Fällen, die durch ein Kreuz bezeichnet wurden, fanden wir am vermutlichen Tatort zumindest so viel DNA – meistens in Form von Blut – dass wir erstens sicher sein können, dass die betreffende Frau wirklich ermordet wurde und zweitens Rückschlüsse genug auf die Begehungsweise der Tat gezogen werden können, um eine Verbindung zu unserer Serie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit herzustellen. An insgesamt drei Tatorten fanden wir auch Spuren des Täters, die zumindest beweisen, dass drei dieser Fälle von ein und demselben Mann begangen wurden.“
„Ich nehme an, dass bei Larry Basener auch ein Gen-Test durchgeführt wird“, meinte Milo.
Dr. Martin nickte. „Ja, wir erwarten das Ergebnis frühestens übermorgen.“
„Und was sind die Fragezeichen?“, erkundigte ich mich.
„Die Fragezeichen sind Fälle von vermissten Frauen, die von ihren Persönlichkeitsmerkmalen her in das Beute-Schema des Killers passen. Ich habe die über NYSIS zugänglichen Daten verwendet. In wiefern die vollständig sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist durchaus möglich, dass da noch der eine oder andere Fall hinzukommt. Ich habe nun zunächst einmal versucht alle diese Fälle in ein zeitliches Raster zu setzen. Danach hätte der Täter vor zwanzig Jahren mit seinen Morden begonnen, hat darauf wahrscheinlich regelmäßig den Wohnort und den Job gewechselt und ist langsam ostwärts gezogen. Ich konnte übrigens die Zahl der Fragezeichen auf diese Weise reduzieren. Der Täter scheint immer nur Opfer in der näheren Umgebung seines Wohnortes gesucht zu haben und ist dann nach einer Weile weiter gezogen.“
„Vielleicht weil der Fahndungsdruck zu groß wurde?“, vermutete ich.
Martin zuckte mit den Schultern. „Das könnte durchaus ein Grund gewesen sein. Jedenfalls gab es in der Gegend von Buffalo vor sieben Jahren den ersten Fall. Seitdem scheint der Täter diese Gegend nicht mehr verlassen zu haben.“
„Er hatte eine Möglichkeit, die Leichen – wie er glaubte – sicher zu entsorgen“, stellte ich fest. „Norma Jennings wurde vor fünf Jahren getötet und in ein Säurefass gelegt.“
„Gut möglich, dass er sich deswegen sicher fühlte“, nickte Martin. „Wir suchen jedenfalls einem Mann, der um vierzig ist – plus Minus ein paar Jahre. Das trifft auf Larry Basener zu. Er ist 38 Jahre alt. Aber er verbrachte diese gesamten 38 Jahre hier in Buffalo. Die einzigen Unterbrechungen waren Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken in Detroit und in Springfield, Colorado. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Basener in dieser Zeit kreuz und quer durch das Land reiste, um sich seine Opfer zu suchen!“
„Dann fangen wir also wirklich wieder von vorne an?“, fragte Milo.
„Nein, nicht ganz“, meinte Martin. „Wir wissen schon eine ganze Menge über den Täter.
„Unter anderem, dass er Zugang zu eine Giftmülldepot gehabt haben muss“, meinte ich.
„Richtig“, nickte Martin. „Er könnte dort mal gearbeitet haben. Ich wollte noch etwas zum Motiv sagen. Er handelt aus einem Zwang heraus. Er glaubt irrealerweise, dass etwas Schreckliches geschieht, wenn er die Tat nicht vollbringt. Aber bei der Durchführung geht er sehr planvoll vor – so wie jemand, der unter einem Wasch- oder Kontrollzwang leidet, die Handlung an sich auch mit großer, fachmännischer Akribie ausführt. Dazu passt auch das Entsorgen der Leichen. Es geht ihm nicht darum, Macht zu demonstrieren oder jemandem etwas zu zeigen oder zu beweisen! Ganz im Gegenteil. Und sexuelle Motive scheinen auch ausgeschlossen zu sein. Mit den Jahren verstärkt sich der Zwang. Die zeitliche Frequenz, in der die Handlung durchgeführt werden muss, verringert sich. Er muss immer häufiger töten. Außerdem ist bei der Person, die wir suchen mit Sekundärzwängen zu rechnen.“
„Was meinen Sie damit?“, fragte Milo.
„Es erfordert ungeheure Kräfte, die Zwänge immer zu erfüllen. Schon ein einfacher Kontrollzwang kann zu völliger Erschöpfung führen. Bevor das geschieht gibt es eine Art Notbremse in der menschlichen Psyche. Der Betreffende befreit sich kurzfristig von einem Zwang, in dem er sich einem weniger anstrengenden Zwang unterwirft – zum Beispiel dem, beim Gehen irgendwelchen Linien auf dem Fußboden zu folgen. Unser Mann könnte Ähnliches tun.“
„Gibt es eigentlich Fälle in Kanada?“, fragte ich. „Wir befinden uns hier direkt an der Grenze. Es wäre doch nur logisch, wenn der Täter auch auf der anderen Seite der Grenze zugeschlagen hätte, zumal er sich doch Ihrer Theorie nach mindestens sieben Jahre mehr oder minder ununterbrochen in dieser Gegend aufhält.“
„Und rothaarige Frauen gibt es auch auf der anderen Seite der Grenze“, warf Milo ein.
„Das habe ich bereits abgeklärt“, sagte der Profiler. „Auf kanadischer Seite gibt es keinen einzigen Fall, der ins Raster passt.“
„Das muss einen Grund haben“, meinte Milo.
„Vielleicht war unser Mann einfach nur nie in Kanada!“, warf Josephson ein. Seine Stimme klang leicht genervt. Offenbar hatte er sich schon zu sehr darüber gefreut, dass mit Larry Baseners Verhaftung der ganze Fall gelöst war.
Aber das war er nicht.
„Vielleicht kann er nicht über die Grenze“, schlug ich vor.
„Der Personen- und Warenverkehr ist doch zwischen beiden Ländern frei“, meinte Milo.
„Es wäre möglich, dass er dort straffällig wurde und deswegen nicht über die Grenze kann“, sagte ich.
„Bravo!“, sagte Dr. Martin. „Damit könnten wir ein weiteres Merkmal haben. Vielleicht ist er sogar gebürtiger Kanadier.“
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Milo und ich beschlossen, die Ermittlungen zunächst da anzusetzen, wo sie zumindest für uns begonnen hatten: Bei den Giftfässern der JAMAICA BAY.
Mit Clinton Barringer, einem Erkennungsdienstler des Buffalo Police Department fuhren wir noch einmal zu dem Speditionsgrundstück, auf dem Roxanne Brady gefunden worden war. „Ich habe inzwischen die Vergleichsdaten über den Inhalt der Fässer erhalten, die Sie und Ihre Leute auf der JAMAICA BAY sichergestellt haben“, erklärte Barringer. „Die Rückstände in den Lagerhäusern lassen darauf schließen, dass hier ähnliche Giftmüllfässer lagerten.“
„Der Konkurs liegt ein halbes Jahr zurück“, stellte ich fest.
„Aber ich nehme an, dass der Giftmüll schon wesentlich länger hier lagerte“, sagte Barringer.
„Mitten in der Stadt – unglaublich!“, meinte Milo. „Wie kommen Sie zu Ihrer Einschätzung?“
„Kommen Sie, ich zeige es Ihnen!“, versprach Barringer. Er führte uns in die Lagerhalle, die wir schon einmal betreten hatten. Aber jetzt konnten wir uns gefahrlos umsehen, ohne befürchten zu müssen, irgendwelche Spuren zu ruinieren. Barringer zeigte uns ein paar Stellen, wo seiner Ansicht nach Säuren in den Beton hineingeätzt und ihn teilweise zersetzt hatten. „Die Beläge, die Sie sehen, kommen von den Fässern, die irgendwann wohl auch durchgefressen worden sind. Okay, die Fässer könnten schon halb zersetzt hier angekommen sein, aber die Spuren im Beton geben eindeutig Auskunft darüber, dass hier über Jahre lang Säure ausgetreten ist.“
„Gibt es irgendwelche Hinweise, woher diese Säurefässer stammten?“ fragte Milo.
Barringer schüttelte den Kopf. „Nein, bisher haben wir leider keine konkreten Anhaltspunkt. Ich habe Ihnen eine Liste von Betrieben zusammengestellt, die hier in der Gegend ansässig sind und dafür in Frage kommen.“
„Dann können wir Ihre Liste mit der abgleichen, die unsere Innendienstler für uns zusammengestellt haben“, warf Milo ein.
Barringer lachte. „Ja, ich verstehe schon, was Sie damit sagen wollen. Es ist ja erstens nicht gesagt, dass die Giftstoffe wirklich aus dieser Gegend stammten. Sie könnten eine ziemlich lange Reise hinter sich gehabt habt haben. Und abgesehen davon, haben die Täter alles Mögliche dafür getan, um zu verhindern, dass man die Stoffe zurückverfolgen kann. Selbst wenn Sie so ein illegales Depot aufspüren, würden Sie keine Etiketten oder Kennzeichnungen an den Fässern finden...“
„Verstehe.“
Den Rest des Vormittags nutzten wir dazu, die Jugendlichen zu befragen, die Roxanne Bradys Leiche entdeckt hatten. Sie besuchten eine der umliegenden High Schools und wir holten sie kurz aus dem Unterricht. Drei Jungen und zwei Mädchen waren von den Kollegen aus Captain Josephsons Homicide Squad notiert worden.
Zuerst waren sie etwas wortkarg.
Der schreckliche Fund, den sie gemacht hatten, war sichtlich ein Schock für sie gewesen.
„Wie oft wart ihr auf dem Grundstück?“, fragte ich.
„Nicht so oft“, sagte ein Junge, der James Napier hieß.
„Vielleicht könnten wir das etwas genauer erfahren?“
Er zuckte mit den Schultern und wich meinem Blick aus.
„Vielleicht zweimal die Woche. Früher war das nicht möglich, da wurde man dort weggescheucht. Aber seid die Lastwagen dort waren und alles weggebracht haben, was sich in den Lagerhallen befand...“
„Was war den dort in den Lagerhallen?“, fragte ich.
„Na, Fässer. Keine Ahnung, was drin war. Die habe sie aufgeladen und weggebracht.“
„Hast du das mit eigene Augen gesehen?“, hakte ich nach.
Er nickte. „ja. Und es stank ziemlich, als sie das Hallentor aufgemacht haben.“
Es stellte sich heraus, dass das erst eine gute Woche her war. Eigentlich passte alles zusammen. Das Speditionsgelände war offenbar eine Art Zwischenlager gewesen und die Fässer waren von dort aus weggebracht worden, um sie endgültig verschwinden zu lassen. Vielleicht über die JAMAICA BAY und den New Yorker Hafen.
Am frühen Nachmittag statteten wir dem Konkursverwalter der Speditionsfirma einen Besuch ab. Er hieß Knowle Brannagan und unterhielt sein Büro in einem der Bürotürme südlich des New York State Expressway, der quer durch Buffalo führte.
Brannagan zeigte wenig Neigung, mit uns zusammen zu arbeiten.
„Sie werden verstehen, dass ich es vorziehe, wenn Sie mich in Gegenwart meines Anwaltes befragen.“
„Das ist Ihr gutes Recht“, sagte ich. „Aber Sie sind im Moment weder ein Verdächtiger, noch werden Sie irgendeiner Straftat beschuldigt. Wir stellen lediglich ein paar rein informatorische Fragen.“
Brannagan war Ende dreißig, hatte ein sehr kantiges Gesicht und trug einen Maßanzug, der sicher das Monatsgehalt eines FBI-Agenten kostete. Er schien uns als seine natürlichen Feinde zu betrachten. Wir warteten eine geschlagene halbe Stunde, bis schließlich sein Anwalt auftauchte. Dessen Name war Sam Kyle – ein drahtiger Mann mit hoher Stirn und einem Haarkranz aus weißblonden Haaren.
Allein die Tatsache, dass Sam Kyle hier auftauchte, war für uns mehr wert, als es jede unwillig gegebene Antwort von Brannagan hätte sein können. Der Name Philip Kyle war uns nämlich ein Begriff. Er tauchte in den Daten auf, die Max uns übersandt hatte. Sam Kyle hatte Gregory Sumner mehrfach vor Gericht vertreten.
Bingo!, dachte ich. Die erste direkte Verbindung zwischen der JAMAICA BAY und dem Grundstück, auf dem Roxanne Brady gefunden war.
„Mein Mandant hat sich nichts zu schulden kommen lassen“, sagte Kyle. „Und Auskünfte über das Konkursverfahren, das Sie angesprochen haben, geben wir nur auf eine richterliche Anordnung.“
„Was mit Fragen zu Ihrer Person, Mister Kyle?“, fragte ich.
Kyle hob die Augenbrauen. Seine Stimme klang wie klirrendes Eis. „Ich glaube, ich verstehe nicht richtig was Sie meinen. Alles, was meine Person betrifft, können Sie auf der Homepage meiner Kanzlei nachlesen.“
„Ich dachte, was Ihr Verhältnis zu Gregory Sumner betrifft“, erwiderte ich.
„Ich rede nicht über Mandanten mit Ihnen, Mister...“
„Agent Trevellian. Das heißt also, Sie vertreten noch immer Mister Sumners Interessen.“
„Ich denke, das Gespräch ist hiermit beendet. Mein Mandant macht Ihnen gegenüber keine Aussage, es sei denn, Sie laden ihn offiziell vor.“