Kitabı oku: «12 Jesse Trevellian FBI Thriller August 2021: Krimi Paket», sayfa 7

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„Das wissen wir nicht“, wich ich aus.

„So kann man sich doch in einem Menschen täuschen. Ich habe ihn für harmlos gehalten.“

In der Nachbarwohnung klingelte das Telefon. Der Beweis dafür, dass Normans Aussage von der Hellhörigkeit der Wände stimmte.

Für den alten Mann war das das Signal aufzubrechen. Er humpelte aus der Wohnung hinaus und bot uns an, später noch einmal bei ihm vorbeizuschauen.

„Am besten Sie beeilen sich jetzt erst einmal, dass Sie zum Telefon kommen!“, sagte Milo.

„Ach, das ist um diese Zeit wahrscheinlich mein jüngster Sohn Brian. Der weiß, dass ich schlecht zu Fuß bin und lässt den Apparat entsprechend lange klingeln.“




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Mein Handy klingelte. Captain Josephson meldete sich aus Mac’s Bar. „Wo sind Sie, Agent Trevellian?“, fragte er.

„Nur ein paar Minuten entfernt!“

Ich gab ihm Anselmos Adresse durch. „Und sagen Sie dem Erkennungsdienst Bescheid“, fügte ich noch hinzu. „Hier ist zwar sehr gründlich saubergemacht worden, aber in der Regel finden die Kollegen trotzdem etwas.“

„Haben Sie eigentlich mal bedacht, dass Sie dafür einen richterlichen Befehl brauchen?“, fragte Josephson etwas ungehalten. „Sie sind immerhin in eine fremde Wohnung eingedrungen.“

„Die Tür stand offen. Mister Anselmo ist hier offensichtlich ausgezogen, das heißt der Vermieter hat wieder die Verfügungsgewalt über das Apartment“, entgegnete ich. „Und wenn ich den davon überzeuge, dass es dringend notwendig ist, hier eine erkennungsdienstliche Untersuchung durchzuführen, ist das rechtlich in Ordnung.“

Josephson unterbrach die Verbindung.

„Hast du überhaupt eine Ahnung, wer der Vermieter ist?“, fragte Milo.

„Nein, aber das werden wir herausfinden, indem wir uns bei den anderen Bewohnern dieses Hauses erkundigen.“




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Roy Anselmo legte seine Reisetasche auf den Boden und setzte sich auf das Bett.

„Es wird hier nicht geraucht“, hörte er die junge Frau sagen, die ihm das Zimmer geöffnet hatte. Sie hatte blondes Haar mit einem deutlichen Rotstich.

„Schon in Ordnung“, murmelte Anselmo.

„Sie haben für drei Nächte im Voraus bezahlt, aber wenn Sie für eine ganze Woche bezahlen, bekommen Sie Rabatt.“

„Ich weiß aber nicht, ob ich noch eine ganze Woche in der Stadt bleibe“, erwiderte Anselmo. Er sah sie an und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Sie krampften sich so sehr zusammen, dass an den Knöcheln das Weiße hervortrat. Du musst es tun!, wisperte eine Stimme in seinem Innern. Jetzt. Sofort.

„Nein!“, sagte er laut und die junge Frau runzelte die Stirn, weil sie nicht begriff, dass das etwa war, das er zu sich selbst sagte und nicht zu ihr.

„Was meine Sie mit nein?“, fragte sie. „Sind Sie Raucher? Dann tut es mir leid. Unter diesen Umständen muss ich Sie bitten...“

„Ich bin kein Raucher“, sagte Anselmo. Er schwitzte. „Und jetzt lassen Sie mich bitte einen Augenblick allein.“

Sie sah ihn etwas verwundert an. Ihre Augenbrauen zogen sich in der Mitte zusammen.

„Ist Ihnen nicht gut? Soll ich einen Arzt holen?“

„Nein, es ist alles in Ordnung. Ich möchte nur, dass Sie mich jetzt allein lassen.“

Die junge Frau verließ das Zimmer. Bilder erschienen vor seinem inneren Auge. Erinnerungen. Erinnerungen. Er war ein Kind. Und da saß diese große Frau mit den roten Haaren auf dem Sofa. Ihre Haare waren nicht wirklich rot. Sie färbte sie nur. Er hatte das schon mal gesehen, wie sie das machte. Aber sie konnte das nur, wenn sie nicht so viel getrunken hatte wie jetzt. Jetzt konnte sie nicht einmal aufstehen. “Du musst es tun!“, hörte er ihre Stimme. Diese Stimme, die ihn seit jener Zeit nie verlassen hatte und die immer diesen einen Satz sagte - manchmal so undeutlich, dass wohl niemand anders ihn verstanden hätte.

„Nein!“, sagte Roy Anselmo laut in das Zimmer der heruntergekommenen Absteige hinein. „Nein!“

Aber die Stimme aus der Vergangenheit war unerbittlich. Du musst es tun! Sonst halte ich es nicht aus! Bitte!

Er erinnerte sich daran, den Rest an Dollars aus ihrem Portemonnaie geholt zu haben und losgegangen zu sein. Der Laden an der nächsten Ecke gehörte einem Bekannten, der es gewohnt war, dass er für eine Mutter etwas zu trinken holte, auch wenn das eigentlich nicht erlaubt war. Dann ging er mit den Flaschen zurück und brachte sie ihr. Sie trank und lallte und trank noch mehr. Und irgendwann war es dann Stille gewesen. Sie hatte sich nicht mehr bewegt und ihre Augen waren ganz starr gewesen.

Er hatte nicht wegsehen können.

Dieses Gesicht... Etwas war seitlich aus ihrem Mund herausgelaufen. Blut. Sie hatte so friedlich ausgesehen.

Roy Anselmo blickte auf den Boden. Manchmal half das. Manchmal, wenn der Boden richtig war und Linien hatte.

Dieser hatte Linien. Ein Muster. Anselmo erhob sich und folgte den Linien – so lange, bis er sie alle einmal betreten hatte. Dabei setzte er immer einen Fuß direkt vor den anderen.

„Es ist alles in Ordnung“, murmelte er laut. „Alles...“

Ein Ritual.

Er wusste, dass es nicht immer half.




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Nachdem die Kollegen des Erkennungsdienstes eintrafen, machten Milo und ich uns zusammen mit Josephson auf, um dem Barbesitzer MacConroy einen Besuch abzustatten. Wenn jemand etwas über Anselmo wusste, dann vielleicht er.

Als wir an MacConroys Wohnungstür klingelten, öffnete uns mit einiger Verzögerung ein Mann von Ende vierzig, der auf Krücken lief. Er hatte den rechten Fuß in Gips. Wir zeigten ihm unsere Ausweise.

„Kommen Sie herein, aber erwarten Sie keine Bewirtung oder so etwas. Ich kann Ihnen weder Kaffee ich sonst etwas anbieten und bin schon froh, dass ich es bis zur Tür geschafft habe.“

„Was ist passiert?“, fragte ich.

„Ich bin auf der Treppe ausgerutscht. Wie üblich war ich zu spät dran. Naja, ich verschone sie mit den Einzelheiten.“

„Roy Anselmo hat heute gekündigt“, stellte ich fest.

MacConroy nickte. „Ja. Da war gleich ein Schock am Morgen. Mein bester Barmixer sagt einfach, dass er geht! Ach, was heißt mein bester! Der einzige, der sein Handwerk einigermaßen versteht und dessen Drinks sich ein bisschen von dem üblichen Einerlei abheben und auch gut schmecken, wenn sie extravagant aussehen. Irgendetwas zusammengießen kann nämlich jeder, verstehen sie?“ Er seufzte. „Schade um ihn, aber er wollte sich nicht davon abhalten lassen. Und das, obwohl ich ihm eine kräftige Gehaltserhöhung in Aussicht gestellt habe!“

„Haben Sie eine Ahnung, wo er hin ist?“

Er blickte auf. Seine recht buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen. Dann schüttelte er energisch den Kopf. „Nein, Sir. Wirklich nicht. Bedauerlicherweise übrigens. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass es nicht so weit gekommen wäre, aber...“

Er sprach nicht weiter. Sein Blick wirkte nach innen gekehrt.

„Er hat nichts hinterlassen?“, fragte ich.

„Nein. Was sollte ich tun? Er ist ein erwachsener Mann. Ich kann ihn ja nicht fesseln oder so!“ MacConroy lachte heiser.

„Haben Sie ihn nicht gefragt, wohin es ihn zieht?“, hakte ich noch mal nach.

Ein mattes Lächeln flog über sein Gesicht. Dann verzogen sich seine Züge. Irgendetwas an seinem Fuß schien ihm jetzt Schmerzen zu bereiten.

„Doch, das habe ich.“

„Und?“

„Er ist ausgewichen. Ich habe mich erkundigt, ob er in der Gegend bleibt und wer ihm so ein gutes Angebot gemacht hat, dass er plötzlich abspringt... Aber dazu wollte er nichts sagen. War schon etwas merkwürdig, das Ganze. Er wirkte so bedrückt und auf eine seltsame Weise angespannt. So habe ich ihn ehrlich gesagt, noch nie erlebt. Warum fragen Sie das alles?“

„Erzählen Sie uns alles, was Sie über ihn wissen“, ergänzte Milo. „Alles, was Ihnen einfällt, auch Dinge, von denen Sie vielleicht nicht denken, dass sie wichtig sein könnten...“

MacConroy hob die Augenbrauen. „Der Mann hat auf jeden Fall eine bunte berufliche Vergangenheit und ist wohl ganz schön herumgekommen.“

„Hat er erzählt, wo er schon überall gelebt hat?“

„Des Moines in Ohio, Erie in Pennsylvania... Wir hatten mal Gäste aus Europa, denen er den Weg zu den Niagarafällen auf Französisch beschrieben hat. Aber ich glaube, er hatte nicht einmal einen College-Abschluss. Jedenfalls hat er das mal erwähnt.“

„Er konnte Französisch?“, echote Milo.

„In Kanada spricht man Französisch“, stellte ich fest. „Sie haben nicht zufällig ein Bild von ihm?“

„Nein, er wollte nie fotografiert werden. Selbst für den Gastronomieführer des Staates New York nicht!“, berichtete MacConroy.

Ich nickte. „Langsam verstehe ich auch, weshalb“, murmelte ich. „Besaß er ein Handy?“

„Allerdings. Ich habe die Nummer. Soll ich Sie Ihnen aufschreiben?“

„Unbedingt.“




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Roy Anselmo nahm das Handy ans Ohr. „Mister Norinsky? Hier spricht Anselmo.“

„Woher haben Sie diese Nummer?“

„Ein gemeinsamer Bekannter hat sie mir gegeben und sie sollten ihm deswegen nicht böse sein. Er hatte gute Gründe dafür. Er heißt Gregory Sumner und ich nehme an, dass er meine Kontaktaufnahme bereits angekündigt hat.“

Anselmo stand von seinem Bett auf. Er ging ans Fenster. Es hatte zu nieseln begonnen. Neben einer Straßenlaterne sah Anselmo eine junge Frau. Zuerst nur den Körper von den Zehen bis zu den Schultern. Der Rest wurde durch einen Regenschirm verdeckt. Dann drehte sie sich zur Seite. Es war die Rothaarige. Sie rauchte. Sieh an, dachte Anselmo. Du hättest dir eben kein Nichtraucherhotel suchen sollen, um deinem Job nachzugehen... Aber vielleicht konntest du es dir ja auch nicht aussuchen. Wer kann das schon...

„Sind Sie noch dran, Mister Norinsky?“, fragte Anselmo.

„Was wollen Sie?“

„Da wissen Sie doch. Sumner wird es Ihnen gesagt haben.“

Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen auf der anderen Seite der Leitung. Anselmo hörte nur das Atmen seines Gegenübers.

„Wenn Sie glauben, dass Sie Forderungen stellen können...“

„Ich weiß alles über Sie, Mister Norinsky. Über die Fässer mit Säure, von denen man ein paar auf der JAMAICA BAY in New York gefunden hat und von denen noch so viele an mehreren Stellen in Buffalo und Umgebung deponiert sind. Ich gebe zu, dass ich diese Fässer für einen Zweck benutzt habe, der vielleicht nicht ganz gesetzeskonform ist. Seit sieben Jahren sammle ich Informationen über sie und den Müll, den Sie möglichst preiswert loszuwerden versuchen. Es hat sich einfach so ergeben und ich denke, wir haben beide dasselbe Interesse.“

„So?“

„Dass vom Inhalt dieser Fässer nie wieder etwas auftaucht. Mögen sie in der Versenkung verschwinden.“

„Sie haben eine seltsame Art, sich auszudrücken.“

„Es wird Sie freuen, dass ich dasselbe will – in der Versenkung verschwinden. Ich weiß, dass Sie die Möglichkeit haben, mir eine neue, perfekte Identität zu verschaffen. Strengen Sie sich an. Sie haben gar keine andere Wahl, als mir zu helfen.“

Eine quälend lange Pause folgte.

„Wir werden uns treffen müssen“, sagte Norinsky.

Ein mattes, kaltes Lächeln spielte um Anselmos Lippen. „Nichts dagegen, Mister Norinsky!“




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Wir verließen MacConroy. Josephson war ziemlich schweigsam. Aber er war nicht der Einzige, der mit dieser Wendung ebenfalls nicht gerechnet hatte.

„Unser Mann ist gebürtiger Kanadier“, stellte ich fest. „Und da er sich scheinbar nicht traut, über die Grenze zu gehen, müsste man ihn in den dort geführten Dateien über Kriminelle finden.“

„Ich werde mal gleich mit Mr McKee deswegen telefonieren“, sagte Milo. „Das wird wohl auf höherer Ebene geklärt werden müssen.“

Milo hatte sein Handy noch nicht am Ohr, das klingelte der Apparat von Josephson. Der Captain der Homicide Squad sagte zweimal kurz hintereinander „Ja!“ und einmal „In Ordnung.“ Nachdem er dann noch einmal „Ist das sicher?“ gefragt hatte, beendete er die Verbindung.

„Das waren die Kollegen vom Erkennungsdienst, die gerade Anselmos Apartment untersuchen.“

„Wir sollten uns an diesen Namen nicht allzu sehr gewöhnen“, sagte ich. „Er ist mit Sicherheit falsch.“

„Die Kollegen haben Reste von Blut gefunden. Da muss etwas bis zur Decke gespritzt sein. Und selbst dort, wo Anselmo sorgfältig sauber gemacht hat, lassen sich noch mit Luminol Reste nachweisen.“

„Ich denke, das reicht für einen Haftbefehl, oder?“, fragte ich.

Josephson nickte. „Ganz sicher!“

Wir kehrten zum Headquarter des Police Department zurück.

Mit Hilfe der Handynummer, die uns MacConroy gegeben hatte, versuchten die dortigen Innendienst-Kollegen, den Aufenthaltsort zu bestimmen. Aber das Gerät war offensichtlich nicht eingeschaltet. Und so lange das nicht der Fall war, liefen unsere diesbezüglichen Bemühungen zwangsläufig ins Leere.

Ein Anruf des Field Office New York erreichte mich. Eigentlich hatte ich gehofft, dass es bereits grünes Licht für den Datenaustausch mit den kanadischen Behörden gab, aber unser Kollege Max Carter rief wegen einer anderen Sache an.

Offenbar hatten die Ermittlungen unserer Spezialisten für Betriebswirtschaft Erfolg gehabt. Nat Norton war es gelungen, die Geldströme zumindest ein Stückweit zurückzuverfolgen, die von Brian Mondales Konten ausgingen, über verschlungene Pfade nach Liechtenstein via Cayman Islands führten, um schließlich irgendwann ihr Ziel in Nordamerika oder auf einem Schweizer Nummernkonto zu finden.

Ein Name tauchte dabei immer wieder auf. So oft, dass es kein Zufall sein konnte.

„Brad Norinsky“, sagte Max Carter. „Über ein paar Umwege ist er genau an denselben Briefkastenfirmen beteiligt wie Mondale und dieser Gregory Sumner – auch wenn da immer irgendeine windige Limited nach britischem Recht dazwischen geschaltet ist, um die Wirtschaftskonzerne zu verschleiern.“

„Was wissen wir über diesen Norinsky?“, fragte ich.

„Jemand, den wir schon seit langem mit Geldwäschegeschäfte in Verbindung bringen, ohne es ihm beweisen zu können. Außerdem soll er die Prostitution im südlichen Ontario unter Kontrolle haben. Der Mann nimmt die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA wirklich ernst! Dass er allerdings auch im Müll-Geschäft dick drinsteckt, ist uns neu.“

„Das ist also der Mann hinter Sumner!“, murmelte ich.

„Allerdings wird es schwierig, ihm etwas zu beweisen. Leute, die in der Vergangenheit gegen ihn aussagen wollten, sind kurzerhand umgebracht worden.“

„Was ist mit Kanada?“

„Ein bisschen Geduld noch, Jesse. Mr McKee telefoniert schon seit einer halben Stunde mit Toronto.“




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Ein neues Leben!, dachte er. Zumindest ein neuer Abschnitt...

Er lächelte.

Ich habe alle Trümpfe in meiner Hand!, ging es ihm durch den Kopf. Norinsky hatte gar keine andere Wahl, als das Spiel mitzuspielen – ob es ihm nun passte oder nicht.

Anselmo ging die Treppe hinunter. Die Stufen knarrten. Das Hotel, in dem er sich eingemietet hatte, hatte seine besten Tage lange hinter sich. Das Gebäude stammte aus den Dreißigern – aber seit mindestens zwanzig Jahren war keine Renovierung mehr durchgeführt worden.

Für Anselmo war es genau richtig.

Hier war man froh über jeden Gast. Niemand stellte Fragen und es wurde auch niemand misstrauisch, wenn man nicht mit Kreditkarte sondern bar bezahlte. Anselmo besaß zwar eine Kreditkarte, aber er hielt es für klüger, sie im Moment nicht zu benutzen. Er musste vorsichtig sein. Verdammt vorsichtig. Wenn er in den vergangenen gut zwanzig Jahren etwas gelernt hatte dann das.

Wer rechtzeitig untertauchte erhöhte seine Chancen davonzukommen.

Und bis jetzt war er davongekommen.

Roy Anselmo erreichte das Foyer.

Hinter dem Tresen stand die rothaarige Frau.

Sie war damit beschäftigt, Unterlagen zusammenzuheften. Wahrscheinlich Quittungen. Zunächst war sie so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie Anselmo gar nicht bemerkte. Anselmo näherte sich und blieb dann stehen. Die Junge Frau blickte auf und zuckte zusammen.

„Meine Güte, Sie haben ich mal erschreckt...“

„Tut mir leid.“

„Sie stehen da und starren mich an!“

„Ich sagte doch, es tut mir leid.“

Sie ist allein!, dachte er. Die Gelegenheit war günstig. Aber es gab jetzt etwas anderes, das Vorrang hatte. Später!, dachte er. Du musst abwarten...

Ihr Gesicht veränderte sich. Sie zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn auf eine Weise an, die ihm nicht gefiel. So als wäre etwas mit ihm nicht in Ordnung.

Roy Anselmo legte den Zimmerschlüssel auf den Tresen.

„Es ist rund um die Uhr jemand hier“, sagte die junge Frau.

„Haben Sie heute die Nachtschicht?“

„Ja.“

„Ein harter Job, was?“

„Ich bin froh, dass ich die Stelle hab.“

„Ja, aber es muss trotzdem seltsam sein.“

„Wovon sprechen Sie bitte?“

„Ich meine, dass Sie nach draußen gehen müssen, um eine Zigarette zu rauchen.“

„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.“

Anselmos Gesicht wurde zu einer Maske. „Nichts für ungut“, sagte er und in seiner Vorstellung sah er für einen Moment seine Mutter vor sich. Sah das Blut. Die starren Augen. Du musst es tun! Dieser Satz hämmerte immer wieder in seinem Kopf. Seine Hand glitt in die Seitentasche des Jacketts. Dort trug er den Elektro-Schocker.

Seine Hand ertastete die Waffe, umklammerte den Griff und aktivierte das Gerät.

Norinsky erwartet dich. Du darfst nicht zu spät zum Treffpunkt kommen!, meldete sich eine Stimme in seinem Hinterkopf. Wie aus weiter Ferne erschien ihm dieser Ruf.

Er blickte zu Boden. Das Foyer war mit Parkett ausgelegt, das verblasst und abgeschabt war. Aber die Linien waren deutlich zu sehen. Anselmo konnte den Blick nicht von ihnen lassen. Er drehte sich fast wie mechanisch um und folgte den Linien, bis er in der Mitte des Foyers befand. Dann fand er eine Linie, die zur Tür führte, ging mit gesenktem Kopf auf sie zu und anschließend ins Freie, ohne noch ein Wort zu sagen.




31


Anselmo stoppte den Wagen auf einer Asphaltfläche, die zu einer Industriebrache zwischen Seaway Trail und dem Erie-See gehörte. Lagerhallen und Hafenanlage rosteten hier vor sich hin.

Inzwischen war die Dunkelheit hereingebrochen. Ein fahler Vollmond stand hoch über dem Lake Erie, auf dem sich eine Dunstschicht aufbaute, die langsam, auf die Küste zu kroch.

Anselmo schlug den Kragen seiner Jacke hoch. Ihn fröstelte. Er stieg aus, sah sich um. Seine Rechte überprüfte den Sitz der Pistole, die er bei sich trug. Außerdem war er mit einem Elektro-Schocker ausgerüstet. Sicher war sicher. Leuten wie Norinsky traute er nicht über den Weg.

Sollte dieser Kerl ihn vielleicht nicht ernst nehmen?

Eigentlich hatte Anselmo erwartet, dass Norinsky pünktlich war. Ich sollte ihm etwas Feuer unter dem Hintern machen!, dachte Anselmo. Er griff zum Handy, aktivierte es und drückte auf die Kurzwahltaste, unter der er die Nummer von Norinskys Prepaid-Handy gespeichert hatte.

Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar, sagte eine ziemlich kühl klingende weibliche Stimme.

Anselmo schaltete das Gerät wieder aus und steckte es ein.

Na warte!, dachte er! Du wirst schon sehen, was du davon hast, wenn du dich tot stellst!

In diesem Moment ließen ihn die Motorengeräusche mehrerer Fahrzeuge herumfahren. Zwei Limousinen, eine davon im Stretch-Format. Dazu noch ein Van.

Die Türen des Van öffneten sich. Mehrere Männer mit Maschinenpistolen im Anschlag sprangen heraus und richteten ihre Waffen auf Anselmo.

Als die Leibwächter die Lage als unbedenklich eingestuft hatten, wurden die Türen der Limousinen geöffnet.

Anselmo bemerkte Sumner.

Aber die beherrschende Gestalt, auf die die Augen aller gerichtet waren, glich einer Kugel. Brad Norinsky war Ende vierzig und kaum ein Meter siebzig groß – allerdings wirkte er fast genauso breit. Er wog schätzungsweise hundertzwanzig Kilo. Dass sein Anzug trotzdem perfekt saß, lag daran, dass er ausschließlich Maßanfertigungen trug.

Anselmo verzog das Gesicht. „Oh, großes Aufgebot! Welche Ehre!“

„Wir haben einiges zu besprechen“, sagte Norinsky.

Anselmo grinste. „Ja, das denke ich auch!“

Norinsky machte ein Zeichen.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm er eine Bewegung wahr. Etwas schoss durch die Luft. Einer der Männer aus Norinskys Gefolge hatte einen Taser abgeschossen. Die Pfeile mit den Elektroden trafen Anselmo im Rücken. Er wollte nach seiner eigenen Waffe greifen, aber der Stromschlag ließ ihn zusammenkrampfen, dass er im nächsten Moment vollkommen bewegungsunfähig war.

Roy Anselmo brach zusammen und blieb auf dem feuchten Asphalt liegen.

Norinsky trat an ihn heran. Mit der Fußspitze drehte er den hilflosen Anselmo herum. „Niemand tanzt mir auf der Nase herum!“, zischte der korpulente Mann. „Und schon gar nicht so ein Stück Dreck wie du!“

Anselmo war unfähig, etwas zu erwidern.

Er stöhnte nur auf.

Norinsky machte eine ausholende Handbewegung. „Bringt ihn in die Lagerhalle. Und dann werden wir uns mal eingehend darüber mit ihm unterhalten, was er wirklich weiß...“ Der große Boss verzog das Gesicht zu einer grausamen Maske. „Deine Schreie wird hier draußen niemand hören, du Narr!“ Dann kicherte er in sich hinein.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
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1404 s. 8 illüstrasyon
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9783956178467
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