Kitabı oku: «Forschungsreise ins innere Universum», sayfa 2
Bemerkung an den Leser
Dieses Buch ist eine Untersuchung der Übung und Praxis der Inquiry. Es ist eher eine Hinführung zu den Prinzipien und dem Potential der Übung als ein Handbuch darüber, wie man sie macht. Sie werden aber vielleicht entdecken, wie es Ihre Wertschätzung und das Verständnis dessen, was besprochen wird, fördert, wenn Sie sich selbst auf die Übung einlassen. Diese Vorbemerkung soll Ihnen helfen, sich zu orientieren, sollten Sie Inquiry selbst erforschen wollen, während Sie lesen.
Die Art und Weise, wie Almaas das Material präsentiert, ist selbst eine Einladung, Inquiry zu machen. Fühlen Sie sich also frei, jederzeit aufzuhören und in Ihrer eigenen Erfahrung zu erforschen, was er beschreibt. Um Ihnen beim Fokussieren Ihrer Untersuchung zu helfen, sind genaue Vorschläge für Inquirys in den Text aufgenommen. Beginnend mit Teil 2 benennt jedes Kapitel einen bestimmten Bereich der Inquiry, der mit dem jeweiligen Thema in Beziehung steht, um Ihre Erforschung und die Entwicklung Ihrer Fähigkeiten für diese Übung zu leiten. Sie werden ermutigt, diese Inquiryübungen entweder verbal oder mittels eines Tagebuches zu machen, allein oder mit Mitforschern.
Wenn Sie sich zu Inquiry als einer Form spiritueller Entfaltung hingezogen fühlen, ist es anfangs hilfreich, die Praxis zu formalisieren, indem Sie bestimmte Zeiten bestimmen, um in fokussierter Weise in einer ungestörten Umgebung die Inquiry durchzuführen. Wir werden hier zwei Möglichkeiten besprechen, die oben erwähnt wurden, aber Sie können noch andere finden.
Der erste Ansatz besteht im Schreiben eines Tagebuches. Wenn es etwas in Ihrer Erfahrung gibt, das untersucht werden soll, können Sie sich hinsetzen und ihre Inquiry schriftlich machen. Viele Menschen benutzen Tagebücher nur, um die Ereignisse des Tages aufzuschreiben, und lassen es dabei bewenden. So nutzt man lediglich einen sehr geringen Teil des Potentials eines Tagebuches. Einen wesentlich umfassenderen Gebrauch des Tagebuches stellt die persönliche Inquiry dar.
Der Erfahrungsbericht kann Teil dessen sein, was Sie schreiben. Das kann sogar den Prozeß oftmals erst in Gang setzen. Aber in einer Tagebuch-Inquiry hält man nicht nur fest, was einem in der Erfahrung widerfahren ist – man analysiert es, erforscht es und stellt Fragen, alles beim Schreiben. In gewissem Sinn wird Ihr Tagebuch zu einem schweigenden Zeugen. Wenn Sie wollen, können Sie sich das, was Sie geschrieben haben, vornehmen, darüber nachdenken und das Schreiben fortsetzen, indem sie sich selbst ein Feedback zu Ihrem Prozeß geben, aber die Inquiry allein reicht aus.
Sie können schriftlich so oft Inquirys machen, wie Sie wollen, aber es ist gut, sie mehrmals in der Woche durchzuführen. Genauso, wie Sie eine Zeit zum Meditieren reservieren, können Sie eine Zeit bestimmen, in der Sie sich mit Ihrem Tagebuch hinsetzen und schreiben. Da Inquiry auf Selbstbeobachtung beruht, bedeutet es – so Sie mit der Praxis der Inquiry beginnen –, daß Sie größere Achtsamkeit bei Ihrer Erfahrung zu entwickeln beginnen: auf Ihre Gedanken, Sinneswahrnehmungen, Gefühle und Verhaltensweisen. Achtsam mit Ihren Erfahrungen umzugehen kann zu einem kontinuierlichem Prozeß werden, der Sie mit einem reichen Beobachtungsfeld versorgt. Wenn Ihre Bobachtung anfängt, Muster in Ihrer Erfahrung zu enthüllen, werden als Antwort auf diese Muster natürlicherweise Fragen auftauchen. Deshalb wird der Prozeß, wenn Sie zu Ihrer für die Inquiry festgesetzten Zeit kommen, häufig bereits begonnen haben. Dann setzen Sie sich einfach hin und folgen dem Faden der Inquiry.
Eine andere Weise, Inquiry zu praktizieren, besteht darin, diese mit anderen zusammen durchzuführen. Sie können einen oder zwei Freunde einladen, um sie mit Ihnen gemeinsam zu machen. Wenn drei sich zusammensetzen, um die Inquiry-Übung zu machen, kann man die einfache Form benutzen, so daß jeder fünfzehn bis zwanzig Minuten einen bestimmten Teil seiner Erfahrung erforscht. Während eine Person die Inquiry macht, sind die anderen zwei stille Zeugen, die die Präsenz bei ihrer eigenen Erfahrung üben, während sie offen und neugierig der Inquiry zuhören. Das ist ein besonderer Vorteil, wenn man mit anderen eine Inquiry macht: Der eigene Prozeß wird dadurch, daß man Zeuge der Inquiry anderer ist, vertieft. Man kann auf diese Weise so oft üben, wie man möchte. Sie finden vielleicht zwei andere Menschen, die ebenso neugierig wie Sie selbst sind, und Sie machen sie jeden Tag zusammen.
Anfangs wird die Inquiry oft mit einer Reflexion über eine vergangene Erfahrung beginnen. Sie haben Reaktionen, Besorgnisse, alte Gefühle oder einfach eine Neugier in bezug auf das, was Sie erfahren haben. Es kann ein Gefühl im Moment sein, das die Inquiry auslöst, aber die Erforschung dieses Gefühls wird Sie oft zu der Situation zurückbringen, das das Gefühl hervorgerufen hat. Die Inquiry wird dann zu einem Prozeß des Schauens, um zu erkennen, was die Wahrheit dessen ist, was geschah. Viel kann verstanden werden, wenn man dafür offen und neugierig bleibt, selbst die Wahrheit zu entdecken.
Wenn Sie sich bei der Erforschung Ihrer Vergangenheit weiter Ihrer selbst gewahr bleiben, wird Ihr Fokus an einer bestimmten Stelle natürlich dazu tendieren, zu einem Interesse an der Wahrheit Ihrer gegenwärtigen Erfahrung überzugehen. Dann wird die Erfahrung unmittelbarer und lebendiger, weil Sie sich jetzt für das öffnen, was im Moment geschieht. Diese Bewegung – vorwärts und rückwärts, zwischen Vergangenheit und Gegenwart pendelnd – ist eine dauernde Dynamik, die in der Inquiry natürlich ist. Je mehr Sie aber auf Ihre unmittelbare Erfahrung eingestimmt sind – ganz gleich, ob Sie die Vergangenheit erforschen oder die Gegenwart –, um so offener werden Sie für die Möglichkeiten, Ihre eigene tiefere Wahrheit zu realisieren.
Inquiry ist eine spirituelle Übung und Praxis, und wie viele andere entwickelt sie sich mit der Zeit. Lesen und Wiederlesen dieses Buches, während Sie der schrittweisen Entfaltung Ihres inneren Lebens folgen, kann die Tiefe und die Subtilität Ihrer inneren Reise unterstützen und bereichern. Wenn Sie Ihren eigenen Rhythmus und Ihr eigenes Tempo des Öffnens finden, wird das der Inquiry ermöglichen, den verborgenen Reichtum Ihres Seins zu enthüllen.
Byron Brown
Teil 1
Mysterium und Inquiry
1
Warum erforschen?
Was spüren wir, wenn wir über uns nachdenken? Was sehen wir? Wie ist unser Leben? Die meisten von uns leben in einem ständigen Kampf, der darin besteht, Angenehmes zu bekommen und Leiden abzuwehren. Über lange Zeitabschnitte haben wir ständig das Gefühl, daß unser Leben nicht „genug“ ist – nicht voll genug, nicht reich genug, nicht vollständig genug.
Ab und zu merken wir, daß wir Zufriedenheit empfinden. Dann kommt uns alles genau richtig vor. Aber gewöhnlich empfinden wir diese Zufriedenheit nur kurz. Wir versuchen dann, etwas zu „verbessern“, oder machen uns Sorgen um die Zukunft oder schaffen es auf eine andere Weise nicht, einfach bei der Zufriedenheit zu bleiben.
Angenommen, es ist ein schöner Tag am Strand. Vielleicht sitzen Sie auf Ihrer Decke, nippen Eistee und liegen in der Sonne. Alles ist gut, aber nach einer Weile fangen Sie an, sich ein bißchen zu langweilen. Sie nehmen ein Buch aus Ihrer Strandtasche und fangen zu lesen an, aber Sie merken, daß Sie nervös sind. Dann wird Ihnen bewußt, daß die Hauptfigur in der Geschichte Sie an Ihren Vater erinnert, der Sie nie in Ruhe gelassen hat. Auch wenn Sie allein sind, bekommen Sie plötzlich das Gefühl, daß jemand hinter Ihnen steht, der Sie dafür verurteilt, daß Sie sich am Strand entspannen und sich bräunen lassen, statt zum Beispiel die Garage aufzuräumen. Sie kommen zu dem Schluß, daß es wahrscheinlich kein besonders gutes Buch ist, und legen es weg. Was Sie wirklich wollen, spüren Sie jetzt, ist etwas zu essen. Als Sie ihr Sandwich und Ihre Chips halb aufgegessen haben, merken Sie aber, daß Sie nicht wirklich Hunger hatten. Vielleicht würde Ihnen jetzt ein Schläfchen guttun. Sie schließen Ihre Augen, aber jetzt sind Sie ganz unruhig. Die Zufriedenheit von vor einer Stunde ist weg, und Sie wissen nicht, wie sie Ihnen abhanden gekommen ist.
So leben wir – wir versuchen die Außenwelt so zu manipulieren, daß unsere innere Welt Ruhe haben kann. Aber dieser Kampf ist ein aussichtsloses Unterfangen; so verschaffen wir uns keine Zufriedenheit. Dieses Beispiel für unseren inneren Prozeß weist auf eine Grundtatsache unserer ständigen Erfahrung hin: Wir können uns selbst nicht in Ruhe lassen. Alles innere Handeln enthält eine gewisse Ablehnung unseres gegenwärtigen Zustandes, unserer eigentlichen Realität. Und diese Haltung der Ablehnung hat eine tiefere Konsequenz: Dadurch, daß wir ablehnen, was für uns im gegenwärtigen Augenblick da ist, lehnen wir uns selbst ab. Wir sind mit unserem Sein (Being) nicht in Kontakt. Dadurch, daß wir uns auf die Zukunft hin orientieren, opfern wir die Gegenwart. Wenn wir außerhalb von uns selbst nach dem suchen, was uns fehlt, setzen wir uns, unsere Seele(n), dem Schmerz der Verlassenheit aus.
Tatsache ist aber: Nichts fehlt. Unsere wahre Natur ist wirklich immer da. Unsere wahre Natur ist Sein. Und alles besteht aus dieser wahren Natur: Steine, Menschen, Wolken, Pfirsichbäume– alle Dinge in unserem Leben. Diese Dinge existieren aber nicht unabhängig von uns, so wie wir es von ihnen glauben. Was wir in Wirklichkeit sehen, sind die verschiedenen Formen von Sein. Um Sein selbst, also das Wesen dessen, was wir in Wahrheit sind, zu verstehen, müssen wir zur inneren fundamentalen Natur von Existenz vordringen. Um für diese fundamentale Natur offen zu sein, müssen wir in Frage stellen, was wir zu sein glauben: Bin ich wirklich ein männlicher Weißer mit einer bestimmten Körpergröße, einem bestimmten Körpergewicht, von soundsoviel Jahren und mit einer Adresse und der durch meine persönliche Geschichte definiert ist? Und wenn ich das nicht bin, was dann?
Wir sind wie der Fluß, der nicht weiß, daß er im Grunde aus Wasser besteht. Er hat Angst davor, sich auszudehnen, weil er glaubt, er wäre dann vielleicht kein Fluß mehr. Aber wenn man einmal weiß, daß man Wasser ist, was macht es dann für einen Unterschied, ob man ein Fluß oder ein See ist?
Ihr Sein ist das, was sich ständig als Sie selbst manifestiert. Es denkt, indem es Ihr Gehirn benutzt. Es geht, indem es Ihre Beine benutzt. Aber in Ihrer alltäglichen Erfahrung denken Sie, Sie wären ein Bündel von Armen und Beinen und Gedanken, und erleben nicht die Einheit, die Ihrer ganzen Erfahrung zugrundeliegt.
Wenn wir mit dem Sein nicht in Kontakt stehen, empfinden wir eine Art Hohlheit. Uns fehlt dann ein Gefühl von Ganzheit oder Wert oder Fähigkeit oder Sinn. Wir suchen vielleicht endlos nach angenehmen Empfindungen oder Zufriedenheit, aber ohne eine Wertschätzung für unsere wahre Natur entgeht uns der größte Teil der Lust, die wir in unserem Leben haben könnten.
Unsere Natur, unser Sein, ist das Wertvollste, was es gibt, doch verlieren die meisten von uns den Kontakt dazu, wenn wir davon träumen, darauf hoffen, dahin planen und darum kämpfen, das zu bekommen, was wir für ein gutes Leben halten. Wir wollen die richtige Ausbildung, den besten Job, den idealen Partner. Aber ohne eine gewisse Wertschätzung für unsere wahre Natur landen wir an den Randbereichen des Lebens und schmecken immer nur eine fade Imitation des Nektars der Existenz.
Die Seele
Sein manifestiert sich gegenüber sich selbst durch uns, als Menschen. In uns schaut das Sein seine Schönheit und feiert seine Majestät. Unsere Erfahrung von uns selbst in unserer Totalität und unserer Berührbarkeit ist das, was wir beim Diamond Approach mit dem Begriff Seele meinen. Die Seele ist das, was erfährt, und sie ist die gelebte Erfahrung selbst. Sie ist der innere, psychische Organismus, das individuelle Bewußtsein, das der Ort aller Erfahrung ist. Die menschliche Seele ist reine Potentialität, die Potentialität von Sein. Sie ist auch die Weise, wie das Sein sich in seiner ganzen Großartigkeit öffnet und seinen Reichtum manifestiert.
Um den Reichtum unseres Seins, das Potential unserer Seele zu erfahren, müssen wir zulassen, daß unsere Erfahrung immer offener wird, und zunehmend in Frage stellen, wofür wir uns halten. Gewöhnlich identifizieren wir uns mit einem sehr begrenzten Teil unseres Potentials, mit dem, was wir das Ego oder die Persönlichkeit nennen. Manche nennen es das kleine Selbst. Aber diese Identität ist eigentlich eine Entstellung dessen, was wir in Wirklichkeit sind, nämlich ein vollkommen offenes Strömen aus dem Mysterium des Seins.
Ein Mensch ist ein Universum an Erfahrungen, mit vielen Facetten und Dimensionen. Jeder von uns ist eine Seele, ein dynamisches Bewußtsein, ein magisches Organ für Erfahrung und Handeln. Und jeder von uns ist in einem ständigen Zustand von Transformation – von einer Erfahrung, die sich für eine andere öffnet, von einer Handlung, die zu einer anderen führt, einer Wahrnehmung, die sich in viele andere vervielfältigt; von Wahrnehmung, die zu Wissen heranwächst, von Wissen, das zu Handeln führt, und Handeln, das mehr Erfahrung erzeugt. Dieser Entfaltungsprozeß ist permanent, dynamisch und voller Energie. Dies ist die eigentliche Natur dessen, was wir Leben nennen.
Die duale Dynamik der Erfahrung
Die Schönheit des Lebens besteht darin, daß sie ein ständiges Öffnen für die ganze Weite der Erfahrung und für den Reichtum sein kann, die dem Menschen möglich ist – für die dynamische Entfaltung des menschlichen Potentials. Dieses Leben kann eine Feier des Geheimnisses unseres Seins sein. Wir können ein Leben der Liebe leben, indem wir Freude an uns selbst, an anderen Menschen und am Reichtum unseres Heimatplaneten haben. Unser Leben kann voller Wertschätzung, Sensibilität und Staunen für alles sein, was uns umgibt. So ein Leben kann ein spannendes und aufregendes Abenteuer von Lernen, Reifen und Expansion sein.
Aber es kann auch ein Leben in Unfrieden, in Kampf, Elend und Depression sein, das oft von Leiden, Frustration, Neid und Aggression erfüllt ist. Es kann uns leicht passieren, daß wir ein Leben in Selbstbezogenheit, Zwiespalt und Ausbeutung führen. Wenn das geschieht, wird das Leben bald stumpf, langweilig und oberflächlich – wobei sich der Unterton sadistisch und brutal anfühlen kann.
Auch in solchen Zeiten verliert das Leben niemals seinen dynamischen und transformativen Charakter, aber die Entfaltung des Seins enthüllt vor allem die dunklen und destruktiven Möglichkeiten unseres Potentials, die negative und depressive Seite menschlicher Erfahrung. Die Frische und Kreativität des menschlichen Geistes sind überschattet, der freudvolle Funke gedämpft und zum Erlöschen gebracht und die Schärfe unserer Klarheit abgestumpft. Wir neigen dazu, in Unwissenheit zu leben, von primitiven Bedürfnissen und Begierden getrieben zu sein. Das Gefühl für unser Menschsein verläßt uns: Auch wenn wir wissen, daß wir Menschen sind, vergessen wir den Wert und die Köstlichkeit unserer Sanftheit, Freundlichkeit und Verletzlichkeit.
Unser Leben ist selten die reine Manifestation nur einer Seite unseres Potentials – sei es die der Freiheit oder die der Dunkelheit. Die meisten von uns leben eine Mischung von beiden mit sich ständig verändernden Anteilen. Natürlich arbeiten wir alle sehr angestrengt daran, Freiheit und Freude zu maximieren, aber wir wissen aus bitterer Erfahrung, wie schwer das ist. Wir versuchen dieses und jenes, hören auf diesen Lehrer oder jene Autorität, verlieren den Mut und erneuern unsere Entschlossenheit, aber selten sind wir uns sicher, was uns zu den Zuständen bringen wird, die wir begehren. Selten erleben wir die positiven menschlichen Möglichkeiten, die wir sehnlichst verkörpern möchten. Doch auch wenn sie sich wirklich in unserer Erfahrung manifestieren, bekämpfen wir sie häufig oder bekommen Angst vor ihnen. Wir sehnen uns danach, zu expandieren und unser Menschsein zu vervollkommnen, und unternehmen große Anstrengungen, um das zu erreichen, aber scheitern oft und sind schließlich frustriert. Unsere Erfolge sind kümmerlich und anscheinend nie von Dauer.
Wenn der Dynamismus unseres Seins unsere Erfahrung in seine dunklen und negativen Möglichkeiten entfaltet, finden wir uns in sich wiederholenden Mustern und geschlossenen Schleifen gefangen. Obwohl diese geschlossenen Schleifen von Wahrnehmen und Handeln dynamisch sind, sind sie auch zwanghaft und monoton und nehmen unserer Erfahrung ihre Frische, unserer Dynamik ihre Kreativität und unserem Leben Expansion und Abenteuer. Das riesige Universum menschlicher Möglichkeiten wird auf einen sehr begrenzten Bereich gewohnter Erfahrung beschränkt. Frische, Neuheit, Entwicklung und Begeisterung des Entdeckens sind gedämpft.
Die Situation ist aber nicht hoffnungslos, und wir alle wissen das an einer Stelle in unserem Herzen. Wir wissen – vielleicht undeutlich, vielleicht unvollständig –, daß der menschliche Geist die Möglichkeit besitzt, seine Erfahrung auszuweiten und seinen Reichtum zu öffnen. Wir haben viele Stärken, die wir nutzen können: Sensibilität, Intelligenz, Unterscheidungsvermögen, das Potential für gründliches Erforschen und Einsicht. Vor allem haben wir die Fähigkeit, zu lernen.
Ein Weg zur Freiheit
Jeder von uns besitzt die Fähigkeit, seine Erfahrung zu optimieren und sich auf die unbegrenzten Dimensionen seines Menschseins einzustellen. Wir alle können lernen, uns dem kreativen Dynamismus unseres Seins und der riesigen Weite des menschlichen Universums an Möglichkeiten stärker zu öffnen. Aber wie geschieht das? Wie können wir unser Leben zu einer aufregenden Reise von Abenteuer, Entdeckung und Staunen machen? Was kann uns helfen, die dunklen, destruktiven und einengenden Manifestationen des Seins in uns und den Menschen um uns herum zu erkennen und mit ihnen umzugehen? Wo ist der Weg, der uns zeigt, wie man entdeckt und lebt, was uns wirklich erfüllt und vollständig macht, und was der ganzen Menschheit dabei hilft zu reifen und allem Leben zu erblühen? Wie können wir unseren Geist (spirit) befreien, damit er den Reichtum seines Menschseins und die Göttlichkeit seines Seins manifestieren kann?
Viele Möglichkeiten und Wege gibt es, die Menschen zu Vollständigkeit und Freiheit führen können. In diesem Buch werden wir eine dieser Möglichkeiten betrachten. Wir werden untersuchen, wie Inquiry unsere Erfahrung für wahres Verstehen öffnen und wie dieses Verstehen so tief werden kann, daß es die Fülle unseres Potentials entfaltet.
Wie wir gesehen haben, enthüllt unsere Seele ihre Möglichkeiten durch ihren kreativen Dynamismus in zwei Grundformen. Die erste ist eine offene und freie Weise, die zweite ist in einem verzerrten und eingeengten Prozeß. Im ersten Fall manifestiert sich die Seele auf eine reale und authentische Weise, während sie im zweiten Fall reduziert, entstellt und von ihrer wahren Natur abgetrennt wird. Beide Erfahrungen (Authentizität und Verzerrung) gehören zum Potential unserer menschlichen Seele.
Es ist wichtig, den Unterschied zwischen diesen beiden Hauptmöglichkeiten, wie sich unsere Erfahrung enthüllt, genau und klar zu verstehen. Das auffallendste Merkmal dieses Unterschiedes ist für unsere Untersuchung in diesem Buch zentral: Wenn unsere Erfahrung frei und daher authentisch ist, entdecken wir, daß unsere Seele mit unserer wahren Natur in Kontakt– eigentlich untrennbar von ihr – ist. Die entstellte Erfahrung andererseits ist vor allem durch einen Mangel an Bewußtsein von dieser wahren Natur charakterisiert.
Die wahre Natur der Seele
Das Bewußtsein von der Existenz der wahren Natur der Seele bildet das Kernverständnis in allen wichtigeren spirituellen Lehren. Das primäre Verständnis in jeder authentischen Erfahrung spiritueller Realisierung ist, daß unsere Seele (unser Selbst, unser Bewußtsein) eine wahre Natur besitzt – ihre Essenz. Sein ist die Essenz oder wahre Natur der Seele wie überhaupt aller Manifestation. Beim Diamond Approach benutzen wir das Wort Essenz, um die spezifische Erfahrung von Sein in seinen verschiedenen Aspekten zu bezeichnen, wenn es als die Natur der menschlichen Seele auftaucht.
Wir erfahren uns selbst als Essenz, wenn unsere Erfahrung frei, ungekünstelt und spontan entsteht. Wenn unsere Erfahrung von uns selbst nicht von außen – das heißt von keinem Einfluß, der außerhalb der Einfachheit, nur da zu sein, liegt – diktiert oder bestimmt ist, dann sind wir die Essenz dessen, der wir sind. Wahre oder essentielle Natur bezieht sich daher darauf, wie sich die Seele11 selbst erfährt, wenn sie nicht von der Vergangenheit oder von mentalen Bildern oder Selbst-Konzepten konditioniert ist. Wir erfahren unsere Essenz, wenn wir einfach sind, statt zu reagieren oder unsere Erfahrung oder uns selbst zu konzeptualisieren.
Essenz ist nicht ein Objekt, das wir in uns finden; sie ist die wahre Natur dessen, der wir sind, wenn wir entspannt und authentisch sind, wenn wir nicht bewußt oder unbewußt so tun, so oder so zu sein. Essenz ist die Wahrheit unserer Präsenz, die Reinheit unseres Bewußtseins und unserer Bewußtheit. Sie ist das, was wir in unserer ursprünglichen und unverfälschten Seiendheit (beingness), als eigentliche Kernrealität unserer Seele sind. Essenz ist die authentische Präsenz unseres Seins. Sie ist im Grunde Sein in seiner Dasheit (thatness).
Verschiedene spirituelle Traditionen haben ihr verschiedene Namen gegeben: Christentum, Judentum und Islam nennen sie Geist (Spirit), der Buddhismus nennt sie Buddhanatur, der Taoismus nennt sie das Tao, der Hinduismus nennt sie Atman oder Brahman. Die verschiedenen Traditionen unterscheiden sich darin, wie sie Essenz begrifflich fassen und wie sehr sie sie in ihrer Lehre betonen, aber Essenz wird immer als die authentische, angeborene und fundamentale Natur dessen angesehen, wer wir sind. Und die Erfahrung und Realisierung von Essenz ist in allen Traditionen die zentrale Aufgabe spiritueller Arbeit und Entwicklung.22
Der Diamond Approach ist durch eine ihm eigene Einsicht in unsere essentielle Natur charakterisiert: Essenz manifestiert sich als eine intelligente Antwort auf die sich verändernden Zustände der menschlichen Seele in verschiedenen Formen. Diese Formen, die wir die Aspekte oder Qualitäten von Essenz nennen, umfassen die zeitlosen Aromen menschlicher Erfahrung wie Liebe, Frieden, Freude, Wahrheit, Klarheit, Mitgefühl und Wert. Jeder essentielle Aspekt hat eine charakteristische, erfahrbare Realität und Funktion, wobei alle den fundamentalen Boden von Essenz gemeinsam haben: Präsenz, selbst-bewußtes Leuchten und Offenheit.