Kitabı oku: «Wie die Schwalben fliegen sie aus», sayfa 4

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Familie Terza in St. Vigil. Emma steht als Jüngste in der Mitte.


Bäuerin mit Tracht im Oberpustertal


Hedwig Wallnöfer vor dem Auto ihres Verlobten, eines Hoteliers aus Spondinig bei Prad. Autos waren in der Zwischenkriegszeit in Südtirol eine Seltenheit.

„An Kindersegen waren wir reich“

In der bäuerlichen Familie jener Zeit waren acht bis zwölf Kinder keine Seltenheit.37 In den Herkunftsfamilien der ehemaligen Dienstmädchen der ersten Wanderungswelle waren es im Schnitt sieben bis acht Kinder, was den Zusammenhang zwischen Migration und Kinderreichtum deutlich macht.38

Man sah in den Kindern einmal potentielle Arbeitskräfte, die am Hof gebraucht wurden, und potentielle Verdiener, die mit ihrem Lohn die Einkünfte der Familie aufbesserten. Grund für die hohe Kinderzahl war aber auch die mangelnde Aufklärung und vor allem die religiöse Einstellung. Die Kirche verpflichtete die Eheleute zum „Kinderkriegen“, und die Pfarrer übten in ihren Predigten oft erheblichen Druck auf die Frauen aus, indem man ihnen klar machte, dass das Gebären eine von Gott vorgegebene weibliche Pflicht sei. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Frauen den ständigen Schwangerschaften gewachsen waren und die vielen Kinder versorgen konnten.39

Regina Walcher stammt aus einer Familie mit zwölf Kindern: „An Kindersegen waren wir reich. Fast jedes Jahr, als das Letzte aus der Wiege kam, war schon das Nächste da, sodass die Mutter oft nicht wusste, wohin damit. Mein Vater nahm da keine Rücksicht. Er hätte sich doch denken müssen, dass das nicht so weitergehen kann. Meine Mutter war eine sehr christliche Frau, sodass sie mit viel Gottvertrauen alles nahm, wie es kam.“ Die Mutter Kreszenzia Mairs hatte in zwölf Jahren dreizehn Kinder. In der Familie von Maria Girardi waren es sogar achtzehn Kinder: „Wir waren acht Buben und zehn Mädchen. Die Mutter hat auch noch zwei Fehlgeburten gehabt. Ich war die Neunte, genau in der Mitte. Einige Kinder sind auch schon früh gestorben. Bei uns hat es immer geheißen: ‚Wenn wir ein gutes Wimmet[Weinlese A. d. V.] machen, dann kaufen wir noch ein Poppele.‘ Das war der Diskurs. Im nächsten Jahr hat es alles verhagelt, und dann sind Zwillinge gekommen. So war es.“

Die Frauen brachten in der Regel ihre Kinder zu Hause zur Welt, eine Hebamme versorgte die Gebärende und das Kind. Trotz medizinischer Fortschritte war die Versorgung in den abgelegenen Tälern nicht immer gewährleistet und das Leben der Mütter oft gefährdet. Das war auch bei der Mutter von Regina Walcher der Fall: „Ich bin 1911 geboren, und bei meiner Geburt ist die Mutter fast gestorben, weil sie so viel Blut verloren hat. Aber sie hatte Glück und wurde wieder gesund. Der Kindersegen ging aber trotzdem gleich weiter.“

Die Säuglings- und Kindersterblichkeit ging nach dem Ersten Weltkrieg zwar allgemein zurück40, trotzdem gab es noch viele Todesfälle. In der Familie von Edith Genta überlebten von acht Kindern nur vier: „Wir waren acht Kinder, vier Mädchen und vier Buben, davon sind vier gestorben. Zwei Anna und zwei Bruno sind gestorben, als sie noch klein waren. Wenn die Kinder mehrere Tage gelebt haben, sind sie aufgebahrt worden. Vom Widum aus hat es weiße Kleidchen gegeben und einen kleinen Kranz, es ist einem vorgekommen, als ob sie nur schliefen. Man hat sie aufgebahrt, dann sind viele Leute gekommen, am dritten Tag war das Begräbnis. Früher sind viele Kinder gestorben. Die Frauen haben schinden müssen. Auf offenem Herd haben sie gekocht. Sie haben zu Hause die ganze Arbeit machen müssen und auch noch aufs Feld gehen.“

Bäuerliche Familien hatten im Durchschnitt sieben bis acht Kinder. Viele starben schon im Kleinkindalter.

Erziehung zur Arbeit

Der Hof war Arbeitsplatz für die Familie, gleichzeitig bot er ihr ein sicheres Dach über dem Kopf. Als Inhaber war der Bauer „Herr“ im eigenen Haus. Jedes Familienmitglied war aufgefordert, nicht nur fürs Überleben sondern auch für den Fortbestand des Hofes zu arbeiten. Vor allem auf den so genannten geschlossenen Höfen, wo der gesamte Besitz einem Erben zufiel, war der Erhalt des Hofes ein großes Anliegen. Der Verlust desselben bedeutete auch Verlust der „Heimat“, und diese galt es mit allen Mitteln zu erhalten.

Die täglich und jahreszeitlich anfallenden bäuerlichen Arbeiten ließen keinen Aufschub zu. Um nicht Verluste in Kauf zu nehmen, musste jeder zur gegebenen Zeit präsent sein und mit vollen Kräften mitarbeiten. Es gab keine festen Arbeitszeiten: Wenn das Heu einzubringen war, arbeitete man auch bis spät in die Nacht. Arbeit war zentraler Bestandteil des bäuerlichen Lebens – es war unverzichtbar, auch die Kinder in die Arbeit mit einzubeziehen. Helena Blaas erinnert sich an die Unerbittlichkeit ihres Vaters: „Wir durften nie Karten spielen, nur stricken. Er wollte, dass immer gearbeitet wird.“ Elisabeth Fleisch schreibt am Beispiel des Bergdorfes Lappach über Kindheit und Jugend in einer Bauernfamilie: „Erinnerungen an Kindheit und Jugend sind Erinnerungen an Arbeit, an Druck und ‚Zwang‘, wobei es sich gar nicht um äußerlichen handeln musste. Vielmehr übte das ‚Gewissen‘ auf die Arbeitshaltung des Kindes und Jugendlichen unheimlichen Druck aus, dies ganz besonders, wenn man Kind einer der ärmeren Familien war, deren Existenzsicherung manches Mal nicht das Nötigste gewährleistete.“41 Kinder mussten bereits mit drei oder vier Jahren erste Arbeitsaufträge ausführen, etwa Brennholz für die Küche holen, die Jausen für die Arbeitenden aufs Feld bringen, Vieh hüten und andere kleinere Dienste übernehmen.

Regina Walcher erinnert sich: „Im Sommer, wenn keine Schule war, musste ich am Vormittag und am Nachmittag je drei Stunden die Kühe am Seil hüten. Das war oft sehr langweilig. Und nebenbei musste ich auch noch für die Männer Socken aus Schafwolle stricken. Wenn die Kühe am Seil rissen, sind mir die Maschen von der Nadel gefallen, und es war so schwer sie wieder aufzufassen. Wenn ich dann nicht viel gestrickt hatte, wurde ich ausgeschimpft. Während des Hütens habe ich oft gepfiffen, und da hieß es, Mädchen, die pfeifen, kommen in die Hölle. Da war mir schon das Singen vergangen, und jetzt war mir das Pfeifen auch nicht vergönnt.“

Bei der Zuweisung der Arbeit auf dem Hof gab es eine klare geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Es gab „Frauenarbeiten“ und „Männerarbeiten“. Kindern wurden die Arbeiten nach Alter zugewiesen. Es gab aber auch entsprechend der traditionellen Zuständigkeit der Frauen für Familie und Hausarbeit solche, für die nur Mädchen zuständig waren. Sie halfen beim Kochen und Putzen, hüteten kleine Kinder, sie strickten und stopften. Es waren Arbeiten, die wenig geschätzt wurden. Rebekka Rungg erinnert sich an diese Nichtachtung der Hausarbeit mit deutlich hörbarer Verärgerung: „Es hat immer geheißen, Hausarbeit bringt nichts, zum Beispiel wenn wir einmal die Küche putzen wollten, da hat der Vater gesagt, das bringt nichts, ihr sollt auf dem Feld arbeiten. Der Vater hatte dafür kein Verständnis.“ Der Vater und die Brüder erledigten nur die „wichtigen“ Arbeiten auf dem Feld.

Strafen wie Schläge und Essensentzug betrachtete man als legitimes Erziehungsmittel, um die Kinder gefügig zu machen und zum Gehorsam zu zwingen. Weil Regina vergaß, nach der Schule das Brot vom Bäcker mit auf den Hof zu nehmen, wurde ihr das Mittagessen vorenthalten. „Ich musste sofort wieder ins Dorf zurück, ohne etwas zu essen, und als ich mit dem Brot zurückgekommen bin, musste ich schon wieder in die Schule gehen, ohne etwas gegessen zu haben. So hat man früher die Kinder bestraft.“

Widersprüche oder Eigeninitiative waren nicht erwünscht. Als Regina Walcher, die von den Eltern zu einem Bruder des Vaters gegeben wurde, zu Schulbeginn weder Heft noch Schreibwerkzeug hatte, beschloss sie kurzerhand im Geschäft, wo auch der Vater einkaufte, zu holen, was sie brauchte und es anschreiben zu lassen. Mit fatalen Folgen: „Eines Abends kam dann mein Vater zu diesem Onkel. Ich wunderte mich, weil sonst der Vater nie zu seinem Bruder kam. Wir saßen in der Küche, und der Vater sagte: ‚Regina, bring mir ein Heft und einen Bleistift.‘ Ich brachte es ihm und er fing an zu schreiben. Dann sagte er, er hätte etwas falsch geschrieben, ob ich einen Radiergummi hätte. Da brachte ich auch den Radiergummi. Er hat mich dann gefragt, woher ich diese Sachen hätte, und ich musste es ihm freilich erzählen. Da zog der Vater einen Stock heraus und schlug mit einem Zorn auf mich ein.“ Drei Tage verkroch sich Regina aus Angst auf dem Heuboden. An Körper und Seele verletzt blieb sie dort, ohne zu essen, bis ein Knecht sie fand.

In ihren Erinnerungen tauchen öfter Erzählungen über Aufmüpfigkeit gegenüber dem strengen Vater auf. Als sie und ihre Schwester sich vom ersten selbst verdienten Geld – sie war zwölf, dreizehn Jahre alt – neue Schuhe kauften, hielten sie das vor ihrem Vater geheim: „Damals waren die ersten Halbschuhe in Mode, denn früher hatte man hohe Riemenschuhe. Jetzt wollten wir auch einmal etwas Besseres und Schöneres und haben uns Schuhe gekauft. Wir haben uns dann Halbschuhe ausgesucht, die vorne eine Lackkappe hatten. Wir sind ganz glücklich nach Hause gegangen, und die Mutter war mit dem Kauf auch einverstanden. Dann kam der Sonntag, und wir waren natürlich stolz, dass wir so schöne Schuhe anziehen konnten. Wir hatten aber Angst, dass wenn der Vater die schönen Schuhe sieht, wir sie womöglich wieder ausziehen müssen. Also sind wir in die Holzhütte gegangen und haben dort etwas Erde draufgestreut, damit der Vater den Glanz der neuen Schuhe nicht sieht. Vor der Kirche haben wir dann den Staub weggewischt, denn die anderen sollten ja sehen, was für schöne Schuhe wir hatten.“

Die Kinder wurden durch die Anforderungen, die man an sie stellte, früh genug erwachsen. Sie internalisierten die Pflicht zur Arbeit so sehr, dass sie sich manchmal selbst abverlangten, was sonst ein Erwachsener leistete. „Ich habe immer großgetan, ich könne arbeiten und war nur klein und schwach, aber ich wollte es denen zeigen, was ich kann“, erzählt Helena Blaas.

Für die meisten der ehemaligen Dienstmädchen war Arbeit schon in der Kindheit selbstverständlich. Sie fühlten sich verpflichtet mitzuarbeiten und nahmen es auch widerspruchslos hin, wenn man sie im Sommer auswärts in Dienst schickte.

Trotz nie endender Arbeit und ständig präsenter Armut behielten einige Frauen ihre Jugend trotzdem in guter Erinnerung. Maria Girardi: „Wir waren eine glückliche Familie, arm, aber glücklich. Die Eltern waren sehr gut, sie haben sich sehr gesorgt um uns Kinder. Wir wurden nie geschlagen.“

Im Dienst bei einem Bauern

In den kinderreichen Familien war es Aufgabe der älteren Geschwister, die jüngeren zu versorgen und zu hüten. Kamen mehr und mehr Kinder dazu, übernahmen die Kleineren die Arbeiten der Älteren. Diese mussten schwerere Arbeiten übernehmen oder auswärts in Dienst gehen. Buben wie Mädchen machten oft schon sehr früh ihre ersten Arbeitserfahrungen außerhalb der Familie. Helena Blaas aus St. Valentin erinnert sich: „Mit vierzehn Jahren bin ich ausgeschult. In Dienst bin ich schon vorher gegangen, damit ich wenigstens im Sommer von der Schüssel gekommen bin. Ich war auf dem Reschen, in Graun und in Eyrs. Beim ersten Mal war ich elf Jahre alt. Ich war immer bei Bauern. Ich bin überall gern gewesen. Aber mit dem Essen bin ich schon verhungert. Ich habe für den ganzen Sommer 60 Lire bekommen, sonst nichts, aber das hat der Vater bekommen, nicht ich.“

Im oberen Vinschgau war die sommerliche Kinderarbeit besonders verbreitet. Die saisonalen Wanderungen der so genannten Schwabenkinder hörten nach dem Ersten Weltkrieg zwar auf, die Kinder wurden nun wieder mehr in den Dienst zu Bauern in der näheren Umgebung geschickt, die Arbeitsbedingungen besserten sich deswegen aber nicht. Solange die Kinder noch zur Schule gingen, beschränkte sich die Dienstzeit meist nur auf die Sommermonate.

Der Wechsel vom vertrauten Elternhaus in einen fremden Haushalt fiel den Kindern sehr schwer, wie Maria Blaas aus St. Valentin erzählt: „Ich war noch nicht vierzehn, da musste ich in Sulden Hütermadl beim Zischg machen. Die Mutter hat alle meine Sachen in einem Kopftuch gehabt. Wir sind zu Fuß nach Sulden und waren einen ganzen Tag unterwegs. Als die Mutter zurück nach Hause ist, habe ich ihr nachgeschaut, bis ich den letzten Zipfel von ihr gesehen habe.“

Da die Kinder noch keine feste Position auf dem fremden Hof innehatten, konnten sie sich gegen Übergriffe kaum zur Wehr setzen; von den Eltern erfuhren sie nur in den seltensten Fällen Schutz. Man erwartete von den Kindern absolute Anpassung, ein Verlassen der Dienstorte kam nicht in Frage. Das wäre ein Eingeständnis dafür gewesen, dass das Kind nicht zur Arbeit tauge. Hinter der Härte der Eltern stand auch die Überzeugung, Kinder würden erst in der Fremde das Arbeiten richtig erlernen.

So beuteten die Arbeitgeber Kinder ungestraft aus. „Als ich elf Jahre alt war“, erzählt Anna Frank aus Schluderns, „hat man mich im Sommer bei einem Bauern als Kindermädchen verdungen. Aber da waren fünf Kinder, und die Älteste war genauso alt wie ich. Werktags musste ich mit den Kühen gehen, und am Sonntag musste ich auch hüten, ich konnte nicht Kindermädchen machen. Wenn sonst nichts zu tun war, musste ich Laub sammeln. Ich bin ausgenutzt worden. Ich hab ein Kleid bekommen und das Essen. Zum Essen hat man mich erst gerufen, wenn die fünf Kinder gegessen hatten, und so musste ich schauen, dass ich ein paar Löffel bekommen habe. Es war sehr hart.“

Antonia Saurer erinnert sich daran, wie viele schwere Arbeiten man ihr zumutete: „Mit zwölf, dreizehn Jahren war ich in Matsch bei einem Bauern. Da musste ich die ganze Hausarbeit machen, es waren zwei oder drei Kinder, die ich versorgen musste. Und die Bauersleute waren oft den ganzen Tag weg auf dem Feld. Es war zu weit weg, sodass sie zum Mittagessen oft nicht nach Hause gekommen sind. Dann war noch ein alter Mensch, den habe ich auch versorgen müssen. Ich habe auch die Wäsche gemacht, die Böden im ganzen Haus habe ich geputzt, gekocht habe ich, die Schweine gefüttert, da musste ich das Futter ein gutes Stück tragen, das Wasser habe ich ein Stück zum Haus tragen müssen, mit einem Schaff voller Wäsche habe ich zum Brunnen gehen müssen, auch der war etliche Meter vom Haus entfernt, ich weiß nicht, wie ich das mit dem Alter geschafft habe.“

Obwohl Helena Blaas nicht genügend zu essen bekam, wagte sie es nicht, sich ein Stückchen Brot zu nehmen: „Es hat immer zu Hause geheißen ‚ehrlich sein‘ und so habe ich mich nicht getraut – vor lauter Ehrlichkeit. Man darf ja nicht stehlen.“

In Stilfs, einem kleinen Dorf in steiler Hanglage über dem Eingang des Suldentales, waren die Lebensbedingungen besonders hart. Anna Pinggera arbeitete dort mit zwölf Jahren im Sommer auf einem Bauernhof, obwohl sie, wie sie sagt, ein schwächliches Kind war. „Dort waren drei Kinder, die auch auf dem Feld arbeiten mussten. Ich musste mir meine Kleider für die Schule verdienen. Der Vater war in den Schweizer Bergen als Hirt, und die Mutter hat in einem Hotel in Trafoi als Waschfrau gearbeitet. Auch zwei Brüder haben bei Bauern gearbeitet, und die jüngeren Geschwister waren bei Tanten untergebracht. Die Leute auf dem Hof waren sehr nett, aber ich musste viel arbeiten. Manchmal war ich so müde, dass ich das Bett nass machte. Das war nur ein Strohsack, der nie trocknete, aber die Leute haben deswegen nie geschimpft mit mir.“ Ihre Schwester hatte es etwas leichter, sie kam schon als kleines Mädchen zu einer Tante. „Sie hatte es dort schön, hatte genug zu essen und auch immer schöne Kleider“, erzählt Anna.

Maria Erlacher, Jahrgang 1916, wuchs im damals abgelegenen St. Vigil in Enneberg auf. Bis zum vierzehnten Lebensjahr arbeitete sie auf dem kleinen Hof ihrer Eltern mit und beaufsichtigte die jüngeren ihrer sieben Geschwister. Nach Beendigung der Schulpflicht brachte ihre Mutter sie nach Sand in Taufers zu einem Großbauern: „Es war November, und wir sind mit dem Zug nach Sand in Taufers gefahren. Eigentlich hab ich mich gefreut, ich war ja neugierig, wo das war. In Sand hat der Knecht mit seiner Tochter, die war zwei Jahre jünger als ich, auf uns am Bahnhof gewartet. Vier Stunden sind wir dann bergauf marschiert, die Mutter ist mitgegangen. Sie hat auch oben am Hof geschlafen, und am nächsten Tag da war sie schon ganz verzagt. Sie hat auch geweint, ja ich bin ja grad erst ausgeschult gewesen, ich glaub, es war nicht leicht für sie.“ Maria musste hart arbeiten: „Vor dem Haus hab ich waschen müssen, ganz allein. Es lag eineinhalb Meter Schnee, ich hab halt geweint, weil es so kalt war. Die Bäuerin, die war wirklich sehr herzlos.“ Ein Maresciallo von der Finanzwache beobachtete sie beim Waschen in der Eiseskälte. Er war entsetzt: „Er hat gefragt: ‚Ma ragazza, che cosa fai?‘42 Ich konnte ja gut Italienisch sprechen, weil ich aus St. Vigil bin. ‚Lavare‘43, hab ich gesagt. ‚Ma come lavare con questo tempo?‘44, hat er dann gefragt. Ich hab ihm gesagt, dass ich von St. Vigil bin und er hat dann gefragt: ‚Ma, come, non vai a casa?‘45 ‚Ma io non so come fare. C’è tanta neve e nessuno va giù. E poi non mi portano giù‘46, hab ich geantwortet. ‚Aspetta, che parlo io‘47, hat er dann gesagt, und der Maresciallo hat mit dem Sohn vom Bauern gesprochen, und am Samstag konnte ich mitfahren, mit einem Knecht nach Taufers zum Einkaufen.“ Von da aus kehrte sie eigenständig nach St. Vigil zurück.

Johanna Tschurtschenthaler aus Sexten, Jahrgang 1931, musste von acht bis zwölf Jahren im Sommer bei einem Bauern arbeiten: „Verwöhnt war man nicht, mit allem war man zufrieden, und die Mutter war froh, wenn man in der Kost gewesen ist. So war wieder einer vom Tisch. Auch alle anderen Geschwister sind in Kost gegangen, das eine da, das andere dort.“

Regina Walcher musste das ganze Jahr beim Bruder des Vaters bleiben: „Als ich in den Kindergarten ging, war ich immer sehr lustig und kam oft singend nach Hause, sodass die Mutter einmal sagte: ‚Du wirst wohl eine Chorsängerin werden.‘ Dieses Singen ist mir aber dann vergangen, als ich mit sieben, acht Jahren zu einem Onkel gebracht wurde, der schon zwei erwachsene Kinder hatte. Der wohnte weiter weg, und der Schulweg wurde für mich viel weiter. Ich hatte dort eine dunkle Kammer ohne Fenster – ich hatte fast Angst dort zu schlafen. Meine langen Haare musste ich jetzt immer selber kämmen. Zu Hause hat mich die Mutter oder eine der älteren Schwestern gekämmt. Dann hatte ich einmal auch noch Läuse am Kopf, und ich getraute mich aber nichts zu sagen. Ich musste mich immer kratzen und bekam am Kopf eine ganz harte Kruste. Da ging ich dann doch zu meiner Mutter und erzählte ihr mein Elend. Meine Mutter sah meinen Kopf voller Läuse und Nissen und schnitt mir mit einer Schere gleich eine Glatze heraus.“

Vereinzelt gab es Beschäftigungen für Mädchen, die angenehmer waren als die Arbeit zu Hause oder auf einem fremden Hof. In Mals konnten Kinder schon ab zehn Jahren in einem ‚Pflanzgarten‘48 arbeiten. Davon erzählte Ida Noggler oft ihren Kindern: „Für die Mädchen war es eine Freude dorthin zu gehen, da gab es nämlich eine kleine Hütte, da konnten sie sich ein Spiegelei machen, das Ei bekamen sie von zu Hause mit. Daheim hätten sie sich das nicht machen können. Ein Ei hat man nur zu besonderen Anlässen bekommen, aber wenn ich zum Jäten in den Pflanzgarten gegangen bin, hat die Mutter mir immer ein Ei mitgegeben.“

Regina Walcher und ihre Schwester kamen mit Sammeln von Waldbeeren zu etwas eigenem Geld: „Mit zwölf, dreizehn Jahren wollten wir auch einmal etwas verdienen und sind in den Wald hinauf zum Himbeerenpflücken. Da musste man schon um vier Uhr früh aufstehen, den Rucksack mit einem Kübel drin und etwas zu essen hat uns die Mutter mitgegeben. Wir mussten zwei Stunden immer bergauf gehen, bis auf fast 2000 m. Bei den Himbeeren waren wir dann auch nicht allein. Da waren schon andere vor uns da, die sich auch besser auskannten. Aber bis zum Abend hatten wir dann doch den Eimer voll. Beim Heimgehen tat uns dann der Rücken weh, und vom vielen Schütteln war der ganze Kübel voll Saft. Am nächsten Tag hat die Mutter die Himbeeren verkauft. Es war für sie nicht leicht, sie hat fast betteln müssen, die Himbeeren loszuwerden.“

Kinderarbeit am Hof war eine Selbstverständlichkeit

Anna Tschurtschenthaler, als 10-Jährige im Dienst in Sexten, hier mit der Bäuerin, 1941

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