Kitabı oku: «Wie die Schwalben fliegen sie aus», sayfa 5
„Viel gelernt haben wir nicht“ – Schulerfahrungen
Für Spiele blieb den Kindern bei der Fülle an Arbeiten, die man ihnen zuwies, wenig Zeit; da war die Schule oft eine Erholung für die Kinder. Der lange Schulweg verschaffte den Kindern Freiräume, in denen die Aufsicht der Erwachsenen wegfiel.
In der bäuerlichen Welt, in der vor allem die Arbeit auf dem Hof zählte, nahm die Schule jedoch keinen besonderen Stellenwert ein. So schickte man die Kinder im Herbst erst zur Schule, wenn die Ernte abgeschlossen war, und als im Frühjahr erneut die Arbeiten auf dem Feld losgingen, behielt man sie zu Hause. Daran änderte sich auch wenig, als der italienische Staat Geldstrafen für unentschuldigtes Fernbleiben vorschrieb; der Betrag war geringfügig und wurde selten eingefordert. Die Kinder besuchten auch nicht immer die vorgesehenen acht Pflichtschuljahre. Hedwig Platter aus Tanas verließ die Schule nach sieben Jahren: „Ich war immer in Dienst bei den verschiedenen Bauern. Mit zwölf Jahren bin ich auf den Schlanderser Sonnenberg gekommen und hab dort gearbeitet. Ich bin dort noch einen Winter in die Schule gegangen, und dann hat der Bauer ein Gesuch gemacht, dass ich das letzte Jahr nicht mehr zu gehen brauche. Ich hätte bis 14 in die Schule gehen müssen. Aber da hat es geheißen, jetzt kann sie schon daheim bleiben.“ Auch Sofia Höchenberger sollte die Schule früher verlassen: „Die Mutter wollte ein Gesuch machen, damit ich früher aus der Schule gehen konnte.“ Johanna Wallnöfer, deren Schwestern bereits mit acht, neun Jahren in den Dienst zu Bauern mussten, weiß von einer ihrer Schwestern, dass sie das Schreiben nie richtig erlernt hat: „Die Frieda hat eine schlechte Schulbildung gehabt, deshalb hat sie auch nie geschrieben.“ Anna Frank verließ die Schule, sobald sie vierzehn war, das Schuljahr war noch nicht zu Ende.
Bei Regina Walcher hinterließ die Schulzeit bittere Erinnerungen: „Ich hatte ja nur die Volksschule besucht, und daheim wurde uns bei den Aufgaben auch nie geholfen, denn die Mutter hatte keine Zeit, und der Vater hatte schon gar kein Interesse. Man war mit uns Kindern in der Schule sehr streng, denn wir konnten der Lehrerin keine Butterknollen oder Eier bringen. Da ging es oft recht ungerecht her, und wir konnten ja nichts dafür, dass wir arm waren.“
Die Geringschätzung der Schule verstärkte sich noch durch deren Italianisierung ab Mitte der 20er Jahre49. Anna Frank, Jahrgang 1916: „Ich habe das erste Schuljahr noch Italienisch50 und Deutsch gehabt, dann nur mehr Italienisch. Ich war auch in der Katakombenschule. Da war eine Lehrerin, bei ihr zu Hause sind wir zusammengekommen. Deren Mutter hatte Angst vor der Polizei, und sie hat immer geschimpft. Als Kind hat man das nicht so verstanden, die Mutter hat sich zwar immer aufgeregt, aber wir haben das nicht so ernst genommen und keine Angst gehabt. Die Buben haben die italienischen Lehrerinnen ausgespottet. Man hat auch nicht besonders viel gelernt. Es war ein Italienerhass da, und das haben die Kinder gespürt, und so war kein Interesse da zu lernen. In der Katakombenschule hat man auch nicht richtig gelernt. Da wurde vor allem vom Deutschtum gesprochen.“ Auch bei Adele Pamer aus Gossensaß machten die Eltern aus ihrer Abneigung kein Hehl: „Ich bin ja noch deutsche Schule gegangen. Da hat es dann schon eine Stunde Italienisch gegeben, aber da hat man nicht viel gelernt. Und daheim hat es auch geheißen, das walsche Glump muss man nicht lernen. Die Italiener hat man nicht gemocht.“ Die Kinder selbst konnten sich nur schwerlich der Indoktrinierung mit faschistischen Ideologien durch die italienischen Lehrer entziehen.
Der Alltag in der Schule hatte jedoch auch seine positiven Seiten. Die Kinder schätzten die Aufmerksamkeit und die menschliche Wärme von Seiten einiger italienischer Lehrer/innen. Vor allem für Kinder aus ärmeren Familien waren die Geschenke, die sie zu bestimmten Anlässen erhielten, von besonderer Bedeutung. Hedwig Platter: „Ich bin immer in die italienische Schule gegangen. Eine Lehrerin war besonders gut. Die war aus Trient und hat die Kinder so gut verstanden. Die ist dann aber nicht mehr gekommen. Ich bin immer gerne in die Schule gegangen, habe auch recht gut gelernt. Aber ich habe schon auch eingesehen, dass die Mutter meinen Verdienst braucht. Einmal habe ich auch einen Preis bekommen in der Schule, weil ich gut gelernt habe, und die Lehrerin hat zu mir gesagt, dass ich das Italienische nie vergessen werde.“ Maria Ortler aus Prad erzählt nicht ohne Stolz, dass sie sehr gut in der Schule war und dass eine Lehrerin sie besonders förderte. Bei einem Wettbewerb schrieb sie den besten Aufsatz und durfte als Preis an einer Fahrt nach Rom teilnehmen.51
Die Lehrer/innen waren über den Unterricht hinaus mit der Aufgabe betraut, Buben und Mädchen in die nach Alter und Geschlecht unterteilten faschistischen Jugendorganisationen der „Opera Nazionale Balilla“ auch gegen den Widerstand der Eltern einzubinden. Die Mitgliedschaft brachte einige Vorteile: Gratisschulbücher, Schulausspeisung, Geschenke, Kleidung, verschiedenste Freizeitangebote und die Möglichkeit der Teilnahme an Feriencamps am Meer und am Berg. Viele Mädchen fanden Gefallen an der Uniform, bestehend aus einer weißen Bluse und einem schwarzen Rock. Über die materiellen Begünstigungen hinaus war die faschistische Jugendpolitik auch durch ihren innovativen Charakter attraktiv. „In diesen Organisationen boten sich offenbar außergewöhnliche, und für Mädchen zum ersten Mal, ‚Emanzipationsmöglichkeiten‘ außerhalb von Familie und Kirche an.“52
Die vor 1920 geborenen Frauen genossen zum Teil keinen oder nur in den letzten Schuljahren ausschließlich italienischen Unterricht. Sie erwähnen auch keine Mitgliedschaft bei einer faschistischen Organisation. Zwar gab es die Gruppe der „Giovani italiane“ für die 14- bis 18-Jährigen, doch scheint die Balilla nach dem Schulaustritt keine besondere Bedeutung und auch keinen Platz mehr im Arbeitsalltag gehabt zu haben. In Laas, so erzählt Berta Tappeiner, Jahrgang 1911, wurden für interessierte Jugendliche und Erwachsene in Abendkursen Italienischunterricht angeboten: „Da war ein Lehrer aus Trient. Da konnten die, die ausgeschult waren oder Interesse hatten, Italienisch lernen. Der Lehrer konnte auch Deutsch, deshalb ist es leichter gegangen. Wir haben auch Interesse gehabt.“
Katholische Mädchenerziehung
In Südtirol machte sich in der Zwischenkriegszeit eine erste Entkirchlichung des Alltags bemerkbar. Vor allem in den Städten nahm die Teilnahme an Gottesdiensten ab, die Jugendlichen nahmen die von den faschistischen Organisationen angebotenen Freizeitangebote wahr, sportliche Betätigungen wurden immer beliebter. Touristen und zugezogene Italiener bestärkten die Jugend in ihrer Suche nach einer freieren Lebensgestaltung. Die Kirche beharrte auf einem sehr restriktiven Sittenkodex und verurteilte jede Lockerung des Lebenswandels scharf. Um wieder mehr Durchschlagskraft zu gewinnen, belebte und organisierte sie kirchliche Verbände und Vereine neu und passte sie den Bedürfnissen der Zeit an, die Laienbewegungen und kirchlichen Verbände schlossen sich in der Katholischen Aktion53 zusammen. In Hirtenbriefen forderten die jeweiligen Brixner Bischöfe die Bevölkerung der Diözese zur religiösen Lebensweise und zur Einhaltung katholischer Glaubens- und Verhaltensregeln auf. Das 1927 gegründete Katholische Sonntagsblatt entwickelte sich neben anderen katholischen Zeitschriften zum wichtigsten Sprachrohr der Kirche. Indirekt setzte die Kirche damit auch Maßnahmen zur Erhaltung des Deutschtums.
Die wichtigste Zielgruppe moralischer Zurechtweisungen und Vorgaben der Kirche waren die Mädchen und Frauen. Hauptkritikpunkt war neben der modischen Kleidung der Umgang mit dem männlichen Geschlecht. „Verfehlungen“, wie voreheliche sexuelle Kontakte oder uneheliche Kinder, schrieb man allein dem unsittlichen Verhalten der Mädchen zu. „Solange Gottesfurcht in unserem Lande war, gab es eine sittsame und vielfach auch eine schöne, kleidsame Tracht. (…) und die männliche Jugend war gegen tausend Gefahren gefeit. (…) Darum, Landvolk bleib treu dem Kleid der Demut und Zucht!“, heißt es in dem schon zitierten Hirtenbrief „Über die unwürdige Frauenkleidung“ von 1926. Mädchen und Frauen waren aufgefordert, den christlichen Frauenorganisationen wie dem katholischen Mädchenverband und der Marianischen Kongregation beizutreten.54 Wiederholte und forcierte Appelle sollten verhindern, dass eine freizügigere Lebensweise den katholischen Sittenkodex und die Institution der Familie, der in der Aufrechterhaltung kirchlicher Macht eine grundlegende Rolle zukam, in Frage stellte. Jede engere Verbindung mit einem Mann, so schrieb Bruder Reinhart im Sonntagsblatt unter der Rubrik „Lebenskunde für unsere Mädchen“, war nur erlaubt, wenn „beiderseitige Absicht und beiderseitige Aussicht auf eine den Umständen entsprechend baldige Verehelichung“ dahinterstand.55
Dass nicht alle die Ermahnungen der Kirche ernst nahmen, bestätigen die Erzählungen von Helena Blaas. Sie arbeitete 14-jährig in einem Wirtshaus in Eyrs: „Es waren noch Knechte und Mägde angestellt, jede Menge. Die Wirtsleute waren geizig und bigott, alle Tage mussten wir in die Kirche, und es durfte keine Liebe geben. Aber die Mägde und Knechte sind doch heimlich auf den Heuboden gegangen.“
Nicht wenige deutschsprachige Mädchen gingen Liebesbeziehungen mit Carabinieri, Finanzieri oder Postangestellten ein.56 Die italienischen Beamten wirkten als Repräsentanten eines städtischen, moderneren Lebens, ihre verfeinerten Umgangsformen konkurrierten mit den in den Dörfern üblichen. Sie galten auf Grund ihres Beamtenstatus als attraktive Heiratskandidaten, verhießen sie doch den Mädchen ein Entkommen aus der engen bäuerlichen Welt. Maria Blaas lernte mit 20 Jahren einen Finanzbeamten kennen: „Er war ein ganz feiner. Ich hätte ihn schon geheiratet.“ Dieser Verheiratung stand nicht nur der Umstand im Wege, dass ein Finanzbeamter erst heiraten durfte, nachdem er für den Austritt aus seinem Amt eine Ablösesumme bezahlte. Auch die Familie war gegen diese Beziehung. Sie endete schließlich, als der Finanziere nach Afrika versetzt wurde. Maria ließ er schwanger zurück. Die Familie und die Leute im Heimatdorf begegneten ihr mit Ablehnung. Beim Kirchbesuch musste sie in den hinteren Reihen bleiben und durfte auch nicht mehr die Kommunion empfangen. Sie hatte gegen die Sittlichkeit verstoßen, sich gleichzeitig mit einem offiziellen Feind eingelassen und damit Verrat an der deutschen Volksgruppe begangen.
Rebekka Rungg begann eine Liebschaft mit einem Carabiniere: „In Prad habe ich einen Carabiniere kennen gelernt, der hat mich eingefädelt, es war meine große Liebe und da habe ich eine Tochter bekommen. Ich war 22 Jahre alt. Aber aus dem Heiraten ist nichts geworden, der hat immer nur viel versprochen und nichts gehalten.“
Maria Obwexer aus Lajen war Mutter von zwei unehelichen Töchtern, einer der Väter war ein Einheimischer: „Der Vater der ersten Tochter war ein Holzhändler aus dem Fleimstal, der hat mit seinen Schwestern in St. Peter gewohnt und mit meinem Vater geschäftlich zu tun gehabt. Und der Vater der anderen Tochter war ein Schuster aus St. Peter. Der hat damit gerechnet, dass ich den Hof bekomme, und als ich den dann doch nicht bekommen habe, wollte er nichts mehr wissen. So geht es im Leben.“
Mit Androhung göttlicher Strafen versuchte die Kirche die Mädchen von solchen „Verfehlungen“ abzuhalten. Im Katholischen Sonntagsblatt vom 2. März 1935 erschien in der Rubrik „Lebenskunde für Mädchen“ ein Artikel mit dem Titel „Entweiht“. Dort heißt es unter anderem.: „Du weißt wohl, dass man kostbare Himmelsgeschenke, wie erste Unschuld, Jungfräulichkeit, nur einmal im Leben verlieren kann, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil man sie nicht zurückerhält, wenn sie dahin sind.“ Erfolgt „die aufrichtige Umkehr“ sofort, so werden alle bisher verdienten „Ewigkeitswerte“ wieder zurückgegeben. „Fährst du aber in der Sünde weiter, so schmiedest du dich mit eisernen Gewohnheitsketten an sie, und nur ein Gnadenwunder kann dich zurückbringen auf den rechten Weg. (…) Und sollte dieses Wunder wirklich an dir geschehen, so wird dir das Friedenssakrament zwar die Sünde wegnehmen, aber an vielen üblen Folgen wirst du tragen müssen, vielleicht bis an dein Ende: schwere sittliche Kämpfe, unwiederbringlich verlorene Lebenszeit, schlechte Erbanlagen, geschwächte Lebenssäfte und -kräfte, vielleicht ein frühes Dahinsiechen.“57
Dabei war es oft Unwissenheit über die biologischen Vorgänge der Fortpflanzung, die Mädchen in eine ungewollte Schwangerschaft geraten ließ. Antonia Auer, die einer Familie mit sechzehn Kindern entstammt und 16-jährig Mutter wurde, beklagt das bitter: „Mit meiner Mutter konnte man ja nie reden, die war sehr katholisch, und sich mal hinsetzen mit ihr und sie was fragen, das wäre nicht gegangen. Ich wusste damals ja gar nicht, wie ein Mann ausschaut, ich hab ja nicht gewusst, wie das Kinderkriegen geht.“
Trotz der schlechten Arbeitslage im Land versuchte die Kirche, die Mädchen davon abzuhalten, außerhalb des Landes eine Arbeit anzunehmen: „Wer darum in die Fremde reist, möge es nicht ohne einen sichtbaren, wegkundigen Schutzengel tun; wer dort einen Posten annimmt, möge sich zuvor verlässlich darüber erkundigen. Doch der beste Rat ist sprichwörtlich: ‚Bleibe im Lande und nähre dich redlich!‘“58 Mit diesem Aufruf schloss Bruder Reinhart im Sonntagsblatt einen Artikel seiner Rubrik „Lebenskunde für unsere Mädchen“ mit dem Titel „Moderne Verführung“.
Uneheliche Mutterschaft drängte manche Frauen an den Rand der Dorfgemeinschaft. Hier Hedwig Wallnöfer mit ihrer Tochter Erika. Geheiratet hat Hedwig Wallnöfer erst mit über 60 Jahren.
Von klein auf waren Kinder in das religiöse Leben eingebunden
Auf unverheiratete Mädchen warf die Kirche ein besonderes Augenmerk. So hatten etwa die „Jungfrauen“ bei Prozessionen ihren bestimmten Platz und ihre Aufgaben.
„Ihr werdet ja doch heiraten“ – Weibliche Lebensperspektiven
Innerhalb der Familien war die Unterordnung der Mädchen und Frauen unter das männliche Familienoberhaupt unausweichlich. Mit diesem Rollenverständnis verknüpft war die Bestimmung der Mädchen zur Hausfrau und Mutter. Alle Erziehung und Lebensplanung lief darauf hinaus, die Mädchen auf diese Aufgaben vorzubereiten. „Der mütterliche Beruf in der Familie ist im Allgemeinen das Hauptziel der Frau“, heißt es im Katholischen Sonntagsblatt in einer Anzeige des „Mädchenschutzes Bolzano“.59 Die Mutter Emma Sagmeisters, eine sehr tatkräftige Frau, machte ihren Töchtern klar, was ein Mädchen zu lernen hatte: „Lernt kochen, nähen und stricken, damit die Männer, die euch heiraten, nicht angeführt sind.“ Von klein auf wies man den Mädchen die typisch weiblichen Tätigkeiten zu, sodass sie sich früh die grundlegenden hauswirtschaftlichen Kenntnisse aneigneten. Mehr brauchte es nicht, um nach Abschluss der Pflichtschule bis zur Heirat nun ganzjährig als Dienstmagd bei einem Bauern, als Haus- oder Kindermädchen bei einer bürgerlichen Familie in der Stadt oder als Zimmermädchen oder Serviererin in einem Gastbetrieb zu arbeiten. Es galt das Prinzip des „Hineinwachsens“ in neue Tätigkeitsfelder: Lernen durch Tun und das Anlernen durch eine energische und kompetente Vorgesetzte betrachtete man als ausreichende Ausbildung für Mädchen.
Von Seiten der Kirche sah man es allerdings nicht gern, dass die Mädchen ohne Vorbereitung in ein Arbeitsverhältnis eintraten. Katholische Organisationen boten deshalb Kurse an, die den Mädchen „eine gründliche Vorbildung für die Erfüllung der weiblichen Aufgaben in der Familie und Pfarrgemeinde“ versprachen.60 In Der Volksbote vom 21. Juni 1934 warb die Katholische Aktion unter dem Titel „Mädchenbildung für die Familie“ für einen Jahreskurs zur Vorbereitung von ausgeschulten Mädchen von 15 Jahren aufwärts: „Die der Frau eigentümliche Tätigkeit ist jene in der Familie als Mutter, Erzieherin, Kinderfräulein, Hausgehilfin. Es ist ein großes Übel für die Familie und Gesellschaft, dass die Frau heute zu sehr in das Geschäftsleben verwoben ist. Es leidet der Familiensinn, und zum Teil verbindet sich damit Arbeitslosigkeit der Männerwelt. (…). Es ist ausgeschlossen, dass in absehbarer Zeit alle [Frauen A. d. V.] (…) eine Anstellung erhalten. Es sind ihrer zu viele (!). Um weibliche Arbeitslose ist es trauriger bestellt als um männliche. Was will man mit einem arbeitslosen Fräulein anfangen, das für die Arbeit in der Familie eine Null bedeutet? Es ist ganz allgemein anzuraten, dass die Mädchen vor dem Eintritt ins Geschäftsleben sich die nötigen Kenntnisse für den Familienberuf verschaffen. Erhält ein Mädchen keinen Posten oder verliert es ihn, so kann es unschwer in einer Familie unterkommen. Und heiraten wollen auch die meisten.“61
Neben solchen zeitlich begrenzten Kursangeboten gab es auch feste Einrichtungen, die Mädchen in die Hauswirtschaft einführten. Dietenheim im Pustertal bot jährlich einen mehrmonatigen Kurs für praktische Haushaltungskunde an, der speziell „für die Bedürfnisse unserer ländlichen Bevölkerung eingerichtet ist“62. Auch in Sterzing gab es eine Haushaltungsschule. In Meran errichteten die Kreuzschwestern am Städtischen Krankenhaus eine Krankenpflegerinnenschule, Voraussetzung für den Besuch war allerdings die Kenntnis der italienischen Sprache.63
Dass Mädchen aus den sozialen Unterschichten diese Angebote wahrnahmen, war wohl eher die Ausnahme. Keine der von uns befragten Frauen sprach davon, je einen Haushaltungskurs in Südtirol besucht zu haben. Als Maria Ortler für Deutschland optierte und auswanderte, wurde sie sofort zum Arbeitsdienst eingezogen. Sie kam nach Neutrauchburg im Allgäu, wo sie unter anderem eine Haushaltungsschule besuchen musste: „Jeden Tag war Schulung, ich hab in diesem Jahr sehr viel profitiert, jedes Fach wurde durchgenommen, ich habe gelernt, was ich zu Hause nicht hätte lernen können, Hauswirtschaft und vieles andere, wir haben viel gelernt, und nebenbei mussten wir zu den Bauern arbeiten gehen.“ Emilia Gander, Jahrgang 1936, wusste zwar von der Möglichkeit Kurse zu besuchen, „aber das hat uns damals nicht interessiert“. Auch die etwas jüngere Josefa Saurer sieht es rückblickend so: „Man war nicht interessiert. Es ist einem gar nicht eingefallen, einen Beruf zu lernen.“
Für die Söhne zogen die Eltern Schul- und Berufsausbildungen zumindest in Erwägung. Ida Noggler verdross es, dass ihre Brüder sehr wohl Lehren machen konnten, während für sie und ihre Schwestern diese Möglichkeit erst gar nicht in Betracht gezogen wurde. Anna Frank schaffte es, bei einem Schneider eine Lehre zu beginnen, aber der Vater zwang sie, eine Arbeitsstelle anzunehmen, da er bereits Abmachungen getroffen hatte: „Ich wäre am liebsten Köchin oder Gärtnerin geworden, das war mein Plan. Aber der Vater hat gemeint, ich soll arbeiten, wenn sie wollen, dass du kochst, wirst du es schon lernen. Ihm war wichtig, dass ich so schnell wie möglich Geld verdiene.“
Für handwerkliche Ausbildungen musste in der Regel ein Lehrgeld bezahlt werden. Dafür waren aber kaum die nötigen Mittel vorhanden, oder man erachtete die Kosten als unrentabel, da Mädchen früher oder später doch heiraten und somit versorgt würden. So blieb es in der Regel nur beim Besuch eines Näh- oder Kochkurses in den Wintermonaten. Die Mutter von Berta Tappeiner legte viel Wert darauf, dass ihre Töchter die wichtigsten Haushaltstätigkeiten gründlich erlernten: „Im Winter hat die Mutter uns Mädchen zu einer Näherin zum Nähenlernen geschickt. Wir waren den ganzen Tag bei ihr. Wir haben gelernt, Hemden und Schürzen zu nähen und so Sachen. Dann haben wir kochen gelernt. Ich war in Meran im „Bergschlössl“, eine Saison im Herbst. Wir haben zum Glück nichts für das Kochenlernen bezahlen müssen, wir haben aber auch nichts für unsere Arbeit bekommen. Für die Näherin hat uns die Mutter immer wieder etwas mitgegeben, Fleisch, ein paar Eier oder so etwas. Wir waren so vier, fünf Mädchen bei der Näherin. Die Mutter wollte, dass wir Mädchen nähen und kochen lernen, damit wir nachher in Dienst gehen und etwas verdienen konnten, damit wir, wenn wir heiraten wollten, eine Ausstattung kaufen konnten. Sie hat immer für uns gedacht.“
Auch die Oberschulen für Mädchen boten in erster Linie Ausbildung in typisch weiblichen Berufen.64 Wer eine solche besuchen konnte, zog für das weitere Arbeitsleben Vorteile daraus. Die Schwestern Marie und Greti Flora, sie kamen aus einer wohlhabenden Malser Familie, besuchten eine kaufmännische Schule in Brixen. Sie kamen als Kindermädchen und Gouvernanten bei sehr reichen italienischen Familien unter. Annamaria Mussner besuchte in Gröden eine Art Handelsschule: „Ich bin in St. Christina zur Schule gegangen, zuerst die Volksschule, und später haben wir auch Buchführung gehabt. Der Direktor hat nämlich gesagt, wenn ihr später mal selber etwas verschicken oder verkaufen wollt, dann müsst ihr auch abrechnen können. Das war so eine Art Handelsschule, und das hat mir sehr gut gefallen, ich habe das sehr gerne gemacht.“
Nur selten drängten die Eltern ihre Töchter zu einer Ausbildung. Familie Wörndle aus Kaltern war eine Ausnahme. Schon die Mutter von Paula Wörndle war berufstätig, sie arbeitete 30 Jahre als Apothekerhelferin, eine Tante war die Leiterin der Apotheke. Tochter Paula war zuerst drei Jahre in einem Mädcheninstitut in Pfaffenhofen in Tirol, dann absolvierte sie eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester in Wien, eine Schwester arbeitete wie die Mutter in einer Apotheke, die andere besuchte die Handelsschule und arbeitete dann als Buchhalterin.
Der Großteil der Mädchen ging aber ungelernt und ohne besondere Vorbereitung ein Arbeitsverhältnis ein, sehr oft von den Eltern gedrängt, arrangiert und abgesprochen.
Eine Frau musste kochen und nähen können. In vielen Dörfern wurden Nähkurse abgehalten, kochen lernten die jungen Frauen in Hotels, Klöstern oder Privathaushalten.
Nur wenige Frauen hatten die Möglichkeit einer weiterführenden Ausbildung, wie Paula Wörndle, die nach der verlängerten Schulzeit in einem Mädchenpensionat in Pfaffenhofen in Wien eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester machte.
Es hing von den einzelnen Frauen ab, inwieweit sie sich den für sie vorgesehenen Lebensentwürfen anpassten oder versuchten, neue Wege zu gehen