Kitabı oku: «Klausurenkurs im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht», sayfa 8
Frage 5: Wie wirkt sich der Austritt aus der Union auf bilaterale Investitionsschutzverträge von A aus, die mit anderen Mitgliedstaaten der Union oder mit Staaten außerhalb der Union geschlossen worden sind?
I. Rechtliche Auswirkungen des EU-Austritts auf intra-EU BITs von A
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Die sogenannten intra-EU BITs resultieren zumeist aus dem erst nachträglich, d.h. nach dem BIT-Vertragsschluss erfolgten Beitritt einer oder beider Vertragsstaaten zur EU. Intra-EU BITs stammen daher aus der Zeit vor der jeweiligen EU-Mitgliedschaft einer oder beider Vertragspartei(en).
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Exkurs:
Die Problematik von intra-EU BITs stellt sich insbesondere infolge der EU-Osterweiterung in den Jahren 2004 und 2007. Viele westeuropäische EU-Mitgliedstaaten hatten BITs etwa mit der Slowakei, Tschechien oder Rumänien abgeschlossen, sodass sich die ehemals extra-EU BITs zu intra-EU BITs wandelten. Die prominentesten Fälle in diesem Bereich sind Micula sowie Achmea, denen investitionsschutzrechtliche Sachverhalte zugrunde liegen. So besteht die Kernproblematik in Micula im Wesentlichen in dem rechtlichen Dilemma, dass Rumänien schwedischen Investoren in der Zeit vor dem EU-Beitritt nicht unerhebliche Investitionsanreize gewährt und sich im Rahmen eines BIT zu einem bestimmten Investitionsschutzniveau u.a. zu Fair and Equitable Treatment verpflichtet hatte, die Investitionsanreize infolge des EU-Beitritts jedoch aus beihilferechtlichen Gründen (auf Verlangen der Europäischen Kommission) zurücknahm. Die Europäische Kommission ist im Zusammenhang mit dem daraus entstandenen Schiedsstreit insbesondere der Ansicht, dass die Vollstreckung eines etwaigen Schiedsspruchs zugunsten der Investoren in Form von Schadensersatzzahlungen als unionsrechtlich unzulässige Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV zu bewerten sei. Dagegen hat der Gerichtshof mit der Achmea-Entscheidung im Jahre 2018 weitgehend Klarheit über die unionsrechtliche Unzulässigkeit von intra-EU BIT-Schiedsgerichten geschaffen (siehe dazu Fall 10, Rn. 621 ff.).[30]
Mit Blick auf den EU-Austritt von A ist nunmehr fraglich, ob die BITs bereits aufgrund ihres Charakters als intra-EU-Abkommen unanwendbar oder automatisch beendet worden sind. Vor dem Hintergrund des grundsätzlich völkerrechtlichen Charakters der intra-EU-BITs erfolgt diese Bewertung sowohl in völker- als auch unionsrechtlicher Hinsicht.
1. Völkerrechtliche Bewertung der intra-EU BITs
a) Beendigung der intra-EU BITs gemäß Art. 59 Abs. 1 WVK
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Möglicherweise sind die intra-EU BITs durch die EU-Mitgliedschaft von A bzw. den Vertrag von Lissabon automatisch gemäß Art. 59 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) beendet worden.[31] Gemäß Art. 59 Abs. 1 WVK gilt ein Vertrag als beendet, sofern alle Vertragsparteien später einen sich auf denselben Gegenstand beziehenden Vertrag schließen. Darüber hinaus bedarf es eines ausdrücklichen Willens der Vertragsparteien zur Beendigung des früheren Vertrags (lit. a) oder der zwingenden Unvereinbarkeit des früheren und des späteren Vertrages, sodass die gleichzeitige Anwendung beider unmöglich ist (lit. b).
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Hinweis:
Sollte A nicht Vertragspartei der WVK sein, ist A dennoch an deren Inhalt gebunden, soweit die WVK lediglich die Kodifizierung von Völkergewohnheitsrecht darstellt. Völkergewohnheitsrecht ist gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut als Quelle des Völkerrechts für die Völkerrechtssubjekte bindend und entsteht durch eine gemeinsame Rechtsüberzeugung (opinio iuris) sowie die allgemeine Übung.[32]
aa) Anwendbarkeit der WVK auf die Unionsverträge
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Die WVK ist allerdings nur auf die Unionsverträge anwendbar, sofern letztere überhaupt Verträge i.S. der WVK sind.[33] Gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. a WVK bedeutet „Vertrag“ i.S. der WVK eine in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten.
Zwar stellen die Unionsverträge ihrer Genese nach völkerrechtliche Verträge dar, allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Rechtsqualität einer Rechtsordnung von der Qualität des Gründungsaktes löst.[34]
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Hinweis:
Diese Annahme belegt das Beispiel der Gründung eines Bundesstaates, die zunächst durch einen völkerrechtlichen Vertrag erfolgen kann. Die Rechtsnatur des Gründungsvertrages bestimmt jedoch nicht zwingend die Rechtsnatur des ins Leben gerufenen Gebildes, das in Bezug auf die Europäische Union bisherige Formen der internationalen Zusammenarbeit hinter sich lassen und eine Qualität eigener Art erreichen sollte.[35]
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Unter Berücksichtigung dieser Annahme ist von einer Doppelnatur der Unionsverträge auszugehen.[36] Danach sind die Unionsverträge als Teil des Völkerrechts zu verstehen, soweit das „Außenverhältnis“ der vertragsschließenden Mitgliedstaaten betroffen ist. Im „Binnenverhältnis“, d.h. insbesondere im Verhältnis des Unionsrecht zum mitgliedstaatlichen Rechts, ist dagegen vielmehr auf das unionsrechtliche Selbstverständnis abzustellen, nach dem das Unionsrecht nicht als Teil des Völkerrechts zu bewerten ist.
(1) Maßgeblichkeit des „Binnenverhältnisses“ in investitionsschutzrechtlichen intra-EU Konstellationen
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Fraglich ist damit, ob in Bezug auf die Beziehung zwischen einem mitgliedstaatlichen intra-EU-Investitionsschutzabkommen und dem Unionsrecht das „Binnenverhältnis“ oder das „Außenverhältnis“ betroffen ist.
Zwar stellen die investitionsschutzrechtlichen Abkommen der Mitgliedstaaten unstrittig völkerrechtliche Verträge dar, die die jeweiligen EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen in der Vergangenheit zustehenden umfassenden Kompetenz abgeschlossen haben; allerdings werden diese mitgliedstaatlichen „Investitionsschutzbeziehungen“ in intra-EU-Konstellationen durch den unionalen Binnenmarkt überlagert, in dessen Rahmen grenzüberschreitende Investitionen in den Anwendungsbereich des Unionsrechts (insbesondere der Grundfreiheiten) fallen, das durch seine unmittelbare Anwendbarkeit und den Anwendungsvorrang gekennzeichnet ist. Damit ist der Bereich des Investitionsschutzes innerhalb des Binnenmarktes grundsätzlich im Verhältnis des Unionsrechts zum mitgliedstaatlichen Recht zu bewerten. Daraus folgt, dass auch über die Zulässigkeit von investitionsschutzrechtlichen intra-EU-Abkommen in diesem „Binnenverhältnis“ zu entscheiden ist.
(2) Darlegung der unionsrechtlichen Rechtsnatur im „Binnenverhältnis“
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Möglicherweise könnte das Selbstverständnis des Unionsrechts dazu führen, dass es nicht als Teil des Völkerrechts anzusehen ist. So nimmt das primäre Unionsrecht für sich in Anspruch, normhierarchisch über dem Völkerrecht zu stehen, was sich u.a. aus dem Gutachtenverfahren gemäß Art. 218 Abs. 11 S. 1 AEUV ergibt.[37] Zudem steht das Völkerrecht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rang unterhalb des Primärrechts und oberhalb des Sekundärrechts und ist „integrierender Bestandteil“[38] des Unionsrechts. Der Gerichtshof stellte in der Rechtssache Costa/E.N.E.L. fest, dass die Unionsverträge im Unterschied zu gewöhnlichen internationalen Verträgen eine eigene Rechtsordnung geschaffen haben, die in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen worden und von ihren Gerichten anzuwenden ist.[39] Das Unionsrecht ist seinem Selbstverständnis nach damit – vor allem auch im Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen – eine „neue Rechtsordnung des Völkerrechts“[40], eine Rechtsordnung sui generis. Angesichts dessen betrachten etwa Investitionsschiedsgerichte[41] das Unionsrecht nicht als Völkerrecht, sondern als Faktum (bzw. als Recht des beklagten Staates). Dies entspricht der Behandlung innerstaatlichen Rechts in internationalrechtlichen Kontexten.[42]
Damit ist das Unionsrecht im vorliegend maßgeblichen Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht als Teil des Völkerrechts anzusehen und nicht für allgemein völkerrechtliche Bewertungen zugänglich.[43] (a.A. vertretbar)
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Hinweis:
Sollten Klausurbearbeitende die gegenteilige Ansicht vertreten, wäre zu argumentieren, dass die Eigenheiten der unionalen Rechtsordnung, nämlich der Anwendungsvorrang sowie die unmittelbare Anwendbarkeit des unionalen Primärrechts, das Verhältnis zwischen Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht betreffen und durch die mitgliedstaatlichen Verfassungen vorgegeben sind. Der völkerrechtliche Charakter des Unionsrechts bleibt davon unberührt. Damit stellt das Unionsrecht ungeachtet seines Selbstverständnisses grundsätzlich einen Teil des Völkerrechts dar.
(3) Zwischenergebnis
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Die Unionsverträge sind im Ergebnis nicht als völkerrechtliche Verträge i.S.v. Art. 2 Abs. 1 lit. a WVK zu qualifizieren, sodass Art. 59 Abs. 1 WVK grundsätzlich nicht anwendbar ist.
Hilfsgutachten bezüglich der Prüfung von Art. 59 Abs. 1 WVK und Art. 30 Abs. 3 WVK
bb) Bezugnahme beider Verträge auf denselben Gegenstand i.S.v. Art. 59 Abs. 1 WVK
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Gemäß Art. 59 Abs. 1 WVK ist wesentliche Voraussetzung für eine Beendigung eines völkerrechtlichen Vertrages, dass alle Vertragsparteien später einen sich auf denselben Gegenstand beziehenden Vertrag schließen. Damit ist fraglich, ob die Unionsverträge denselben Gegenstand wie die von den Mitgliedstaaten geschlossenen BITs regeln.[44]
BITs haben im Wesentlichen die Regelung des Schutzes von Investitionen durch Investoren aus dem einen Vertragsstaat auf dem Gebiet des anderen Vertragsstaats zum Gegenstand, etwa durch Klauseln zur Meistbegünstigung, zur Inländergleichbehandlung, zu Full Protection and Security (FPS) und zu Fair and Equitable Treatment (FET), zur Entschädigung im Enteignungsfall und zur Streitbeilegung durch eine Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit.[45]
Zwar lässt sich argumentieren, dass das Unionsrecht durch die binnenmarktrechtlichen Vorschriften ein insgesamt mindestens vergleichbares Investitionsschutzniveau aufweist, ohne allerdings die gleichen Regulierungsinstrumente wie ein BIT zu beinhalten. Der Investitionsschutz wird im Binnenmarkt vor allem durch die Grundfreiheiten, insbesondere die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit erreicht, die den freien Marktzugang für EU-ausländische Investoren durch ein umfassendes Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot sowie durch die EU-Grundrechte (wenn auch einschränkbar) schützen. Allerdings sehen beispielsweise die Art. 64, 65 AEUV ausdrücklich Beschränkungsmöglichkeiten der Kapitalverkehrsfreiheit vor, aufgrund derer der Gerichtshof im Zusammenhang mit extra-EU BITs Inkongruenzen zwischen Unionsrecht und den jeweiligen BITs angenommen hat.[46] Auch mit Blick auf die Entschädigungspflicht bei Enteignungen weicht die Unionsrechtsordnung vom Regelungsgegenstand von BITs ab. Gemäß Art. 345 AEUV lässt das Unionsrecht die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten unberührt. Eine Entschädigungsverpflichtung der Mitgliedstaaten folgt damit – im Gegensatz zu BITs – nicht unmittelbar aus dem Unionsrecht.[47]
Des Weiteren beinhaltet das Unionsrecht für einen Investor keinen vergleichbaren individuellen Rechtsschutz gegen das Gastland wie BITs, die regelmäßig entsprechende Schiedsklauseln zur Errichtung von privaten Schiedsgerichten enthalten. Vielmehr hätte ein EU-ausländischer Investor zunächst den nationalen Rechtsweg des Aufnahmemitgliedstaats zu beschreiten, in dessen letzter Instanz der Gerichtshof im Rahmen der Vorlagepflicht einzubeziehen wäre.
Damit beziehen sich BITs und das Unionsrecht nicht auf denselben Gegenstand i.S.v. Art. 59 WVK.
cc) Zwischenergebnis
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Die intra-EU BITs von A sind nicht gemäß Art. 59 Abs. 1 WVK beendet worden.
b) Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen der intra-EU BITs gemäß Art. 30 WVK
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Gemäß Art. 30 Abs. 3 WVK findet der frühere Vertrag nur insoweit Anwendung, als er mit dem späteren Vertrag vereinbar ist, sofern alle Vertragsparteien des früheren zugleich Vertragsparteien des späteren sind und der frühere Vertrag nicht beendet ist.[48] Weitere Voraussetzung ist gemäß Art. 30 Abs. 1 WVK – ähnlich wie im Falle des Art. 59 Abs. 1 WVK –, dass die aufeinanderfolgenden Verträge denselben Gegenstand haben.
aa) Differenzierte Betrachtung der Regelung desselben Gegenstands
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In Anbetracht der obigen Ausführungen im Rahmen des Art. 59 Abs. 1 WVK könnte auch mit Blick auf Art. 30 Abs. 1, 3 WVK die Annahme der Regelung desselben Gegenstands durch BITs und die Unionsverträge zu verneinen sein. Möglicherweise kommt der Begrifflichkeit „desselben Gegenstands“ in den beiden Normen allerdings unterschiedliche Bedeutung bzw. Reichweite zu.
Hierfür spricht der von Art. 30 Abs. 3 WVK verfolgte differenzierende Ansatz, der sich lediglich auf die Nichtanwendbarkeit einzelner Bestimmungen des früheren Vertrags bezieht, nicht aber auf die Beendigung des früheren Vertrages in seiner Gesamtheit.[49] Daher bedarf es im Rahmen des Art. 30 Abs. 3 WVK einer differenzierten Bewertung, inwiefern der Gegenstand des früheren Vertrages in einzelnen Regelungen vergleichbar und unvereinbar mit dem Regelungsgehalt des späteren Vertrages ist. Im Ergebnis ist der Begriff „desselben Gegenstands“ i.S.v. Art. 30 Abs. 1 WVK damit weiter auszulegen.
So ist insbesondere mit Blick auf die in BITs regelmäßig vorgesehenen Schiedsklauseln vertretbar, dass diese denselben Regelungsgegenstand haben wie die in den Unionsverträgen festgelegte Gerichtsbarkeit durch den GHEU gemäß Art. 19 Abs. 3 EUV, nämlich die Auslegung von entscheidungserheblichen Rechtsvorschriften, die in Bezug auf die unionsrechtliche Zulässigkeit von in intra-EU BITs vorgesehene Schiedsgerichten auch die Auslegung von Unionsrecht betreffen. Damit können intra-EU BITs und die Unionsverträge in einzelnen Bestimmungen durchaus denselben Regelungsgegenstand betreffen.
bb) Rechtsfolge des Art. 30 Abs. 3 WVK
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Unabhängig von der Vereinbarkeit der intra-EU BITs von A mit den Unionsverträgen ist jedoch zu beachten, dass mögliche Rechtsfolge des Art. 30 Abs. 3 WVK lediglich die Nicht-Anwendbarkeit einzelner Bestimmung des früheren Vertrages ist. Folglich wären einzelne BIT-Vorschriften lediglich während der Mitgliedschaft von A in der Union nicht anwendbar und würden nach dem Austritt sogleich wieder zur Anwendung kommen können.
Hinweis:
Die vorherigen Ausführungen können von Bearbeitern mit Hinweis auf diese Rechtsfolge auch deutlich abgekürzt werden.
cc) Zwischenergebnis
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Die völkerrechtliche Bewertung der intra-EU BITs ergibt, dass diese nicht gemäß Art. 59 Abs. 1 WVK automatisch in ihrer Gesamtheit beendet worden sind. Demgegenüber führt Art. 30 Abs. 3 WVK lediglich zur Nichtanwendbarkeit einzelner BIT-Vorschriften während der EU-Mitgliedschaft von A, nicht aber zu deren Unwirksamkeit. Vielmehr wären diese Vorschriften nach dem EU-Austritt von A wieder anwendbar.
2. Unionsrechtliche Bewertung der intra-EU BITs
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Aus unionsrechtlicher Sicht ist für die Bewertung von intra-EU-BITSs zunächst zu beachten, dass das Unionsrecht lediglich Anwendungsvorrang, nicht aber Geltungsvorrang vor dem mitgliedstaatlichen Recht hat. Während ein Geltungsvorrang dazu führen würde, dass das Unionsrecht als höherrangiges Recht mitgliedstaatliches Recht als niederrangiges Recht „brechen“ und damit außer Kraft setzen würde, verlangt der Anwendungsvorrang zugunsten des Unionsrechts, dass mitgliedstaatliche Stellen nationales Recht unangewendet lassen, soweit das Unionsrecht diesem entgegensteht.
Die intra-EU BITs von A sind damit infolge der EU-Mitgliedschaft grundsätzlich nicht unwirksam geworden. Vielmehr ist A verpflichtet, die Vorschriften der BITs unangewendet zu lassen, soweit das Unionsrecht diesen entgegensteht. Dies gilt insbesondere für etwaige Schiedsklauseln, die nach der Achmea-Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht mit der Autonomie des unionalen Gerichtssystems gemäß Art. 344 i.V.m. Art. 267 AEUV vereinbar ist (siehe dazu Fall 10, Rn. 626 ff.).[50]
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Hinweis:
Die Prüfung der Vereinbarkeit von BIT-Schiedsklauseln mit Art. 344 und Art. 267 AEUV würde an dieser Stelle zu weit führen. Zudem ist diese Bewertung maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Schiedsklausel abhängig. Die Zulässigkeit der Errichtung von Schiedsgerichten aufgrund einer BIT-Schiedsklausel ist vielmehr Gegenstand des Fall 11.
Mangels eines effektiven Streitbeilegungsmechanismus‘ zur Durchsetzung von Rechten könnte man zwar von einer de facto-Unwirksamkeit von intra-EU BITs sprechen. Dies gilt allerdings grundsätzlich nur für die Zeit der EU-Mitgliedschaft von A. Nach dem EU-Austritt besteht der unionsrechtliche Anwendungsvorrang mangels unionsrechtlicher Bindungswirkung nicht mehr, soweit das Austrittsabkommen etwa für eine Übergangszeit nichts anderes regelt.
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Hinweis:
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die intra-EU BITs gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot gemäß Art. 18 AEUV, nach dem jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist, verstoßen.[51] Eine unionsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung könnte darin liegen, dass Investoren eines bestimmten EU-Mitgliedstaats im Rahmen eines intra-EU BITs bestimmte Vorteile gewährt werden, ohne dass diese auf Investoren aus anderen Mitgliedstaaten ausgeweitet werden. Dies würde einen Verstoß gegen das Meistbegünstigungsprinzip darstellen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Doppelbesteuerungsabkommen zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten umfasst Art. 18 AEUV jedoch nicht auch den Meistbegünstigungsgrundsatz.[52] Eine unionsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung durch intra-EU BITs scheidet daher aus. Auch diese Rechtsfrage wird ausführlicher in Fall 11 des Fallbuchs besprochen.
In Anbetracht der Tatsache, dass die intra-EU BITs von A nach dessen Austritt zu extra-EU BITs werden, stellt sich sodann allerdings sodann die Frage nach der Zulässigkeit von extra-EU BITs aus Sicht der Vertragspartei, die EU-Mitgliedstaat verblieben ist (s.u. II.).
Im Ergebnis sind die BITs von A mit dessen EU-Mitgliedschaft de jure nicht unwirksam geworden, sondern unterliegen lediglich dem unionsrechtlichen Anwendungsvorrang, der jedoch mit dem EU-Austritt entfällt.
3. Ergebnis
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Die intra-EU BITs von A sind durch die EU-Mitgliedschaft nicht unwirksam geworden.
II. Auswirkungen des EU-Austritts auf extra-EU BITs von A
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Mit Blick auf die Auswirkungen des EU-Austritt von A auf extra-EU BITs ist wiederum zunächst fraglich, ob die in Rede stehenden BITs bereits durch den Beitritt von A zur Union unwirksam bzw. unanwendbar geworden sind. Extra-EU BITs sind bilaterale Investitionsschutzverträge zwischen einem EU-Mitgliedstaat sowie einem Drittstaat.
1. Verstoß der extra-EU BITs gegen Art. 207 Abs. 1 AEUV
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Möglicherweise wären die extra-EU BITs von A mit Art. 207 Abs. 1 AEUV unvereinbar, soweit diese ausländische Direktinvestitionen betreffen. Dieser Bereich zählt seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 ebenfalls zur gemeinsamen Handelspolitik der EU, die gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV in der ausschließlichen Zuständigkeit der Union liegt. Dies hat gemäß Art. 2 Abs. 1 AEUV zur Folge, dass die Mitgliedstaaten in diesem Bereich nur tätig werden dürfen, wenn sie von der Union dazu ermächtigt werden.
Die extra-EU BITs von A waren damit im Bereich der von Art. 207 Abs. 1 AEUV umfassten ausländischen Direktinvestitionen grundsätzlich nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Der unionsrechtliche Anwendungsvorrang untersagte damit grundsätzlich eine Anwendung der BITs im Bereich der Direktinvestitionen.
Nur im Ausnahmefall blieben die BITs von den Vorschriften der Verträge unberührt, der vorliegt, sofern die BITs als Altvertrag i.S.v. Art. 351 Abs. 1 AEUV einzuordnen sind. Art. 351 Abs. 1 AEUV bezieht sich grundsätzlich lediglich auf solche Übereinkünfte, die vor dem 1. Januar 1958 geschlossen (oder im Falle später beigetretener Mitgliedstaaten vor deren Beitritt) geschlossen worden sind. Anzunehmen ist, dass die BITs von A allerdings regelmäßig erst nach dem besagten Datum geschlossen worden sind. Damit käme lediglich eine analoge Anwendung von Art. 351 Abs. 1 AEUV in Betracht, die für solche Verträge angenommen wird, die in einem Kompetenzbereich geschlossen wurden, für den die Union zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch keine Sachzuständigkeit besaß.[53] Voraussetzung ist zudem, dass die Union nunmehr die Zuständigkeit erhalten hat und die Kompetenzverschiebung bei Vertragsschluss für die Mitgliedstaaten nicht vorhersehbar war.[54] Aus der Entwicklung der gemeinsamen Handelspolitik (GHP) der Union geht hervor, dass spätestens mit der ausdrücklichen Aufnahme des Investitionsschutzes in die GHP mit dem (gescheiterten) Verfassungsvertrag ab 2005 eine Kompetenzverschiebung in diesem Bereich vorhersehbar war. Für BITs, die A seit dieser Zeit mit Drittstaaten geschlossen hat, scheidet eine analoge Anwendung des Art. 351 Abs. 1 AEUV aus (siehe Fall 8, Rn. 544).