Kitabı oku: «Fiskalstrafrecht», sayfa 29

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1. Einrichtung von GEG

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Die Einrichtung einer GEG erfordert zunächst den Abschluss einer zwischenstaatlichen Vereinbarung.[3] Ersucht ein Mitgliedstaat um die Bildung einer GEG, ist dies einem Ersuchen um Rechtshilfe gleichzusetzen.[4] Seit 2010 steht hierfür eine Modell-Vereinbarung zur Verfügung, wonach u.a. die beteiligten Mitgliedstaaten, der Zweck der GEG, der Zeitraum sowie die Zusammensetzung zu benennen sind.[5] Grundsätzlich wird die GEG von einem Vertreter der an den strafrechtlichen Ermittlungen beteiligten zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Einsatz der Gruppe erfolgt, geleitet (Art. 13 Abs. 3 lit. a EU-RhÜbk). Die Befugnisse des Gruppenleiters richten sich nach dem jeweiligen nationalen Recht, dem auch die für den konkreten Einsatz der GEG relevanten Rechtsvorschriften zu entnehmen sind (Art. 13 Abs. 1 lit. b EU-RhÜbk). Besondere Bedingungen können jedoch von den Entsendebehörden in der Vereinbarung zur Bildung der Gruppe festgelegt werden. Neben dem Gruppenleiter bestehen GEG regelmäßig aus den Teammitgliedern, abgeordneten Mitgliedern und sonstigen Teilnehmern. Die Teammitglieder rekrutieren sich aus Justiz-, Polizei- oder anderen Ermittlungs-Behörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten. Abgeordnete Mitglieder stammen aus einem Mitgliedstaat, in welchem die GEG nicht tätig wird. Sonstige Teilnehmer repräsentieren keine Behörden aus Mitgliedstaaten sondern stammen z.B. aus Drittstaaten.

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Schließlich liegt es in der Verantwortung des Einsatzmitgliedstaats, die notwendigen Voraussetzungen für den Einsatz der GEG zu schaffen. Dazu gehört insb. auch ein Anwesenheitsrecht bei den Einsatzmaßnahmen.[6] Ersuchen der GEG um Ermittlungsmaßnahmen an einen teilnehmenden Mitgliedstaat sind von den zuständigen nationalen Behörden wie innerstaatliche Anfragen zu behandeln (Art. 13 Abs. 7 EU-RhÜbk). Auch haben die Mitglieder der GEG in gleichem Umfang Zugang zu Informationen aus den polizeilichen Informationssystemen wie Mitglieder nationaler Behörden.[7] Unterstützung von nicht an der GEG beteiligten Mitgliedstaaten sowie Drittstaaten kann im Wege der „klassischen“ Rechtshilfe erlangt werden (Art. 13 Abs. 8 EU-RhÜbk).

2. Beteiligung weiterer internationaler Organisationen

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Das Europol-Personal kann (anders als nach alter Rechtslage nicht mehr nur in unterstützender Funktion) an GEG mitwirken und Informationen mit allen Mitgliedern der GEG austauschen (Art. 5 Abs. 1 und 2 Europol-VO). Dazu gehören ausdrücklich auch solche Informationen, die aus den Informationsverarbeitungssystemen von Europol stammen, welche an die übrigen Mitglieder der GEG weitergegeben werden dürfen (Art. 5 Abs. 3 Europol-VO). Umgekehrt ist das Europol-Personal befugt, solche Informationen, die im Rahmen der Teilnahme an der GEG erlangt werden, in die Informationsverarbeitungssysteme einzugeben, sofern die Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaates vorliegt (Art. 6 Abs. 4 Europol-VO).

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Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen ist Europol jedoch ausdrücklich und generell – mithin nicht nur im Rahmen von GEG – untersagt (Art. 4 Abs. 5 Europol-VO). Nach der neuen Rechtslage beschränkt sich das Verbot somit nicht mehr auf eine „Teilnahme“ an Zwangsmaßnahmen. Da jedoch die nationalen Vorschriften nach wie vor die reine Anwesenheit von Europol-Bediensteten während der Durchführung von Zwangsmaßnahmen jedenfalls nicht ausdrücklich ausschließen (vgl. § 93 IRG), muss diese weiterhin als zulässig angesehen werden. Indes genießen Europol-Bedienstete während ihrer Tätigkeit im Rahmen von GEG keine Immunität.[8]

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Auch Eurojust als Kollegium kann – im Gegensatz zu Europol – die Mitgliedstaaten um die Einrichtung von GEG ersuchen (Art. 7 Abs. 1 lit. a Ziff. iv Eurojust-Beschluss). Bedienstete von Eurojust können nach Art. 13 Abs. 12 EU-RhÜbk an GEG teilnehmen (Art. 9f Eurojust-Beschluss). Die Institution spielt in diesem Zusammenhang aber auch deshalb eine besondere Rolle, weil Eurojust das Sekretariat des Netzes gemeinsamer Ermittlungsgruppen beherbergt (Art. 25a Abs. 2 Eurojust-Beschluss).

Anmerkungen

[1]

Rechtsakt des Rates vom 29.5.2000 über die Erstellung des Übereinkommens – gem. Art. 34 des Vertrags über die Europäische Union – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (2000/C 197/01), ABlEU Nr. C 197/3 v. 12.7.2000.

[2]

Rahmenbeschluss des Rates vom 13.6.2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen (2002/465/JI), ABlEU Nr. L 162/1 v. 20.6.2002. Dieser wird gem. Art. 5 außer Kraft treten, sobald das EU-RhÜbk in allen Mitgliedstaaten in Kraft getreten ist. Derzeit steht nur noch die Umsetzung in Italien aus.

[3]

Ein Muster für eine Vereinbarung über die Bildung einer GEG findet sich in Anhang II des Handbuchs zu GEG, Ratsdok. 15790/11.

[4]

Sieber/Satzger/v. Heintschel-Heinegg/Neumann § 34 Rn. 4.

[5]

Entschließung des Rates vom 26.2.2010 zu einem Modell für eine Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe (GEG) (2010/C 70/01), ABlEU Nr. C 70/1 v. 19.3.2010.

[6]

Sieber/Satzger/v. Heintschel-Heinegg/Neumann § 34 Rn. 4.

[7]

Sieber/Satzger/v. Heintschel-Heinegg/Neumann § 34 Rn. 5.

[8]

Art. 2 des zweiten Änderungsprotokolls, Rechtsakt des Rates vom 28.11.2002 zur Erstellung eines Protokolls zur Änderung des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) und des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol, ABlEU Nr. C 312/2 v. 16.12.2002.

6. Kapitel Europarechtliche Verfahrensvorschriften › C. Verfahren der europäischen Zusammenarbeit in Strafsachen › III. Europäischer Haftbefehl (EuHb)

III. Europäischer Haftbefehl (EuHb)

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Als erste Ausprägung des Paradigmenwechsels vom klassischen Rechtshilferecht hin zum Prinzip der gegenseitigen Anerkennung kann der Europäische Haftbefehl (EuHb) angesehen werden. Er dient der Übergabe von Personen zur Strafverfolgung und Strafvollstreckung gem. der Idee eines einheitlichen Rechtsraums und soll das als zeitaufwändig, schwerfällig und komplex empfundene Auslieferungsverfahren klassischer Prägung durch ein „System des freien Verkehrs strafrechtlich justizieller Entscheidungen“ ersetzten.[1] Im Gegensatz zur traditionellen Auslieferung findet das Verfahren unmittelbar zwischen Justizbehörden statt und die Durchführung benötigt deshalb vergleichsweise wenig Zeit.

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Der EuHB geht auf den Europäischen Rat von Tampere von 1999 sowie auf das Maßnahmenprogramm des Rates zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen von 2000 zurück.[2] In einem weiteren Schritt erließ der Rat im Rahmen der Tagung in Sevilla am 13.6.2002 den Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (RbEuHb).[3] Der deutsche Gesetzgeber setzte den RbEuHb zunächst durch das Europäische Haftbefehlsgesetz (EuHbG)[4] um, welches als neuer „Achter Teil“ in das IRG eingefügt wurde. Mit Urteil vom 18.7.2005[5] gab das BVerfG einer Individualverfassungsbeschwerde statt und erklärte das EuHbG 2004 wegen Verletzung der Auslieferungsfreiheit (Art. 16 Abs. 2 GG) sowie der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) für nichtig. Es wurde daraufhin durch das überarbeitete EuHbG 2006 vom 20.7.2006[6] ersetzt.

1. Auslieferungsverfahren

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Bei einem EuHb handelt es sich um eine justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder -vollstreckung bezweckt (Art. 1 Abs. 1 RbEuHb). Der EuHb ist somit nicht nur als Antrag auf Festnahme, sondern auch als Antrag auf Auslieferung anzusehen.[7] Konzeptionell ist der zugrunde liegende RbEuHb auf ein einstufiges Übergabeverfahren ausgerichtet, teilweise wird das Verfahren nach dem EuHbG 2006 aber weiterhin in zwei Stufen unterteilt.[8]

a) Bewilligungsverfahren

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Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens ist zunächst über das Vorliegen von Bewilligungshindernissen (§ 83b IRG) zu entscheiden. Ausweislich des abschließenden Katalogs kann die Bewilligung der Auslieferung abgelehnt werden, wenn


gegen den Verfolgten wegen derselben Tat, die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegt, im Geltungsbereich des IRG bereits ein strafrechtliches Verfahren geführt wird,
die Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens wegen derselben Tat, die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegt, abgelehnt wurde oder ein bereits eingeleitetes Verfahren eingestellt wurde,
dem Auslieferungsersuchen eines dritten Staates Vorrang eingeräumt werden soll oder
nicht aufgrund einer Pflicht zur Auslieferung nach dem RbEuHb, aufgrund einer vom ersuchenden Staat gegebenen Zusicherung oder aus sonstigen Gründen erwartet werden kann, dass dieser einem vergleichbaren deutschen Ersuchen entsprechen würde.

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Allerdings kann nach der deutschen Rechtsprechung Art. 49 Abs. 3 GRC der Auslieferung eines Verfolgten an einen anderen Mitgliedstaat auf Grund eines EuHb dann entgegenstehen, wenn dem Verfolgten im ersuchenden Staat eine unerträglich harte Strafe droht. Ferner ist beim Erlass eines Auslieferungshaftbefehls auf Grund eines EuHb der deutsche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in vollem Umfang zu beachten.[9]

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Für den Fall, dass ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, gelten darüber hinaus noch weitere Ablehnungsgründe (§ 83b Abs. 2 IRG). Hält die Bewilligungsbehörde keinen der Ablehnungsgründe für einschlägig, hat sie eine begründete und gerichtlich überprüfbare Entscheidung abzugeben, keines der Bewilligungshindernisse nach § 83b IRG geltend zu machen. Anschließend führt die Behörde eine Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Zulässigkeit der Auslieferung herbei. Eine erneute Entscheidung über die Nichtgeltendmachung von Bewilligungshindernissen und damit auch eine erneute Entscheidung des Oberlandesgerichts ist erforderlich, wenn sich die zugrunde liegenden Umstände ändern oder erst später bekannt werden (§ 79 Abs. 3 i.V.m. § 33 IRG). Die endgültige Entscheidung über die Bewilligung fällt erst nach der Zulässigkeitsentscheidung des Oberlandesgerichts.[10] Diese entfaltet keine Bindungswirkung, so dass der Bewilligungsbehörde ein eigener Entscheidungsspielraum zukommt.[11]

b) Auslieferungsunterlagen

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Für ein Auslieferungsersuchen genügt eine einzelne Urkunde, sofern sie alle notwendigen Angaben enthält, was dem EuHb-Muster im Anhang des RbEuHb entspricht (§ 83a Abs. 1 IRG). Eine Ausschreibung im SIS genügt nur dann, wenn sie die nach § 83a Abs. 1 IRG in einen EuHb aufzunehmenden Informationen enthält (§ 83a Abs. 2 IRG).

c) Vereinfachtes Verfahren

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§ 41 IRG eröffnet die Möglichkeit, die Auslieferung eines Verfolgten – auch wenn dieser deutscher Staatsangehöriger ist – zu bewilligen, ohne dass die Entscheidung der Bewilligungsbehörde zur Nichtgeltendmachung von Ablehnungsgründen eigens überprüft wird. Voraussetzung für die Anwendung dieses vereinfachten Verfahrens ist, dass der Verfolgte nach erfolgter Belehrung sein Einverständnis erklärt (§ 79 Abs. 2 S. 4 IRG).

2. Materielle Voraussetzungen

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Grundsätzlich ist zwischen den Voraussetzungen und Hindernissen der Zulässigkeit (§§ 81, 83 i.V.m. § 82 IRG) einerseits und den Bewilligungshindernissen (§ 83b IRG) andererseits zu unterscheiden.[12]

a) Eigene Staatsangehörige

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Die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger richtet sich primär nach § 80 IRG. Die Auslieferung zur Strafverfolgung (Abs. 1 und 2) setzt voraus, dass ein maßgeblicher Auslandsbezug oder zumindest kein maßgeblicher Inlandsbezug der Tat vorliegt. Ist der maßgebliche Auslandsbezug gegeben, wurde also die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen auf dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates begangen und ist der Erfolg zumindest in wesentlichen Teilen dort eingetreten, oder handelt es sich um eine schwere Tat mit typisch grenzüberschreitendem Charakter, die zumindest teilweise auch auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurde (§ 80 Abs. 1 S. 2 IRG), muss zusätzlich gewährleistet sein, dass der ersuchende Staat für den Fall einer Verurteilung zu einer freiheitsentziehenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung bereit ist, den Verfolgten auf Verlangen zu deren Vollstreckung zurück zu überstellen (§ 80 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IRG).

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Eine Auslieferung zur Strafverfolgung kommt umgekehrt bei einem maßgeblichen Inlandsbezug, wenn also die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen im Gebiet der Bundesrepublik begangen wurde und der Erfolg zumindest in wesentlichen Teilen dort eingetreten ist, nicht in Betracht (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 IRG). Problematisch sind hingegen Mischfälle bzw. mehraktige Delikte. So fehlt es z.B. bei der Anbahnung eines betrügerischen Geschäfts im Ausland und dessen späterer Abwicklung im Inland an einem ausländischen Handlungsort, wenn der erste Teilakt lediglich eine Vorbereitungshandlung darstellt.[13]

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Ist weder ein maßgeblicher Inlands- noch Auslandsbezug gegeben, erfordert die Auslieferung eines deutschen Verfolgten grundsätzlich auch das Vorliegen beiderseitiger Strafbarkeit (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 IRG). Die beiderseitige Strafbarkeit ist jedoch ausnahmsweise dann nicht zu prüfen, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats im Mindestmaß mit drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und die entsprechende Strafvorschrift sich auf der Positivliste in Art. 2 Abs. 2 RbEuHb wiederfindet (§ 81 Nr. 4 IRG). Diese Positivliste umfasst u.a. die folgenden relevanten Deliktsgruppen:


Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung,
Korruption,
Betrugsdelikte, einschließlich Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften i.S.d. Übereinkommens v. 26.7.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften,
Wäsche von Erträgen aus Straftaten,
Geldfälschung, einschließlich der Euro-Fälschung,
Betrug und
Fälschung von Zahlungsmitteln.

83

In sonstigen Fällen, in denen die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit erforderlich ist, darf zusätzlich bei konkreter Abwägung der widerstreitenden Interessen das schutzwürdige Vertrauen des Verfolgten in seine Nichtauslieferung nicht überwiegen (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 IRG). Zulässig bleibt die Auslieferung auch ohne beiderseitige Strafbarkeit, wenn der ersuchende Mitgliedstaat die Auslieferung wegen einer in Deutschland nicht strafbaren Tat nicht isoliert begehrt, sondern akzessorisch in Zusammenhang mit einer auslieferungsfähigen Straftat.[14] Beachtlich ist zudem, dass die Auslieferung in Steuer-, Zoll- und Währungsangelegenheiten auch zulässig ist, wenn das deutsche Recht keine gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates (§ 81 Nr. 4 IRG).

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Schließlich ist die Auslieferung zur Strafvollstreckung bzgl. eines deutschen Verfolgten nur dann möglich, wenn dieser nach Belehrung in einem richterlichen Protokoll zustimmt (§ 80 Abs. 3 IRG).

b) Ausländer mit gewöhnlichem Inlandsaufenthalt

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Praktisch häufiger als die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger aufgrund von EuHb sind Ersuchen anderer Mitgliedstaaten um die Auslieferung nichtdeutscher Staatsangehöriger, die in der Bundesrepublik ihren gewöhnlichen und rechtmäßigen Aufenthalt haben. Der gewöhnliche Aufenthalt besteht an dem Ort, an dem sich jemand freiwillig, ständig oder für längere Zeit, wenn auch nicht ununterbrochen aufhält.[15] Ausländer mit gewöhnlichem Inlandsaufenthalt sind deutschen Verfolgten weitgehend gleichgestellt, denn die Bewilligung einer solchen Auslieferung kann gem. § 83b Abs. 2 IRG in zwei Fällen von der zuständigen Behörde abgelehnt werden, nämlich wenn (1) die Auslieferung eines deutschen Verfolgten nicht unzulässig wäre[16] und (2) der Verfolgte bei einer Auslieferung zum Zwecke der Strafvollstreckung nach Belehrung zu richterlichem Protokoll nicht zustimmt und sein schutzwürdiges Interesse an der Strafvollstreckung im Inland überwiegt. Allerdings indiziert das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 83b Abs. 2 lit. b IRG bereits ein Auslieferungshindernis, so dass eine Bewilligung der Auslieferung des Verfolgten nur ausnahmsweise in Betracht kommt.[17]

c) Ausländer ohne gewöhnlichen Inlandsaufenthalt

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Fehlt es bei einem ausländischen Verfolgten an einem gewöhnlichen und rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, so richten sich die formellen Voraussetzungen einer Auslieferung nach § 83a Abs. 1 IRG. Demnach ist v.a. eine hinreichend konkrete Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, erforderlich. Dazu gehört insb. die Tatzeit, der Tatort sowie die Tatbeteiligung der gesuchten Person (§ 83a Abs. 1 Nr. 5 IRG). Eine Auslieferung trotz unpräziser Darstellung des Tatvorwurfs im EuHb stellt eine Verletzung des Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG dar.[18]

Anmerkungen

[1]

Erwägungsgründe 1, 11 und 31, ABlEU Nr. L 190/1 v. 18.7.2002.

[2]

Vgl. Ambos § 12 Rn. 46.

[3]

Rahmenbeschluss des Rates vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI), ABlEU Nr. L 190/1 v. 18.7.2002.

[4]

Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union v. 21.7.2004, BGBl I S. 1748.

[5]

BVerfGE 113, 273.

[6]

BGBl I S. 1721.

[7]

OLG Köln NStZ 2006, 112, 113.

[8]

Vgl. Hackner/Schomburg/Lagodny/Gleß NStZ 2006, 663, 665. Ausf. zum Auslieferungsverfahren Hackner/Schierholt Rn. 62 ff.

[9]

OLG Stuttgart NJW 2010, 1617 ff.

[10]

Sieber/Brüner/Satzger/v. Heintschel-Heinegg § 37 Rn. 34.

[11]

Begr. RegE, BT-Drucks. 16/1024, 14.

[12]

Vgl. Hackner/Schomburg/Lagodny/Gleß NStZ 2006, 663, 666.

[13]

Sieber/Satzger/v. Heintschel-Heinegg § 37 Rn. 42.

[14]

OLG Karlsruhe 28.12.2009 – 1 AK 85/09.

[15]

Sieber/Satzger/v. Heintschel-Heinegg § 37 Rn. 48.

[16]

Vgl. § 80 Abs. 1 und 2 IRG. Folglich darf die Strafverfolgung keinen maßgeblichen Inlandsbezug aufweisen und im Falle der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe muss gewährleistet sein, dass der Verfolgte auf seinen Wunsch zur Strafvollstreckung nach Deutschland zurücküberstellt wird.

[17]

OLG Karlsruhe NStZ-RR 2009, 107, 109.

[18]

BVerfG 9.10.2009 – 2 BvR 2115/09.