Kitabı oku: «Amerikanische Reise 1799-1804», sayfa 2

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KURZER BLICK AUF HUMBOLDTS LEBEN UND DAS WERDEN SEINER LEITWISSENSCHAFT

Alexander v. Humboldt wurde am 14. September 1769 in Berlin geboren. Bis zum Alter von 30 Jahren kränkelte er nach eigenem Bekenntnis oft. Seine Eltern, der preußische Major Alexander Georg v. Humboldt und Marie Elisabeth, geb. Colomb, vertrauten seine Erziehung Hauslehrern an, die den für die frühe Kindheit recht erheblichen Altersunterschied zwischen den Brüdern Wilhelm (1767–1835) und Alexander (1769–1859) nicht ausglichen. Da der Unterricht philologisch-geisteswissenschaftlich bestimmt war, kam er der Begabung des älteren Bruders mehr entgegen, so dass auch deshalb der jüngere als der weniger begabte galt.

Beide Brüder begannen ihr Studium an der Universität Frankfurt a. d. Oder, mussten es jedoch nach kurzem Anlauf wieder abbrechen. Wilhelm durfte sein Studium sofort in Göttingen fortsetzen, während Alexander, der sich nicht bewährt zu haben schien, in Berlin von Hauslehrern weiterunterrichtet wurde.

Bis dahin waren die Brüder von Gottlob Johann Christian Kunth auf Wunsch der Mutter mehr als behütet worden, ähnlich wie der Emile in Jean Jacques Rousseaus beispielgebendem Roman.

In dieser Zeit nach der Heimkehr aus Frankfurt an der Oder im Jahr 1788, beriefen die Mutter und Kunth den in Berlin bestens bekannten Oberkonistorialrat Johann Friedrich Zöllner (1753-1804) als neuen Hauslehrer. Damals war Anton Friedrich Büsching als führender Geograph der Epoche der Spätaufklärung 1750 bis 1799 Kollege Zöllners. Dieser war allerdings der entschieden modernere geographische Denker: Mitglied der berühmten „Mittwochsgesellschaft“, offener Gegner des Wüllnerschen Religionsediktes und Besucher des Salons der Henriette Herz. Kunth und die Brüder Humboldt dürften Zöllner hier schon begegnet sein.

In ihm erlebte der jüngere Humboldt erstmals einen Hauslehrer anderer Art: Einen Lehrer, der ihn ernstnahm, ihn anerkannte und sein Freund wurde. Alexander lebte damals förmlich auf. Der neue Hauslehrer ging mit seinem Zögling z.B. in die Akademie der Künste, um dort ein bedeutsames Reliefmodell des Riesengebirges zu bewundern, das ein einfacher Schlesier geschaffen hatte, den der Lehrer bald persönlich kennenlernen sollte. Und als Zöllner sich auf eine gut geplante Reise nach Schlesien vorbereitete, notierte er sich Fragen, die der Schüler gern beantwortet sehen wollte. Während dieser Reise schrieb der Lehrer ausführliche Briefe an Humboldt und an seine Frau. Diese Briefe vereinigte er 1792 und 1793 in den beiden hochinteressanten Bänden seines Reisewerkes: Briefe über Schlesien, Krakau, Wieliczka und die Grafschaft Glatz auf einer Reise im Jahr 1791 (Berlin).

Er schrieb über die Eigenheiten des Riesengebirges unter Berücksichtigung des Geographischen Anordnungsschemas und aller Geofaktoren und über die Geomorphographie der Reliefmodelle. Er berichtete vom anbrechenden Fremdenverkehr in Badeorten, von ersten Umweltschäden, von Wasseranalysen und einer Tabelle mit Höhenmessungen. Er schilderte die Not der vom verantwortungslosen Adel unterdrückten Bauern und die Armut der Weber. Kein Wunder, dass Humboldt von diesem Mann schrieb, »er könnte der erste Naturforscher unter den Sterblichen werden«.

Mit der Entdeckung Zöllners ist mir wahrscheinlich der letzte große Fund im Rahmen meiner Humboldt-Forschung gelungen (siehe »H. Beck: Erkenntnissgewinne des jungen Alexander v. Humboldt« in: Abh. d. Humboldt-Gesellschaft, Band 16, Mannheim 200, Seite 13-44).

Kurze Zeit später, immer noch im Jahr 1788, erlaubte man dem 19-jährigen Alexander v. Humboldt den ersten freien Ausgang. Er begab sich, wohl mit Wissen Zöllners, sofort zu Karl Ludwig Willdenow, dem nur fünf Jahre älteren, talentiertesten Botaniker Berlins. Und wieder begegnete er einem Gelehrten, der ihn, wie Zöllner, schließlich als Freund betrachtete.

Aufflammende Freundschaft und Begabung rissen ihn erneut aus dem bisherigen Trott. Willdenow stieß ihm das Tor zur wissenschaftlichen Botanik auf, wies ihn auf Japan hin und ermöglichte ihm, gerade als niemand an ihn glaubte, die Formulierung eines ersten Forschungsprogramms: »Geschichte der Pflanzen«. In ihm sollten Ausbreitungsvorgänge von Pflanzen von einem Heimatgebiet aus über die Erde verfolgt werden. Humboldt hat in diesem Rahmen bald an das Substrat, den Boden und an Pflanzenfossilien gedacht, um der migrativen (auf Wanderungen bezogenen) Idee gerecht zu werden. Bald weitete sich das Programm zur Pflanzengeographie aus.

Erstmals lenkte Alexander sein Leben diplomatisch zu einem weiteren Ziel hin, als er die Mutter und Kunth für ein Bergbaustudium in Freiberg gewinnen konnte und damit endlich das ihm auferlegte Allerweltsstudium der Kameralistik (Volkswirtschaft) unterbrach, dem er andererseits doch sehr vieles verdankte.

Als »Bergmann« erlebte er eine stürmische Karriere und bald die Schöpfung eines zweiten Forschungsprogramms, das ein Strukturgesetz der Erde beweisen sollte.

Ein drittes Forschungsziel galt dem Entwurf geographischer und geologischer Profile; die Letzteren sollten mit Symbolen und Buchstaben pasigraphisch (im Sinne einer allgemein verständlichen Schrift-Zeichensprache) erläutert werden. Die bis dahin fast nur zweidimensionale Geographie und Kartographie gewann seit Humboldt mit nachhaltigem Erfolg die dritte Dimension der Höhe und ermöglichte auch kartographisch die Wiedergabe des Reliefs der Erdoberfläche.

Dies alles vertiefte Humboldt, als er 1793 in geistiger Auseinandersetzung mit Kants Physischer Geographie eine Methodologie schuf.

Es genügt hier der Hinweis auf seinen erstmaligen Versuch der Bezeichnung einer Leitwissenschaft. Er nannte sie 1793 merkwürdigerweise »geognosia«; das ist der ältere, zunächst noch beherrschende Begriff, den J. A. de Luc (1778) und H. B. de Saussure (1779), Humboldts wesentlichstes Vorbild in der Hochgebirgsforschung, schließlich mit dem Terminus Geologie ersetzen sollten. Das aber – in letzter Konsequenz Erdgeschichte – hatte Humboldt nicht gemeint. Was er wollte, ergibt sich erst, wenn wir sehen, dass er »geognosia« in Klammern mit drei gleichbedeutenden Begriffen erläuterte: »(Erdkunde, Theorie der Erde, physikalische Geographie)«. Damit wird klar, dass keinesfalls »geognosia« in der üblichen Bedeutung gemeint war, und man wird sich fragen müssen, warum der junge Humboldt überhaupt diesen doch bereits vergebenen Begriff beanspruchte. Wie Herder ersehnte Humboldt »eine philosophische Physische Geographie« (Herder), d. h. eine Geographie höherer Art. Deshalb wurde der Ausdruck Geographie, der zu erwarten war, regelrecht desavouiert, weil er ihn mit Recht an die damals zum Schlafmittel degenerierte Registratur der politischen Geographie erinnerte. In seinem begrifflichen Denken erwies sich Humboldt als überempfindlich; daher auch der Versuch, jeden Begriff seiner Methodologie mehrfach zu erläutern, ein Verfahren, das der Geographiegeschichte andererseits den Weg zur Lösung des Problems wies.

1796 ersetzte Humboldt dann den ohnehin bereits festliegenden und vergebenen Begriff »geognosia« durch »physique du monde«, einen Ausdruck, den er oft und ausnahmslos mit »Physik der Erde« übersetzt hat. Darunter verstand er jedoch keineswegs die frühe »Kosmos«-Idee, in der sich, wie in diesem späteren Werk selbst, »Himmel und Erde«, und zwar in dieser Reihenfolge, vereinigten.

Viele und auch ich selbst haben dennoch zunächst in »physique du monde« einen frühen Hinweis auf den »Kosmos« gesehen, obgleich dies nur teilweise zutrifft.

»Physique du monde« war zunächst nichts anderes als der neue Leitbegriff, der das eindeutig vergebene Leitwort »geognosia« ersetzte. Das zeigte sich klar, als Humboldt 1814 sein Ziel als »Physik der Erde, Theorie der Erde oder Physikalische Geographie« erläuterte, in einer Passage, die den Charakter seiner Forschungsreise offen klären sollte; eben diesen Text hat Hermann Hauff unverständlicherweise gelöscht; er steht in diesem Buch als Motto vor der Rekonstruktion von Humboldts Reise. Da »Physikalische Geographie« (eigentlich Naturgeographie) bereits im 18. Jahrhundert die wichtigste Wachstumsspitze der Geographie (Saussure, Kant, Herder, Johann Reinhold Forster, Saussure) bezeichnete, hatte der Begriff die größeren Aussichten, von Humboldt auf die Dauer benutzt zu werden. Dennoch hat er oft von »Physik der Erde« gesprochen; in all diesen Fällen können wir allerdings eindeutig und mühelos »Physik der Erde« durch den Terminus »Physikalische Geographie« ersetzen, und schließlich hat Humboldt selbst jeden Zweifel aufgehoben, weil er oft darauf hingewiesen hat, die eigentliche Sphäre seiner Kenntnis sei auf »Physikalische Geographie und Geognosie« beschränkt. Dazu hat er einen wesentlichen Teil der Geognosie zur Physikalischen Geographie gerechnet und keineswegs klare Grenzen gezogen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das dreistufige, im Sinne Kants raumwissenschaftliche, d. h. geographische Forschungsprogramm war der Nährboden einer im Sinne der Zeit »philosophischphysischen [oder physikalischen] Geographie« (Herder), die den Menschen einschloss.

Dreistufiges Programm als Nährboden, Methodologie von 1793 und sechsjährige Vorbereitung der amerikanischen Forschungsreise (seit 1793/94) offenbaren einen inneren Zusammenhang, der sich begrifflich bereits seit 1793 als Einheit verstand und 1796 nur neu, und zweifellos besser, bezeichnet wurde.

Dass Humboldt ein großer Geograph war, haben schließlich auch sämtliche bedeutenden Geographen, von Carl Ritter über Oskar Peschel, Ferdinand v. Richthofen, Friedrich Ratzel, Elisée Reclus, Paul Vidal de la Blache, Sir Halford Mackinder, Albrecht Penck, Alfred Hettner, Otto Schlüter bis zu Hermann Lautensach und Carl Troll, bestätigt. Seine vergleichbare Größe als Mediziner, Chemiker, Mathematiker und Astronom hat sich dagegen keineswegs erweisen lassen. Das muss endlich zu denken geben.

Der junge Humboldt hat vielfältig publiziert, doch beweisen seine zahlreichen gedruckten Beiträge bis 1799 seine Größe allein keineswegs. Gerade das nicht Publizierte, d. h. seine Forschungsprogramme, und das im Druck nur Angedeutete, in Briefen kurz Geschilderte, war das »Triebrad« (Goethe). Es trieb ihn förmlich aus Europa hinaus auf die Bahn des Forschungsreisenden. Es war allein schon deshalb im Vergleich zu allem bis dahin meist schnell Publizierten bedeutender, eben weil an seine Veröffentlichung überhaupt noch nicht gedacht werden konnte. Erst aus ihm und aus den mit ihm zusammenhängenden Denkbewegungen ergab sich, dass Humboldt schon im Augenblick seines Aufbruchs nach Amerika über die bedeutendste geographische Konzeption seiner Zeit verfügte. Nach der Reise wurde dann deutlich, worauf seine Klassizität beruhte:

Mehr als alle seine Vorgänger war er Geograph (und Kartograph) und Forschungsreisender. Er hatte damit ein Forschungsvorbild (Paradigma) geschaffen, dem keiner widersprochen hat, das aber nur wenige (Ferdinand v. Richthofen, Friedrich Ratzel, Carl Troll, Hermann Lautensach, Albert Kolb und Herbert Wilhelmy in Deutschland) erreicht haben.

KURZE HINWEISE ZUR FORSCHUNGSREISE
A. V. HUMBOLDTS

Das nach und nach zwischen 1788 und 1797 entfaltete dreistufige Forschungsprogramm und die mit ihm verbundenen Gedanken drängten Humboldt nach mehrfachem Reisen förmlich aus Mitteleuropa hinaus, wie schon gesagt wurde. Die amerikanische Reise war auch insofern ein notwendiges Forschungsinstrument, dessen Exaktheit Humboldt in sechsjähriger Vorbereitung geformt hatte. Ohne sie konnte sein physikalisch-geographisches Denken nicht fortschreiten. Dabei hatte er die schwingenden Schalen der Waage seines Lebens gleichmäßig gefüllt: die eine Schale mit den schwerwiegenden Resultaten seines physikalisch-geographischen Forschens, die andere mit dem menschenrechtlich-humanitären Gedankengut, wobei das eine ohne das andere nicht denkbar war. Wissenschaft war ihm stets auch ein Mittel zur Behauptung oder Durchsetzung der Menschlichkeit. Die hier vorgelegte Rekonstruktion beweist diese Verbindung immer wieder.

Beleuchten wir weitere Charakterzüge dieser Reise:

Alexander Solschenizyn hat auf die Erfahrung hingewiesen, die jeder, der einmal Gefangenschaft erlebte, leicht bestätigen kann: So gut wie nie seien in der Literatur die Gefäße der Notdurft erwähnt worden. So sei etwa der spätere Graf v. Monte Christo im Verlies des Château d’If eingekerkert worden, doch wir erführen nur, dass ihm Essen gebracht worden sei. Der zeitgenössische literarische Geschmack verbat sich eben »Peinliches«, das andererseits eine solche Kerkerhaft noch wahrer und deutlicher werden lassen musste. Ebenso hat die Reiseliteratur damals in ihren führenden Werken Entbehrungen, von geringen Ausnahmen und kurzen Einblicken abgesehen, nur angedeutet. Man transpirierte höchstens, man schwitzte kaum, und so könnte der Leser meinen, Humboldts Reise sei gefahrlos wie das Unternehmen eines heutigen Globetrotters oder Touristen verlaufen. Sehr oft werden nicht einmal die Überanstrengungen des hart arbeitenden Humboldt im Tropischen Regenwald deutlich. In seinem Tagebuch hat er die üblen Ausdünstungen unterdrückter Arbeiter in mexikanischen Manufakturen immerhin erwähnt, die beiden Gefährdungen seines Reisebegleiters Aimé Bonpland festgestellt, eigene Erschöpfung und Bedrohung aber nahezu übergangen.

Wir können heute (und längst) beweisen, dass Humboldt mehrfach in Lebensgefahr schwebte, ja, dass er selbst einmal einem Brief anvertraute, er glaube, Bonpland und er würden wahrscheinlich nicht als Lebende zurückkehren. Während der Alexander-v.-Humboldt-Gedächtnisexpedition im Jahre 1958 haben sich Volkmar Vareschi und Karl Mägdefrau oft über seine unwahrscheinliche Leistungsfähigkeit gewundert, die beim Vergleich mit den heutigen Bedingungen immer wieder deutlich wurde. Er kam gesund aus den Tropen zurück. Fast war es ein Wunder. Er hatte am Casiquiare die dichtesten Moskitoschwärme überlebt; Karl Mägdefrau stellte fest: »Der Mensch ist hier ununterbrochen, Tag und Nacht, den Angriffen der verschiedensten Stechmücken, Ameisen, Wespen usw. ausgesetzt. Humboldts Schilderungen entsprechen auch in diesem Punkte vollauf den Tatsachen. Einer der Expeditionsteilnehmer zählte einmal auf dem linken Handrücken 170, auf dem rechten 102 Moskitostiche!« Deshalb und infolge des Sogs der Hauptstadt Caracas sind diese Gegenden heute menschenleer (Caracas 1927: 127 000 Einwohner; 1958: 1 Million).

Überhaupt stellt sich nach solchen Hinweisen die Frage nach dem heutigen Zustand der von Humboldt bereisten Landschaften. Hierüber gibt das von Ortwin Fink und mir bearbeitete Buch Loren Alexander McIntyres (Hamburg 1982) Auskunft. Einige Einblendungen wird der Leser im Text und in den Anmerkungen finden.

In meinem reisegeschichtlichen Denken sind die Stufen der Vorbereitung, Ausführung und Auswertung notwendige Schritte, die aus Gründen der Klarheit der Darstellung und als sukzessive Erkenntnisstufen im rekonstruierenden Bericht getrennt werden sollten. Dem Erkenntnisgewinn des Lesers zuliebe musste in wenigen Fällen bewusst davon abgewichen werden: so z. B. als Humboldt das überraschende Urteil über die Schönheit der (subtropischen!) Landschaft Teneriffas natürlich nicht während seines dortigen Aufenthalts, sondern erst später aus dem Vergleich mit den Tropen gewinnen konnte (siehe Seite 120). Hier brächte die strikte Trennung der unmittelbar vor Ort erzielten Einsicht von dem erst in der Auswertung sichtbar werdenden Ergebnis dem Leser nichts ein, weil ihm nämlich ein wichtiges Bekenntnis Humboldts an der richtigen Stelle praktisch vorenthalten würde. Ähnlich zu bewerten sind einige Einschaltungen heutiger Ergebnisse auch in Anmerkungen: etwa Schilderungen des Verhaltens der Guácharo-Vögel, der erneute Nachweis einer von Humboldt entdeckten Wild-Tomate oder Bemerkungen zur Chimborazo-Besteigung.

Als früher Kenner der (für die Geschichte der Geographie wichtigen) Reisen, hatte Humboldt beobachtet, dass Expeditionen mit vielen Teilnehmern an Bord eines Schiffes oder als Unternehmungen auf dem Festland fast immer unter dem Streit der Teilnehmer zu leiden hatten. Er beschäftigte sich mit der außerordentlich schlecht organisierten Forschungsreise der Französischen Akademie 1735-1743 und mit der dänischen Expedition 1761-1767, die unter der völligen Unfähigkeit Ihre Leiters zu leiden hatte. Der schließlich einzig Überlebende, Carsten Niebuhr, hatte die Forschungsergebnisse der Expedition mit seinem Reisebericht gerettet.

Auch James Cook, der größte maritime Entdecker überhaupt, kam mit Gelehrten wie Sir Joseph Banks (und, auf seiner zweiten Weltumsegelung 1772-1775), nicht immer gut zurecht. Besonders schwierig war das Verhältnis zu Johann Reinhold Forster, dessen Sohn Georg sich aus diesem Streit diplomatisch heraushielt und Cook besonders achtete. Humboldt zog daraus verständliche Konsequenzen:

Er wollte die Reise selber gründlich und speziell vorbereiten und wollte seine Forschungsergebnisse mit anatomischen Beobachtungen und mit umfangreichen Ausführungen der Elektrophysiologie noch bereichern. Dass er als Aufklärer auch daran dachte, sich mit diesen Leistungen ein bleibendes Andenken zu schaffen, bezeugt allein schon die große geistige Anstrengung, die er nie scheute. Es ist besonders hervorzuheben, dass Ingo Schwarz und Klaus Wenig im Kommentar ihrer Ausgabe des Briefwechsels Humboldts mit Emil du Bois-Reymond (Berlin 1997) diese besondere Leistung wissenschaftsgeschichtlich nachgewiesen haben. Selbstverständlich haben diese Forschungen mit der Geographie nicht das Geringste zu tun. Sie müssen aber, zusammen mit den wichtigen, tief in die Analyse von Humboldts »Versuche über die gereizte Muskel und Nervenfaser« (2 Bde., Posen 1797) eindringenden Recherchen Brigitte Hoppes auch als Aufgaben der Vorbereitung der Forschungsreise Humboldts verstanden werden. Dies wird bis heute allerdings zu wenig zur Kenntnis genommen, obwohl er alle nötigen Utensilien zu den entsprechenden Versuchen vor Ort mitgenommen hatte. Alles hatte sich bereits angedeutet, als die beiden Brüder Keutsch von der damals noch dänischen Jungferninsel Sankt Thomas bereits als Mitarbeiter in das eben genannte zweibändige Werk hineinspielten als zwei Dänen aus Westindien.

Ich hatte schon 1959 darauf hingewiesen, dass große Expeditionen immer mehrere, thematisch oft weit voneinander getrennte Aufträge zu erfüllen hatten. Ganz in diesem Sinne suchte Humboldt lange nach einem geeigneten Mitarbeiter. Er dachte zunächst an Nicolaus Diederich Boethlingk, an die Brüder Keutsch oder an Joseph van der Schot. Seine Wahl fiel schließlich auf Aimé Bonpland. Er war Mediziner und stand vor einer wissenschaftlichen Karriere als Botaniker. Sie ergänzten sich hervorragend und blieben Freunde bis zuletzt.

Körperliches Training wie spätere Forschungsreisende (Fridtjof Nansen, Alfred Wegener, Heinrich Harrer) hat Humboldt nicht gekannt. Kam es darauf an, so holte er die notwendige Kraft ohne Weiteres aus sich heraus und wurde ähnlich wie später Sven Hedin mit allen Strapazen fertig; er hätte ebenso wie der große Schwede von sich sagen können, er habe sich nie überanstrengt. Noch 1829 ist dem 60-jährigen Humboldt in Russland und Sibirien körperliche Gewandtheit bescheinigt worden (siehe: Alexander von Humboldts Reise durchs Baltikum, nach Rußland und Sibirien 1829, 6. Aufl. 2009, S. 162). Seine erstaunliche Tropenfestigkeit erlaubte ihm volle Messprogramme, Pflanzenbestimmungen, Zeichnungen und Tagebucheintragungen in oft zeitlich dichter Folge. Andererseits bin ich mit vielen einig, dass er eine Glückshaut trug: Eine Chimborazo-Besteigung im Alltagsanzug mit Straßenstiefeln, ohne kundigen Führer und ohne jede Bergausrüstung ist nur einmal einem Humboldt gelungen, der, von einem kaum in Worte zu kleidenden geistigen Schwung beflügelt, nur wissenschaftliche Forschung im Sinne seines Leitmotivs betreiben wollte. Es ging ihm zunächst nur um Messungen in großer Höhe – und doch erlag auch er der »geheimen Ziehkraft« des 6310 m hohen Tropenbergs. Als der Nebel zerriss, erblickte er den Dom des Gipfels. Er sagte zwar nicht mit Johann Joachim Winckelmann »edle Einfalt und stille Größe«, sondern stellte in Übereinstimmung mit ihm fest: »Es war ein ernster und großartiger Anblick.« Und: »Am 25. Junius erschien uns in Riobamba Nuevo der Chimborazo in seiner ganzen Pracht, ich möchte sagen in der stillen Größe und Hoheit, die der Naturcharakter der tropischen Landschaft ist.«

Als erster Geograph hat Humboldt das Problem der Schwarz- und Weißwasserflüsse erkannt, wie wir noch im Text sehen werden. Der gebildete deutsche Facharzt und bekannte Sportler Dr. Max Stern wurde 1938 von Hitler zur Emigration gezwungen. Er hat von 1939 bis 1945 als Land- und Wanderarzt das Forschungsgebiet Humboldts in Venezuela intensiv bereist und ab 1942 27-mal den Casiquiare befahren. 1943 bis 1945 begleitete er die Ingenieur-Mission des Colonels der US-Armee, H. G. Gerdes, und konnte dabei weitere Einsichten gewinnen.

Vor den grundlegenden Beobachtungen internationaler Gelehrter (unter ihnen Harald Sioli) hat er bei der Lösung des Problems der Schwarz- und Weißwasserflüsse, der – wie er richtig meinte – mit Pflanzensaft eingetieften Felszeichnungen und der Casiquiare-Entstehung sehr Erhebliches geleistet. Dr. Stern hat mich vor seinem Tod um Wahrung seiner Interessen gebeten. Daher ist die erstmalige Publikation seiner vor Ort gezeichneten Landschaftsskizzen eine Verpflichtung, der sich Verlag und Autor nicht entziehen wollen. Gerade der skizzenartige Charakter dieser schwierig zu reproduzierenden Bilder gewährt einen wahren Einblick in tropische Landschaft.

Natürlich war Humboldt oft vom Kenntnisstand seiner Informanten abhängig. So hat er keine der Guano-Inseln betreten, die damals noch bis 50 m hoch von den Exkrementen der Vögel überzogen waren! Das anschaulichste ökologische Bilderbuch zur Lehre von »Zusammenhängen« konnte er nicht aufblättern. Er sah auch das Herzland der Inka-Kultur zwischen Cuzco und dem Titicacasee nicht, und der vorzügliche Landes- und Humboldt-Kenner Prof. Georg Petersen hatte wohl recht, als er mir gegenüber den mangelnden Informationswillen einheimischer Gelehrter der Humboldt-Zeit bedauerte. Andererseits konnte Humboldt kaum mehr bewältigen, als er tatsächlich erreichte. Er wusste von Cuzco und hat auch das Guano-Problem richtig gesehen.

Der Leser sollte sich darüber im Klaren sein, dass die gesamte Wiederholung der Humboldtschen Route in Amerika heute gar nicht mehr möglich ist. Einige Wegstrecken sind von Bergstürzen verschüttet worden. Prof. Georg Petersen hat für den Nachvollzug der Route allein in Peru viele Jahre benötigt, und doch waren die inneren Schwierigkeiten schließlich zu groß; es blieben Lücken. Loren Alexander McIntyre hat die Route vor wenigen Jahren weitgehend nachvollzogen; eine vollständige Abdeckung erschien ihm unmöglich.

Um den vollen reisegeschichtlichen Dreiklang abzurunden, wird am Schluss dieses Buches die Auswertung der Reise kurz umrissen.

Nun kann auch der Leser geistig die maßgebende Forschungsreise der Neuzeit antreten. Doch sei er herzlich eingeladen, sich zunächst mit Humboldt vorzubereiten. Er benötigt dazu nicht sechs Jahre, sondern nur einige Stunden der Lektüre. Mit Hilfe dieser besonderen und allgemeinen Präparation wird er die Reise viel besser verstehen. Deren Ausführung und Auswertung runden dann den harmonischen reisegeschichtlichen Dreiklang ab, dem in der Historie der Entdeckungs- und Forschungsreisen leider auch viele Missklänge und Unmenschlichkeiten vorangegangen und gefolgt sind. Die humanitäre Größe dieser Reise, die selbst Goethe verehrte und der alte Kant noch verfolgte, ließ manche späteren Gräuel umso schmerzlicher werden.

Diesem einführenden Text wurden Sätze aus Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften vorangestellt. Welcher Leser wäre nicht neugierig, jetzt den Zusammenhang des Textes zu kennen? Denn Zitate können verfälschen, und tatsächlich könnte hier ein solches Beispiel vorliegen, wenn man weiterliest:

»Ein Naturalienkabinett kann uns vorkommen wie eine ägyptische Grabstätte, wo die verschiedenen Tier- und Pflanzengötzen balsamiert umherstehen. Einer Priesterkaste geziemt es wohl, sich damit in geheimnisvollem Halbdunkel abzugeben; aber in den allgemeinen Unterricht sollte dergleichen nicht einfließen, um so weniger, als etwas Näheres und Würdigeres sich dadurch leicht verdrängt sieht.

Ein Lehrer, der das Gefühl an einer einzigen guten Tat, an einem einzigen guten Gedicht erwecken kann, leistet mehr als einer, der uns ganze Reihen untergeordneter Naturbildungen der Gestalt und dem Namen nach überliefert; denn das ganze Resultat davon ist, was wir ohnedies wissen können, dass das Menschengebild am vorzüglichsten und einzigsten das Gleichnis der Gottheit an sich trägt.

Dem Einzelnen bleibe die Freiheit, sich mit dem zu beschäftigen, was ihn anzieht, was ihm Freude macht, was ihm nützlich deucht; aber das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch!«

Wir scheinen tatsächlich vor einer großen Schwierigkeit zu stehen. Galt die Physikalische Geographie, die »physique du monde«, als Leitwissenschaft Humboldts nicht allein der Natur?

Humboldt hat den Wert der Reiseliteratur wie wenige gekannt und z. B. immer wieder auf die bezaubernden Berichte seines »Lehrers und Freundes« Georg Forster hingewiesen. Waren diese Schilderungen noch Bücher über den Menschen, so zog Humboldt erstmals die Natur selbst breiter und zugleich wissenschaftlich begründet in die geographische Perspektive, ohne indessen den Menschen, seine Wirtschaft, seinen Wohlstand, seine Not, seine Sklaverei, seine Unterdrückung und seine Befreiung zu übersehen. Wenn Herder, Johann Reinhold Forster und Kant von »Physischer« oder »Physikalischer Geographie« sprachen, so fehlte in ihrer »Naturgeographie« (wörtliche Übersetzung von Physikalische Geographie) der Mensch ebenso wenig wie bei ihrem geistigen Schüler Alexander v. Humboldt. Das von Goethe zitierte Wort Alexander Popes findet sich auch beim älteren Forster und war allen hier Genannten wesentlich. Natur und Mensch waren damals noch nicht getrennt wie im Weltbild der meisten heute führenden jüngeren Geographen.

Bonn und Eschwege, im Dezember 2008 Prof. Dr. Hanno Beck


Anmerkung: Die historische Orthographie und Zahlenschreibweise der Humboldt-Zitate wurde bewusst so belassen, um den Charakter der Originaltexte nicht zu verändern. Eine Ausnahme bilden die Textstellen, die vom Autor aus dem Französischen übersetzt werden mussten.

Eine Tabelle der von A. v. Humboldt gebrauchten Maße findet sich auf S. 318, Anmerkung 28. – Hilfreich bei der Lektüre ist allgemein die »Karte der Jahreszeiten-Klimate der Erde« von Carl Troll und Karlheinz Paffen. In: Erdkunde (Bonn) 18. 1964, S. 5–28 (Erläuterungstext); die Karte findet sich auch im Atlas »Unsere Welt« (Velhagen & Klasing u. Hermann Schroedel), Berlin 1970, S. 128. – Im vorliegendem Werk werden die Zitate aus der überholten Übertragung Hermann Hauffs (siehe oben S.11) vergleichsweise mit denselben Passagen der Darmstädter Ausgabe (= DA) A. v. Humboldt zusammengestellt. So wird der Leser auf deren einzige vollständige deutsche Übersetzung des eigentlichen Reisetextes hingewiesen.

»Ich hatte mir bei der Reise, deren Beschreibung ich nun folgen lasse, ein doppeltes Ziel gesetzt. Ich wollte die besuchten Länder kennenlernen, und ich wollte Tatsachen zur Erweiterung einer Wissenschaft sammeln, die noch kaum skizziert ist und ziemlich unbestimmt Physik der Erde, Theorie der Erde oder Physische Geographie genannt wird. Von diesen Zwecken schien mir der zweite der wichtigste zu sein. Ich liebte die Botanik und einige Teile der Zoologie mit Leidenschaft. Ich durfte mir schmeicheln, daß unsere Forschungen die bereits beschriebenen Arten um einige neue vermehren würden. Da ich aber die Verbindung längst beobachteter [Tatsachen] der Kenntnis isolierter, wenn auch neuer Tatsachen von jeher vorgezogen hatte, schien mir die Entdeckung eines unbekannten Geschlechtes weit minder wichtig als eine Beobachtung über die geographischen Verhältnisse der Vegetabilien, über die Wanderungen der geselligen Pflanzen und über die Höhenlinien, zu der sich die verschiedenen Arten derselben gegen den Gipfel der Kordilleren erheben.«

Alexander v. Humboldt: Relation historique, I, 1814–1817

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