Kitabı oku: «Amerikanische Reise 1799-1804», sayfa 4
4. BEGEGNUNG MIT AMALIE V. IMHOFF
»Schön, klug und talentvoll«
Ein Bild des deutschen Malers Daniel Caffe, das vermutlich in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts entstanden ist (vgl. BECK: A. v. Humboldt I, Titelbild) zeigt, wie sehr Alexander v. Humboldt trotz rastloser wissenschaftlicher Arbeit doch jene besondere Liebenswürdigkeit ausstrahlte, die er sich bis ins hohe Alter bewahren sollte.
Alexander wohnte in Jena bei Prof. Karl David Ilgen, dem späteren Direktor von Schulpforta. Dessen Frau Johanna behielt ihn in bleibender Erinnerung als »den Naturforscher, den Diplomaten, den witzigen, stets mit Elektrisirmaschinen und galvanischen Säulen« hantierenden Experimentator, »als einen hübschen Mann und unbezweifelt als den schönern der beiden Brüder«.48
In Jena vermutete man damals eine bevorstehende Bindung Alexanders an die schöne und kluge Amalie v. Imhoff49. Man vermutete viel und wusste wohl im Grunde – wie wir Heutigen – sehr wenig. Ihre Mutter, Luise geb. v. Schardt, war eine Schwester der Frau v. Stein und hatte den Freiherrn Karl v. Imhoff geheiratet, einen geschiedenen Mann, der eine wahrhaft abenteuerliche Lebensgeschichte erzählen konnte. Kurz nach dem Siebenjährigen Krieg hatte er Marianne Chapunet, die schöne Tochter eines Feldwebels, geheiratet und war mit ihr 1769, in Alexanders Geburtsjahr, nach Ostindien gefahren. Zufällig war auch Warren Hastings an Bord, verliebte sich auf den ersten Blick in Marianne und verstand es, den Ehemann finanziell abzufinden und zu beruhigen. Marianne und Imhoff warteten zwei Jahre in Madras und Kalkutta in der Nähe Hastings’ auf die Scheidungsurkunde aus Deutschland. Hastings zahlte eine beträchtliche Summe, und der Freiherr kehrte in seine Heimat zurück. Die Eltern der neuen Braut hatten Angst, ihre Tochter könnte unverehelicht bleiben, und stimmten einer Verbindung mit v. Imhoff zu, dem man nicht mit Unrecht nachsagte, er habe seine erste Frau verkauft.50
Amalie war 1776 geboren worden. In den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts wurde sie mit ihren beiden jüngeren Schwestern als »schön, klug und talentvoll« bezeichnet.51 Alexander soll ihr sehr nahegekommen sein. Er war »fast schon ihr erklärter Bräutigam« und begegnete ihr in der Wohnung Schillers und seines Bruders. Die drei Schwestern Imhoff »waren sich ihrer Vorzüge allzu sehr bewußt, eitel, preziös und oft genug auch herzlos; wie ihr Vater neigten sie zur Unzufriedenheit. Charlotte [v. Stein, ihre Tante,] sah häufig mit Grimm, daß diese Mädchen weder für ihre Mutter, noch Großmutter, weder für Onkel und Tante, noch auch für ihre Anbeter eine echte, tiefe, zu Dienst und Opfer bereite Liebe in sich trugen. Bei dem Wunderwesen Amalie zumal schienen die Gefühle aus der Phantasie statt aus dem Herzen zu kommen und ganz wieder von Werken der Imagination verzehrt zu werden. Trotzdem glaubten nicht wenige Männer in Amalie die vollkommenste ihres Geschlechts zu erblicken.«52 – »Frau v. Stein erklärte, ihr sei es lieb, den Alexander Humboldt zum Neveu zu haben …«, und selbst Caroline v. Humboldt »beschenkte bereits die künftige Schwägerin«.53 Caroline betrachtete damals Amalie nicht unkritisch. Am 5. April 1797 teilte sie ihrem Mann mit, »die Amalie ist gestern abend angekommen und gefällt Burgsdorff sehr, ob gerade genug zum Heiraten weiß ich noch nicht. Auf alle Fälle wird die Hochzeit noch nicht vorbei sein, wenn Du kommst«.54 Alexander war »wieder kränker«55, es hatte sich schon bald entschieden, dass Amalie ihn nicht fesseln konnte.56 Er wollte seine Reise ausführen, und diese Pläne nahmen all seine Gedanken in Anspruch. Einige Wochen später schrieb Caroline, Alexander scheine »in Weimar sehr fetiert worden zu sein«, er habe »sich über den Herzog, Goethe und alle Menschen, außer über die Amalie« mokiert57, die ihn umso mehr beeindrucken konnte, weil sich damals seine Beziehung zu Henriette Herz gelockert hatte.
5. REISEVORBEREITUNGEN IN DRESDEN
Wagen – Kinder – Gepäck
Am 18. April 1797 teilte A. v. Humboldt Freiesleben mit, er bereite sich auf seine »westindische Reise jetzt sehr ernsthaft« vor.58 Dieser Präparation sollte auch eine Fahrt nach Italien dienen, der sich der Bruder Wilhelm und Goethe anschließen wollten. Alexander plante vulkanologische Studien am Vesuv und allgemeine geographische Untersuchungen, alles im Hinblick auf seine spätere Forschungsreise. Seinen älteren Bruder und Goethe drängte es nach der Begegnung mit Schauplätzen und Kunstwerken der Antike. Reinhard v. Haeften war mit seiner Frau Christiane eingetroffen. Er hatte wie Alexander den Abschied genommen.59 Dem Dichter war die Reisegesellschaft zu zahlreich und quecksilbrig. Er wies auf Unruhen in Oberitalien hin und wollte schließlich für sich fahren.60 Am 17. April 1797 ging Wilhelm v. Humboldt nach Berlin, um Nachlassangelegenheiten seiner Mutter zu ordnen. Nebenher überwachte er beim Buchhändler Vieweg den Druck von Goethes Hermann und Dorothea. Er dachte damals an einen Verkauf Tegels, wurde aber von seiner Frau ermutigt, den Besitz zu halten.61 Er als Familienvater mit Kindern war an solchen Regelungen mehr interessiert als der ledige Bruder, der sich in dieser Beziehung etwas treiben ließ. Kunth hatte in Berlin zwar alles redlich, aber auch »mit einer großen Trägheit eingerichtet«. Er hielt Wilhelm auf, saß stundenlang bei ihm und schwatzte »von nichts«; von seiner Herrin sprach er »gar nicht mehr«. Alles war »begraben und vergessen«, so dass es Wilhelm »selbst oft dauert«.62 Er traf den Minister Graf v. Haugwitz an, der den Wunsch geäußert hatte, Tegel zu mieten, und ihm Empfehlungen »durch ganz Italien« anbot.63
Am 31. Mai 1797 folgte die Reisegesellschaft vor allem Alexanders Wünschen und brach zunächst nach Dresden auf. Damit nahm sie bereits zu Beginn der Italienreise einen erheblichen Umweg in Kauf. Doch war alles vorher abgesprochen worden; denn Alexander wollte beim Inspektor Köhler die Anwendung seines neuen 14-zölligen Hadleyschen Sextanten üben und nochmals mit Werner in Freiberg sprechen.64 Kunth und Wilhelm v. Humboldt sollten sich in Dresden mit der Reisegesellschaft treffen, um die Erbteilung endgültig zu regeln. Wilhelm war der Umweg recht wegen der Kunstschätze und der Anwesenheit Körners.
Die politischen Umstände waren der Reise ungünstig. Bonaparte war 1796 in Oberitalien vorgedrungen und hatte die Österreicher geschlagen; am 2. Februar 1797 hatte sich Mantua ergeben. Bonaparte drang über die Ostalpen nach Wien vor. Gleichzeitig marschierte die Rheinarmee unter Moreau wieder in Süddeutschland ein. Das schnelle Vorrücken veranlasste Kaiser Franz II., seine Völker zur Massenerhebung aufzurufen. Bonaparte schloss am 18. April den Vorfrieden zu Leoben. Er kehrte nach Oberitalien zurück, besetzte Venedig und errichtete in Genua am 6. Juni 1797 die Ligurische Republik. Die Friedensverhandlungen zögerten sich hinaus, weil die Österreicher den hohen Forderungen der Franzosen nicht zustimmen konnten.
Die Haeftens hatten ihre zwei Kinder mitgebracht und so viel Gepäck, dass Alexander nicht in ihrem Wagen mitfahren konnte. Die Reisegesellschaft war durch die fünf Kinder, die Frauen in ihrer modischen Tracht, das Dienstpersonal und durch »4 Kisten«65, die Alexanders Instrumente enthielten, recht unbeweglich. Man reiste in mehreren Wagen und kam Anfang Juni in Dresden an.
Nach acht Tagen kam auch Wilhelm von Humboldt. Er verkehrte mit Körner, dem Freund Schillers, mit dem Bibliothekar und Sprachforscher Adelung und dem preußischen Gesandten, dem Grafen von Kessler, und bewunderte die Kunstschätze. Alexander aber übte sich, wie er es beabsichtigt hatte66, unter Anleitung Johann Gottfried Köhlers in der Anwendung der Instrumente und nahm regelrechte astronomische, geodätische und hypsometrische Übungen vor. Köhler stammte aus der Umgebung Dresdens; er war einer der führenden Astronomen Deutschlands. 1776 war er zum Inspektor der Vereinigten Dresdner Sammlungen, der Kunstkammer und des Mathematischen Salons ernannt worden und musste in dieser Eigenschaft auch astronomische Arbeiten ausführen. Er hatte mehrere Apparate erfunden und arbeitete mit v. Zach zusammen. Auf dem internationalen Astronomenkongress 1798 auf dem Seeberg führte er seine verbesserte Pendeluhr vor.67 In und um Dresden, Pillnitz, Königstein, Teplitz und Prag hat Humboldt mit ihm oder allein astronomische Ortsbestimmungen und barometrische Messungen durchgeführt.68 Außerdem besuchte er die Mineraliensammlung des Freiherrn Joseph Friedrich v. Racknitz, die spanische und amerikanische Mineralien enthielt.69 Vielleicht hat er in diesem Umkreis auch den Baron v. Forell, den Bruder des sächsischen Gesandten in Madrid, kennengelernt, der ebenfalls eine vorzügliche Gesteinssammlung besaß. Jedenfalls gab es damals gute Verbindungen von Dresden nach Madrid. Sie sollten für ihn einmal sehr wichtig werden.
Zwischendurch reiste er von Dresden nach Freiberg – mit ängstlichen Gefühlen, da er befürchtete, in seinem Gedächtnis vielleicht ein zu schönes Phantasiebild der vergangenen Zeit bewahrt zu haben. Doch Freiberg, seine Landschaft und seine Gruben hatten sich nicht entzaubert, als er sie und seinen verehrten Lehrer Werner wiedersah, mit dem er nochmals persönlich über die Entstehung der Vulkane sprach. Der Vulkanismusstreit konnte durch Beobachtungen in anderen Ländern vielleicht entschieden werden, und es spricht für Humboldt, dass er seiner Reise möglichst viel zumutete und auch an die Lösung dieser Frage dachte, der er schon am Vesuv, am Stromboli und Ätna nachgehen wollte.70
Von Freiberg reiste Humboldt nach Marienberg weiter, um dort Freiesleben zu treffen. Er übergab ihm, der nun als Bergassessor Dienst tat, die Materialien seines späteren Werks Ueber die unterirdischen Gasarten … zur Bearbeitung71, da er selbst dazu zeitlich nicht in der Lage war. Er hatte nur den Plan des Ganzen bestimmen und die unterirdische Meteorologie selbst bearbeiten können.72 Darin zeigt sich sein Wille, jetzt vor allem an die westindische Reise zu denken und die literarischen Arbeiten möglichst abzuschließen. Darum ließ er auch einen Kasten mit Manuskripten als »Catalecta phytologica« und über »Physik der Welt« [= Erde] bei Körner zurück. Es waren Vorarbeiten zu seiner Geschichte der Pflanzen und die ersten Ausführungen seiner »idée d’une physique du monde«, erste Schritte auf dem Wege zur Physikalischen Geographie.73 So konnte er sich neben den Reisevorbereitungen vor allem auf den Abschluss der umfangreichen »Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser« konzentrieren. Humboldt war sehr tätig, ohne den geselligen Verkehr am Hof und bei Körner zu vernachlässigen. In Dresden wurde die Erbschaft von Kunth geteilt. Alexander erhielt etwa 90 000 Taler und war damit im heutigen Sinne Millionär.74
Da Caroline v. Humboldt wieder erkrankt war, verzögerte sich der Aufbruch. Alexander war ungeduldig geworden, die Italienfahrt sollte als Vorspiel einer großen Reise verwirklicht werden, aber er wusste noch nicht wann und wie. Die Napoleonischen Kriege ließen Schlimmes befürchten. So brach Alexander am 25. Juli 1797 von Dresden über Teplitz und Prag nach Wien auf und eilte der Familie seines Bruders voraus, mit Beobachtungen, in Prag auch mit Messungen beschäftigt.
6. AUFENTHALT IN WIEN 1797
Prof. Barth, »das genialischste Wesen in ganz Wien«
In Wien öffnete sich ihm schon zum zweiten Mal der städtische Mittelpunkt Deutschlands. Hier hatte eine Atmosphäre des Ausgleichs Gelehrte verschiedenster Nationalität vereinigt. Humboldt kannte ihre Werke und gewann jetzt ihre Freundschaft. Schon 1792 hatte er in Wien »weit mehr Gutmüthigkeit und ächte Humanität als in Berlin« gefunden und damit selbst die wahren Gründe bezeichnet75, die ihn die deutsche Weltstadt der Zeit verehren ließen.
Besuche bei Gelehrten, Experimente und schriftstellerische Arbeiten ließen Alexander kaum Zeit, sich den Haeftens zu widmen, die mit ihren beiden Kindern mehr für sich lebten. Haeften muss damals gefühlt haben, dass er dem Freund unter Umständen sogar lästig fallen konnte.76 Dieser verkehrte mit dem berühmten Mediziner und Naturwissenschaftler, dem »Malteser« Prof. Joseph Barth77, mit dem Arzt und Botaniker Nikolaus Thomas Host, mit dem Arzt und Chemiker Johann Baptist Andreas Ritter v. Scherer, dem Mediziner Johann Peter Frank, den beiden Jacquin, Franz Boos, dem jungen Josef van der Schot und vielen anderen.
In Barth verehrte Humboldt »das genialischste Wesen in ganz Wien«.78 Sein Erfindungsreichtum, seine kauzige Art, seine Opferwilligkeit, sein Kunstverstand, seine anatomischen Kenntnisse hatten eine schwer zu beschreibende Harmonie erreicht und bestimmten den Charakter seiner Genialität. Barth war in Malta geboren worden, begann dort auch seine anatomischen Studien, die er später in Rom fortsetzte. Mit dem Kommandeur des Malteserordens kam er nach Wien, wurde dort einer der berühmtesten Augenärzte seiner Zeit und behandelte auch Kaiser Joseph II. erfolgreich. Den Bau des ersten anatomischen Theaters in Wien unterstützte er durch das Opfer seiner Bibliothek. Arme behandelte er kostenlos. In seiner Wohnung befanden sich kostbare antike Kunstschätze, Götterbilder, auch der berühmte Torso Ilioneus, den er dereinst in Prag, wo er auf einer Kegelbahn zum Schutz des Kegeljungen diente, für eine geringe Summe erwarb und dann 1815 für 6 000 Dukaten an den Kronprinzen Ludwig von Bayern verkaufte. Kein Wunder, dass Alexander sich oft mit ihm besprach und seine erstaunliche Kollektion von Zeichnungen der mikroskopischen Angiologie, »welche alles übertreffen, was ich je in diesem Fache gesehen«79, bewunderte oder seine hervorragende Sammlung mikroskopischer Präparate, von denen er nicht eins herausgab. Das alles hatte Barth, genial und lässig, in einem Raum untergebracht, aber doch so, wie auch Alexander zugeben musste, dass nichts verderben konnte. Sein Reichtum gestattete ihm, seine Schätze zu hüten und zu mehren, ohne dass er an ihre Verwertung zu denken brauchte. Alexander hätte gern die Veröffentlichung der vielen Zeichnungen gesehen, es war vergeblich. Barth war berühmt und bedurfte weiteren Ruhmes nicht. Er lief meist halbnackt herum und konstruierte gerade einen Hut, der sich durch das Ziehen einer Schnur in einen Regenschirm von drei Fuß Durchmesser verwandeln sollte. »Alles, was an ihm und um ihn ist, hat das sonderbare Gepräge seiner Empfindsamkeit. So trägt er eine Weste mit Aermeln, die sich in Beinkleider und Strümpfe verlängert. Er steckt darin wie in einem Futteral. Er ißt nur einmal des Tages und zwar nachts um 10 Uhr, um sich nicht (wie er sagt) mit dem Essen im Leibe herumzutragen, was sehr ermüdend und lästig sei.« Die neue antiphlogistische Chemie und die letzten Fortschritte der Physiologie kannte in Wien niemand so wie Barth, der damals meist mit Humboldts engem Freund, dem Universitätsgärtner Josef van der Schot, verkehrte.
Johann Peter Frank, einer der bekanntesten Mediziner seiner Zeit, behandelte auch Caroline v. Humboldt während ihres Aufenthaltes in Wien, und Alexander bekannte, dass er dessen »Klinikum mehrere Wochen lang besucht, bloß um den alten Frank näher kennen zu lernen.«80 Er gestand, selten habe ein Mann solchen Eindruck auf ihn gemacht. »Welche Klarheit der Ideen, Besonnenheit und Gründlichkeit bei dem sichtbarsten Aufblitzen des Genies!« Frank war 1784 Baldingers Nachfolger in Göttingen geworden, und wenn es ihm damals möglich gewesen wäre, die Klinik nach seinem Wunsche einzurichten, hätte Alexander ihn wahrscheinlich schon an der Georgia Augusta kennengelernt. So war er auf Drängen Voltas und Scarpas von Kaunitz nach Pavia berufen worden, zehn Jahre später, 1795, war er erst nach Wien gekommen. Humboldt konnte ihn immer nur kurz sehen oder sprechen, da er nach einem genauen Zeitplan lebte.
7. SCHÖNBRUNN UND DIE ÖSTERREICHISCHEN
FORSCHUNGSREISENDEN
Österreich kommt um einen Bonpland
Alexander beschäftigte sich indessen mit seinem Manuskript über die gereizte Muskel- und Nervenfaser und bereitete sich weiter auf die Reise nach Westindien vor. Mehrere Tatsachen wirkten zusammen, um ihn in diesem Reiseziel zu bestärken:
Böhtlingk, der Freund aus Hamburg, sei nach Wien gekommen, schrieb er Freiesleben, und sei noch fest gesonnen, mit ihm »nach Westindien« zu gehen. »Wir denken, über Spanien und Teneriffa die Reise anzutreten. Er hat 40 000 Rubel Einkünfte.«81 Sodann konnten der ältere Jacquin und Franz Boos Humboldt nun persönlich von Westindien erzählen. In den gepflegten und modern angelegten Gewächshäusern Schönbrunns sah Alexander eine ungeahnt große Zahl westindischer Pflanzen82, die seine Phantasie wieder in die schon längst gewählte Richtung lenkten. Die Verdienste der österreichischen Forscher ließen sich jetzt an der Quelle feststellen und vermittelten Humboldt das Verständnis für eine der größten Unternehmungen der Geschichte der Reisen.83
Der Garten von Schönbrunn war 1753 auf Anregung Gerhard van Swietens, des wissenschaftlich sehr einflussreichen Leibarztes der Kaiserin Maria-Theresia, von dem holländischen Hortologen Adrian van Stekhoven eingerichtet worden.84 Die Regenten bekundeten stets Interesse und Opferwillen, wenn es um den Ausbau Schönbrunns ging. Die Vervollständigung des Gartens war daher zwischen 1756 und 1822 Anlass zu neun österreichischen Expeditionen85, die Pflanzen sammelten und andere wissenschaftliche Aufgaben durchführten.
Westindien, die Inselwelt der Großen und Kleinen Antillen sowie die an das Karibische Meer grenzenden Länder waren nach den Fahrten des Kolumbus bald die bekanntesten Landschaften der Neuen Welt geworden. Bukanier und Flibustier hatten das karibische Areal besonders gut kennengelernt und in Schilderungen dargestellt. Die Spanier hatten ihre Besitzungen zum ersten großen Gebiet der kolonialen Plantagenwirtschaft auf der Grundlage der Sklavenarbeit entwickelt, und spanische und englische Reisende hatten die Erforschung eingeleitet. Nikolaus Joseph Jacquin hatte die großen Reisen Österreichs eröffnet und z. B. auch den Plan einer österreichischen Koloniengründung durch ein Programm unterstützt.86 Ihm war es zu verdanken, dass der Blick auch in Zukunft nach Westindien gerichtet blieb. Humboldt kannte die österreichischen Expeditionen und berief sich noch später auf einige von ihnen.87 Er besprach sich oft mit den beiden Jacquin und arbeitete mit Franz Boos, der von 1783–1827 den Schönbrunner Garten leitete, zusammen.88
Den jungen Josef van der Schot, der den Universitätsgarten am Rennweg von 1794–1802 beaufsichtigte, zählte er zu seinen intimsten Freunden überhaupt. Durch den Briefwechsel mit ihm wissen wir, dass er Franz Boos sehr verehrte. Van der Schot aber war der Sohn des gleichnamigen Reisebegleiters des älteren Jacquin.89 Während Humboldt sich in Wien aufhielt, beauftragte ihn der Kaiser mit einer Reise nach Brasilien.90 Alexander schrieb darüber an Freiesleben: »Ich habe (ein Geheimniß) hier die Hoffnung, fast Zusicherung, einen herrlichen Reisegefährten zu erhalten, den jungen van der Schot, einen herrlichen jungen Mann von großer botanischer Gelehrsamkeit und edlem Charakter. Er ist botanischer Gärtner hier, der Kaiser wird ihn reisen lassen, und ich schließe mich an diese Expedition an. Preise mich deshalb glücklich … Das Rindvieh [hiesiger Mineralogen] habe ich wenig gesehen, da ich meist in Schönbrunn und mit van der Schot lebte, um mich auf meine Reise zu präpariren.«91 Als sich dieser Plan infolge der Napoleonischen Kriege zerschlug, wollte sich van der Schot seinerseits der Reise Humboldts anschließen. Insofern hat KRONFELD recht, dass Österreich um einen Bonpland gekommen ist.92
Die spezielle botanische und länderkundliche Vorbereitung Alexanders in Richtung auf Westindien wurde in Wien vollendet.93 Jacquin hatte als hervorragender Beobachter nicht etwa nur botanisch-systematisch gearbeitet, sondern wertvolle Erkenntnisse z. B. über die Mangrovenvegetation mit zurückgebracht. Dazu war er ein geschulter Zeichner; denn er gehörte zu den Schülern der k. k. Zeichenakademie in Wien. Die Wiener Gelehrten hatten mit als erste überhaupt die Frage der Pflanzenerhaltung auf Expeditionen durchdacht. Verluste ließen sich aber nicht gänzlich vermeiden. Man musste Zeichner sein. So sind die Illustrationen der großen Prachtwerke Jacquins entstanden, und Hunderte von Zeichnungen94, die Humboldt noch vorgelegen haben.
Hier öffnet sich auch der Blick für die wichtige Frage nach den Beziehungen Humboldts zu Thaddäus Haenke (vgl. unten S. 258 ff.). Nikolaus Jacquin war neben Ignaz v. Born der wichtigste Lehrer von Thaddäus Haenke, d. h. eines der bedeutendsten Reisenden auf der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert.95 Humboldt kannte Malaspinas Expedition und erhielt nun wichtige Mitteilungen über Haenkes Teilnahme und Ergebnisse, die er später noch ergänzen konnte. Jedenfalls wusste Humboldt vor Antritt seiner Reise sehr viel von Haenke, vor allem auch, dass er noch in Südamerika weilte.96 J. H. Zöllner hatte erstmals auf ihn hingewiesen.
Wenn Alexander später von Josef van der Schot sprach, hob er gern seine enge Freundschaft zu ihm hervor und nannte ihn den »jungen brasilianischen Reisenden«.97 Aus seinen Mitteilungen soll sich nach der Übersetzung Hauffs ergeben, Baudin habe seinen »Freund, den jungen Botaniker van der Schot, nach Brasilien gebracht …«98 In Wirklichkeit hat Humboldt in seiner Relation historique geschrieben: »Ich hatte wenig Zutrauen zu dem persönlichen Charakter des Kapitäns Baudin, der dem Wiener Hof Ursache zur Unzufriedenheit gegeben hatte, als er beauftragt war, einen meiner Freunde, den jungen Botaniker van der Schot, nach Brasilien zu führen«99 – mehr lässt sich darüber nicht in Erfahrung bringen. Aus dieser Formulierung lässt sich ein Brasilien-Aufenthalt des Wiener Botanikers nicht ohne Weiteres ableiten.100 Van der Schots Berichte über Baudin waren gewiss eindeutig, und Franz Boos’ Erzählungen dürften dieses recht eigenartige Charakterbild noch abgerundet haben: 1785–1788 hatten Boos und Scholl im Auftrag des Kaisers mit großem Erfolg im südlichen Afrika, auf Inseln der Maskarenengruppe und auf Madagaskar gearbeitet. Boos hatte 1788 heimkehren können. Scholl hatte zurückbleiben müssen, da sich nicht alle Schätze auf Baudins Schiff unterbringen ließen, das sie in Triest entladen sollte.101 Am 28. Juni 1794 hatte Scholl das falsche Spiel Baudins enthüllt, der anstatt »Curiosités naturelles vor seine kayserliche Majestät in Indien« zu sammeln, Sklavenfracht an Bord genommen hatte. Er ließ sogar seine Fregatte auf Sand laufen, um seine »Ware« schneller absetzen zu können. Baudin betrog damit den Kaiser um eine beträchtliche Summe Geldes und Scholl um die Hoffnung baldiger Heimkehr.102 Erst 1799 konnte dieser auf einem englischen Schiff zurückfahren und sich in Wien melden, nachdem man ihm vorher noch in London einen Teil seiner Schätze widerrechtlich abgenommen hatte.103 Einen ebenso bedenklichen Streich leistete sich Baudin 1796, als er aus Westindien zurückkam und die Sammlungen, die rechtmäßig Österreich gehörten, dem französischen Direktorium anbot, das ihn dafür zum Kapitän ernannte und schließlich mit einer großen Expedition betraute, die auch für Humboldt wichtig werden sollte.104