Thubano war völlig überrascht. Galon konnte nicht älter sein als er.
„Wie alt bist du?“, fragte er.
Galon atmete tief ein, breitete seine großen Flügel aus und klopfte sich stolz auf die gewölbte Brust.
„Ich bin acht Sommer alt“, sagte er selbstbewusst. „Acht Sommer? Dann bist du ja jünger als ich! Und du kannst schon fliegen?“, staunte Thubano.
„Natürlich. Alle jungen Drachen, die ihren ersten Sommer hinter sich haben, lernen das Fliegen.“
Thubano war wie vor den Kopf geschlagen.
„Ich kann noch nicht fliegen“, druckste er verlegen herum.
„Oh“, meinte Galon überrascht. Er musterte Thubano von Kopf bis Fuß. Seine Augen verweilten ziemlich lange auf Thubanos Flügeln: „Ja, wirklich, deine Flügel sind tatsächlich seltsam klein. Wie alt bist du?“
„Neun Herbste!“
„Oh, nun ... da ... nun, da musst du mal mit deinen Eltern reden. Ich muss jetzt weiter. Mach's gut!”
Thubano konnte Galon nur noch traurig hinterher blicken, dann war der fremde Drache auch schon wieder fortgeflogen.
„Alle jungen Drachen können fliegen“, hallte es in seinem Kopf. „Alle Drachen? Alle Drachen, die ihren ersten Sommer hinter sich gebracht haben? Das kann nicht sein. Mutter sagt, dass alle Drachen Zeit brauchen, bis sie fliegen können!“
Thubano pflückte ein Gänseblümchen von der Wiese, roch gedankenlos daran und warf es dann achtlos weg. Eilig machte er sich auf den Weg zur Drachenhöhle. Er wollte sofort erfahren, warum er nicht fliegen konnte.
„Thubano! Was machst du schon so früh zu Hause?“, rief seine Mutter erstaunt, als er den nackten Felsen vor der Drachenhöhle hinaufgeklettert war.
Thubano schaute von seiner Mutter zu seinem Vater, presste die Lippen zusammen und fragte trotzig: „Sagt mir, warum ich noch nicht fliegen kann!“
„Mein Junge“, sagte seine Mutter, „es braucht Zeit. Alle Drachen brauchen Zeit!“
Der Drachenvater warf ihr einen verzagten Blick zu und seufzte.
„Still, Molda. Wir haben nun lange genug geschwiegen und nicht die Wahrheit gesagt. Es war doch von Anfang an klar, dass er es einmal herausfinden würde. Komm, mein Sohn. Es wird Zeit, dir etwas zu sagen.“
Gemeinsam verließen sie die Höhle. Krowál war der Meinung, dass man sich beim Gehen am besten unterhalten konnte.
„Es ist nun schon neun Herbste her. Es war eine fabelhafte Nacht, goldrichtig, um einen kleinen Prinzen wie dich willkommen zu heißen. Es war übrigens auch die letzte Sommernacht in jenem Jahr. Wenn nun kleine Drachen unserer Art geboren werden, haben sie zarte, aber ausgebildete Schwingen. Zwar dauert es noch eine Weile, aber nach zwei Monden haben sie die Kraft sie auch zu benützen. Du hattest kleine Flügel, die selbst mit deinem Größerwerden nicht wuchsen. Zuerst glaubten wir, dass es mit der Zeit besser würde, doch dann gaben wir die Hoffnung auf. Wir haben uns auch bei den wichtigsten Kapazitäten erkundigt, aber niemand wusste Rat. Ich fürchte, du wirst nie fliegen können!“