Kitabı oku: «Sündige Herrschaft», sayfa 3

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»Was willst du denn bei ihm?«, fragte ich ungehalten.

»Er ist doch Magier, mal sehen, was er anzubieten hat.« Ich verdrehte nur meine Augen, nickte aber und trat vor das Gasthaus.

Auch der Reisende trat hinaus und nickte mir zu.

»Welch gute Gelegenheit, Euch bekannt zu machen«, erhob ich das Wort, »das ist der Reisende, der sich dieser Tage im Gasthaus befindet, Asanael Willebracht Ruhin. Die Markgrafen Wogar und Moi’ra, und das ist meine Partnerin.«

»Yana Abendstern«, stellte sie sich persönlich vor, »von der Schule der Hervorrufung und Beschwörung zu Ustan.«

»Sehr angenehm«, neigte Asanael kurz angebunden den Kopf.

»Gebietet es nicht die Etikette«, erinnerte ihn Yana förmlich, »sich mit seiner Schule vorzustellen?«

Betroffen räusperte sich der alte Mann.

»Nun, ich bin vom Orden der Weisen Männer zu Uben Aluk.«

Genau in diesem Moment erschien Shirkan um die Gasthausecke. Auf seinem Stock gestützt flanierte er auf uns zu.

»Na, wen man nicht so alles trifft«, schwatzte der Rakshasa, »auf einem Spaziergang durch die Stadt. Was habe ich da gehört? Uben Aluk? Wo liegt denn dieser Ort?«

»Ich glaube nicht, dass Ihr die Gegend kennt«, versuchte der angesprochene Magier der Frage auszuweichen.

»Unüberhörbar ein Gebiet, dass ich bisher gemieden habe«, maunzte Shirkan herablassend, »wenn dort kein Benehmen in die Worte gelegt wird.«

»Ich sage meine Meinung lediglich ehrlich heraus.«

»Von Ehrlichkeit habe ich bislang wenig gehört, aber sagt, kennt man in Eurem Land keine guten Schneider? Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich Euch mit einem Landstreicher verwechselt.«

Ich amüsierte mich köstlich über die Sticheleien, worin der herausgeputzte Shirkan wahrlich ein Meister war. Als die Wogen immer höher schlugen, erhob ich meine Stimme.

»Meine Herren, wir sollten einen angenehmeren Ort für unsere Konversation aufsuchen, als die Straße. Shirkan, Ihr kennt doch sicherlich eine passende Lokalität.«

»Nja«, schnurrte der Kater, »für so edle Gäste ist der Grüne Wyrm hervorragend geeignet.«

Auf dem Weg zum Lokal herrschte eine angespannte Ruhe, die erst von den bereits in der Taverne befindlichen Gästen unterbrochen wurde. Sofort eilte der etwas rundliche Wirt auf uns zu. Seine Kleidung war ordentlich und vom guten Stoff, was für die bessere Stellung der Schenke sprach.

»Ehrenwerte Gäste, nehmt doch hier Platz, das ist der beste Tisch in meinem bescheidenen Haus.« Schnell wischte der Wirt mit einem Tusch über das dunkle Holz. »Mein Name ist Justus Grunewald, ich bin der Wirt vom Grünen Wyrm.«

Soweit ich die Getränke der anderen Gäste überblicken konnte, gab es primär Bier zu trinken.

»Wir möchten Bier in großen Humpen«, orderte ich. »Und natürlich Eure bekannten Waldfrüchte probieren.«

»Sehr wohl, Markgräfin«, grinsend betrachtete er mich und meine Begleiterin.

»Der Rakshasa zahlt für sich selbst!«, grölte Wogar und lachte. »Orkscherz!« Der Halbork hatte seinen Spaß und Shirkan bedachte ihn mit einem eindeutig abwertenden Blick.

Wir verteilten uns um den Tisch, Yanas Beine baumelten über den meinen und ich hielt ihre Taille mit der linken Hand fest, um eine Hand für den Krug frei zu haben, der eifrig auf den Tisch gestellt wurde. Eine kleine Schale mit erlesenen Waldfrüchten gesellte sich dazu. Das Bier war würzig und rann wohlschmeckend über meine Zunge.

»Shirkan«, sprach ich den Magier an, »wie ich bei meinem ersten Gang durch die Stadt erfahren habe, lassen die Besuche von Abenteurern zu wünschen übrig. Ihr seid doch an den Verkäufen in den Läden für Abenteurerausstattung beteiligt. Es liegt also in unserem gemeinsamen Interesse, für mehr Abenteurer in der Stadt zu sorgen.«

»Ich fürchte, der Krieg im Westen wird so schnell keine neuen Abenteurer in die Stadt bringen, Markgräfin. Aber vereinzelt finden sich ja Unwissende.« Bei seinen Worten sah er Asanael hämisch an.

Als sich der weise Mann nur nachdenklich über den langen Bart fuhr, setzte der Rakshasa in seiner gepflegten Pracht seine Sticheleien fort.

»Fand sich keine Schere, um dieses grässlich wuchernde Haar im Gesicht zu stutzen?« Stolz zwirbelten zwei Klauen die eigenen Schnurrbarthaare.

Ein Wortgefecht zwischen den beiden entbrannte, dem ich nicht weiter meine Aufmerksamkeit schenkte. Als beide wieder zur Ruhe kamen, versuchte ich, dem Stadtmagier weitere Informationen zu entlocken.

»Was gibt es denn in Eurem Turm alles zu sehen?«

»Ich gewähre niemanden Zutritt zu meinem Turm«, winkte Shirkan ab, »auch nicht der Markgräfin. Aber wenn Ihr mir sagt, wonach Ihr sucht, bin ich gerne bereit, Eure Wünsche zu erfüllen.«

»Was hat es mit der Zwergenbinge auf sich?«, sprach Wogar den Rakshasa an. »Sie ist verschlossen, so wurde uns berichtet, und lässt sich durch nichts öffnen.«

»Das ist nicht ganz korrekt. Ein starker Zauber bewahrt die Tore vor jedwedem Schaden, denn es handelt sich dabei um ein ›Ding-Tor‹. Nur ein speziell dafür angefertigter Gegenstand, ein Ding, kann das Tor öffnen und erlaubt seinem Träger, die Zwergenbinge zu betreten.«

Überheblich wischte er eine Kralle an seinem Rock sauber, betrachtete das Ergebnis und sah dann wieder zu uns.

»Ich kenne den vermutlichen Ort des Dings«, säuselte er süffisant.

»Nennt Euren Preis!«, knurrte ich.

»Fünfzehntausend Goldmünzen«, schnurrte der Rakshasa blasiert, »und ich werde Euch zur Zwinge begleiten, wenn der Gegenstand in Eurem Besitz ist.«

»Huh«, machte Wogar, »ein ganz schönes Sümmchen, nur für eine Information.«

»Der Preis ist nicht verhandelbar«, die rechte Tatze unterstrich seine Forderung.

»Wir werden uns das Angebot überlegen«, gab ich dem Rakshasa zu verstehen.

»Ruft nach mir, wann immer es Euch genehm ist«, verneigte sich unser selbstgefälliger Gast und zog sich höflich zurück.

»Und wie sieht es mit Euch aus, Asanael?«, erkundigte ich mich bei unserem zweiten Gast.

»Diese Binge scheint ausgesprochen interessante Geheimnisse zu verbergen. Einer näheren Untersuchung wäre ich nicht abgeneigt. Im Gegensatz zu Shirkan bin ich jedoch nicht an Bezahlung oder Schätze interessiert. Das Wissen interessiert mich.«

»Das höre ich gerne, aber wir sollten nicht sofort aufbrechen. Dennoch bin ich bereit, das Wagnis einzugehen und die Information zu kaufen, was immer sich auch dort verbirgt.«

»Genau«, gähnte Wogar, »doch heute ist es schon spät. Lasst uns schlafen gehen.« Etwas neidisch sah er Yana an, deren Hand sanft entlang meiner Taille streichelte.

Gemeinsam gingen wir ein Stück durch die Straßen, dann wandte sich Asanael seinem Gasthaus zu. Die Burg war bald darauf erreicht und ich fiel mit Yana in einen sanften Schlaf.

Zunächst verlief die Nacht ruhig, dann hörte ich einen grellen Schmerzensschrei durch den Ort hallen und schreckte auf. Ich sah hinaus und hatte einen guten Überblick auf die Stadt. Fackeln eilten durch die dunklen Gassen. Yana schlief, während ihr Kater mich mit seinen reflektierenden Augen beobachtete. Leise ging ich auf den Flur und traf dort auf Moi’ra und Wogar. Auch sie hatten den Schrei gehört. Wir gingen hinaus. Das Tor war geschlossen, während Lanzenträger auf der Brüstung Wache hielten.

»Was ist geschehen? Macht Meldung!«, verlangte ich herrisch von dem nächstbesten Wachmann.

»Herrin, wir hörten einen Schrei aus der Stadt. Hauptmann Umbold befahl uns, die Tore zu schließen und ist selbst in die Stadt hinaus.«

»Gut. Lasst unsere Reittiere satteln, wir werden uns selbst ein Bild von der Situation machen!«

»Sofort, Herrin.« Der Mann bemühte sich, seinem Befehl nachzukommen.

Kurz darauf befanden wir uns auf den Rücken unserer Reittiere und stoben hinab in den Ort. Noch auf dem Weg stärkte ich mich für eine mögliche Auseinandersetzung durch die Kräfte des Abgrundes. Das spürbare Pochen in den Muskeln gab mir für kurze Zeit nicht nur körperliche Kraft. Ich fühlte mich auch überlegen.

Mehrere Gardisten bewegten sich in kleinen Gruppen mit Fackeln durch die Gassen. Ich hielt neben drei Männern und sah von Gargarhaykal auf sie hinab.

»Wo ist Hauptmann Umbold?«, verlangte ich zu wissen.

»Beim Haus des Tischlers. Von dort kam der Schrei.« Eifrig zeigte die Wache ins Stadtinnere.

»Bringt uns dorthin!«, befahl ich der kleinen Gruppe und sie nickten gehorsam, marschierten voraus und wir folgten in langsamen Schritt.

Am Haus des Tischlers angekommen sahen wir den Hauptmann neben einem ausgestreckt auf dem Boden liegenden Toten stehen. Der Leichnam hielt noch eine große Holzfälleraxt in der Hand und war übersät von Wunden, die ihm scharfe Klauen zugefügt hatten. Holzsplitter verteilten sich bei der Haustüre, die gewaltsam aufgebrochen worden war.

»Gebt einen kurzen Bericht, Hauptmann!«, wies ich Umbold an, während ich geschmeidig von dem Egniaygir abstieg.

»Herrin«, neigte er sein Haupt, »als unser Trupp hier eingetroffen ist, fanden wir den Tischler bereits an seinen Wunden erlegen. Ich mag mich irren, denn das Licht war sehr schwach, aber ich glaube, einen Ork gesehen zu haben, der in die Gassen floh. Ein Schwarzpelz, nur schwer zu erkennen in den Schatten der Nacht.«

Wogar führte sein Reittier an die Leiche heran, wo es laut schnüffelte, sich aber auf keine Spur einigen konnte. Seine Düsterdogge schnaufte noch mehrmals und knabberte gelangweilt an der freien Hand des Erschlagenen.

»Nicht jetzt«, herrschte Wogar das Tier an und zog scharf an den Zügeln.

»Hauptmann«, lenkte ich dessen Aufmerksamkeit auf mich, »lasst die Wachen feststellen, ob etwas entwendet wurde, nicht nur beim Tischler, sondern in der ganzen Stadt.«

Ich selbst folgte Umbold in das Haus. Umgestürzte Stühle und zerbrochene Tongefäße waren ein deutliches Zeichen für einen heftigen Kampf. Blutspritzer verteilten sich auf dem Boden. Ich ging die Treppen hinauf und gelangte in das Schlafzimmer, wo sich ebenfalls Blutspuren befanden. An verschiedenen Stellen kniete ich nieder und nahm etwas Blut auf meinen Finger, schleckte daran und war mir schnell sicher, dass hier unterschiedliches Blut geflossen war.

»Der Tischler muss seine Familie verteidigt haben«, erklärte ich meinen Gefährten, »denn hier haben weitere Menschen ihr Blut verloren, doch ihre Leichen sind fort.«

»Zur Familie des Tischlers zählte seine Frau und seine zwei Kinder«, berichtete der Hauptmann.

»Gib meinem Blutross eine Probe von ihrem Blut, Crish«, machte Moi’ra den Vorschlag, »vielleicht kann er der Spur folgen.«

Kaum hatte das Blutross an dem Blut geschmeckt, zog es uns durch die Gassen einer unsichtbaren Fährte folgend zum Palisadenzaun. Dort hielt es an und starrte direkt auf die Holzwand.

»Wartet, ich werde auf der anderen Seite nach der Fährte suchen«, und schon trieb Moi’ra ihr Reittier auf das Tor zu.

Nur wenige Minuten später kam sie zu uns zurück und schüttelte enttäuscht den Kopf.

»Ich konnte zwar die Fährte aufnehmen«, berichtete sie, »doch im nahen Wald verlor sich die Spur völlig.«

Unruhig zappelte Wogar auf der Dogge hin und her. Mit einem Satz kletterte das Tier senkrecht an der Wand hoch und hielt auf einen Wachturm am Tor zu.

»Es befindet sich keine Wache hier oben«, rief er zu uns hinab, »dafür aber frische Blutflecken. Jetzt ist guter Rat angebracht.«

»Wir haben doch einen schlauen Gast in der Stadt«, erwähnte ich den Reisenden, »kommt, gehen wir ihn wecken.«

Im Galopp erreichten wir schnell das Gasthaus und klopften lautstark gegen die Zimmertüre. Noch wesentlich lauter tönte ein ausgelöster, magischer Alarm. Ziemlich verschlafen öffnete Asanael.

»Kommt mit, wir haben etwas, das Ihr besser mit eigenen Augen begutachten solltet. Und wenn Ihr darüber schon etwas in anderen Ländern gehört habt, so wären wir über diese Information sehr dankbar«, erklärte ich in knappen Worten.

»Dann lasst mich noch schnell etwas Passendes anziehen«, bat er in seiner ruhigen Art. Kurz darauf stand er vor dem Gasthaus unseren Reittieren gegenüber.

»Kommt, steigt auf«, bot ich ihm an, auf den Rücken von Gargarhaykal Platz zu nehmen, wohl wissend, dass er ihn nicht dulden würde, »dann sind wir schneller am Ort des Geschehens.«

Ob es das lodernde Feuer der Hufe war oder der Blutgeruch, den das letzte Mahl hinterlassen hatte: beim Anblick unserer Reittiere sträubten sich dem Gelehrten sichtbar die Haare.

»Nein, danke«, wies er voller Abscheu und doch um Höflichkeit bemüht mein Angebot zurück, »ich gehe lieber zu Fuß.«

Während des Weges achtete Asanael sehr darauf, genug Abstand zwischen sich und den Tieren zu halten.

Sehr ausgiebig widmete er sich dann der Begutachtung des Tatortes.

Wogar untersuchte in der Zeit die Leiche des Tischlers.

»Klauen wie bei wilden Tieren«, murmelte er seine Erkenntnisse, legte dabei einzelne Verletzungen frei, prüfte sie mit seinen Fingern oder nahm einen Dolch zu Hilfe, »nur hatte das Wesen in etwa die Größe eines Menschen. Aber das hier ist eigenartig. So tief, wie die Wunden gehen, hätte mehr Blut fließen müssen.«

Moi’ra bückte sich und hob die Axt auf. Aus dem Augenwinkel sah ich etwas von dem Axtblatt abfallen.

»Warte«, rief ich, »da ist etwas abgefallen, leider konnte ich nicht genau sehen, wo es auf dem Boden gelandet ist.«

Ohne sich zu rühren schweifte der Blick des Mönches über den aufgewühlten Untergrund. Ich kniete mich hin und versuchte, in dem Gewirr von Steinen, Erde und Fußabdrücken etwas zu finden, wobei ich nicht wusste, wie es genau aussah. Nachdem ich mehrere Minuten lang erfolglos geblieben war, konzentrierte ich mich, berührte mit meiner Hand meine Stirn und aktivierte das dort befindliche, psionische Dritte Auge. Es schimmerte sanft grün und klärte meinen Blick für das Verborgene. Zwischen dem Dreck steckte ein nahezu schwarzer Holzsplitter, den ich vorsichtig aufnahm. An einem Ende des Splitters befand sich eine Kerbung mit Loch.

Zwischen meinen Fingern hielt ich das Fundstück hoch und rief nach dem Gelehrten.

»Die Leiche ist noch warm«, schloss Wogar seine Untersuchung ab und erhob sich, »aber tot. Sehr eigentümlich. Und was hast du gefunden, Crish?«

Alle konnten einen Blick auf den Splitter werfen, aber keiner hatte eine Vorstellung, um was es sich dabei handeln konnte.

»Vielleicht eine Schuppe, die abgeschlagen wurde«, spekulierte Moi’ra.

»Und was bedeutet das Loch«, warf ich ein, »wenn es nicht von vorn herein vorhanden war?«

»Sehen wir im Haus nach, ob sich weitere Splitter finden«, grummelte der Halbork.

Nachdem wir wussten, worauf wir achten mussten, fanden sich noch zahlreiche weitere Holzsplitter im Hauptraum, die jedoch kein Loch aufwiesen. Die Haustüre war von Innen herausgedrückt worden, was auf eine überstürzte Flucht deutete. Hinweise, wie die Angreifer unbemerkt in das Gebäude gelangt waren, fanden sich zu meinem Ärgernis nicht.

»Darf ich die Stücke kurz haben?«, bat der Gelehrte. Moi’ra musterte ihn kühl, presste ihm dann aber ein ganzes Dutzend der Splitter in die Hand. Mehrere Minuten lang konzentrierte sich Asanael, murmelte leise vor sich hin und hielt die Augen geschlossen. Als er uns wieder ansah, schüttelte er enttäuscht den Kopf.

»Anhand der Splitter konnte ich eine Verbindung zu ihren Trägern aufbauen und den Ort ihres Aufenthaltes bestimmen«, erklärte er nüchtern, »leider wird uns dieses Wissen nicht viel nutzen, denn alles, was ich berichten kann, ist, dass wir im Wald der Ostmark nach ihnen suchen müssen.«

»Und der ist groß«, fügte ich mehr an mich selbst gerichtet hinzu.

»Herrin«, näherte sich aufgeregt ein Gardist und stand vor mir stramm, »wir haben nun das ganze Stadtgebiet durchsucht und die Bevölkerung befragt. Zehn weitere Personen werden vermisst, doch nichts wurde gestohlen.«

»Hat sich schon einmal eine Entführung von solchem Ausmaß ereignet?«

»Nein, Herrin, so etwas ist in Ostmark noch nie geschehen. Zudem fanden diese Verbrechen alle nahe des Tores statt, das östlich in den Wald führt.«

»Wir müssen mehr über diese Splitter herausfinden«, forderte Moi’ra.

»Vielleicht weiß der alte Holzfäller mehr«, schlug Wogar vor, »wenn sich jemand mit Holz auskennt, dann er.«

Wir folgten dem Halbork zum Haus des alten Mannes. Es brauchte langes Klopfen, bis wir ihn aus tiefem Schlaf wecken konnten. Ohne viele Worte hielt Wogar ihm die Splitter hin.

»Könnt Ihr mir sagen, Ukar, was das für ein Holz ist?«

Bei seinen langsamen Bewegungen mühsam ächzend besah sich der Holzfäller die dargebotenen Stücke und holte ein geschliffenes Glas hervor, um Einzelheiten für seine betagten Augen zu offenbaren.

»Nein«, schüttelte er sein Haupt, »solch ein Holz habe ich noch nie gesehen.«

»Und was könnte der Grund für das Loch sein?«, deutete Wogar mit breitem Finger auf den Splitter.

»Oh, das ist einfach erklärt.« Der Holzfäller wandte sich um und ging zu einer kleinen Werkbank, hob eine Axt mühsam auf und steckte den Splitter an eine Ecke der Schneide. »Wenn ein Hieb schräg auftrifft, werden ganze Splitter abgelöst. Doch gelegentlich passiert es, dass sich ein Schlag verkeilt und das Holz durchbohrt. Jedoch, wovon das Holz abgeschlagen wurde, kann ich nicht sagen. Aber ich kenne einen Ort, wo Ihr Antwort finden könnt. Bei den Waldriesen, ihr Lager befindet sich tief im Wald und sie kennen Baum und Strauch weit besser als der alte Ukar.«

Wir dankten und ritten zum Haus des Tischlers zurück.

»Dann werden wir den Rat der Riesen einholen müssen«, sagte ich enttäuscht.

»Ich habe etwas Anderes vor, doch dafür muss ich mich vorbereiten. Ihr dort, tragt die Leiche zur Burg.« Bei seiner herrischen Stimme zuckten die von Wogar angesprochen Stadtwachen zusammen. Zu uns gewandt ergänzte er: »kommt in zwei Stunden in den Kellerraum der Burg. Dann wird der Geist des Erschlagenen mir vier Fragen beantworten!«

Neugierig näherte ich mich zur verabredeten Zeit den Kellerräumen der Burg. Manche Riten der Orks waren sehr barbarisch, insbesondere wenn menschliche Körper eine Rolle darin spielten. Rauchschwaden sammelten sich an der niedrigen Decke und reizten meine Lunge. Im schummrigen Licht flackernder Kerzen blickte ich in den Ritualraum.

Von zahlreichen Runen überzogen lag der nun kalte Körper des Verstorbenen nackt auf dem grauen Steinboden. Wogar hatte sich in der Zeit viel Mühe gemacht, seinem Gott zu gefallen. Gutturale Laute echoten durch das Gewölbe, riefen nach Buu-naa und seinem Segen und baten um ein Gespräch über die Grenzen unserer Zeit hinweg. Die noch frische Verbindung des Geistes mit seinem früheren Körper nutzte unser Kleriker, mit dem Totenreich in Kontakt zu treten.

Auf dem starren Gesicht der Leiche bildete sich ein grüner Nebel und ahmte die Mimik nach, die zu Lebzeiten Bedeutung hatte. Sie sah ärgerlich aus.

»Wer stört mich?« Von weit her und von einem Echo verzerrt erklang die Stimme des Geistes.

»Wogar, Diener des Buu-naa«, zelebrierte der Halbork mit strenger Stimme. »Du wirst meine Fragen aus den letzten Minuten deines Lebens beantworten!«

»Nenne sie mir!«, hauchte die ausdruckslose Stimme gedehnt.

»Wie sahen die Angreifer aus?«

»Schwarze Orks aus Holz.« Der knappen Antwort folgte eine kurze Pause, bis klar war, dass der Geist nicht mehr sagte.

»Wie viele waren es?«

»Drei.« Schmerzhaft rang sich der Beschworene die Zahl ab.

»Welche Waffen führten sie?«

»Sie trugen keine Waffen.«

»Haben sie sich unterhalten?«

»Hatten keine Münder, um zu sprechen.«

Das schemenhafte Gesicht verblasste und zog sich aus dieser Welt zurück.

»Na toll. Jetzt wissen wir auch nicht mehr.« Unser Mönch sprach nüchtern aus, was meine Enttäuschung verbarg.

»Lasst uns schlafen gehen. Morgen sieht alles wieder anders aus.« Mein Angebot nahmen alle gerne an. »Wir sehen uns zum Frühstück.«

Da die Nacht noch nicht vorbei war, begab ich mich in das geräumige Gemach und kuschelte mich wieder an Yana.

»Was war denn los?«, murmelte sie verschlafen.

Ich erzählte ihr von dem Überfall.

»Du kennst Dich doch in Alchimie gut aus«, deutete ich an. »Ich habe eine Blutprobe genommen, vielleicht kannst du ja etwas über die Gestalten herausfinden.«

»Dann musst du mir erst einmal helfen, mein Labor aus dem nimmervollen Beutel zu packen.«

Nach einigen Minuten hatten wir alles Notwendige aufgebaut. In Ruhe untersuchte sie die mitgebrachte Blutprobe, destillierte sie, teilte sie auf und gab den einzelnen Proben unterschiedliche Stoffe hinzu. Interessiert sah ich ihr bei der Arbeit zu, lag dabei mit dem Bauch auf dem Bett und wackelte mit meinen Füßen.

»Auch wenn ich für genauere Angaben mehr Zeit benötige«, erläuterte sie mir, »bin ich mir sicher, dass im Blut ein pflanzliches Gift enthalten ist. Sehr merkwürdig. Es hält den Körper warm und stoppt die Blutung. Das ist nicht gerade mein Fachgebiet. Der Rakshasa weiß bestimmt mehr.«

Dankbar zog ich sie in meine Arme.

»Diese Erkenntnis ist schon sehr viel. Und ich weiß auch, wie ich dir dafür danken kann.« Zärtlich küssten wir uns. Unsere Leidenschaft wuchs mit jedem Zungenschlag. Bevor der Tag begann, widmeten wir uns ausgiebig meiner befriedigenden Spruchvorbereitung.

Am Frühstückstisch hielten wir gerade unsere Besprechung ab, als der Rakshasa klopfte.

»Wie gerufen!«, meinte ich trocken.

»Ich spürte, mein Wissen würde hier gebraucht, und so machte ich mich auf den Weg durch den frischen Morgen.« Seine spitzen Ohren drehten sich leicht.

Zwischen meinen Fingernägeln hielt ich ihm den gefundenen Splitter hin. Er öffnete seine Hand, damit ich unsere Ausbeute der letzten Nacht hinein legen konnte. Aus einer kleinen Tasche zog er ein Monokel, hielt es vor seinem Auge und betrachtete das Fundstück.

Ohne Forderungen zu stellen erläuterte er seine Erkenntnisse.

»Dieser kleine Splitter gehört zu den ausgewachsenen Früchten einer Orkwaide, auch Waidling genannt. Es handelt sich um eine parasitäre Pflanze.«

Begleitet von einem kurzen Schnurren und dem Zucken seiner langen Schnurrbarthaare bildete sich eine Illusion über seiner Handfläche, um uns eine Vorstellung zu geben. Sie zeigte einen Baum mit dunklen Früchten.

»Entgegen normaler Bäume ernährt sich diese Gattung von Fleisch. Ihre Sprösslinge sind die benannten Waidlinge, deren Aussehen auf dem ersten Blick Orks gleicht. Daher auch die Verwechslung und der Name Orkwaide. Der Baum zieht weiter, wenn er satt ist. Das ist erst der Fall, wenn sich kein Leben mehr in der Nähe befindet. Es handelt sich um eine Pflanze aus den Narbenlanden, der man Herr werden muss. Sie trägt matschige Früchte in der Krone, verfügt über ein riesiges Maul und es stinkt in ihrer Nähe nach Verwesung. Dort liegen in der Regel auch die Knochen der verdauten Opfer. Das betäubende Gift der Waidlinge hält drei Stunden lang den Körper warm. Dann ist er zu kalt und nicht mehr schmackhaft für die Pflanze.«

»Wie können wir den Baum aufspüren?«, erkundigte ich mich interessiert.

»Pflanzen zeichnen sich nicht durch Intelligenz aus. Wenn Ihr eine Richtung habt, findet Ihr auch die Orkwaide. Berichten zufolge sind zwischen fünf und zwanzig Sprösslinge ständig aktiv. Sie sollten alle auf einen Schlag erwischt werden.«

»Wie empfindlich reagieren sie auf Feuer?«, kam bei mir die Frage nach ihrer Verletzbarkeit auf.

»Ihre Rinde ist sehr widerstandsfähig. Feuer schadet ihnen wie jedem anderen Wesen auch. Hinzu kommt ihre besondere Beziehung zu Holz. Die Sprösslinge können sich ungehindert durch Holz hindurch bewegen. Waffen aus Holz verletzen sie nicht. Auch Stichwaffen können ihnen keinen Schaden zufügen. Hacken und Trümmern hilft, ihre Struktur zu zerstören, so wie auch dieser Splitter von einem Beil abgeschlagen wurde. Ein Biss oder ein Hieb mit ihren Krallen überträgt das lähmende Gift. Der Getroffene fällt in einen tiefen Schlaf, damit er lebendig verzehrt werden kann. In der letzten Nacht wurden neunzehn Personen entführt. Mit der Leiche macht das genau zwanzig Waidlinge, einer für jedes Opfer.«

Bedeutungsvoll sahen wir einander an. Nun lag es an uns, die Markgrafschaft vor weiterem Übel zu bewahren. Einen solchen Schmarotzer konnten wir uns nicht in der Nähe erlauben.

Wogar und Moi’ra kümmerten sich darum, den Wachen neue Weisungen zu erteilen. Die Wachposten wurden verstärkt und mit Äxten ausgestattet. Unsere Tatkraft bestärkte das Vertrauen unserer Bevölkerung, die folgsam kleine Gruppen bildete, damit ein erneuter Angriff sofort eine Alarmierung zur Folge hätte.

In der Burg verblieben zog ich Yana zur Seite.

»Kannst du dir einen Überblick verschaffen, was um die Stadt herum passiert? So weit können die Angreifer nicht weg sein.«

»Ich werde sehen, was die Kristallkugel mir offenbart. Dazu brauche ich jedoch einiges an Zeit.«

»Der kleinste Hinweis kann entscheidend sein. Ich fürchte, wir müssen erneut auf Shirkan zurückgreifen. So arrogant wie er ist, so groß ist auch sein Wissen.«

Ohne weitere Worte küssten wir uns innig und trennten uns. In der Stadt traf ich auf die anderen Markgrafen. Gemeinsam machten wir uns zum Magierturm auf.

Unser Klopfen wurde schnell beantwortet.

»Ah!« Weiches Schnurren begleitete Shirkans Worte. »Den hohen Herren ist an weiteren Informationen gelegen.«

»Euer Wissen«, umschmeichelte ich ihn, »wird entscheidend sein, die Gefahr richtig einzuschätzen. Womit haben wir zu rechnen?«

Entgegen meiner Erwartungen begann der Rakshasa ohne finanzielle Forderungen, dafür in einer belehrenden Stimme, seine ersten Informationen auszuweiten.

»Wenn es darum geht, die Orkwaide zu beschreiben, die hier ihr Unwesen treibt, ist gigantisch noch untertrieben. Ihre schiere Größe überragt alle bisher da gewesenen Exemplare. Ihre Zöglinge ernähren sie, und sie gibt ihnen Kraft. Sie handeln zusammen, dabei vermag sie während einer einzigen Nahrungsaufnahme die Population eines kleinen Dorfes aufzunehmen. Sollte es notwendig sein, wachsen ihre Sprösslinge in zwei bis fünf Tagen nach. Aufgenommene Nahrung wird sehr schnell verdaut. Das dunkle Holz begünstigt die überwiegend nächtliche Jagd. Neben den Waidlingen sind es die Äste, von denen Gefahr ausgeht. Sie kann sie wie Tentakeln einsetzen. Jede mit der Kraft eines Baumes. Eines gewaltigen Baumes. Da es eine Pflanze ist, lässt sie sich geistig nicht beeinflussen.«

»Welche Strecken kann sie zurücklegen?«, hakte ich nach.

»Am Tag kann sie mehr Wegstrecke als ein Mensch zurücklegen. Hindernisse existieren für sie nicht und sie muss nicht ruhen. Aufzeichnungen zufolge sind Waidlinge im Umkreis von fünfzehn Tausendschritt zum Stamm gesehen worden. Es wurde auch beobachtet, wie zweiunddreißig Menschen auf einmal verschlungen wurden.«

Mit seinen Tigeraugen sah er jeden nacheinander an. Lächelnd hoben sich einige Schnurrbarthaare. Über den entblößten Fangzähnen zwirbelte er drei Haare.

»Wenn Ihr den Rat eines alten Haudegen hören wollt«, süffisant tröpfelten seine Worte dahin. Es war keine Frage. Dennoch lächelte ich dankbar.

»Lasst die kleinen Waidlinge kommen«, empfahl er blasiert. »Vernichtet sie als erstes und nutzt die Zeit, bis neue nachgewachsen sind, um den Stamm zu finden und zu zerschlagen.«

»Habt Dank für den ausführlichen Rat«, beendete ich unsere Unterredung, »es wird für uns Zeit, Vorbereitungen für die Nacht zu treffen.«

Nach einer kurzen Verneigung schloss Shirkan die Türe zu seinem Turm. Ich mochte ihn nicht, aber er war nützlich.

Der Stadtwache wurde der Befehl erteilt, in kleinen Gruppen entlang der Holzpalisaden auf Streife zu gehen. Kein Einwohner durfte sich allein in der Stadt aufhalten. Wer sich nicht daran hielt, würde von uns bestraft werden. Und sobald jemand auf die schwarzen Orks traf, sollten sie schreien. Je eher und je lauter sie schrieen, umso schneller eilten wir zur Hilfe. Die Bevölkerung schien davon angetan, dass sich ihre Herren persönlich um ihr Wohl kümmerten.

In der Burg suchte ich Yana auf. Sie wirkte enttäuscht und erschreckt zugleich.

»Was ist, meine Liebste? Konntest du den Baum ausmachen?«

»Nein, aber damit habe ich auch nicht gerechnet. Die Kugel der Ausspähung kann nur benannte Personen finden, keine Pflanzen. Anhand der Karten habe ich dann den Ort östlich von uns angesehen, Mithol.« Sie sah mich mit großen Augen an und flüsterte: »er existiert nicht mehr.«

Verwirrt erwiderte ich den Blick.

»Ist er verwüstet? Gab es einen Angriff?«

»Nein, als ich ihn zum ersten Mal erblickte, erschien er mir völlig unberührt. Dann bemerkte ich, dass sich niemand in dem Ort bewegte. Er wirkt verlassen, ausgestorben. Nicht einmal Tiere blieben zurück.« Sie atmete tief ein. »Dort hat nichts überlebt.«

In meinen Gedanken ging ich die Informationen über den Ort durch. Mehrere Hundert Menschen lebten dort.

»Nein, ihr könnt hier nicht einfach so herein!« Die verzweifelte Stimme einer der Wachen tönte vom Eingang zu uns herüber. Stimmengewirr zeugte von einigem Tumult vor dem Tor. Leicht schwankend kam eine gebeugte, sehr dürre Gestalt von hohem Wuchs mit verfilzten, grünbraunen Haaren und vergleichbar gefärbter, runzeliger Haut herein. Das Gesicht war eine hässliche Fratze mit spitzen Zähnen. Ein Troll. Wenige Schritt vor unserer Tafel blieb er stehen.

»Was soll der Aufruhr? Nennt uns Euren Namen und warum Ihr so unangemeldet in unsere Runde platzt?« Die Forderung in meinen Worten war unmissverständlich, beruhigte aber zugleich die Zuhörer vor dem Tor.

»Ich Turlak, aus den Wäldern. Habe meine Trolle mitgebracht, ja.« Für seine dürre Gestalt hatte Turlak eine tiefe, kraftvolle Stimme.

»Nun gut, Turlak. Ihr seid der Anführer?«, schloss ich aus seinem Auftreten.

»Alle hören darauf, was ich sage«, antwortete er.

»Euer Stamm hat eine Siedlung im Westen der Stadt, nicht wahr?«

»Ja, dort war unsere Siedlung, doch diese nicht mehr sicher. Haben uns gewehrt gegen böse Bäume. Einen haben wir gefällt, doch sind noch viele da, groß wie die höchsten Bäume.« Überschwänglich machte er eine ausholende Bewegung mit beiden Armen zur Decke. »Und andere, klein und knorrig, aber nicht so stark wie Bäume. Viele gefällt davon, war ganz leicht.«

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