Kitabı oku: «Musikeinsatz im Französischunterricht», sayfa 4

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I. 4 Formen des Musikeinsatzes am Straßburger Gymnasium

Für den Fremdsprachenunterricht, insbesondere den Französischunterricht spielte seit Ende des 16. Jahrhunderts die Reichsstadt Straßburg eine entscheidende Rolle als Drehscheibe zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich. Eng verbunden mit der Reformation in Straßburg war die Tradition des Humanismus und – wie Bernd Schröder es treffend formuliert hat – sein „Ideal höherer Schulbildung, das die Antike beerbt, humanistischen Geist atmet und Bedürfnisse wie Anliegen des noch jungen Protestantismus aufnimmt.“1 Die Erfindung des Buchdrucks2 als Meilenstein des Humanismus ermöglichte eine relativ schnelle und weitreichende Verbreitung der Reformation in Europa. Marc Lienhard verweist deshalb folgerichtig auf die Personifizierung der Reformation als „fille de l’imprimerie“.3 So wurden in Straßburg zwischen 1550 und 1620, der Anfangszeit des Dreißigjährigen Kriegs, die meisten Lehrwerke für den Französischunterricht gedruckt.4 Wie die christlichen Schulreformer August Hermann Francke und Christian Salzmann setzt sich Johannes Sturm dafür ein, dass für alle Unterrichtsfächer und auch Vorlesungen Lehrbücher bereitgestellt wurden.5 Der Humanist Sturm ist wie Philipp Melanchthon untrennbar verbunden mit der frühprotestantischen Pädagogik des 16. Jahrhunderts. Der Reformator Martin Bucer holte Sturm 1537 in die freie Reichsstadt Straßburg. Hier gründete Sturm ein Jahr später das Straßburger Gymnasium,6 das bis heute als Gymnase Jean Sturm fortbesteht; 1621 geht aus der Sturmschen Gründung die Straßburger Universität hervor.7 Johannes Sturms Gymnasium ist ein akademisches Gymnasium oder Gymnasium illustre; es fanden hier auch öffentliche, propädeutische Vorlesungen statt.8 Sturm kann somit zu Recht als „Vater des […] althumanistischen Gymnasiums protestanischer Prägung“9 bezeichnet werden. Seine Verwurzelung im Protestantismus und seine humanistische Tradition spiegeln sich in seiner Schul- und Unterrichtskonzeption, insbesondere im Sprachunterricht wider.10 Sein Programm der Neuordnung des Schulwesens stellt Sturm detailliert in der im Jahre 1538, also zu Beginn seiner Tätigkeit als Rektor des Gymnasiums veröffentlichten Schrift De literarum ludis recte aperiendis11 vor. Es handelt sich um einen detaillierten Lehrplan und eine umfassende Unterrichtskonzeption für das Straßburger Gymnasium.

Das Bildungsziel Sturms, das Matthieu Arnold als Widmung seinem Ausstellungskatalog jean sturm. Quand l’humanisme fait école.12 voranstellt, fasst das Ziel der Ausbildung am Sturmschen Gymnasium und damit die wichtigsten Elemente seiner Konzeption zusammen: „Propositum a nobis est sapientem13 atque eloquentem pietatem fine esse studiorum.“14 Neben dem Grundsatz der Frömmigkeit werden Vernunft und Eloquenz in Form der reinen und kunstvollen Rede hervorgehoben. Hier zeigt sich Sturms Modernität. Schule und Unterricht wurden nach Sturm folgendermaßen organisiert:

1 Die Schüler wurden im Alter von sechs Jahren aufgenommen. Darauf folgte ein fünfjähriger Besuch öffentlicher Vorlesungen. Die unterste Stufe ist dabei die neunte Klasse.15

2 Klassenlehrer (classici praeceptores) sind für den gesamten Unterricht des betreffenden Schuljahres verantwortlich. Fachprofessoren (publici professores) sollten öffentliche Vorlesungen in ihrer Disziplin halten. So garantiert Sturm eine Binnendifferenzierung in Lehre und Forschung.16

3 Der Unterricht folgt einer klaren äußeren Ordnung: „In allen Klassen wurden von Montag bis Samstag täglich jeweils fünf Unterrichtsstunden abgehalten, und zwar vormittags im Sommer von 6 Uhr bis 7 Uhr und von 8 Uhr bis 9 Uhr und im Winter von 8 Uhr bis 10 Uhr sowie nachmittags das ganze Jahr hindurch von 12 Uhr bis 2 Uhr und von 3 Uhr bis 4 Uhr. Die Unterbrechungen sollten den Schülern vermutlich Gelegenheit geben, Übungsaufgaben zu lösen. Dazu kamen noch besondere Stunden am Samstag und Sonntag für Religion und Kirchenmusik […].“17

Für Sturm stellt der Einsatz des Gesangs und musischer Elemente eine wichtige methodische Komponente des Unterrichts am Gymnase de Strasbourg dar und ist Teil des methodisch geordneten Unterrichtskonzepts. Dabei nimmt die frühzeitig beginnende Fremdsprachenausbildung eine Schlüsselrolle ein. Priorität gilt dem Sprechen.18 Sprachliche Bildung (linguae informatio) wird zur Schlüsselqualifikation der Persönlichkeitsbildung und des Weltwissens:

(1) Quare videndum est, ut prima liberorum aetatula mature ad linguae informationem dedatur. Ad loquendum enim homines quam ad cogitandum iudicandumque promptioram naturam habent et quod unicuique aptum est, ab eo principium in erudiendo debemus ducere. Sed ut loqui ita etiam recte facere pueri facillime assuescunt.19

Sturm unterstreicht die Bedeutung des Einprägens und Wiederholens und damit den schrittweisen Aufbau komplexer Kenntnisse.20 Alle Unterrichtsverfahren dienen dem Memorisieren und Nachahmen. Beispiele dafür sind das Anfertigen von Vokabellisten (diaria bzw. ephemeridae) in speziell geführten Vokabelheften (commentariolus), das Vortragen von Schulreden (declamationes), angeleitete Gespräche unter Schülern (confabulationes), Disputationen (disputationes) und das Theaterspiel (comœdiae et tragœdiae).21 Wesentliche Unterrichtstechniken waren das Psalmensingen (psalmodia), das Vorlesen biblischer Schriften (recitationes), das (angeleitete) Spiel (ludus),22 der Schülerwettstreit (aemulatio) und die Befragungen der Lehrer durch die Schüler innerhalb des Unterrichts (interrogationes). Schröder23 zeigt Sturms Mittlerrolle zwischen Tradition (Nachahmung im Rahmen der auf Einprägen ausgerichteten Unterrichtsweise) und Innovation (systematische Entwicklung und Anwendung des geordneten, stetig wiederholbaren Lehr-Lern-Verfahrens).

Einige dieser didaktisch-methodischen Verfahren nutzte Sturm in seinen Classicae Epistolae und verband diese mit dem Schultheater, wobei verschiedene Unterrichtsformen angewendet wurden, wie das Rezitieren von Texten und Dialogen oder das Singen von Liedern. Angela Weißhaar beschreibt, wie Studentenlieder und Dramen mit einer Moral am Ende des Stückes an der „humanistischen Schulbühne des Johannes Sturm in Straßburg aufgeführt wurden. Sie bildeten einen gewissen Kontrast zu deren didaktischen Elementen.“24

Die Rolle von musischen Elementen im Schultheater steht im Einklang mit der humanistischen Pädagogik der Renaissance. Bereits Luther hatte auf die prägende und erzieherische Rolle des Gesangs in der Lehrerausbildung hingewiesen.25 Dabei steht Sturm in Luthers Tradition und unterstreicht die Bedeutung des Gesangs im Unterricht im Jahr 1565 in einem Brief an den Gesangslehrer des Straßburger Gymnasiums Mattias Stiffelreuter. Sturm will „dessen Methode in den Strassburger Schulen für immer eingepflanzt sehen“26 und besteht darauf, dass singen (canere) keineswegs schreien (clamare) bedeute.27 Stiffelreuter unterstreicht hier, dass der (Schul-) Chor sich vor „dem Ueberschreiten der Grenze zwischen Gesang und Geschrei“ hüten möge, „und dass der Sänger das ästhetische Empfinden nicht nur der Ohren, sondern auch der Augen des Publikums“ respektieren soll.28

Die Bedeutung und Wertigkeit von Musik als Chorgesang emanzipiert sich in Sturms gymnase demnach erstmals von den klassischen, naturwissenschaftlichen Fächern, wie Weber detailliert darstellt: „La musique figure à part entière aux côtés de l’astronomie, de la géométrie, des mathématiques. Les instructions à l’attention des cantors et des instituteurs sont nombreuses et révélatrices de l’importance réservée à la musique.“29

Musikalische Elemente werden also bewusst und ganz natürlich in den Theaterstücken verarbeitet und mit Tanzelementen verbunden. Weber führt das auf die Tradition der humanistischen Schulgestaltung zurück:

La musique est tout naturellement intégrée au drame scolaire, en raison de l’importance qui lui est attribuée dans la pédagogie de l’époque en cause. Elle est présente dans les chœurs à la fin des actes (chorus canens par opposition au chorus loquens, chœur parlé). Elle se manifeste par une simple réplique chantée à une voix par les élèves, ou exécutée à quatre voix par le chœur, en style „note contre note“ qui est aussi le moyen des Odes humanistes et du choral protestant en Allemagne, du Psaume en France.[…]. Les acteurs [also die Schüler, A. R.] peuvent également danser; dans certains drames, des interludes orchestraux rehaussent l’atmosphère et servent d’obtenir le silence de la part des spectateurs; ceux-ci sont parfois appelés à chanter des chorals ou des pièces grégoriennes connues, notamment le Te Deum, réminiscences des Matines qui représentaient le cadre lors des exécutions de drames semi-liturgiques.30

Édith Weber zeigt die Vorbildwirkung des elsässischen humanistischen Schultheaters: „Dans les Pays Rhénans, le climat est particulièrement favorable à une extension rapide et durable du théâtre humaniste et scolaire, avec participation musicale; il connaîtra un essor extraordinaire.“31

Interessante Parallelen werden deutlich im zeitgenössischen Rappoltsweiler Schulmeisters eydt.32 Der aus dem Beginn des 16. Jahrhundert stammende Eid des Rappoltsweiler Schulmeisters beschränkt sich nicht auf das rein rechtliche Element, sondern betrifft auch interne, organisatorische und vor allem soziale Schulangelegenheiten. Der Schulmeister (hier im Bereich der Musik Schulmeisterliche Chorregent) muss den abendlichen Chorgesang mit seinen Schülern organisieren (Obendsalve), den Chor als Chorleiter leiten und dirigieren, bei Veranstaltungen in Basel begleiten und für Ordnung während der Predigt sorgen:

Zu allen chorgesängen soll ein schulmeister selbs, so er zugegen sin mag, zuston vnd regieren und die kinder im chor und an den predigten in stiller zucht, in loblicher ordnung angezogen halten.[…]. Es soll auch ein schulmeister die burgerschaft mit belonung der kindern nit höher besweren, dann wie altem harkommen ist, und was den armen schülern zu allmuesen von meß singen, […] oder sust sunderlichen von andechtigen luten gegeben wurdt, das soll auch inen pliben und under sy allein geteilt werden, und ein schulmeister oder sin prouisor daruon nichts nemmen.33

Knepper kommentiert das Arbeitspensum des Schulmeisters wie folgt: „Bei der straffen Ordnung, die dieser Eid voraussetzt, wird man den ganzen Schulbetrieb für einen höchst förderlichen halten und den Rappoltsweiler Schulmeister zu den meistbeschäftigten Pädagogen rechnen müssen.“34

Eine komplexe praxisrelevante Anwendung von Sturms Ideen wird deutlich in der 1565 auf Anfrage von Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken und Neuburg zur Strukturierung der 1561 gegründeten Lauinger Schule verfassten Scholae Lauinganae.35 Sturms Schüler führten die Straßburger Schulreform im In- und Ausland fort. Der humanistische Reformpädagoge stellt im ersten Kapitel seiner Schrift die septem artes liberales vor. Er ergänzt das klassische Trivium und Quadrivium mit Landwirtschaft, Ethik, Politik und erwähnt auch die Bedeutung der protestantischen Religion für Unterricht und Schulleben.

Unter der Rubrik Geometrie zieht Sturm einen Vergleich zwischen Mathematik und Musik:

[…] etiam voluptatis causa addita est musica, quae ut numerando scientia de numeris iudicat, ita haec de sonis et vocum varietate, dissimilitudine, concentione, spatiis atque temporibus praecepta certa et perpetua demonstrat et in his, quid autum, quid grave, quid intermedium, quid longum, quid breve, quid moderatum sit, admirabili varietate considerat.36

Sturm gibt auch Hinweise für seine Lehrerkollegen. Die erste Aufgabe des Lehrers ist Gewissenhaftigkeit (diligentia).37 Im Abschnitt III, 19 bezieht er sich mit Modus / das rechte Maß auf Aristoteteles und und erklärt es am Beispiel der Musik. Hier zeigt sich eine weitere didaktische Funktion von Musik für den Unterricht. Da Musik für die Schüler durch Singen und Hören plastisch erfahrbar und ausführbar ist, lassen sich dadurch Verhaltensregeln besser vermitteln.

Sed quoniam omnibus rebus modus necessarius est, et moderatio ratioque requitur. Modus primum unus est, cum ordinem, quem ostendimus, instituere et sequi. Alter non plus properare, quam vires discipuli patiantur. Tertius qui properationem potest adiuvaren memoriam non solum praesentis, sed etiam superiorum dierum renovare. Id fiet primum interrogatione praeceptoris per omnes facta decurias voce clara, ut reliqui in tota curia, etiam extremi queant exaudire. Quod in musica sit, ut omnes simul canant et audiant, id etiam in hac debet fieri arena, ut omnes simul vel pugnent vel spectent, hoc est omnes pueri aut interrogant et respondeant aut simul audiant, quae respondeantur atque interrogentur. Vitiosa et detrimentosa ratio est, auri adolescebtis unius astare et non omnium aures interrogationibus et responsionibus feriri atque excitari.38

Im Kapitel über die vierte Klasse beschäftigt sich Sturm mit den klassischen Autoren und der Wortschatzarbeit. Dabei soll der Lehrer die Worte und Satzabschnitte nicht nur vorsprechen, sondern auch an die Tafel schreiben. Durch Fragen soll festgestellt werden, wie viel der Schüler schon verstanden hat, bevor er „stylum in manu sumere“, also „Feder und Griffel zur Hand nehmen lässt.39 Das Vor- und Nachsprechen wird plastisch mit dem „Vorkauen“ verglichen: „Si enim infantis ventriculo non nocet cibus praemasticatus, sed est salubris, cur haec praecantata noceant et non sint utilia discentibus.“40 Sturm stellt hier eine Übungstypologie als didaktische Folge der Fertigkeiten vor:

Eadem enim ratio est exercitationis in scribendo, quae in cantando, in stylo eadem, quae in musica. Qui cantoris discipulus queat cantare, antequam didicerit, nisi praeceptoris adiuvetur praecantatione? Haec igitur exercitatio in scholis et suscipiatur et instituatur et perficiatur in hac aetate et in hac curia […].41

Im Kapitel V De exercitationibus quotidianis / Über die täglichen Übungen geht Sturm auf den Grundsatz des täglichen Übens (V, 2) ein. Er empfiehlt für sein Gymnasium zehn Übungsformen42 und nennt dabei als erste das Singen von Psalmen. Da die Religion bei Sturm den ersten Platz einnimmt, betrifft das auch die religiösen Gesänge, Lesungen und Homilien. Sturm verweist dabei auf mehrere intertextuelle Bezüge zu Ciceros De oratore 1, 127 und entwirft wiederum räumliche Variationen (Aufstellen der Schüler in Doppelreihen), visuelle Variationen (die Schüler stehen sich gegenüber, um sich anzuschauen), akustische Variationen (Modulation der Lautstärke, Variation der Pausen, wechselweises Singen). Das Ziel ist dabei das Gotteslob (über den religiösen Gesang), aber auch eine mnemotechnische Komponente und die Berücksichtigung verschiedener Lerntypen.

3.1. De psalmodiis

(1) Quoniam igitur primas tenet religio sacris cantibus et recitationibus et contionibus primas damus. Et primo loco de cantu praecipimus, ut antequam in curia magister docere incipiat, psalmos aliquot alternatim e regione duplicato ordine modulentur adolescentes. Voce media soni unius, linguae nobilitate eadam et spatiis iisdem non solum versuum atque sententiarum, sed verborum etiam atque syllabarum, ut simul incipiant, simul progrediantur, simul consistant, mora vero tanta fiat, quae neque fastidium pariat neque officiat intelligentiae. Intelligenter enim cantari debet, quod canitur, ut et lex Die cognoscatur et memoria discipulorum adiuvetur et copia comparata sit, quoties autoritatibus contendendum est.43

Wie beim Wortschatz ist auch die Wiederholung ein wichtiges lernpsychologisches Element beim Einprägen der Psalmen. Es handelt sich dabei um ein obligatorisches Training, eine Pflichtübung. Innerhalb dreier Monate sollen die Psalmen sechsmal wiederholt werden, das dreimalige Singen und dreimalige Beten symbolisiert die göttliche Trinität und schließt den Kreis zwischen Religion, Theologie und Musik:

(2) Istud officium ter faciendum quotidie est, mane cum in scholas ingrediendum est, meridie cum domum reditur, ante caenam cum finis sit laboris quotidiani. Psalmorum numerus quos hebdomadibus oportet singulis modulari, brevitate et prolixitate singolorum aestimandus est, ut tertio mense omnes in his scholis resonent et quotannis quater queant decantari. Ter igitur canendum est et ter precandum. Quas preces pium et sanctum est ad psalmorum argumentum referre et theologi officium est has preces conficere et in his scholis custodire.44

Im Anhang I fügt Schröder einen tabellarischen Lehrplan des von Johannes Sturm begründeten Gymnasiums nach den „Klassischen Briefen“ an.45 In erster Linie kommen klassische Autoren zum Einsatz, vor allem Cicero und Vergil. Die Texte wurden im 16. Jahrhundert ausschließlich für die Schullektüre gedruckt. Für die Klassenstufe der Prima wurden neben den obligatorischen Lektüre-Texten der klassischen Autoren und den Unterrichtsgegenständen Rhetorik, Dialektik sowie zwei Briefen in lateinischer Sprache pro Woche von der Prima bis zur Quinta und dann von der Septima bis zur Decima Gesang in beiden Sprachen, Wortschatzarbeit und Kirchenlieder vorgeschrieben.46

Johannes Sturms Schriften sind ein wichtiges Beispiel für den schulischen Unterricht der Reformationszeit, wobei Sturm nicht nur ein theoretisches Schulkonzept vorstellt, sondern didaktische und methodische Fragestellungen aufwirft und entsprechende Lösungen dazu anbietet. In seiner Rolle als humanistischer Schulreformer, Gelehrter und Pädagoge hat er mit seinem Gymnase de Strasbourg einen didaktischen Mikrokosmos geschaffen, der als Vorbild für die gymnasiale und universitäre Bildung seiner Zeit gelten konnte. Gleichzeitig kann er als Visionär bezüglich innovativer Unterrichtsmethoden bezeichnet werden. Sturm baut musikalische Elemente in sein Unterrichtskonzept ein und erweitert es von der kirchlichen auf die weltliche Bühne mit seinem Schultheater. Er hat sich allerdings ausschließlich mit der höheren (Gymnasial- und Universitäts-) Bildung beschäftigt.

Nach Sturms Tod 1580 waren keine Veränderungen im Straßburger Lehrplan vorgenommen worden. Zwilling berichtet von einer bedeutenden Abnahme der Schülerzahl zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Deshalb wurden 1604 unter dem Kanzler Johann Philipp Boecklin die Statuten revidiert und zum Teil vervollständigt und man versuchte, durch die Aufnahme des Französischen in den gymnasialen Fächerkanon den Schulbesuch zu heben.47 Das Projekt wollte „die Jugendt inn der frantzösischen sprach an Ihr selber, zuvorderst lesen und pronunciren wol unnd mit allen Fleiss unterweissen, mehr mit lebendiger stimme auch unterrichten […].“48 Außerdem sollten die Schüler

auch zur Wochen zweymal, Donnerstags und Sambstags umb ein Uhren nachmittag ettliche christliche unnd geistliche Psalmen auss den bewerthesten gesangbüchern singen lernen, auch ettliche kurtze Epistolas unnd Orationes schreiben unnd recitiren lassen […] demselbigen allem treuwlich gehorsamen und nachkhommen.49

Wie bei Sturm findet man hier die Integration von Psalmen in den Unterricht, wie sie auch im Gottesdienst und den Bibelstunden der reformierten Gemeinden verwendet wurden.50 Kuhfuß51 zeigt, dass diese curricularen Überlegungen eine Vorbildstellung für das Schulwesen im süddeutschen Raum eingenommen hätten. Leider wurde der Lehrplan von 1604 nicht realisiert.

Bereits Ende des 16. Jahrhunderts entstanden viele Privatschulen. Lehrmeister aller Art, Sprach-, Fecht-, Tanz- und Musikmeister waren meist geflohene französische Hugenotten. Der bedeutendste unter den Sprachmeistern war der Hugenotte Daniel Martin52, der aus Sedan als junger Mann nach Straßburg kam und viele Jahre eine Privatschule leitete. 1632 erschien seine Grammatica Gallica sententiosis exemplis referta, die eine Reihe von Gedichten, Lern- oder Merkreimen, Gesängen und Gebeten enthielt sowie originelle Angaben zur französischen Aussprache (Abb. 6).53 Einige Jahre später veröffentlichte Martin sein Parlement nouveau, einen umfangreichen Dialogband mit einhundert Kapiteln. Gleich im ersten Kapitel führt Martin den Leser in die französische Schule ein und erklärt die Tätigkeiten des Lehrers und die Leistungen seiner Schüler. Dabei lernen sie nicht nur Lesen und Schreiben, trainieren das Übersetzen, sondern widmen sich vor allem dem Sprechen, das für den Sprachmeister Daniel Martin im Mittelpunkt steht: „car pour bientost estre savant en la langue, il faut lire, exposer, composer et parler, sans estre honteux de faillir; car qui ne parle iamais mal, ne parlera iamais bien.“54 Martin ist hier sehr modern, da er das „Lob des Fehlers“ als schöpferische Energiequelle des Unterrichts schon lange vor Montessori erkannt hat.

Abb. 6:

Auszug aus Daniel MARTINS Grammatica gallica, abgedruckt in Carl ZWILLING, Die französische Sprache in Strassburg bis zu ihrer Aufnahme in den Lehrplan des Protestantischen Gymnasiums. In: Festschrift zur Feier des 350jährigen Bestehens des Protestantischen Gymnasiums zu Straßburg. Straßburg: Heitz & Mündel, 1888, S. 266.

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