Kitabı oku: «Grundwissen Hörgeschädigtenpädagogik», sayfa 2

Yazı tipi:

Wermutstropfen waren eine notwendige Revisionsoperation und häufige Ausfälle des Sprachprozessors bzw. der externen Technik. Nach dem Kindergarten wurde er in die allgemeine Grundschule bei uns im Wohnort eingeschult.

Zum Zeitpunkt der Erstellung des Berichtes konstatiert die Mutter: Durch die frühe CI-Versorgung ist ihm (und uns) mittlerweile ein weitgehend ‚normales‘ Leben ermöglicht worden. Matthias geht offensiv und selbstbewusst mit seiner Hörschädigung um.

Fallbeschreibungen über Erwachsene mit Hörschädigung:


Fallbeschreibung 4: Frau X, Mitglied eines Schwerhörigenkreises, schwerhörig

Sie berichtet: „Wie es mir als Schwerhöriger in einem Wartezimmer erging. Heftige Schmerzen im Kopf zwangen mich, den Arzt aufzusuchen. Das linke Ohr war durch eine Erkältung fast taub, am rechten trage ich eine Hörhilfe. Da ich mich auf diese nicht völlig verlassen kann …, schrieb ich alle Beschwerden auf einen Zettel, den ich bei der Anmeldung abgab. Dem Schalter gegenüber nahm ich Platz. Wenn dem Aufruf niemand folgte, fragte ich den Patienten neben mir, ob mein Name gefallen sei. Ich sei noch nicht dran, wurde mir entgegnet. Nach fast drei Stunden vergeblichen Wartens ging ich gleich den anderen für eine knappe Stunde nach Hause, um das Mittagessen anzusetzen; 15 Patienten waren noch vor mir. Als ich zurückkam, waren es noch fünf. Diese wurden nacheinander aufgerufen, zwei nach mir Angemeldete folgten, worauf ich im Sprechzimmer fragte, ob meine Karte verlegt sei. Fünfmal sei ich aufgerufen worden, aber niemals gekommen, sagte der Doktor vorwurfsvoll. Ich entschuldigte mich, dass ich den Aufrufen nicht gefolgt sei, und wies auf meine schriftliche Mitteilung hin.

Einer Sehschwachen gegenüber wären die Patienten wohl hilfsbereiter gewesen als mir, der Schwerhörigen. Ähnliches geschieht täglich und stellt unser Vertrauen zu gesunden Menschen auf eine harte Probe“ (aus: Fink 1989, 13f).


Fallbeschreibung 5: Martina J., CI (Cochlea-Implantat)-Trägerin, promoviert, tätig in einem großen pharmazeutischen Unternehmen

Frau J. war von Geburt an schwerhörig. Die Ursachen dafür sind unbekannt. Mit 7 Jahren erhielt sie ihr erstes Hörgerät, was aus heutiger Sicht als sehr spät einzuschätzen ist. Mit Hilfe ihrer Mutter, die sich sehr um ihr Kind bemühte, lernte sie gut und verständlich sprechen und wurde trotz ihrer Schwerhörigkeit altersgemäß in eine allgemeine Schule am Wohnort eingeschult.

Es stellte sich bald heraus, dass die Schwerhörigkeit progredient verlief. Dies konnte zunächst durch neue, leistungsstärkere Hörgeräte, die ca. alle 4 – 5 Jahre angepasst wurden, ausgeglichen werden. Im Schulalter nahm Frau J. die fortschreitende Schwerhörigkeit noch nicht bewusst wahr oder – so beschreibt sie es aus heutiger Sicht – sie wurde von ihr ignoriert, da sie so sein wollte, wie die anderen Kinder ihrer Klasse auch.

Trotz ihrer erheblichen Hörprobleme konnte Frau J. erfolgreich das Abitur ablegen, studieren und promovieren. Ab ihrem 30. Lebensjahr bekam Frau J. regelmäßig alle 2 – 3 Jahre Hörstürze, bei denen sich jedesmal ihr Gehör gravierend verschlechterte. Diese ca. 10 – 12 Jahre andauernde Phase endete mit einem weiteren Hörsturz, in dessen Folge sie auditiv kaum noch etwas wahrnehmen konnte. Ihr selber war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, dass sie „taub“ geworden war. Mit Hilfe ihrer sehr leistungsfähigen Hörgeräte konnte sie noch immer einige tiefe Töne und Signale erfassen, was sie damals als „hören“ interpretierte und aus heutiger Sicht als ein „Kitzeln am Trommelfell“ beschreibt.

Bereits vor ihrer endgültigen Ertaubung hatte Frau J. vom „Cochlea Implantat“ gehört. Sie glaubte jedoch, dass man absolut taub sein müsse, ehe eine Implantation in Frage kommt. Nach näheren Erkundungen stellte sich heraus, dass bei Frau J. eine Implantation sinnvoll zu sein schien, und so ließ sie sich, etwa 13 / 4 Jahre nach der Ertaubung, implantieren. Als Gründe für ihre Entscheidung gibt sie an: „Ich wollte die Isolation, in die ich durch meine Ertaubung geraten war, nicht bedingungslos ertragen und war bereit, einen Versuch und auch ein Risiko einzugehen, um meine Lage zu ändern. Ich spürte als Ertaubte nicht nur meine eigenen Probleme, sondern auch die Probleme, die die Normalhörenden in meiner Umgebung (Familie / Freunde und Kollegen) mit mir hatten.

Ich konnte schon immer relativ gut absehen – das erforderte jedoch nach meiner Ertaubung ständige höchste Aufmerksamkeit, da die Kommunikation fast ausschließlich über ,Sehen’ erfolgte. Klar, dass bei dieser Anspannung und Dauer-Konzentration die Achtsamkeit mal nachließ. Entsprechend mühsam wurde infolgedessen dann die Kommunikation mit mir, wenn ich müde wurde. Absehen allein funktioniert auch nur gut im Zweiergespräch. Wenn mehrere Personen an der Unterhaltung teilnehmen, ist der Faden schnell verloren und die Unterhaltung fand dann meist – trotz aller Proteste – über meinen Kopf hinweg statt.“

Die Operation verlief komplikationslos und dauerte ca. 1 1 / 2 Stunden. Bereits am nächsten Tag konnte Frau J. ohne größere Schwierigkeiten aufstehen.

Schon eine Woche nach der Operation wurde der Sprachprozessor das erste Mal kurz ausprobiert, um zu wissen, ob das Implantat funktioniert. Frau J. beschreibt ihren ersten Höreindruck so: „Es war für mich ein unglaubliches (beeindruckendes) Erlebnis, ganz alltägliche Geräusche zu erkennen und zuordnen zu können. Z. B. das Klingeln eines Telefons oder das Plätschern von fließendem Wasser aus dem Wasserhahn. Ich war überwältigt – das hatte ich nicht erwartet. Nach einer halben Stunde musste ich das Gerät dann leider wieder abgeben, da der Heilungsprozess vor Dauereinsatz des CIs weiter fortgeschritten sein sollte.“

Die eigentliche Anpassung des Sprachprozessors erfolgte ca. vier Wochen nach der Operation.

Ein halbes Jahr nach der Implantation und der Sprachprozessoranpassung beschrieb Frau J. ihr Hören so: „Ich habe die letzten fünf Jahre vor der Operation weniger gehört als jetzt, Vogelgezwitscher, Signaltöne meines Autos, wenn der Sicherheitsgurt nicht geschlossen ist – das alles hörte ich schon lange nicht mehr. Aber jetzt.

Ich konnte mich noch gut erinnern, wie die Geräusche klangen, das kam mir bei der Gewöhnung an das CI zugute.

Als ich das CI neu bekam, klang eine menschliche Stimme etwa so wie eine Computer-Stimme. Ein bisschen künstlich, höher im Ton – aber doch verständlich. Vereinfacht wurde mir das Verstehen durch das Absehen. Je länger ich das CI trage, um so natürlicher erscheinen mir die Geräusche und die Sprache.

Zu Beginn schienen mir die Geräusche bei viel höheren Frequenzen aufzutreten, als ich in Erinnerung hatte, z. B. im Straßenverkehr. Er schien eher zu pfeifen, zu quietschen und zu kreischen als zu brummen. Auch ein Lastwagen dröhnte nicht, sondern kreischte / zwitscherte wie eine streitende riesige Vogelschar. Inzwischen klingt dies aber alles so, wie ich es von früher her kenne.

Musik klingt dagegen immer noch sehr konfus. Ich habe mich darauf eingestellt, dass es länger dauert, bis ich damit zurecht komme. Musikstücke mit nur einem Instrument sind einfacher zu erkennen als ein von einem Orchester gespieltes Stück. Es ist mir jedoch schon gelungen, am Rhythmus und anhand einiger Töne ,The Yellow Submarine’ von den Beatles aus dem Radio zu identifizieren. Nachdem ich früher Klavierunterricht hatte, probierte ich natürlich auch aus, wie Klaviertöne mit dem CI klingen. Zunächst glaubte ich, dass mein Klavier verstimmt sei. Der einzelne Ton klingt auch nicht ganz rein. Ich bin jedoch optimistisch, dass es nach einiger Gewöhnungszeit immer besser klappen wird.

Telefonieren kann ich heute schon. Dass ich dazu in der Lage bin, gibt mir sehr viel Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, Gelassenheit, die ich jahrelang vermisste.“

Wie hat sich das Leben für Frau J. – fünf Jahre nach der Implantation – verändert? Sie beschreibt es folgendermaßen:

„Vieles ist leichter geworden. Ich fühle mich gelassener, habe mehr Lebensmut, bin zuversichtlicher, fröhlicher und belastbarer als vorher. Es ist für mich ungeheuer befreiend, dass ich nun nicht mehr soviel um Hilfe bitten muss, sondern selber anderen auch helfen kann. Mein neues Selbstbewusstsein bereitete bisher niemandem Probleme. Beispielsweise kann ich telefonieren, um Termine mit dem Friseur, dem Arzt oder mit Freunden zu vereinbaren. Eigentlich Selbstverständlichkeiten für Normalhörende, aber ein Problem für stark Schwerhörige und Ertaubte.“

Frau J. ist in einem pharmazeutischen Unternehmen in der Entwicklung von Diagnostischen Einsatzstoffen tätig. Hier arbeitete sie auch schon vor ihrer Implantation. Diese Arbeitsstelle erfordert viel mündliche Kommunikation, z. B. um Arbeitsvorgänge zu besprechen oder Ideen in Diskussionen mit Kollegen und Mitarbeitern entwickeln zu können. Sie sieht ihre Situation heute so:

„Mit dem Implant kann ich einfach aktiver und spontaner reagieren und auch aktiver an Diskussionen / Gesprächen teilnehmen. Besonders erleichternd ist, dass ich nun vieles telefonisch regeln kann, was früher nur umständlich über Umwege (Auftragstelefonat, Fax, Brief) möglich war.

Die Kommunikation ist für alle leichter geworden, deshalb ist das CI nicht nur für mich, sondern für alle Menschen in meiner Umgebung ein Gewinn“ (nach einem gemeinsamen Gespräch der Autorin mit der CI-Trägerin).

Aus den fünf sehr unterschiedlichen Beschreibungen wird ersichtlich, dass die Auswirkungen und das individuelle Erleben, „hörgeschädigt zu sein“, sehr verschieden sein kann. Sie machen zugleich deutlich, dass die Bezeichnung „hörgeschädigt“ begrifflich unterschiedliche Störungen des Hörorgans zusammenfasst. Darüber hinaus weist praktisch jeder Hörgeschädigte hinsichtlich seines Hörschadens und seiner kommunikativen Situation individuelle Unterschiede und Auffälligkeiten auf.

Reflektiert man einmal darüber, wie oft uns Menschen mit einer Hörschädigung begegnen, müssen wir alsbald zu dem Schluss kommen, dass es weit häufiger geschieht, als es auf den ersten Blick scheint: Im täglichen Leben begegnen uns immer wieder Menschen, die Schwierigkeiten haben, Lautsprache zu verstehen. Manche von ihnen fallen durch unangemessen lautes, andere durch schlecht verständliches oder unverständliches Sprechen oder auch gehäuftes Nachfragen auf. Einige von ihnen tragen Hörgeräte, die durch die Weiterentwicklungen der letzten Jahre inzwischen so klein sind, dass sie für andere kaum noch sichtbar sind. Schließlich begegnen wir auch Menschen, die sich nicht lautsprachlich, sondern durch Gebärdensprache verständigen.

Darüber jedoch, was eingeschränktes Hören oder „Nicht-hören-Können“ für die Betroffenen tatsächlich bedeutet und wie es ihr Leben beeinflusst, sagen die äußerlich auffälligen Merkmale kaum etwas aus. Was dem Hörenden und nicht Sachkundigen auffällt, sind lediglich Symptome. Die eigentliche „Behinderung“ liegt in den inneren psychischen Bedingungen. Sie ergibt sich aus den erheblich veränderten, beeinträchtigten und den teilweise gestörten zwischenmenschlichen Kontakten und Beziehungen. Sehr bekannt ist das Zitat von Immanuel Kant (1724 – 1804):

„Nicht sehen trennt von den Dingen, nicht hören trennt von den Menschen“ (Zitate von Immanuel Kant, o. J.).

Vielleicht kann dieses Zitat die erheblichen Auswirkungen eines eingeschränkten oder ausgefallenen Gehörs verdeutlichen. Insbesondere unterliegt der zwischenmenschliche Kontakt wesentlichen Veränderungen und auch Einschränkungen. Pöhle schätzt die Situation Hörgeschädigter folgendermaßen ein:

„Taubheit bzw. hochgradige Schwerhörigkeit und das Unvermögen, sich laut-(Anm. d. Verf.) sprachlich ungehindert äußern zu können, sind für Nichtbehinderte praktisch nicht vorstellbar; deshalb wird auch kaum eine Behinderung hinsichtlich ihrer psychischen Belastung so sehr unterschätzt wie eine Hörbehinderung; und es gibt wohl keine Gruppe behinderter Menschen, die in so krasser Weise Fehlbeurteilungen unterliegt wie Hörbehinderte“ (1994, 1).

Zusammenfassung

Die Fallbeschreibungen vermitteln Informationen über Personen mit sehr unterschiedlichen Hörschädigungen. Sie machen deutlich, dass die Bezeichnung „hörgeschädigt“ sehr verschiedene Störungen des Hörorgans zusammenfasst. Darüber hinaus weist praktisch jeder Hörgeschädigte hinsichtlich seines Hörschadens und den daraus resultierenden Auswirkungen individuelle Unterschiede und Auffälligkeiten auf.


Frage zum Einstieg:

Reflektieren Sie die fünf Fallbeschreibungen. Welches Fazit können Sie in Bezug auf Hörschäden daraus ableiten?

2 Ziel und Gegenstand der Hörgeschädigtenpädagogik

2.1 Pädagogische Kennzeichnung von Gehörlosigkeit, Schwerhörigkeit und Ertaubung

Schwerhörige, gehörlose oder ertaubte Personen sowie Personen nach der Versorgung mit einem Cochlea Implantat (CI) – von sich selbst auch als ‚CI-Träger’ bezeichnet – bilden die Gruppe der (peripher) Hörgeschädigten. Ihnen gemeinsam ist die Minderung oder (in selteneren Fällen) der Ausfall des Hörvermögens.

Zum Aufgabenbereich der Hörgeschädigtenpädagogik gehören seit Ende des letzten Jahrtausends auch Schüler mit Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS), einer Höreinschränkung bei an sich normalem Hörvermögen. Es handelt sich um eine zentrale (Wahrnehmungs- und Verarbeitungs-)Störung, die vorzugsweise in schulischen Lernkontexten eine Rolle spielen. Eine periphere Schädigung des Gehörs liegt hier nicht vor.

Schwerhörigkeit Gehörlosigkeit Ertaubung

Begriffsbestimmungen von Schwerhörigkeit, Gehörlosigkeit und Ertaubung sind eine wichtige Grundlage für die pädagogische, therapeutische, medizinische und psychologische Versorgung der betroffenen Menschen und damit letztendlich auch für ihre soziale und menschliche Anerkennung in der Gesellschaft, für ihre Rehabilitation und Inklusion.

Die Auffassungen darüber, ob jemand beispielsweise „gehörlos“ oder „schwerhörig“ ist, sind aus der Sicht der Medizin, aus der Sicht der Pädagogik und aus der Sicht der Betroffenen oft abweichend: Aus der Sicht der Medizin wird jede Funktionsstörung des Hörorgans erfasst, während sich die Pädagogik auf solche beschränkt, die die Beziehung zwischen Individuum und Umwelt beeinträchtigen und damit soziale Auswirkungen auf den Betroffenen haben.

Aus der Sicht eines Teils der Betroffenen wird im Zusammenhang mit der seit den 1980er Jahren stattfindenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die Gebärdensprache und der damit verbundenen Emanzipationsbewegung der Gehörlosen versucht, die Begriffe „Gehörlosigkeit“ und „gehörlos sein“ ebenfalls terminologisch zu bestimmen. Ein Mensch mit Hörschädigung kann sich, unabhängig vom Ausmaß der Hörschädigung, selbst als „gehörlos“ definieren, wenn er sich dieser kulturellen Minderheit zugehörig fühlt. Ihre Anknüpfungspunkte sind dabei, dass Gehörlose eine eigene Sprache (die Gebärdensprache) und eine eigene Kultur (in Fachkreisen Gehörlosenkultur genannt) haben. Aus der amerikanischen Literatur ist bekannt, dass „deaf“ bezogen auf das Individuum (also bzgl. der vorhandenen Sinnesschädigung) und „Deaf“ im Sinne der Gemeinschaft und der Minoritätenkultur gebraucht wird (s. auch Padden / Humphries 1991, 10). Die Interessen der Gehörlosen werden verbandsmäßig durch den Deutschen Gehörlosenbund (gegründet 1950 „als Rechtsnachfolger des Reichsverbandes der Gehörlosen Deutschlands [REGEDE]“) vertreten (Deutscher Gehörlosen-Bund e. V. o. J.).

Ebenso ist eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit der erwachsenen Personen, die mit einem Cochlea Implantat versorgt sind, zu beobachten. Sie versuchen, ihre Interessen und Bedürfnisse durch die bundesweite Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft e. V. (DCIG e. V.), der zeitlich nachfolgenden Gründungen von Regionalverbänden (z. B. in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Berlin-Brandenburg, Bayern und die Hannoversche Cochlea Implantat Gesellschaft e. V.), zahlreiche Selbsthilfegruppen und letztendlich durch die Gründung einer europäischen Vereinigung, der European Association of Cochlear Implant Users (EURO-CIU), zum Ausdruck zu bringen und entsprechende Unterstützung zu finden.

2000 gründete sich der Verein der Lautsprachlich Kommunizierenden Hörgeschädigten Deutschlands (LKHD) nach dem Schweizer Vorbild Lautsprachlich Kommunizierende Hörgeschädigte (LKH). Auch die Mitglieder dieser Gruppe definieren sich selbst – hier als „hörgeschädigt“ –, obwohl nahezu alle Gründungsmitglieder nach der klassischen Einteilung (Kap. 3.2) laut Audiogramm gehörlos, bestenfalls an Taubheit grenzend schwerhörig sind. Ihr Hauptanliegen war es, Menschen mit Hörschädigung eine Integration in die „hörende“ Gesellschaft zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Wesentliche Motivation zur Gründung des Vereins war, dass die Zahl von lautsprachlich kommunizierenden Hörgeschädigten kontinuierlich stieg, diese Tatsache aber in der Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt kaum wahrgenommen wurde. Sie wollten einen Verein, in dem sich die Betroffenen selbst für die Lautsprache und die Integration in die hörende Gesellschaft einsetzen. Mit der Einführung des universellen Neugeborenenhörscreenings und der deutlich verbesserten Versorgung mit Hörsystemen sahen die Mitglieder der LKHD wesentliche Teile ihrer Forderungen als erfüllt an und wurden (zumindest nach außen) nicht mehr aktiv.

Der DSB (Deutscher Schwerhörigenbund) sieht sich als „bundesweiter Selbsthilfeverband schwerhöriger und ertaubter Menschen“ (Deutscher Schwerhörigenbund o. J.). Er vertritt die Interessen der schwerhörigen Menschen, fühlt sich aber auch für ertaubte Menschen, CI-Träger oder Menschen mit Tinnitus zuständig. Der DSB wurde 1901 in Berlin gegründet und ist damit eine der ältesten Selbsthilfe-Organisationen Deutschlands (a. a. O.).

Außenstehende – gemeint sind hier Personen, die keinen oder nahezu keinen Kontakt zu Menschen mit Hörschädigung haben – verfügen oft über völlig falsche Vorstellungen über „Gehörlose“, „Schwerhörige“ und „Ertaubte“. So stellen sie sich Gehörlose zumeist als Personen vor, die überhaupt keine auditiven Empfindungen haben (also gar nicht hören). Schwerhörige sehen sie oft als Personen, mit denen man sehr laut und überdeutlich sprechen muss. Dass Schwerhörige, bei denen lautes und deutliches Sprechen hilfreich ist, nur eine geringe Anzahl aller Schwerhörigen ausmachen, ist kaum bekannt. Falsch ist auch die Vorstellung, dass ein Hörgerät einen Hörverlust ausgleichen kann. Ein Hörgerät vermag Qualität und Quantität der auditiven Eindrücke wesentlich zu verbessern, es bleibt aber auch bei optimaler Hörgeräteanpassung und -versorgung ein verändertes Hören. Darüber, welche Personen zu den Ertaubten zählen, haben die meisten eine klare Vorstellung, nicht jedoch von den Problemen, die eine Ertaubung für die Betroffenen mit sich bringt.

Tab. 1: Bestimmung des Grades der Behinderung (GdB) aus den prozentualen Hörverlusten beider Ohren (aus: Feldmann 2006,124). Die Eckwerte für die Einstufung sind:


20 % GdB für einseitige Taubheit
80 % GdB für beidseitige Taubheit
von 20 bis 40 % GdB für beidseitige mittelgradige Schwerhörigkeit
von 40 bis 60 % GdB für beidseitige hochgradige Schwerhörigkeit
von 80 bis 100 % GdB für angeborene oder in der Kindheit erworbene Taubheit


Die Auswirkungen einer Hörschädigung können in verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich sein. Folglich ergeben sich unterschiedliche Sichtweisen, ob eine Hörschädigung beispielsweise für Zwecke der Sozialleistung, aus pädagogischen Gründen oder aus medizinischer Sicht zu werten ist. So gibt es für die einzelnen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens unterschiedliche Definitionen, Bezeichnungen und Abgrenzungen, die zudem vom jeweiligen Stand der gesellschaftlichen Entwicklung (z. B. entsprechend dem Niveau fürsorgerechtlicher Leistungen) abhängig sind. Die Problematik wird auch deutlich durch die wiederkehrenden Diskussionen um den Grad der Behinderung (GdB). Die Bewertung der tatsächlichen Auswirkungen der Hörbehinderung ist schwierig, da es ein objektives Maß nicht gibt. Die Feststellung des GdB aufgrund einer Hörschädigung erfolgt anhand der Ergebnisse audiometrischer Untersuchungen. Nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) wird das Ausmaß einer Behinderung in Prozentwerten ausgedrückt, die angeben, in welchem Umfang die individuelle Integrität eines Menschen durch die Behinderung(en) beeinträchtigt wird.

Grad der Behinderung Dieses abstrakte Maß wird als Grad der Behinderung (GdB) bezeichnet. Für Schwerhörigkeit wird der GdB nach der sog. Feldmann-Tabelle ermittelt (Tab. 1). Diese geht auf Vorschläge von Feldmann aus den 1960er Jahren zurück und wurde kontinuierlich weiterentwickelt. Mit ihrer Hilfe lässt sich der prozentuale Hörverlust aus der Hörweitenprüfung bestimmen.

Die Problematik der Einstufung zeigt sich auch darin, dass bei Vorliegen mehrerer Behinderungen rein rechnerisch die Summe der einzelnen GdB größer sein kann als 100 %, anerkannt werden aber immer nur maximal 100 %.

Ein internationaler Vergleich zeigt Ähnliches. Hinzu kommt, dass auch heute noch in verschiedenen Ländern unterschiedliche Begriffsbestimmungen existieren.

Die Schwierigkeiten beim Gebrauch von Behinderungsbegriffen und die damit verbundenen sprachlichen Wertungen zeigen sich auch in der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD; International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems). Diese wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben (kurz auch als Internationale Klassifikation der Krankheiten bezeichnet). 2018 ist die ICD-11 erschienen. Die International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) (deutsch: Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) ist ebenfalls eine Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dient fach- und länderübergreifend als einheitliche und standardisierte Sprache zur Beschreibung des funktionalen Gesundheitszustandes, der Behinderung, der sozialen Beeinträchtigung und der relevanten Umgebungsfaktoren eines Menschen. Mit ihr sollen die bio-psycho-sozialen Aspekte von Krankheitsfolgen unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren erfasst werden. Die ICF besteht aus vier eigenständigen parallelen Klassifikationen, den vier Komponenten: Körperfunktionen (bodyfunctions), Körperstrukturen (bodystructures), Aktivitäten und Partizipation (daily activities) sowie Umweltfaktoren (environmental factors).

Die ausschlaggebende Zieldimension der Rehabilitation der Menschen mit Behinderung und Krankheit sowie von Behinderung bedrohten Menschen ist die Verbesserung der Partizipation, d. h. die Teilnahme am normalen Leben in Familie, Beruf und Gesellschaft. Damit steht – im Kern – der soziale Aspekt von Behinderung im Vordergrund.

Eine gutachterliche Bewertung kindlicher Hörschädigungen ist Ptok (2009) zu entnehmen (Tab. 2).


Tab. 2: Gutachterliche Bewertung kindlicher Schwerhörigkeiten (Ptok 2009, 17)GdE (MdE)
1Taubheit beiderseits (Hörreste für Lauterkennung nicht verwertbar, mittlerer Hörverlust für Töne nach Röser durch Schallempfindungsstörung über 90 dB)
a) seit Geburt oder nach Frühertaubung (vor dem 9. Lebensjahr)100 %
b) nach Ertaubung vor voll gefestigtem Sprachbesitz und vor Abschluss der Schulbildung (9. – 18. Lebensjahr)90 %
c) bei sprachlichen Spätfolgen einer Spätertaubung (nach dem 18. Lebensjahr) mit schlechter Sprachverständlichkeit80 %
2Hörrestigkeit auf dem besseren Ohr (entspricht etwa der Möglichkeit zur Erkennung von Vokalen, mittlerer Hörverlust für Töne durch Schallempfindungsstörung 90 – 80 db)
a) bei Eintritt der Hörrestigkeit vor dem 9. Lebensjahr90 %
b) bei Eintritt der Hörrestigkeit im 9. – 18. Lebensjahr80 %
c) bei sprachlichen Spätfolgen einer nach dem 18. Lebensjahr eingetretenen Hörrestigkeit mit schlechter Sprachverständlichkeit80 %
3An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit auf dem besseren Ohr (Satzverständnis ohne Absehen der Sprache möglich zwischen laut am Ohr und 0,25 m, mittlerer Hörverlust für Töne durch Schallempfindungsschwerhörigkeit 80 – 60 dB, bei Schallleitungskomponente ggf. auch über 80 dB)
a) bei Eintritt des Schwerhörigkeitsgrades vor dem 9. Lebensjahr mit eingeschränktem Wortschatz80 %
b) bei normalem Wortschatz bzw. Eintritt des Schwerhörigkeitsgrades nach dem 18. Lebensjahr und schlechter Sprachverständlichkeit durch gehörbedingte Artikulationsstörung70 %
4Hochgradige Schwerhörigkeit auf dem besseren Ohr (sicheres Satzverständnis bei Umgangssprache zwischen 0,25 m und 1 m, mittlerer Hörverlust für Töne ohne Berücksichtigung der Art der Schwerhörigkeit 60 – 50 dB), bei eingeschränkter Sprachverständlichkeit durch gehörbedingte Artikulationsstörung je nach Schwerhörigkeitsgrad auf dem schlechteren Ohr55 – 60 %
5Mittelgradige Schwerhörigkeit auf dem besseren Ohr (Satzverständnis bei Umgangssprache zwischen 1 und 4 m, mittlerer Hörverlust für Töne 50 – 40 dB), bei eingeschränkter Sprachverständlichkeit durch gehörbedingte Artikulationsstörung je nach Grad der Schwerhörigkeit auf dem schlechteren Ohr40 – 50 %

(Anmerkungen: Das Schwerbehindertengesetz verwendet den „Grad der Behinderung“ [GdB] an Stelle von „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ [MdE]. Der reine Zahlenwert ist jedoch identisch. Der Unterschied ist formal: Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wird in einem Prozentsatz angegeben, der Grad der Behinderung ohne [z. B.: MdE=5 %, GdB=50]).

Die Aussage „nach Röser“ (Spalte 2, 2. Zeile quer) meint die Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm. Röser hat dafür drei Tabellen erarbeitet: für den regelmäßigen und unregelmäßigen Hörschwellenverlauf sowie für die Lärmschwerhörigkeit. Die ersten beiden kommen bei Kindern zur Anwendung.)

Aus pädagogischer Sicht sind Abgrenzungen besonders problematisch, weil die Anforderungen des pädagogischen Prozesses von sehr komplexer Natur sind. Dennoch kann auf eine Begriffsbestimmung von Gehörlosigkeit, Schwerhörigkeit und Ertaubung nicht verzichtet werden, u. a. deshalb, weil die Erziehung, Bildung und Förderung im Kindes- und Jugendalter die Entwicklung der Persönlichkeit entscheidend, letztendlich maßgeblich, beeinflussen.

Hörschädigung

Eine Hörschädigung im pädagogischen Sinne besteht also dann, wenn der Ausprägungsgrad des Hörverlustes bzw. die Auswirkungen des Hörschadens derart sind, dass das Kind sich nicht ungehindert entwickeln und entfalten kann. Es besteht sozusagen eine Widerspruchslage zwischen Kind und Umwelt, die es entwicklungs- und persönlichkeitsfördernd zu beeinflussen gilt.

Differenzierung der Schüler mit dem Förderschwerpunkt Hören Historisch gesehen begann man etwa zur Jahrhundertwende (19./20.Jh.), gehörlose und schwerhörige Schüler zu trennen und sie in entsprechenden (getrennten) Einrichtungen zu beschulen. Bis dahin galten sie als taubstumm (Kap. 15.4). (Der Begriff „taubstumm“ konnte sich bis in die 1950er/1960er Jahre für Gehörlose halten; in den letzten Jahren wird vereinzelt auch wieder „taub“ – besonders von den Betroffenen selbst – benutzt. In der Medizin wird er seit jeher verwendet.) Die aus heutiger Sicht als „schwerhörig“ bezeichneten Schüler befanden sich zur damaligen Zeit in den Taubstummenanstalten oder (oft als Schulversager) in den Volksschulen (Kap. 15.3). Eine hörgerätetechnische Versorgung, wie wir sie heute kennen, gab es zur damaligen Zeit nicht. Mit der Wende zum 20. Jahrhundert waren die diagnostischen Möglichkeiten und der Erkenntnisstand dann so weit fortgeschritten, dass eine Differenzierung der Hörschäden möglich wurde. (Das erste Audiometer wurde 1878 vorgestellt [Feldmann 2003; Böhme / Welzl-Müller 2005]; schrittweise begannen sich Verfahren zu entwickeln, mit denen Art und Ausmaß einer Hörschädigung erfasst werden konnten.) Es sei an dieser Stelle aber auch darauf verwiesen, dass eigentlich von Beginn der Bildungsversuche mit taubstummen Schülern an immer wieder bei einem Teil der Schüler Hörreste vermutet und diese auch vereinzelt genutzt wurden.

Die Aufteilung in gehörlose und schwerhörige Schüler erfolgte danach, ob die Teilnahme am Unterricht auf auditivem Weg (also über das Hören) möglich war oder nicht. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts forderte Bezold eine Trennung der gehörlosen und schwerhörigen Schüler (Kap. 15). Als wesentliche Begründung für die Notwendigkeit der Entwicklung von (eigenständigen) Schwerhörigenschulen gab er an, dass der künstliche Weg des Spracherwerbs im Gehörlosenunterricht nicht dem natürlichen Weg der Schwerhörigen entsprach.

Diese grundsätzlichen Überlegungen (nicht jedoch die Untergliederung in Schwerhörigen- und Gehörlosenschulen) haben sich bis in die Gegenwart hinein gehalten. Auch heute noch unterscheidet man danach, ob für das Kind mit Hörschädigung das Erlernen der Lautsprache auf natürlichem (also imitativem) Weg möglich ist (schwerhörige Kinder) oder nicht (gehörlose Kinder). Zum Erlernen der Lautsprache stehen den Kindern heute leistungsfähige Hörsysteme (digitale Hörgeräte / Cochlea Implantate) zur Verfügung. Bei korrektem Ablauf des Neugeborenenhörscreenings wird ein Kind mit angeborener Hörschädigung nun bei diesem erkannt und mit spätestens vier bis sechs Monaten mit Hörgeräten versorgt. Bei einer hochgradigen Hörschädigung kommt ggf. ein Cochlea Implantat (Kap. 7) in Frage. Letztendlich können die heutigen Schüler mit Hörschädigung nicht mit jenen, die um die Jahrhundertwende eine Schule für Hörgeschädigte besuchten, verglichen werden.

Die Auffassungen über Gehörlosigkeit, Schwerhörigkeit und Hörschädigung sind aufgrund gewonnener Erkenntnisse, veränderter Sichtweisen und zahlreicher Forschungsergebnisse neu zu beleuchten. Beeinflusst werden die aktuellen Erklärungen und Beschreibungen durch die sich seit den 1980er/90er Jahren entwickelten Diskussionen

₺1.289,29

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
536 s. 94 illüstrasyon
ISBN:
9783846350621
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre