Kitabı oku: «Grundwissen Hörgeschädigtenpädagogik», sayfa 3
– um die Selbstbestimmung der Gehörlosen, aus deren Sicht sich jeder als gehörlos definieren kann, der sich dieser Gruppe (i. S. einer kulturellen Minderheit) zugehörig fühlt, und
– durch das Wissen über die Reifung des zentralen Hörsystems (und auch durch die praktischen Erfahrungen), die belegen, dass Hören mehr als die Verarbeitung von Schallereignissen durch das Ohr ist. In erster Linie ist Hören die Auswertung dieser Schallereignisse durch das Gehirn. Dazu braucht das Kind mit Hörschädigung den frühzeitigen Zugang zum Hören, die bewusste Zuführung externer akustischer Reize und eine entsprechende pädagogische Begleitung und Förderung.
Aus diesen beiden Ansätzen heraus wird deutlich, dass klassische Einteilungen in „gehörlos“ und „schwerhörig“ zunehmend zu hinterfragen waren. Hinzu kommt, dass Entwicklungsverläufe nicht mit dem Hörstatus korrelieren: So können bei gleicher Art und annähernd gleichem Ausmaß eines Hörschadens völlig unterschiedliche Entwicklungsverläufe bei einzelnen Kindern zu beobachten sein.
Die „Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Hören“, die von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland am 10. Mai 1996 beschlossen wurden, haben die „Empfehlungen für den Unterricht in der Schule für Gehörlose (Sonderschule)“ vom 30. Mai 1980 und die „Empfehlungen für den Unterricht in der Schule für Schwerhörige (Sonderschule)“ vom 30. August 1981 aufgehoben. In den „Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Hören“ wird durchgängig von hörgeschädigten Kindern und Jugendlichen gesprochen. Zur sonderpädagogischen Förderung in Sonder-/Förderschulen wird ausgeführt:
„Kinder und Jugendliche mit den Förderschwerpunkten im Bereich des Hörens, der auditiven Wahrnehmung, des Spracherwerbs, der Kommunikation sowie des Umgehen-Könnens mit einer Hörbeeinträchtigung, deren Förderung in allgemeinen Schulen nicht ausreichend gewährleistet werden kann, werden in Schulen für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche in entsprechenden Bildungsgängen unterrichtet … Von besonderer Bedeutung ist im Blick auf die Lernerfolge der förderbedürftigen Schüler und Schülerinnen das verantwortungsvolle Zusammenwirken einer Schule für Gehörlose und einer Schule für Schwerhörige im gleichen Einzugsbereich“ (1996, 377).
Einleitend wurde vorangestellt, dass die schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit den Förderschwerpunkten in den genannten Bereichen alle Schulstufen und Schularten einbezieht. Sie habe zu einer Vielfalt von Förderformen und Förderarten geführt. Bereits zu diesem Zeitpunkt (Mitte der 1990er Jahre) wurde dem gemeinsamen Lernen von Schülern mit und ohne Behinderung ein größerer Stellenwert als je zuvor eingeräumt, ebenso den vorbeugenden Maßnahmen, die Entwicklungsverzögerungen und Fehlentwicklungen verhindern, mindern oder weitergehende Auswirkungen einer Hörschädigung vermeiden sollen. Dazu sollen sofort nach dem Erkennen der Hörschädigung Fördermaßnahmen einsetzen. Da dies außer bei erworbenen Hörschädigungen heute unmittelbar nach der Diagnose erfolgt (diese soll umgehend nach Auffälligkeiten beim Neugeborenenhörscreening eingeleitet werden), wird der Frühförderung ein expliziter Stellenwert zugewiesen (Kap. 11).
Die Ursachen für eine Hörschädigung sind unterschiedlicher Art (Kap. 3.3). Hörschädigungen können angeboren sein (genetisch bedingt bzw. prä- oder perinatal auftretend) oder im Laufe des Lebens eintreten.
Unabhängig davon, welche Ursache für eine Hörschädigung besteht oder in welchem Alter sie eintritt, sind stets Maßnahmen zu ergreifen, die zu einem mehr oder weniger großen Teil pädagogischer Natur sind. Ziele, Inhalte, Methoden und Organisationsformen dieser speziellen Maßnahmen sind Gegenstand der Hörgeschädigtenpädagogik (Kap. 2.3).
Zusammenfassung
Die Schwierigkeiten, Menschen mit Hörschädigung wirkungsvoll zu helfen und zu unterstützen, zeigen sich bereits in dem Versuch, Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit zu definieren. Diese definitorischen Klärungsversuche sind keine bloße Begriffsspielerei, sondern weisen die Richtung für Hilfen und Unterstützung, die den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Hörschädigung geboten oder angeboten werden müssen.
Vor allem die Pädagogen waren seit den 1990er Jahren bemüht, die allein an Beeinträchtigungen (Defiziten) und Förderbedarf orientierten Definitionen zu überwinden. So schließt man Auswirkungen mit ein, die „im pädagogischen Sinn wesentlich sind“ oder „die Teilhabe an der Gesellschaft (die zwangsläufig eine Gesellschaft der Hörenden ist) beeinträchtigen“ oder man betrachtet die „besonderen (individuellen und sozialen) Bedingungen, unter denen, z. B. in der Schule, gelernt werden muss“. Diese Begriffsbestimmungen schließen ein, dass die Beeinträchtigungen, die sich aus dem eingeschränkten oder (in Ausnahmefällen) vollständig ausgefallenen Hören ergeben, die geistige, emotionale und soziale Entwicklung und Stabilität der Betroffenen nachhaltig beeinflussen. Bezogen auf Kinder bedeutet das, dass ihre Förderung nicht auf den Ausgleich oder die Kompensation des eingeschränkten oder ausgefallenen Hörens beschränkt bleiben darf, sondern eine vielseitige und umfassende Persönlichkeitsentwicklung in den Mittelpunkt gestellt werden muss. Daraus ergibt sich für die Förderzentren, Förderschwerpunkt Hören eine im Vergleich zur allgemeinen Schule erweiterte Aufgabenstellung, die sich beispielsweise in einer größeren Variationsbreite im Fächerangebot, in der Ausdehnung der Grundschulzeit um ein Schuljahr, in den Curricula und in der Leistungsbeurteilung zeigen kann. Zugleich soll der Unterricht das soziale Lernen und die Entwicklung einer positiven Selbsteinschätzung unterstützen. Das Förderzentrum, Förderschwerpunkt Hören (einschließlich seiner Abteilungen für Frühförderung und Elementarerziehung, Pädagogisch-Audiologischer Beratungsstelle und Mobiler Sonderpädagogischer Dienst) ist vollumfänglich auch für alle Kinder und Jugendlichen mit Förderbedarf Hören in inklusiven Settings zuständig.
Trotz der aufgeworfenen Problematik sind Begriffsbestimmungen unumgänglich, da nur bei einer klar definierten Ausgangsbasis eine wissenschaftliche Verständigung und ein gezieltes praktisches Handeln möglich werden. Der einzelne Begriff muss so klar definiert sein, dass der Spielraum für subjektive Interpretation gering ist, wohl aber kann man unterschiedliche Definitionen entsprechend unterschiedlicher Sichtweisen oder unterschiedlicher Bezugssysteme einbringen.
2.2 Ziele der Hörgeschädigtenpädagogik
Es wird nicht möglich sein, im Rahmen der Ausbildung für pädagogische Berufe die Fähigkeit zu vermitteln, die richtige Handlungsanweisung aus vorgegebenen übergeordneten gesellschaftlichen Zielen abzuleiten. Das Studium der Pädagogik bietet jedoch Wissen über Voraussetzung und Folgen des pädagogischen Handelns (Lenzen 2004, 20ff). Betrachtet man im Gegensatz dazu aber konkrete Ziele (Absichten), so können diese die Effektivität pädagogischen Handelns erhöhen. In diesem Sinne ist nachfolgende Reflexion zu betrachten.
Bevor die Bestimmung des Begriffs Hörgeschädigtenpädagogik durch Kennzeichnung des Ziels (Kap. 2.2) und des Gegenstandes (Kap. 2.3) vorgenommen wird, sollen die Begriffe Pädagogik, Sonderpädagogik und Inklusive Pädagogik skizziert werden. Eine umfängliche Bestimmung dieser Begriffe ist der entsprechenden Fachliteratur zu entnehmen. Die hier vorgelegten Fassungen dienen dazu, eine gedankliche Diskussionsbasis zu schaffen. Die Voranstellung scheint sinnvoll, da die Hörgeschädigtenpädagogik als Teilgebiet der Sonderpädagogik gesehen wird, die sich wiederum als Teilgebiet der (Allgemeinen) Pädagogik versteht. Im gegenwärtigen Sprachgebrauch etabliert sich Inklusive Pädagogik als Transformation der Sonderpädagogik (Biewer 2017).
„Pädagogik“
„Pädagogik“ bezeichnet die Lehre, Theorie und die Wissenschaft von der Erziehung und Bildung der Kinder und der Erwachsenen in unterschiedlichen pädagogischen Feldern wie Familie, Kindergarten, Schule, Freizeit und Beruf.
Pädagogik hat sich ursprünglich auf das Kind (von griechisch pais agein, wörtich: Führung des Knaben bzw. Kindes vom Haus zur Übungsstätte) beschränkt. Seit dem Vordringen der Pädagogik in viele Bereiche der Gesellschaft wurde sie auf die Erwachsenen ausgedehnt (dort auch als Andragogik oder Geragogik bezeichnet).
Der Terminus „Pädagogik“ wird umgangssprachlich synonym mit „Erziehungswissenschaft“ verwendet. Die Einführung und Durchsetzung von „Erziehungswissenschaft“ war mit der Intention verknüpft, den Übergang einer vorwiegend geisteswissenschaftlich ausgerichteten „Pädagogik“ zu einer erfahrungswissenschaftlichen (empirisch-analytischen) und damit – so die Absicht der Vertreter dieser Richtung – zu einer exakteren Disziplin werden zu lassen.
Sonderpädagogik Heilpädagogik Behindertenpädagogik, Inklusive Pädagogik u. a.
„Sonderpädagogik“ (auch als Behindertenpädagogik, Förderpädagogik, Heilpädagogik, Rehabilitationspädagogik und ferner als Rehabilitation, Normalisierung, Integration und zunehmend als inklusive Pädagogik bezeichnet) ist die Theorie und Praxis sowie Wissenschaft einer speziellen Pädagogik.
Der älteste Begriff ist „Heilpädagogik“. Orientiert am allgemeinpädagogischen Gedanken einer „heilenden Erziehung“, entwickelte sie sich spätestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Disziplin, wenn der Begriff „Heilpädagogik“ auch erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auftauchte.
Die genannten Bezeichnungen werden oft synonym verwendet. Dennoch muss angemerkt werden, dass Abweichungen in den Grundintentionen zu erkennen sind. So setzt beispielsweise die Heilpädagogik ihren Akzent auf das sinnerfüllte Leben der Betroffenen, die Sonderpädagogik stellt die spezifischen Aufgaben der betreuenden Institutionen in den Mittelpunkt und die Behindertenpädagogik reflektiert die sozialpsychologische und gesellschaftstheoretische Entstehung und Funktion von Behinderung. Gemeinsam benennen sie jedoch den Tatbestand des pädagogischen Bemühens, Menschen mit Behinderungen bei ihrem Hineinwachsen und Leben in der Gesellschaft zu unterstützen.
Direkt durchgesetzt hat sich keine der Bezeichnungen, wenn auch Sonderpädagogik seit den 1960er Jahren die am häufigsten benutzte war. In dieser Zeit etablierte sich auf der Basis des Gutachtens des Schulausschusses der KMK zur Ordnung des Sonderschulwesens ein differenziertes Sondersystem für alle Behinderungsarten (vgl. Gutachten zur Ordnung des Schulwesens 1960). Während sich damals die Sicht vorzugsweise auf die (Sonder-)Schule richtete und die Sonderpädagogik vorzugsweise eine (Sonder-)Schulpädagogik war, haben sich die Aufgaben dieser „speziellen Pädagogik“ und die Anforderungen an sie mehr und mehr erweitert und damit auch ihre Aufgabenfelder. Sie umfasst heute bewusst alle Altersstufen und Lebensbereiche.
Gegenwärtig orientiert man sich verstärkt an Begriffen wie Prävention, Inklusion und Rehabilitation oder auch inklusive Pädagogik (vereinzelt Inklusionspädagogik), u. a. auch deshalb, weil man sich vom Gedanken einer „Sonder“- beschulung mehr und mehr gelöst hat und die Inklusion des Kindes und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Einrichtungen in den Vordergrund stellt.
Inklusive Pädagogik
Biewer (2017, 204) definiert Inklusive Pädagogik als
„Theorien zur Bildung, Erziehung und Entwicklung, die Etikettierung und Klassifizierungen ablehnen, ihren Ausgang von den Rechten vulnerabler und marginalisierter Menschen nehmen, für deren Partizipation in allen Lebensbereichen plädieren und auf eine strukturelle Veränderung der regulären Institutionen zielen, um der Verschiedenheit der Voraussetzungen und Bedürfnisse aller Nutzer / innen gerecht zu werden“.
Nachfolgend wird zunächst noch mit dem Begriff „Sonderpädagogik“ weitergearbeitet, da mit ihm gegenwärtig noch die größte Allgemeinverständlichkeit gewährleistet ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass – wie schon wiederholt in der Geschichte der Pädagogik, die sich mit Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf befasst – es zu begrifflichen Neuerungen kommt. Sonderpädagogik wird, so von Stechow 2016, klassisch als „Pädagogik für besondere Schulen“ gesehen. Das traf jedoch für die Hörgeschädigtenpädagogik niemals zu. Sie hat sich seit ihren Anfängen stets für „über die Lebensspanne“ zuständig gefühlt und weicht damit von ihrem Grundverständnis von der Mehrheit der anderen sonderpädagogischen Fachrichtungen ab (Kap. 15).
Abbildung 1 stellt die einzelnen sonderpädagogischen Teildisziplinen in der Form vor, wie sie aktuell noch an den meisten sonderpädagogischen Ausbildungsstätten (i. S. einer „Fachrichtung“) – allerdings mit großen Unterschieden (s. Schwerpunktheft „Studium der Sonderpädagogik in Zeiten der Inklusion“ 2018) – gelehrt werden. Die Bezeichnung der Teildisziplinen (Fachrichtungen) stimmt nicht immer mit der Bezeichnung der Sonderschularten überein: So studiert man in Bayern das Lehramt für Sonderpädagogik mit der vertieft studierten Fachrichtung Geistigbehindertenpädagogik, arbeitet aber am Förderzentrum bzw. an der Förderschule, Förderschwerpunkt geistige Entwicklung oder ist für Schüler mit Förderbedarf geistige Entwicklung in inklusiven Settings tätig, ebenso wie man das Lehramt für Sonderpädagogik mit der vertieft studierten Fachrichtung Verhaltensgestörtenpädagogik studiert, der Schüler aber am Förderzentrum bzw. der Förderschule, Förderschwerpunkt soziale und emotionale Entwicklung, lernt oder in inklusiven Einrichtungen betreut wird.
Ausbildung der Hörgeschädigtenpädagogen Gehörlosen- oder Schwerhörigenpädagogik bzw. Hörgeschädigtenpädagogik kann man an den Universitäten in Berlin (als Gebärdensprach- und Audiopädagogik), Hamburg (Pädagogik bei Beeinträchtigung des Hörens / Gebärdensprache), Köln (Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation) und München (Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik) sowie an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg (Hörgeschädigtenpädagogik) studieren. Mitunter sind Schwerpunktsetzungen für den schulischen Bereich (also einem Studium des Lehramts) oder dem vor-, neben- bzw. außer- oder nachschulischen Bereich möglich (z. B. in München und Köln). Des Weiteren studiert man in Berlin, Hamburg, Köln und Heidelberg zusätzlich eine weitere sonderpädagogische Fachrichtung (was eine gewisse Breite mit sich bringt), während man in München (noch) eine Fachrichtung (diese dafür vertieft) studiert, was wiederum zu einer höheren Spezialisierung führt.
Weitere sonderpädagogische Teildisziplinen Abbildung 1 spiegelt nicht alle möglichen Teildisziplinen wider. So hat sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine Taubblindenpädagogik entwickelt, die sich Ende des 20. Jahrhunderts als Taubblinden-/Hörsehgeschädigtenpädagogik formierte. Einen eigenen Studiengang dafür gibt es in Deutschland nicht, allerdings ist ein Studienschwerpunkt Taubblindenpädagogik / Hörsehbehindertenpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg im Entstehen. In Einrichtungen für Taubblinde bzw. Hörsehgeschädigte tätige Lehrer studieren meist Gehörlosen- bzw. Schwerhörigen- oder Blinden- bzw. Sehgeschädigtenpädagogik oder beide Fachrichtungen, obwohl Taubblindheit bzw. Hörsehschädigung ein völlig eigenständiges Erscheinungsbild hat. Auch für eine Pädagogik bei Krankheit gibt es kein eigenständiges Studium.

Abb. 1: Einteilung der Sonderpädagogik in Teildisziplinen
Klauer nimmt in seiner Publikation noch die Schwerstbehindertenpädagogik mit auf, die von dem Verfasser des Kapitels (Anstötz) aber als Zweig der Geistigbehindertenpädagogik beschrieben wird (1992, 150).
Eine weitere Sichtweise ist die, dass auch die Hochbegabtenpädagogik als sonderpädagogische Fachrichtung anzusehen sei. Das basiert auf dem Grundgedanken, dass sich die Sonderpädagogik mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen befasst, die besondere Aufmerksamkeit, Förderung und Zuwendung benötigen. Dazu gehören (zweifelsfrei) auch die Hochbegabten. Die Zugehörigkeit der Hochbegabtenpädagogik zur Sonderpädagogik wird in Deutschland z. B. vertreten durch Hoyningen-Süess (1989) und Feger (1990), indirekt auch durch Klauer (1992), der in seinem Buch „Grundriß der Sonderpädagogik“ neben den (bekannten) sonderpädagogischen Fachrichtungen der Hochbegabtenpädagogik ein eigenständiges Kapitel (verfasst von Feger) einräumt. Damit schloss man sich grundsätzlichen Überlegungen aus den USA an. Dort ist die Hochbegabtenpädagogik Bestandteil der Sonderpädagogik („special education“, wörtlich übersetzt: Sondererziehung; in jüngster Zeit wird im englischsprachigen Raum statt „special education“ zunehmend von SEN „Special Education Needs” gesprochen) und fester Bestandteil der Lehreraus- und -weiterbildung.
Ziel der Hörgeschädigtenpädagogik Das Ziel der Hörgeschädigtenpädagogik ist es, Gehörlose, Schwerhörige, im Sprachbesitz Ertaubte, CI-Träger, aber auch Mehrfachbehinderte mit Hörschäden zu befähigen, sich durch eigenes aktives soziales Tätigsein zu verwirklichen, ihre Identität zu finden und sich sozial zu integrieren. Da Integration als wechselseitiger (hier: zweiseitiger) Prozess anzusehen ist, müssen die Hörenden zur Integration der Hörgeschädigten beitragen. Wenn das gesellschaftlich angestrebte Ziel der Inklusion erreicht ist, haben sich die Strukturen den individuellen Bedürfnissen angepasst. Das, was aktuell in den Schulen vorgefunden wird, ist (noch) Integration (Leonhardt 2011a), obwohl von Inklusion und inklusiven Schulen gesprochen wird. Als Teilziele der Hörgeschädigtenpädagogik werden – unter Beachtung der subjektiven Voraussetzungen – des Weiteren angesehen:
– das Erwerben einer umfassenden Bildung;
– die Entwicklung und Ausformung ihrer Persönlichkeitsqualitäten, um ihnen eine uneingeschränkte Teilnahme und Teilhabe am Leben der Gesellschaft zu ermöglichen;
– die Entscheidungskompetenz des Hörgeschädigten, in welcher der sozialen Gruppierungen er leben möchte (in der lautsprachlich geprägten Gemeinschaft Hörender, in der vorwiegend gebärdensprachlich kommunizierenden Gemeinschaft der Gehörlosen, inmitten der Gruppe von Schwerhörigen oder auch durch einen häufigeren Wechsel seiner Bezugssysteme in Abhängigkeit seines jeweils aktuellen Bedürfnisses oder Anliegens).
Hauptziel: Kommunikative Kompetenz Das Hauptziel der Hörgeschädigtenpädagogik ist, dem Hörgeschädigten (unabhängig von Art und Ausmaß des Hörschadens) den Erwerb kommunikativer Kompetenzen zu ermöglichen. Damit wird es ihm möglich, sprachliche Interaktionen durchzuführen und sich mit Gesprächspartnern dialogisch zu verständigen. Das Erwerben einer kommunikativen Kompetenz ist letztendlich Voraussetzung für das Erreichen und Verwirklichen aller anderen (bereits genannten) Zielaspekte. Ohne eine angemessene sprachliche, kommunikative und soziale Kompetenz ist weder das Aneignen kultureller Werte, noch die Ausformung seiner Persönlichkeit, noch die selbstständige, von äußerer Hilfe unabhängige Lebensführung (z. B. zur Absicherung der Existenz) möglich.
2.3 Gegenstand der Hörgeschädigtenpädagogik
Die Frage nach dem Gegenstand einer Wissenschaft läuft darauf hinaus zu kennzeichnen, womit sich diese Wissenschaft beschäftigt. Die Antwort sollte möglichst in Form einer Definition gegeben werden.
Der Kennzeichnung des Gegenstandes der Hörgeschädigtenpädagogik soll, in Anlehnung an das Vorgehen im letzten Kapitel, zunächst die Bestimmung des Gegenstandes der (Allgemeinen) Pädagogik, der Sonderpädagogik und dann der Inklusionspädagogik vorangestellt werden.
Eine Literaturanalyse hat ergeben, dass es offensichtlich im Rahmen der Pädagogik schwierig ist, eine Gegenstandsbestimmung zu formulieren, die eine weitgehende Zustimmung der Vertreter der oft sehr unterschiedlichen Richtungen und Strömungen innerhalb der Pädagogik findet. So belassen es Kron et al. (2013, 18ff) bei einer Aufzählung und teilweisen Beschreibung von 11 Gegenstandsbereichen der Pädagogik. Auch die recht umfängliche Bestimmung des Begriffs „Pädagogik“ im Band 2 des Nachschlagewerkes „Pädagogische Grundbegriffe“ (hrsg. von Lenzen 1989) lässt eine direkte Gegenstandsbestimmung aus. Eine konkrete Formulierung ist auch nicht bei Lassahn (2000) und Schröder (1992) zu finden.
Vermutlich beruhen die Schwierigkeiten einer Fassung des Gegenstandsbereiches darauf, dass die (Allgemeine) Pädagogik sich in zahlreiche, mehr oder weniger eigenständige, Subdisziplinen aufgegliedert hat, die wiederum für sich einen relativ abgrenzbaren Gegenstandsbereich reklamieren.
Im Gegensatz dazu herrscht jedoch beispielsweise in der Psychologie trotz ihrer unterschiedlichen Schulen und Teilgebiete ein weitgehender Konsens darüber, was der Gegenstand des Faches ist (Zimbardo / Gerrig 2004, 3).
Nachfolgend wird die Gegenstandsbestimmung für die Allgemeine Pädagogik von Keßler / Krätzschmar (1993, 3 und 5) vorgestellt, die für weitere Überlegungen geeignet erscheint:
Allgemeine Pädagogik
Die Allgemeine Pädagogik beschäftigt sich mit übergreifenden Fragestellungen, erforscht das Wesen pädagogischer Prozesse, und sie erfasst die historischen Dimensionen erziehungswissenschaftlicher Inhalte. Sie reflektiert gesellschaftliche, philosophische und anthropologische Ursprünge und Grundlagen in ihrem Gegenstandsbereich.
Die Gegenstandsbestimmung für Sonderpädagogik scheint ähnlich schwierig zu sein – vgl. Bleidick 1974, 192 – 207; Gerspach 1989, 73 – 88; Marx 2001, 1394 – 1396; Kobi 2004, 127 – 135; Bach 1995, 11 und Haeberlin 1998, 25 – 44. Bedingt scheint das durch den jeweiligen theoretischen Ansatz und die darauf aufbauenden Überlegungen. Nachfolgend sollen zwei der genannten vorgestellt werden:
Gegenstand der Behindertenpädagogik nach Bleidick Bleidick (er verwendet den Begriff Behindertenpädagogik) sieht das sonderpädagogische Gegenstandsgebiet in den drei Gegenstandsfeldern
■ Behinderung,
■ Behinderung der Erziehung,
■ Erziehung der Behinderten.
Die drei aufeinander bezogenen Inhalte des Gegenstandes werden wie folgt gefasst:
1. Bei der Bestimmung des Begriffs Behinderung wird von einer pädagogischen Systematik ausgegangen. Es wird sich also auf jene eingeschränkt, die pädagogisch relevant sind, „d. h. die sich als Behinderungen des Erziehungsgeschäfts erweisen und der besonderen Erziehung der von ihnen Betroffenen bedürfen“ (1974, 193).
2. Behinderung der Erziehung. Die Behinderung schlägt sich als eine intervenierende Variable der Erziehung nieder. Es liegt eine „Störung der Bildsamkeit“ (Bildungsbehinderung) vor.
3. Erziehung der Behinderten. Angesichts der Beeinträchtigungen des Bildungsprozesses ist es notwendig, auf diese Erschwerung der Erziehung „einzugehen“. Dies ist mit den üblichen Mitteln der Pädagogik nicht zu leisten. Die Erziehung der Behinderten ist „besondere Erziehung“, Sondererziehung (1974, 193).
In späterer Literatur von Bleidick (1998, 27 – 29) ist die Begrifflichkeit und damit die Formulierung entsprechend der allgemeinen Entwicklung aktualisiert. Der wissenschaftliche Grundgedanke bleibt aber erhalten.
Der Begriff der Behinderung ist für die Pädagogik der Behinderten zentrales Bestimmungsmoment. Bildlich gesprochen „unterbricht“ die Behinderung zunächst den Vorgang der Erziehung. Bleidick beschreibt das an Beispielen:
„Der blinde Schüler kann die Tafel nicht sehen, auf der der Lehrer für die übrigen Schüler der Klasse etwas anschreibt. Der Gehörlose ist im buchstäblichen Sinne nicht ,ansprechbar’. Der Geistigbehinderte besitzt nicht die Aufnahmefähigkeit, die für das Erlernen bestimmter Kulturfunktionen erforderlich erscheint“ (27).
Der Kerngedanke des Behinderungsbegriffs wird darin gesehen, dass Behinderung eine „intervenierende Variable des Erziehungsvorgangs“ ist.
„Gemeint ist damit, dass die Behinderung die Lernbedingungen in entscheidender Weise verändert. Aus diesem Sachverhalt bezieht die Sondererziehung ihren Auftrag. Mit der Erschwerung des Lerngeschehens soll nämlich nicht gesagt sein, dass ein Defekt, ein Mangel, eine funktionelle Störung die Ziele der Erziehung und des Unterrichts dauerhaft verstellen oder ihr Erreichen unmöglich machen. Man kann das so definieren: Ein pädagogischer Begriff von Behinderung liegt dann vor, wenn sich der Educandus aufgrund seiner Behinderung nicht mit den ,üblichen‘ Mitteln erziehen und unterrichten lässt und spezieller, ,besonderer‘ pädagogischer Verfahrensweisen bedarf“ (28).
Unterricht und Erziehung sind erschwert; sie unterliegen besonderen Bedingungen. Erziehung i. w. S. meint die Zusammenfassung aller beeinflussenden Maßnahmen, mit denen Ältere auf Jüngere als noch zu Erziehende einwirken. „Behinderung als intervenierende Variable des Erziehungsvorgangs bezeichnet … die Gesamtveränderung der pädagogischen Förderung“ (28). Erziehung i. e. S. ist gemeint, wenn Unterricht und Erziehung gegenübergestellt werden:
„Unterricht meint hier den Bildungsvorgang, der im engeren Sinne als Lernen umschrieben wird. Erziehung meint die Führung zur Mündigkeit, womit soziale Selbstständigkeit und soziale Eingliederung gemeint sind“ (28).
Bleidick kommt zu folgenden Bestimmungen: Definition der Behinderung im pädagogischen Sinne: Als behindert im pädagogischen Sinne gelten Kinder, Jugendliche und Erwachsene, deren Lernen und deren soziale Eingliederung erschwert sind (1998, 29). Als Gegenstand bestimmt er:
Gegenstand der Behindertenpädagogik ist das Lernen und die soziale Eingliederung angesichts erschwerten Lernens und erschwerter sozialer Eingliederung.
Gegenstand der Sonderpädagogik nach Bach Bach (er verwendet den Begriff Sonderpädagogik) sieht den Gegenstand der Sonderpädagogik folgendermaßen:
„Sonderpädagogik erstreckt sich
– auf alle Arten der Beeinträchtigungen (also nicht nur auf Behinderungen, sondern ebenso auf Störungen, Gefährdungen und Sozialrückständigkeiten),
– auf alle Formen von Beeinträchtigungen (und nicht nur auf intellektuelle, sondern ebenso auf sensorielle, motorische und anderen Formen),
– auf alle Altersstufen (und nicht nur auf die Kindheit, sondern ebenso auf das Säuglings- und das Erwachsenenalter) und
– auf das ganze Erziehungsfeld (und nicht nur auf die Schule, sondern ebenso auf das familiäre und auf andere Erziehungsfelder)“ (1995, 11) (Abb. 2).
Unter „Beeinträchtigung“ versteht Bach die Erschwerung der Personalisation und Sozialisation eines Menschen. Gekennzeichnet ist sie objektiv durch Unregelhaftigkeiten in den Bereichen des Erziehungsprozesses. Liegt diese objektive Feststellung noch nicht vor, spricht man von „Auffälligkeit“.
Gegenstand der Inklusionspädagogik nach Sander Sander (2003) baut seine Gegenstandsbestimmung von Inklusionspädagogik auf einer Gegenstandsbestimmung von Integrationspädagogik auf. Gegenstand der Integrationspädagogik ist nach ihm „die gemeinsame Erziehung und Unterrichtung nichtbehinderter und behinderter Kinder und Jugendlicher“ (313). Er plädiert für ein über Integration hinausgehendes Verständnis von Inklusion und definiert:
Gegenstand der Inklusionspädagogik ist … die gemeinsame Erziehung und Unterrichtung aller Kinder und Jugendlicher mit welchen pädagogischen Bedürfnissen auch immer (a.a.O).
Gegenstand der Hörgeschädigtenpädagogik Folgt man der gedanklichen Kette, dass die Hörgeschädigtenpädagogik ein Teilgebiet der Sonderpädagogik und der sich aus ihr entwickelnden Inklusionspädagogik ist und diese wiederum ein Teilgebiet der Pädagogik sind, so sind der Hörgeschädigtenpädagogik deren Gegenstandsbereiche immanent.
Es sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass sich Pädagogik, und damit auch die Hörgeschädigtenpädagogik, auf alle Phasen des Lebensalters bezieht. Ein Hörschaden kann zu jedem Zeitpunkt des Lebens eintreten, so z. B. prä- oder perinatal oder als Folge eines Hörsturzes in der Lebensmitte oder auch als Folge des Alterns (Altersschwerhörigkeit). Entsprechend muss auch die Gegenstandsbestimmung der Hörgeschädigtenpädagogik vorgenommen werden.

Abb. 2: Gegenstandsbereich der Sonderpädagogik nach Bach 1995
In Anlehnung an die oben genannte Gegenstandsbestimmung von Bleidick könnte man die der Hörgeschädigtenpädagogik folgendermaßen formulieren:
Der Gegenstand der Hörgeschädigtenpädagogik sind die besonderen Bedingungen des Lernens und der sozialen Eingliederung und Inklusion von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Hörschädigung. Für die wissenschaftstheoretische Diskussion ist folgende Überlegung lohnenswert: Bei der Gegenstandsbestimmung der Hörgeschädigtenpädagogik ist die der allgemeinen Pädagogik um die Dimension, die sich aus dem dynamischen Charakter einer Hörbehinderung resp. Hörschädigung ergibt, zu erweitern (Pöhle 1994, 37).
Unter dem „dynamischen Charakter der Hörbehinderung wird verstanden, dass Auffälligkeiten (z. B. im Verwenden der Sprache oder im sozialen Verhalten) dem Hörgeschädigten nicht wesenseigen sind. Sie haben sich herausgebildet, weil die anatomisch-physiologischen Entwicklungsvoraussetzungen des Hörgeschädigten (z. B. des hörgeschädigten Kindes) und seine Entwicklungsbedingungen einander nicht bzw. nicht hinreichend entsprechen. Da sie jedoch Ergebnis eines Prozesses sind, lassen sie sich auch durch prozessuale, fördernde pädagogische Einwirkungen verändern“ (18).
Große (2001, 17f) teilt bei seiner Gegenstandsbestimmung die Hörgeschädigtenpädagogik (dort Hörbehindertenpädagogik) in Erkenntnisstufen ein. Die 1. Ebene (=Realbereich) bildet das spezifische erzieherische Handeln mit und für den hörgeschädigten Menschen (=Gegenstand). Auf der 2. Ebene bildet der Realbereich den Gegenstand der gedanklichen Reflexion. Der Mensch mit Hörschädigung ist als konstitutives Element des Bildungs- und Erziehungsprozesses eingeordnet und besitzt als solcher Relevanz. Auf der 3. Ebene ist die Hörgeschädigtenpädagogik als Wissenschaft Gegenstand.
Der bisher geführten Diskussion soll sich folgende Überlegung anschließen: Die Hörgeschädigtenpädagogik sieht nicht die eingeschränkte, veränderte oder im Extremfall ausgefallene auditive Perzeption als ihren Gegenstand, sondern die bestehenden Entwicklungspotenziale. Die folgende Gegenstandsdefinition für die Hörgeschädigtenpädagogik dürfte heute weitgehende Zustimmung finden: