Kitabı oku: «Der NSU Prozess», sayfa 4

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Tag 2

14. Mai 2013

Manfred Götzl, Richter. Beate Zschäpe, André Eminger, Holger Gerlach, Ralf Wohlleben, Carsten Schultze, Angeklagte. Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Wolfgang Heer, Anja Sturm, Verteidiger von Beate Zschäpe. Nicole Schneiders, Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Thomas Bliwier, Sebastian Scharmer, Anwälte der Nebenklage.

(Verteidiger Heer bittet darum, ihm das Wort zu erteilen.)

Götzl Mir ist noch nicht klar, um was es gehen soll, Herr Rechtsanwalt Heer. Können Sie kurz sagen, um was es geht?

Verteidiger Heer Ich beabsichtige nicht, immer um das Wort zu bitten.

Götzl Doch, das werden Sie aber müssen.

Verteidiger Heer Da haben wir einen Dissens.

Götzl Aber ich habe die Sitzungsgewalt.

Verteidiger Heer Mein Antrag ist vorrangig vor allen anderen Anträgen. Es geht um den Sitzungssaal.

Anwalt Bliwier Wenn Sie dem Kollegen das Wort erteilen, würde ich das ausdrücklich beanstanden und es begründen.

Götzl Dann wird Rechtsanwalt Bliwier das Wort erteilt.

Verteidiger Heer Das beanstande ich.

Anwalt Bliwier Die Verteidigung scheint sich das Ziel gesetzt zu haben, die Verlesung der Anklage zu verhindern. Ich habe das Gefühl, dass insbesondere die Verteidigung von Ralf Wohlleben nur darauf abzielt, die Verlesung der Anklage zu verhindern. Das hat sich schon am ersten Sitzungstag gezeigt, als Wohllebens Anwälte einen 40-minütigen Antrag verlesen haben. Das Gericht wird aufgefordert, dem entgegenzutreten. Es liegen keine unaufschiebbaren Anträge mehr vor. Auch in diesem Prozess gilt das Beschleunigungsgebot. Das Gericht möge anordnen, dass die Vertreter des Generalbundesanwalts nun die Anklage verlesen.

Verteidiger Klemke Offensichtlich will man Stimmung machen gegen die Verteidigung, uns mundtot machen. Offensichtlich sind noch nicht genug Kanzleischeiben eingeworfen worden. (In seiner Kanzlei in Cottbus waren ein paar Wochen vor Beginn des NSU-Prozesses Steine durchs Fenster geflogen.)

Bundesanwalt Diemer Der Einfallsreichtum der Verteidigung ist unerschöpflich, die Formulierungskunst auch.

Götzl Das Wort hat Herr Rechtsanwalt Heer.

Verteidiger Heer Wir beantragen, die Verhandlung auszusetzen und in einem größeren Saal neu zu beginnen. Die Sicht von der Zuschauerempore ist unzureichend, das auf die Wand projizierte Bild der Nebenkläger ist zu klein, die Gesichter sind nicht erkennbar. Dagegen sind die Computer und die Unterlagen der Verteidiger von Beate Zschäpe von der Richterbank aus voll einsehbar. Bei sorgfältiger Organisation und Vorbereitung des Prozesses hätten sich andere Örtlichkeiten finden lassen. Die Eignung des Sitzungssaals lebt von der Hoffnung, dass nicht alle Nebenkläger an der Sitzung teilnehmen und nicht noch weitere hinzukommen. Dabei gibt es noch rund 70 Verletzte des Nagelbombenattentats von Köln, die nebenklageberechtigt sind.

(Zschäpes Verteidiger beantragen zudem, das Akkreditierungsverfahren für Journalisten zu überprüfen, das bereits einmal neu aufgelegt wurde, nachdem das Bundesverfassungsgericht gerügt hatte, ausländische Medien seien nicht angemessen berücksichtigt worden.)

Verteidigerin Sturm Es gibt substanziierte Anhaltspunkte, dass auch das zweite Verfahren mangelhaft war, Al-Dschasira wurde als türkisches Medium eingereiht, es gibt eine Verwechslung von Hörfunk und Fernsehen. Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist verletzt. Es wäre unserer Mandantin nicht zuzumuten, dass die Verhandlung wiederholt und die Anklage zweimal verlesen werden muss. Bisher hat die Verteidigung noch keine Einsicht in die Unterlagen nehmen können. Dafür aber bräuchten wir mindestens zwei Tage – und für diese zwei Tage möge die Verhandlung unterbrochen werden.

Bundesanwalt Diemer Ich fordere, die Hauptverhandlung fortzusetzen und den Antrag der Verteidigung abzulehnen. Dieser Antrag wird abgelehnt werden, so wie alle anderen davor abgelehnt wurden.

Anwalt Scharmer Das Bundesverfassungsgericht hat die Durchführung der Verhandlung in diesem Saal A101 nicht beanstandet. Eine weitere Unterbrechung ist nicht nötig. Von den 70 Nebenklägern sind nach der ersten Verschiebung des Prozesses um drei Wochen nur noch 26 gekommen. Nun, nach der weiteren Unterbrechung um eine Woche, sind nur noch sieben im Saal.

(Ralf Wohllebens Verteidigerin Nicole Schneiders stellt nun einen Antrag auf Aussetzung und Einstellung des Verfahrens. Ihr Kollege Klemke bringt eine Besetzungsrüge gegen das Gericht an. Die Sitzung wird für eine Pause unterbrochen. Dann kehrt das Gericht wieder zurück.)

Götzl Herr Rechtsanwalt Heer, die beiden Richterinnen, die Ihnen am nächsten sitzen, haben erklärt, sie könnten nichts von Ihren Unterlagen und Ihrem Computerbildschirm erkennen. Aber Sie können gern in die zweite Reihe rücken.

Verteidiger Heer Natürlich setze ich mich nicht an den Katzentisch da hinten. Ich möchte direkt neben meiner Mandantin sitzen.

Götzl Das Wort Katzentisch verbitte ich mir.

Verteidiger Heer Warum unterbrechen Sie mich?

Götzl Sie unterbrechen mich.

Verteidiger Heer Sie sind unhöflich. Ich lasse mich nicht unterbrechen, wenn ich das Wort habe.

(Richter Götzl weist die Anträge der Verteidiger zurück. Es bleibt beim Sitzungssaal A101. Verteidiger Heer meldet sich erneut.)

Götzl Worum geht es, Herr Rechtsanwalt Heer?

Verteidiger Heer Das sage ich Ihnen, wenn Sie mir das Wort erteilen.

Götzl Dann erteile ich Ihnen das Wort nicht.

Verteidiger Heer Es ist eine Gegenvorstellung.

Götzl Zu unserem Beschluss?

Verteidiger Heer So ist es, Herr Vorsitzender. Ich beantrage eine dienstliche Erklärung des Herrn Vorsitzenden, wo die Zeugen sitzen werden, und eine Skizze.

(Götzl deutet auf den einzigen freien Fleck in der Mitte des Saals.)

Bundesanwalt Diemer Der Antrag der Verteidigung von Frau Zschäpe ist unbegründet, die Öffentlichkeit ist in ausreichender Weise hergestellt. Es gibt keinen Grund, in einen anderen Sitzungssaal auszuweichen. Es muss nicht jeder Zutritt haben. Die Verlegung in eine Mehrzweckhalle oder in ein Stadion birgt die Gefahr eines Schauprozesses. Man muss auch nicht jede Pore im Gesicht eines Zeugen sehen. Ich beantrage, den Aussetzungsantrag zurückzuweisen.

(Pause.)

Götzl Die Anträge der Verteidigung auf Umzug in einen größeren Sitzungssaal werden zurückgewiesen. Strafprozesse finden in der, aber nicht für die Öffentlichkeit statt. Es muss kein Saal gewählt werden, in dem alle Interessierten Platz haben. Die Verhandlung wird auch nicht ausgesetzt, damit die Verteidiger die Presseakkreditierung überprüfen können. Es gibt keine Anzeichen für eine Verletzung der Öffentlichkeit des Verfahrens.

Dann kommen wir jetzt zur Verlesung der Anklage.

Bundesanwalt Diemer (verliest die ersten 35 Seiten der 488 Seiten starken Anklageschrift des Generalbundesanwalts Harald Range)

1. Die deutsche Staatsangehörige Beate Zschäpe, geboren am 2. Januar 1975, ledig,

2. den deutschen Staatsangehörigen André Eminger, geboren am 1. August 1979 in Erlabrunn, verheiratet,

3. den deutschen Staatsangehörigen Holger Gerlach, geboren am 14. Mai 1974 in Jena, ledig

4. den deutschen Staatsangehörigen Ralf Wohlleben, geboren am 27. Februar 1975 in Jena, verheiratet,

5. den deutschen Staatsangehörigen Carsten Schultze, geboren am 6. Februar 1980 in Neu Delhi/Indien, ledig,

klage ich an, jeweils unter Beschränkung der Strafverfolgung gemäß der Paragrafen 154, 154 a StPO (Strafprozessordnung)

1. die Angeklagte Beate Zschäpe in Nürnberg, Zwickau und in anderen Orten ab einem unbekannten Zeitpunkt nach dem 26. Januar 1998, spätestens jedoch ab dem 18. Dezember 1998 bis zum 4. November 2011,

1.1 durch 27 rechtlich selbständige Handlungen gemeinschaftlich mit den am 4. November 2011 verstorbenen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos handelnd

a) in zehn Fällen heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen einen Menschen getötet zu haben, davon in einem Fall durch dieselbe Handlung versucht zu haben, einen Menschen heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten, und dabei zugleich eine andere Person mittels einer Waffe und einer das Leben gefährdenden Behandlung durch einen hinterlistigen Überfall mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben,

b) in zwei Fällen durch Sprengstoff eine Explosion herbeigeführt und durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen verursacht zu haben und jeweils durch dieselbe Handlung, in einem Fall in 22 tateinheitlichen Fällen, eine andere Person mittels eines gefährlichen Werkzeugs, eines hinterlistigen Überfalls und einer das Leben gefährdenden Behandlung körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben und, in einem Fall wiederum in 22 tateinheitlichen Fällen, versucht zu haben, einen Menschen heimtückisch und aus niederen Beweggründen mit gemeingefährlichen Mitteln zu töten,

c) in einem Fall als Mitglied einer Bande durch Verwendung einer Waffe mit Gewalt gegen eine Person und unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einen Menschen rechtswidrig zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt und dadurch dem Vermögen eines anderen Nachteil zugefügt zu haben, um sich und einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wobei ein anderer Beteiligter eine andere Person in Gefahr des Todes gebracht hat, und zugleich versucht zu haben, durch die räuberische Erpressung einen Menschen aus Habgier und zur Verdeckung einer anderen Straftat zu töten,

d) in zwei Fällen als Mitglied einer Bande durch Verwendung einer Waffe mit Gewalt gegen eine Person und unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einen Menschen rechtswidrig zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt und dadurch dem Vermögen eines anderen Nachteil zugefügt zu haben, um sich und einen Dritten zu Unrecht zu bereichern,

e) in zehn Fällen als Mitglied einer Bande durch Verwendung einer Waffe mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen zu haben, die Sache sich und einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, davon in vier Fällen zugleich als Mitglied einer Bande durch Verwendung einer Waffe mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben durch jeweils dieselbe Handlung einen Menschen rechtswidrig zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt und dadurch dem Vermögen eines anderen Nachteil zugefügt zu haben, um sich und einen Dritten zu Unrecht zu bereichern,

f) durch zwei rechtlich selbstständige Handlungen versucht zu haben, als Mitglied einer Bande durch Verwendung einer Waffe mit Gewalt gegen eine Person und unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegzunehmen, die Sache sich und einem Dritten rechtswidrig zuzueignen und in einem Fall durch dieselbe Handlung versucht zu haben, einen Menschen zur Verdeckung einer anderen Straftat zu töten, und sich in allen 27 Fällen jeweils tateinheitlich als Mitglied an einer Vereinigung beteiligt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (Paragraf 211 StGB [Strafgesetzbuch ]) und gemeingefährliche Straftaten in dem Fall des Paragraf 308 Absatz 1 und 2 StGB zu begehen, die bestimmt sind, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, und durch ihre Auswirkungen einen Staat erheblich schädigen können,

1.2 durch eine weitere rechtlich selbstständige Tat ein Gebäude und eine Räumlichkeit, die dem zeitweisen Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen, in Brand gesetzt und durch Brandlegung zeitweise zerstört und dabei in der Absicht gehandelt zu haben, eine andere Straftat zu verdecken, und in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen versucht zu haben, durch die Brandstiftung einen Menschen heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln zur Verdeckung einer Straftat zu töten,

2. den Angeklagten André Eminger in der Zeit vom 16. November 2000 bis 8. Mai 2009 in Chemnitz und Zwickau durch fünf selbstständige Handlungen

2.1 in zwei Fällen vorsätzlich anderen Hilfe geleistet zu haben, mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegzunehmen, die Sache sich rechtswidrig anzueignen,

2.2 vorsätzlich anderen Hilfe geleistet zu haben, aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln versucht zu haben, einen Menschen zu töten, und tateinheitlich durch Sprengstoff eine Explosion herbeizuführen und durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen verursacht zu haben und zugleich eine Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs, eines hinterlistigen Überfalls und einer das Leben gefährdenden Behandlung zu begehen, im Fall 3 durch dieselbe Handlung und in zwei weiteren Fällen

2.3 eine Vereinigung unterstützt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (Paragraf 211 StGB) und gemeingefährliche Straftaten in dem Fall des Paragrafen 308 Abs. 1 und 2 zu begehen, die bestimmt sind, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, und durch ihre Auswirkungen einen Staat erheblich schädigen zu können,

3. den Angeklagten Holger Gerlach in der Zeit von Februar 2004 bis Mai 2011 in Hannover und andernorts durch drei rechtlich selbstständige Handlungen eine Vereinigung unterstützt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (Paragraf 211 StGB) und gemeingefährliche Straftaten in dem Fall des Paragrafen 308 Absatz 1 und 2 StGB zu begehen, die bestimmt sind, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, und durch ihre Auswirkungen einen Staat erheblich schädigen können,

4.–5. die Angeschuldigten Ralf Wohlleben und Carsten Schultze, den Angeklagten Carsten Schultze als Heranwachsender handelnd, Ende des Jahres oder Anfang des Jahres 2000 in Jena und anderenorts vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Taten, nämlich zu neun selbständigen Fallen des Mordes, Hilfe geleistet zu haben. (Es folgt eine detaillierte Auflistung der Straftaten der terroristischen Vereinigung NSU und eine Erläuterung, welche Rolle dabei die fünf Angeklagten spielten.)

Götzl Wir kommen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten. Kommen Sie bitte ein bisschen vor, damit ich mit Ihnen reden kann, Frau Zschäpe. (Zschäpe beugt sich nach vorn und sieht den Richter an.)

Götzl Ihr Name ist Zschäpe, Ihr Vorname Beate? (Zschäpe nickt.) Geboren am 2. Januar 1975 in Jena?

Verteidiger Heer Unsere Mandantin wird keine Angaben zur Person machen.

Götzl Dann kommen wir zu Herrn Eminger. Familienname Eminger, Vorname André?

(André Eminger nickt.)

Eminger 1979 geboren. Zwickau. Zu mehr werde ich mich nicht äußern.

Götzl Dann Herr Gerlach: Familienname Gerlach, Vorname Holger?

Gerlach Ja.

Götzl Geboren am 14. Mai 1974, also heute Geburtstag?

Gerlach Ja.

Götzl Sie sind im Zeugenschutzprogramm, zu laden über das Bundeskriminalamt Meckenheim?

Gerlach Ja.

Götzl Herr Wohlleben, Vorname Ralf, geboren am 27. Februar 1975? (Wohlleben nickt.) In Jena? (Wohlleben nickt.)

Verteidigerin Schneiders Unser Mandant wird sich nicht äußern.

Götzl Carsten Schultze, geboren am 6. Februar 1980 in Neu-Delhi.

Schultze Ja.

Götzl Sie sind im Zeugenschutzprogamm. Zu laden über das Bundeskriminalamt Meckenheim. Sie sind bereit, hier Aussagen zu machen?

Schultze Ja.

Götzl Den Angeklagten steht es frei, sich zu äußern und zur Sache auszusagen. Haben Sie das verstanden? (Nicken.)

(Anschließend weist das Gericht die Befangenheitsanträge vom Tag 1 zurück, die Zschäpes und Wohllebens Verteidiger gegen drei Richter des Senats gestellt hatten.)

Tag 3

15. Mai 2013

Manfred Götzl, Richter. Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl, Anja Sturm, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Nicole Schneiders, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Johannes Pausch, Verteidiger von Carsten Schultze. Thomas Bliwier, Edith Lunnebach, Sebastian Scharmer, Reinhard Schön, Angela Wierig, Anwälte der Nebenklage.

Götzl Ladies first. Frau Rechtsanwältin Schneiders hat das Wort.

(Die Verteidigerin Nicole Schneiders beantragt in zwei langen Anträgen die Aussetzung der Verhandlung wegen Unvollständigkeit der Akten und die Einstellung des Verfahrens gegen ihren Mandanten Ralf Wohlleben wegen medialer Vorverurteilung. Dies sei ein nicht behebbares Verfahrenshindernis. Zudem seien die Geheimdienste in die angeklagten Mordstraftaten verwickelt und würden die Aufklärung nicht unterstützen. Deshalb sei ein faires und rechtsstaatliches Verfahren nicht mehr möglich. Im Einzelnen bemängelt sie, dass die Situation nicht genauer dokumentiert wurde, als sich Beate Zschäpe in Jena der Polizei gestellt hat. Zudem fordert sie die Beiziehung von Akten des Verfassungsschutzes Hessen. Was ihren Mandanten angeht, hätten die Medien versucht, Einfluss auf das bisher unparteiische und unvoreingenommene Gericht zu nehmen. Zschäpe sei als Nazibraut stigmatisiert worden, Wohlleben als Terrorhelfer. Seit 2011 werde ununterbrochen Stimmung durch die Medien gemacht. Journalisten hätten nur Auflagen oder Quotensteigerung im Sinn und die Vernichtung sozialer Existenzen.)

Verteidigerin Schneiders Die Opferbeauftragte der Bundesregierung spricht von rassistischen Taten, ohne den Schuldspruch abzuwarten. Es wurden bereits 900 000 Euro gezahlt an die Opfer. Der Bundespräsident empfing die Opferfamilien, es gibt Straßenumbenennungen in Erinnerung an die Opfer. Die Täterschaft von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wird als Faktum angesehen, das Wort »mutmaßlich« – Fehlanzeige. Ein faires Verfahren ist nicht möglich, denn auch die Geheimdienste sperren sich gegen eine lückenlose Aufklärung. Ein Fair Trial ist allein schon deswegen nicht gegeben, weil die Verteidiger einer Phalanx von Nebenklägern gegenübersitzen. Das Gericht ist nicht der Ort geschichtlicher Aufarbeitung. Das Verfahren hat sich nicht an den Befindlichkeiten der Angehörigen zu orientieren oder am politischen Mainstream.

Anwalt Bliwier Sie nutzen diesen Prozess zur Stimmungsmache. Geben Sie hier keine Presseerklärungen ab. Das ist heiße Luft, nicht mehr. Und es ist schon verwunderlich, dass Sie das Gericht in Ihrem Antrag als bisher eher unparteiisch und unvoreingenommen bezeichnet haben. Das hat die Verteidigung aber nicht gehindert, einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht zu stellen.

Götzl Frau Lunnebach, ich erteile Ihnen das Wort.

Verteidiger Heer Herr Vorsitzender, ich hatte mich schon früher gemeldet.

Anwältin Lunnebach Der Vorsitzende hat mir das Wort erteilt.

Verteidiger Heer Nein, ich habe jetzt das Recht zu sprechen.

(Gelächter im Gerichtssaal.)

Verteidiger Heer Es geht nicht an, dass ich etwas sage und es wird gelacht. Herr Vorsitzender, halten Sie bitte alle zur Sachlichkeit an.

(Erneutes Gelächter. Verteidiger Stahl springt auf.)

Verteidiger Stahl Ich beantrage eine Unterbrechung der Verhandlung.

(Unruhe. Stahl zieht die Robe aus und verlässt den Saal. Kurz darauf kommt er wieder zurück.)

Anwältin Lunnebach Vielleicht ist die Unruhe der Nervosität der Verteidigung geschuldet.

Götzl Frau Lunnebach, Sie sind jetzt auch ruhig. Wenn man guten Willens ist, lässt sich das ganz einfach regeln.

Verteidiger Heer Es ist gerade erneut gelacht worden. Das ist unwürdig für diese Verhandlung. Ermahnen Sie die Prozessbeteiligten zur Sachlichkeit.

Götzl Die Mahnung zur Sachlichkeit ist bereits erfolgt.

Anwältin Lunnebach Ich würde gerne zu den Inhalten des Verfahrens zurückkehren.

Verteidiger Heer Ich habe das Wort. Ich beanstande die Worterteilung an Frau Lunnebach.

Bundesanwalt Diemer Ich halte das Verhalten von Rechtsanwalt Heer für ungehörig. Um was geht es Ihnen denn eigentlich?

Verteidiger Heer Es geht um die Reihenfolge der Wortmeldungen. Man sollte sich auf die Gepflogenheiten einigen.

Götzl Geduld. Haben Sie doch Geduld.

Verteidigerin Sturm Ich beantrage eine Unterbrechung.

Götzl Warum wollen Sie eine Unterbrechung? Geht es um einen Befangenheitsantrag?

Verteidiger Stahl Genau das müssen wir jetzt beraten.

Götzl Ihnen habe ich das Wort nicht erteilt, Herr Stahl. Frau Sturm ist in der Lage, Fragen zu beantworten.

Verteidigerin Sturm (zu Götzl) Die Anwältin Sturm kann das kollegial klären, sie bedarf zum Glück noch nicht Ihres Schutzes.

Götzl Ich werde keine Unterbrechungen vornehmen, wenn Sie mir nicht erklären, warum Sie sie benötigen.

Verteidigerin Sturm Es geht uns um die grundsätzliche Reihenfolge, wem Sie das Wort erteilen. Bisher halten Sie es so, dass Sie erst den Vertretern des Generalbundesanwalts, dann den Vertretern der Nebenklage und erst dann der Verteidigung das Wort erteilen.

Anwältin Lunnebach Dann würde ich jetzt gerne wieder sprechen, zum Antrag der Wohlleben-Verteidigung. Dass es in diesem Verfahren auch um die Geheimdienste geht, ist nicht von der Hand zu weisen. Warum aber äußert sich Herr Wohlleben dann nicht? Dann könnte man damit umgehen.

Bundesanwalt Diemer Der Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen der medialen Berichterstattung ist unbegründet. Es gibt dazu höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach Medienberichterstattung den staatlichen Strafanspruch nicht verhindern und nicht vereiteln kann. Die Berichte, wonach V-Männer in die Mordserie verwickelt waren, sind reine Spekulation. Wir sind solchen Hinweisen sorgfältig und gründlich nachgegangen. Es gibt keine Hinweise, dass ein Geheimdienst oder die Polizei in Straftaten verwickelt waren. Und die Verteidigung Wohllebens hat selbst gesagt, dass sie keine Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts hat.

Anwalt Scharmer (zur Verteidigung Wohllebens) Ihre Forderung, ein Verfahren wegen Beihilfe zum rassistischen Mord in neun Fällen aufgrund von Medienveröffentlichungen einzustellen, ist relativ absurd.

Anwalt Schön Möglicherweise spielen auch rechtsradikale Motive bei den Verteidigern von Herrn Wohlleben eine Rolle.

Verteidiger Klemke Das sind hetzerische Äußerungen, die die Verteidigung von Herrn Wohlleben als rechtsradikal diffamieren. Ich möchte nicht wissen, wie die Richterbank reagieren würde, wenn ich hier Nebenklagevertreter als linksradikal bezeichnen würde. Da gäbe es sicher einen Aufschrei.

(Die Verhandlung wird für eine Mittagspause unterbrochen. Danach wendet sich Götzl an die Journalisten, denen am Morgen Wasserflaschen und Proviant abgenommen wurden – aus Sicherheitsgründen. Sie hätten Äpfel und Butterbrote als Wurfgeschosse verwenden können, hieß es.)

Götzl Ein Wort an die Vertreter der Presse. Ich mache Ihnen nicht Ihr Pausenbrot streitig. Das geht auf eine Anordnung des Vizepräsidenten des Amtsgerichts zurück, ich bin da tätig geworden. (Künftig dürfen Journalisten Verpflegung mitbringen. Ab Juni stehen im Pausenbereich zudem Stühle, Tische und ein Kaffeeautomat.) Und nun zu Ihnen, Herr Stahl.

Verteidiger Stahl Wir beantragen, dass der Vorsitzende Richter das Wort grundsätzlich der Verteidigung vor der Nebenklage erteilen möge. Da es noch keine Regelung dazu gibt, ist es bisher zum offenen Streit gekommen. Das verschiebt sonst die Verfahrensprioritäten angesichts der vielen Nebenkläger. Der Vorsitzende macht bei annähernd jeder Wortmeldung die Erteilung des Wortes davon abhängig, Natur und Umfang des Inhalts der Wortmeldung zu erfahren. Das verlängert das Verfahren. Diese Selektion der Anträge darf nicht dazu führen, dass unsere Mandantin in ihrer effizienten Verteidigung beschränkt wird.

(Danach beantragt Verteidiger Heer die Aussetzung des Verfahrens für drei Wochen. Die Akten der Untersuchungsausschüsse von Bayern und Thüringen müssten in den Prozess einbezogen werden. Der Generalbundesanwalt soll zudem Zugang zu allen Akten der Landesstaatsanwaltschaften gewähren, die er in die Ermittlungen einbezogen hat. Außerdem beantragt Heer, Bundesanwalt Diemer und Oberstaatsanwältin Greger als Sitzungsvertreter abzulösen und sie durch andere Staatsanwälte zu ersetzen. Die Bundesanwälte hätten Akten nicht in erforderlicher Weise weitergeleitet, sie hätten nicht objektiv und fair agiert und sich voreingenommen über Beate Zschäpe geäußert. Schließlich fordert Zschäpes Verteidigung zudem, die gesamte Verhandlung aufzeichnen zu lassen.)

Bundesanwalt Diemer Das ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Zeugen sollen unbefangen aussagen, nicht eingeschüchtert durch eine Drohkulisse, eine Aufzeichnung würde ihr Aussageverhalten verändern.

Anwalt Scharmer Eine Drohkulisse besteht schon durch die 80 Personen in Roben im Raum.

Anwältin Wierig Eine Aufzeichnung wäre im Dienste der Wahrheitsfindung, nach Monaten kann sich niemand mehr genau erinnern, was ein Zeuge genau gesagt hat. Die Praxis des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag hat gezeigt, dass es geht.

Verteidiger Pausch Auch am OLG Düsseldorf wird alles aufgezeichnet. Kein Zeuge hat Bedenken dagegen. Die Praxis hat sich sehr bewährt.