Kitabı oku: «In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber», sayfa 7
Die Kobolde
Man kann lange im Walde wohnen, ohne alle Leute zu kennen, mit denen man zusammenwohnt. Ich meine nicht bloß das winzig kleine Zeug, das im Grase und Moose haust oder gar in der Erde, all die Würmlein und Käferlein und dazu das Mückenvolk. Ich meine besonders die Heimlichen, von denen nichts in den Büchern steht, weil die Gwlehrten nichts von ihnen wissen und auch nichts von ihnen wissen wollen.
Von meinen sieben Zwergen will ich schweigen, die sind schon ziemlich weit bekannt geworden. Auch von dem Elfenvolk wissen die Menschen allerlei. Sie kommen in vielen Gedichten vor. Sie tanzen gern im Mondschein und werden wohl mal vom nächtlichen Wanderer belauscht. Die Feen sind weniger bekannt, sie lassen sich selten sehen. Ebenso geht es mit den Nixen, die im Wasser leben und meist einen Fischschwanz haben. Sie sind sehr scheu.
Aber am scheuesten und heimlichsten sind die Kobolde, die Neck- und Plagegeister. Sie tun manchem einen Schabernack an, aber sie halten sich verborgen oder verwandeln sich. Sie legen sich gern im Dunkeln über den Weg, sodass man stolpert und auf die Nase fällt. Schaut man nach, so sieht man eine alte Baumwurzel, die dumm und steif daliegt. Dreht man den Rücken, so macht die Baumwurzel eine boshafte Fratze und kriecht sachte in den Boden. Es war nämlich ein Kobold. Ich kenne diese Kobolde jetzt und bin gut Freund mit ihnen. Das ist so gekommen.
Seit Monaten wohnte ich ungestört in meiner Waldklause weit hinter der Welt. Die Welt kümmerte sich so wenig um mich, wie ich mich um sie kümmerte. Nicht mal die Post und nicht mal die Zeitung kamen in meine Einsamkeit. Da stand plötzlich eines Tages ein Mann mit einer bunten Mütze vor meiner Klause und schaute durch die offene Tür. Es war ein heißer Tag, und ich hielt gerade mein Mittagsschläfchen.
»Guten Tag«, rief der Mann mit schnarrender Stimme. »Seid Ihr der Waldbruder?«
Ich erhob mich und sagte: »Das stimmt, guter Mann! Was steht zu Diensten?«
Er zog ein Papier heraus und zeigte es mir. Es war – ein Steuerzettel. »Ich komme vom Finanzamt«, schnarrte er, »Ihr müsst Steuern zahlen, Waldbruder! Übrigens, wie ist Euer Name?«
»Ich heiße bloß Waldbruder«, sagte ich, »meinen Namen habe ich abgelegt, der muss irgendwo draußen in der Welt liegen. Wenn Ihr ihn findet, will ich ihn Euch schenken.«
Er verzog keine Miene und sagte mit steifem Ernst: »Auf Ulk und dergleichen lasse ich mich nicht ein. Ich bin eine öffentliche Person, und ich sage Euch: Steuern müsst Ihr bezahlen. Es hilft Euch nichts.«
»Was für Steuern?«, fragte ich.
Er zählte an den Fingern auf: »Einkommenssteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Hauszinssteuer, Luxussteuer …«
»Was?«, unterbrach ich ihn. »Luxussteuer? Was ist hier denn Luxus?« Er schaute sich prüfend um, dann schaute er mich durchdringend an und sagte mit Nachdruck: »Der lange Bart.«
Ich dachte, er sei ein Spaßmacher, und fing an zu lachen. Da wurde er böse und schrie: »Ihr dürft mich nicht auslachen, ich bin eine öffentliche Person. Übrigens kommen nächstens noch mehr Steuern dazu, so die Gesundheitssteuer, die müsst Ihr unbedingt bezahlen, denn Ihr seid unverschämt gesund. Auch das Lachen fällt nächstens unter die Lustbarkeitssteuer, wenigstens, wenn man laut lacht, wie Ihr soeben. Und dann die Rocksteuer, die wird für Euch hoch werden, denn es geht nach Länge. Dann die Zahnsteuer. Ich sehe, Ihr habt Eure Zähne noch so ziemlich alle. Das gibt eine hohe Steuer. Habt Ihr eine Frau?«
»Nein«, sagte ich, »Gott sei Dank!«
»Also, Junggesellensteuer, wird mit jedem Jahr höher. Und noch Verschiedenes. Wollt Ihr nun zahlen oder nicht?«
»Guter Mann«, antwortete ich, »kann ich vielleicht mit Tannenzapfen oder Nüssen bezahlen? Denn Geld habe ich nicht.«
Da trampelte er mit beiden Beinen vor Wut und schrie: »Habt Ihr nicht vor Kurzem eine neue Glocke gekauft? Gekauft und bezahlt?«
Ich konnte es nicht leugnen. »Weil ich sie bezahlt habe, gerade darum habe ich kein Geld mehr.«
Er schrieb etwas in sein Notizbuch und knurrte dann: »Wartet nur, wir wollen Euch schon kriegen. Wir schicken den Gerichtsvollzieher und lassen Euch pfänden.« Damit ging er.
»In Gottes Namen«, seufzte ich, es war mir doch etwas unbehaglich zumute. Gegen Abend begab ich mich zu dem hohlen Weidenbaum, wo Frau Eule wohnt, um mir Rat zu holen. Als ich klopfte, schaute sie etwas verschlafen aus ihrem Loche und hörte meine Klagen an. Die Sache interessierte sie.
»Waldbruder«, gähnte sie, »ich will Euch etwas sagen. Wendet Euch an die Kobolde, die können Euch am besten helfen.«
Ich machte ein dummes Gesicht, denn ich kannte die Kobolde gar nicht. Sie gab mir die Aufklärung und sagte: »Kommt, ich führe Euch gleich zu dem König der Kobolde. Er heißt Fliegenschwamm und wohnt in der Nähe hinter einem alten Baumstumpf.«
Sie flog voraus, ich folgte. König Fliegenschwamm war zu Hause und empfing uns ohne jede Förmlichkeit. Er sah auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher Schwamm aus, aber unter dem roten Hute grinste mir ein breites Gesicht entgegen. Frau Eule brachte mein Anliegen vor und empfahl es dringend.
»Was gebt Ihr mir?«, fragte König Fliegenschwamm und blinzelte verschmitzt. Ich schaute Frau Eule ratlos an.
»Waldbruder«, sagte sie, »stellt jeden Abend ein Schüsselchen mit süßer Milch vor Eure Klausentür.«
Der Kobold schnalzte vor Vergnügen und rief: »Wenn Ihr das tut, dann stehen alle meine Knechte zu Euren Diensten.«
»Gut«, sagte ich, »das verspreche ich gern.«
Frau Eule, die kluge Person, wollte Sicherheit haben und fragte: »Wen werdet Ihr aussenden, König?«
Der Fliegenschwamm reckte sich und flüsterte mit wichtiger Miene: »Kein Gerichtsvollzieher soll die Klause finden. Der Stolperfritz legt sich über den Weg und bringt ihn zu Falle. Der Schlingenpeter wickelt sich um seine Beine. Der Nesselkasper kitzelt ihm die Nase mit Brennnesseln. Der Wasserfranz führt ihn in den Bach. Der Rüttelhans wirft ihm Tannenzapfen auf den Kopf. Der Pickstoffer kneift und sticht ihn in die Waden. Und zuletzt leitet ihn der Wischelwuschel so in die Irre, dass er drei Stunden im Kreise herumläuft und dann wieder am Eingange des Waldes steht. Das wird wohl genügen. Wenn nicht, dann müssen wir dem Kerl ein Bein brechen.«
»Um Gottes willen«, rief ich aus, und Frau Eule meinte auch, das sei gerade nicht nötig.
Wir schieden als gute Freunde. Ich stellte abends gleich ein Schüsselchen Milch vor die Tür. Es war am Morgen rein ausgeleckt. Seitdem habe ich vom Finanzamte nichts mehr gesehen. Gehört habe ich in den ersten Tagen zuweilen ein Schimpfen und Fluchen, aber allmählich ist es ganz still geworden. Das Schüsselchen Milch stelle ich getreulich hin, und die Kobolde besuchen mich jetzt zuweilen als gute Freunde, aber ganz verstohlen in der Dunkelheit. Ich kann bemerken, dass sie ein bisschen fett geworden sind.
Die missglückte Bußpredigt
Wenn man Waldbruder ist, hat man eine gewisse Verantwortung. Man ist eine Art Waldpastor und muss für seine Gemeinde aufkommen. Die Missetaten des alten Reineke Fuchs wollten mir nicht aus dem Sinn, und ich überlegte hin und her, wie ich diesem hartgesottenen Sünder am besten beikommen könnte. Aber die Schwierigkeit bestand darin, ihn zu treffen. Er ging mir offenbar aus dem Wege.
Vergebens hatte ich den Küster Kuckuck mit einer freundlichen Einladung zu ihm geschickt. Ich lud ihn ein zu einem gemütlichen Herrenabend mit Honig, den mag das Leckermaul gern. Meister Grimbart, der Dachs, und Meister Igel waren auch geladen; sie kamen und waren sehr vergnügt.
Aber Reineke schickte sein Söhnchen und ließ sich entschuldigen. Es passe nicht recht zu seiner eingezogenen Lebensweise. Er pflege die Abende im Kreise der Familie zu verbringen, auch leide er gerade an Hexenschuss, und endlich sei er in Trauer, weil ihm ein Großoheim gestorben sei. Der Entschuldigungen waren so viele, dass ich keine glaubte. Meinen Honig war ich quitt, aber Reineke bekam ich nicht in die Finger.
Da machte ich mich auf, um ihn selbst aufzusuchen. Ich ging zu guter Zeit, des Morgens früh, um ihn zu Hause zu treffen. Er war auch zu Hause. Ich sah ihn schon von Weitem vor seinem Bau in der Morgensonne liegen, und Frau Füchsin war daran, ihn zu frisieren. Denn Reineke ist eine Art Stutzer. Ich glaube sogar, dass er Schnurrbartwichse gebraucht.
Als ich anlangte, war der Schlauberger verschwunden. Frau Füchsin bedauerte sehr, dass ihr Mann nicht zu Hause sei; er sei schon mit Sonnenaufgang auf Wallfahrt gegangen, wie er es beim letzten starken Gewitter gelobt habe. Vor Abend könne er kaum heimkommen. »Aber«, sagte ich, »ich meine, ihn soeben hier gesehen zu haben.«
»Dann habt Ihr Euch getäuscht, Waldbruder«, grinste das verlogene Geschöpf, »das war unser Ältester. Er ist eben zur Schule gegangen. Wisset, er nimmt Lateinstunden bei Professor Schwalbenschwanz. Der Junge ist außergewöhnlich talentiert, und wir lassen ihn studieren, so schwer es uns auch fällt.«
»Worauf studiert er denn?«, fragte ich.
Sie fletschte die Zähne: »Mein Mann meint, er solle Advokat werden; aber ich möchte lieber, dass er Pastor würde – oder auch Waldbruder. Die Gottseligkeit geht doch über alles.«
Ich merkte den Spott wohl, aber was sollte ich machen? Unverrichteter Sache musste ich abziehen.
Einen Köder wollte ich doch nicht auswerfen: »Grüßt Euren Mann, Frau Füchsin, und sagt ihm, ich hätte sehr leckeren Honig. Den müsste er einmal probieren.«
Sie reichte mir die Pfote und sagte: »Zu freundlich, Waldbruder! Wenn es recht ist, schicke ich heute Nachmittag die Kleinen herüber.«
Als ich beim Fortgehen noch einmal zurückschaute, sah ich, wie der alte Fuchs den Kopf aus dem Loch steckte. Er fuhr zurück wie der Blitz. Nachmittags kamen richtig die drei gefräßigen Fuchskinder, und von meinem Honig blieb kein Tropfen übrig.
Am Abend kam Jungfer Reh und gab mir einen guten Rat.
»Waldbruder«, sagte sie, »studiert Euch eine tüchtige Bußpredigt ein.«
»Soll ich sie denn vor den Bäumen halten«, fragte ich, »oder etwa vor Euch, gute Jungfer, die Ihr sie gar nicht nötig habt?«
Da entwickelte sie mir einen guten Plan. Es war auf eine Überrumpelung abgesehen. Sie wollte selbst zum Fuchsbau gehen und Reineke festhalten durch ein Gespräch. Ich sollte mich dann von der anderen Seite heranschleichen und ihn überraschen.
»Ihr sollt sehen, dann hält er stand, denn er ist darauf bedacht, den Anstand zu wahren.«
Der Plan gefiel mir. Bis tief in die Nacht hinein habe ich an meiner Bußpredigt gearbeitet und habe sie kräftig gesalzen und gepfeffert mit den stärksten Sprüchen. Die Predigt war so rührend und beweglich, dass ich selbst Tränen vergoss. Ich malte alle Höllenstrafen so grausam aus, dass meine weißen Mäuslein, die zitternd zuhörten, sich zuletzt in ihre Löcher verkrochen und drei Tage lang nicht wieder zum Vorschein kamen.
Am nächsten Morgen glückte unser Plan ganz ausgezeichnet. Jungfer Reh traf den alten Reineke und erzählte ihm von einer neuen Kaninchenfamilie, die sich bei uns angesiedelt habe. Reineke erkundigte sich genau, wo sie wohnte, und war so sehr bei der Sache, dass er mein Herankommen von der anderen Seite her gar nicht bemerkte. Auf einmal stand ich vor ihm.
Er machte unwillkürlich einen Satz, als wenn er in den Bau schlüpfen wollte. Dann besann er sich, reichte mir die Pfote und bedankte sich höflich für den Honig, den ich seinen lieben Kleinen spendiert hätte.
»Meister Reineke«, sagte ich darauf, »Ihr erlaubt wohl, dass ich für einen Augenblick Platz nehme. Ich habe Euch etwas Wichtiges zu sagen. Jungfer Reh darf es ruhig hören, das ist eine verschwiegene Person.«
Er schaute mich zweifelnd an. »Von Herzen gern, Waldbruder«, sagte er dann freundlich, »ich will nur eben meine Frau rufen, die wird es auch gern hören.«
Ich ergriff schnell seine Pfote und beteuerte, das sei gar nicht nötig. Die Sache ginge ihn persönlich an. Damit wollte ich Platz nehmen und einem Baumstumpf, aber er litt es nicht.
»Der Sitz ist zu hart und zu unbequem, Waldbruder«, lächelte er, »seht, dieser Hügel ist schön weich gepolstert, da sitzt Ihr viel besser.« Er riss sogar ein paar Farnwedel ab und legte sie auf den Sitz, damit er noch bequemer werde.
Ich war ordentlich gerührt über diese Höflichkeit und ließ mich nieder. Er hockte mir gegenüber und schaute mich so gutmütig an mit seinen schlauen Äugelein, dass ich kaum anfangen konnte mit meiner strengen Predigt. Jungfer Reh trat zu mir und flüsterte: »Jetzt nur los, Waldbruder. Tut Euer Bestes!« Ich sammelte mich und fing an.
Erst sagte ich einige allgemeine Sätze über den Frieden und die Eintracht im Walde, über den Segen der Gottesfurcht und der Nächstenliebe. Der alte Heuchler seufzte tief auf und faltete andächtig seine Pfoten. Dann ging ich zu einer strengeren Tonart über und sprach von Kain und seinem Brudermord und kam dann allmählich auf die trüben Zustände in unserm Walde zu sprechen. Reineke wischte sich mit den Pfoten durch die Augen. Nun legte ich los und hielt ihm seine Missetaten vor mit flammenden Worten. Er schluchzte immer lauter, aber zwischendurch bemerkte ich, dass er mich neugierig und schalkhaft beobachtete. Ich fing an zu drohen, aber bevor ich recht im Zuge war und mit den höllischen Strafen begonnen hatte, fühlte ich ein seltsames Kribbeln in den Waden. Ich griff mit der Hand dahin und redete weiter in meinem Eifer. Der alte Schelm hatte schon aufgehört zu schluchzen und grinste ganz unverhohlen. Das Kribbeln wurde unleidlich, es verwandelte sich in Jucken und Beißen und Brennen. Ich schaute nach und sah, dass meine Füße ganz bedeckt waren mit den bösen, braunen Ameisen. Der Bösewicht hatte mich auf einen Ameisenhaufen gesetzt.
Entsetzt sprang ich auf und suchte die wütenden Tiere abzuschütteln, und Jungfer Reh half mir dabei.
Da lachte der Schelm laut heraus: »Ach, Waldbruder, welch ein Missgeschick. Seht, das ist ein ganz kleiner Vorgeschmack von der Hölle, über die Ihr so schön predigen könnt. Erlaubt, dass ich mich in Sicherheit bringe.« Lachend schlüpfte er in seinen Bau, und ich konnte mit Jungfer Reh abziehen. Die Füße waren mir ganz geschwollen und brannten wie Feuer. Ich tröstete mich damit, dass Ameisensäure gut ist gegen Rheuma. Aber die Bußpredigt war missglückt.
Am nächsten Morgen hörte ich, dass Reineke die neu zugezogene Kaninchenfamilie besucht und zwei Junge mitgenommen hatte. Passt auf, es nimmt doch kein gutes Ende mit ihm.
Waldgericht
Kinder, Kinder, was haben wir für einen großen Spektakel gehabt im Walde! Schade, dass ihr es nicht miterlebt habt! Ich will es euch erzählen, so gut ich kann.
Vor einigen Tagen kam eine Abordnung zu mir. Ich saß vor meiner Waldklause und schälte Kartoffeln zum Mittagessen. Es mochte um zehn Uhr sein, die Sonne stand schon hoch. Die Abordnung bestand aus drei Personen. Die gnädige Frau Fasan war die Führerin und Sprecherin, sie wurde begleitet von Frau Häsin und Herrn Igel. Alle drei machten sehr feierliche Gesichter, was aber dem Igel nicht recht gelingen wollte. Er hatte sich nicht einmal ordentlich gekämmt.
Umso feiner war die gnädige Frau Fasan. Sie trug eine Schleppe, denn um die Mode kümmert man sich nicht im Walde, und es war zu verwundern, wie geschickt sie ihre Schleppe über Gras und Farnkraut zu ziehen wusste. In der Hand hatte sie ein Spitzentüchlein. Die alte Jungfer Spinne muss ihr die feinsten Sachen weben mit ihren langen, dünnen Fingern. Frau Häsin hatte ihre beste Haube aufgesetzt. Ich war ganz erstaunt über den Aufzug, schob meinen Kartoffelkorb beiseite und erwiderte die Verbeugung, so gut es bei meinen steifen Knochen gehen wollte.
»Ehrwürdiger Waldbruder«, begann die gnädige Frau Fasan und hüstelte in ihr Spitzentüchlein, »wir gestatten uns, eine Bittschrift zu überreichen. Wollen Eure Ehrwürden gefälligst Einsicht nehmen.«
Ich rückte meine Brille zurecht und sah mir zunächst die Unterschriften an. Potztausend, sie hatten alle unterschrieben, Reh und Hase und Eichhörnchen und so weiter bis herunter zu Frau Hummel, die einen großen Schnörkel hinter ihren Namen gemacht hatte. Der Igel hatte einen dicken Klecks gemacht, und Frau Schnecke musste wohl beim Unterschreiben geweint haben. Ihre Schriftzüge waren stark verwischt.
Erst dachte ich, es würde sich um eine neue Waldandacht handeln oder um eine große Bittprozession. Aber es war etwas ganz anderes. Es war eine Klageschrift gegen Reineke mit der Aufforderung an mich, Gericht über ihn zu halten; der ganze Wald habe mich einstimmig zum Richter erwählt. Ich merkte, dass die Sache ernst war, und kratzte mich bedenklich hinter dem Ohre.
Unterdessen hielt die gnädige Frau Fasan eine lange, wohlgesetzte Rede und sie zitierte sogar den Dichter Schiller:
»Dann geendigt nach langem, verderblichem Streit
War die kaiserlose, die schreckliche Zeit,
Und ein Richter war wieder auf Erden.«
Es blieb nun nichts übrig, als meine Zusage zu geben. Ich machte mein feierlichstes Gesicht und versicherte, ich würde die Sache unverzüglich in die Wege leiten.
Nur ein Bedenken hatte ich: »Wenn aber Reineke die Ladung vor Gericht in den Wind schlägt und nicht erscheint?«
Da trat Meister Igel vor: »Dann rücke ich ihm auf den Pelz und piesacke ihn so lange mit meinen Stacheln, bis er aus seinem Bau herausrückt.«
Gut, ich sagte, ich wolle die Sache sofort besprechen mit Meister Kuckuck und Frau Eule, und Frau Eule solle alle Gesetzbücher mitbringen. Da zogen sie mit Dank von dannen.
Meister Kuckuck war Feuer und Flamme und wollte die Ladung an Reineke übernehmen.
»Ich will ihm die Ohren schon vollschreien«, sagte er. Frau Eule war auch bereit. Sie wollte das Protokoll führen, sie kann nämlich gut mit der Feder umgehen.
»Aber«, sagte sie, »nicht vor der Dämmerung, damit man ordentlich sehen kann. Bis dahin kann ich auch die Paragrafen noch einmal durchstudieren.«
Ich überlegte, wen ich wohl als Beisitzer des Gerichts ernennen solle. Der Kuckuck meinte, ich solle den Junker Marder nehmen, das sein ein schneidiger Herr.
»Hat er nicht auch etwas auf dem Kerbholz?«, fragte ich, »mir ist etwas zu Ohren gekommen.« Frau Eule bemerkte, Herr Baummarder sei ziemlich stark belastet, aber seinen Vetter, Herrn Steinmarder, könne ich ruhig wählen, der sei noch nicht vorbestraft.
»Gut«, sagte ich, »und dann nehme ich Frau Hornisse als zweite Beisitzerin.«
»Sehr gut«, riefen die beiden, »Frau Hornisse ist eine schneidige Person und hat auch Courage.«
Nun ging die Sache ihren Lauf. Es war ungeheuer feierlich. Das Gericht wurde am Ufer des Waldteichs abgehalten, damit die Frösche auch teilnehmen könnten und der dicke Großvater Karpfen, der sehr klug ist, auch wenn er sehr wenig spricht. Der Platz hat etwas Gruseliges und passt gut für die ernste Verhandlung.
Der ganze Wald war versammelt, und Meister Reineke war tatsächlich gekommen. Er tat sehr zuversichtlich und rauchte sein Mutzpfeifchen, gerade als wenn alles nur Spaß wäre. Ich gebot ihm, sein Pfeifchen wegzustecken, und als er es nicht gleich tat, piesackte ihn der Igel. Der Igel war nämlich als Gerichtsdiener bestellt worden.
Frau Eule verlas die Klageschrift und mischte viele Paragrafen hinein. Die Anklage lautete auf sechsfachen vorsätzlichen Mord, auf fünffachen Diebstahl, dreimal auf Einbruch, auf zwei räuberische Überfälle und eine Plünderung bei der gnädigen Frau Fasan, verbunden mit Eieraussaufen.
Hier unterbrach der Angeklagte die Vorlesung mit dem Zwischenruf: »Das hat der Marder getan.«
Mein Beisitzer, Junker Steinmarder, sprang wütend auf und strich drohend seinen Schnauzbart. Ich hatte Mühe, ihn zurückzuhalten und die Ruhe wiederherzustellen. Dann folgten noch unzählige Beleidigungsklagen.
Ich fragte nun den Angeklagten, ob er seine Schandtaten eingestehen wolle.
Er grinste mir frech ins Gesicht mit allen seinen weißen Zähnen und sagte: »Ich lehne das Gericht ab als befangen.«
Ein Schrei der Entrüstung erhob sich, und der Igel wollte Reineke wieder piesacken, aber ich wies ihn zur Ruhe.
»Warum befangen?«, fragte ich.
»Weil ich dem Marder Konkurrenz mache«, antwortete Reineke, »und nicht bloß befangen ist das Gericht, es ist anrüchig.« Das war eine starke Beleidigung, und ich fürchtete mit Recht, dass ich die Versammlung nicht bändigen könne in ihrer Wut. Da trat eine Katastrophe ein. Bums – fiel ein Schuss.
Alles stob auseinander. Als der Pulverrauch sich verzogen hatte, stand der Jäger da, und Reineke lag in seinem Blute. Jägers Waldmann biss ihm zum Überfluss noch durch die Kehle. Das Gericht war zu Ende, ehe es recht angefangen hatte.
Ich nahm den Jäger mit in meine Waldklause und ließ ihn sein Pfeifchen stopfen mit meinem selbstgezogenen Tabak. Er lobte das Kraut sehr, tat bloß drei Züge aus der Pfeife, weil er einen Katarrh hatte, wie er sagte.