Kitabı oku: «In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber», sayfa 8
Fee Minimax
Meine Freundschaft mit den Kobolden ist im Walde bekannt geworden. Das ganze heimliche Volk ist mir gewogen. Ich habe auch schon Beziehungen zu dem Feenreiche und werde jetzt manches gewahr, wovon die Menschen nicht leicht etwas erfahren.
Von einer Studienreise mit der Fee Minimax will ich euch heute erzählen. Das ist eine wenig bekannte, aber sehr mächtige Fee. Für gewöhnlich sieht sie aus wie eine kleine, grüne Fliege, die flink und lustig herumschwirrt, und so erschien sie mir, als ich ihre Bekanntschaft machte.
Ich war recht ärgerlich über diese grüne Fliege, die mir immer um den Kopf summte, als ich eines Tages auf der Bank vor meiner Klause saß. Ein paarmal schlug ich sogar nach ihr, zum Glück, ohne sie zu treffen.
»Na, was willst du denn?«, rief ich verdrießlich aus. In demselben Augenblick verwandelte sich die Fliege in eine wunderschöne Fee mit wallendem, grünem Haar, das wie ein Mantel um sie herumhing. Das Haar war wirklich grün, aber es stand ihr gut. Ihr könnt euch denken, dass ich nicht wenig verdutzt war. Da ich nicht wusste, ob ich es mit einem guten oder bösen Geiste zu tun hatte, schlug ich zur Vorsicht ein Kreuz.
Die Fee lächelte freundlich und sprach mit glockenheller Stimme: »Seid nicht bange, Waldbruder, ich tue Euch nichts zuleide. Ich bin die gute Fee Minimax. Gebt mir etwas Honig, so will ich Euch interessante Dinge zeigen.«
»Gern«, antwortete ich, »aber der Honigtopf ist leer. Die Fuchskinder haben alles aufgegessen.«
»Schaut mal nach«, sagte die Fee, »ein Tropfen genügt für mich.«
Es fand sich wirklich noch ein Tropfen, und sie leckte ihn zierlich aus dem Topfe und wischte sich vergnügt das Mäulchen mit dem Handrücken.
»Nun hört zu, Waldbruder«, fing sie dann an, »ich will Euch mitnehmen auf eine Reise und an Orte führen, wohin sonst kein Mensch kommt. Aber unter einer Bedingung, nämlich, dass ich Euch ganz klein mache, denn sonst geht es nicht.«
Ich fragte verwundert, ob sie das denn könne. »Freilich«, sagte sie, »ich bin ja die Fee Minimax und kann das Größte ganz klein machen. Ihr braucht aber nicht so klein zu bleiben, nachher gebe ich Euch Eure natürliche Größe wieder.«
Daraufhin wollte ich es wagen, sagte ich, vorausgesetzt, dass weiter keine Gefahr dabei sei.
»Nicht die geringste«, versicherte die Fee und machte dann ein paar Zeichen in die Luft. Sogleich fühlte ich, wie ich zusammenschrumpfte, immer mehr und immer mehr. Zuletzt war ich klein wie ein winziger Käfer, kleiner als ein Maikäferchen. Die Fee Minimax war wieder zu einer Fliege geworden.
Sie ergriff mich bei der Hand und rief: »Auf! Zuerst besuchen wir den Tanzsaal zum Aronsstab!« Surr – ging es durch die Luft.
Ihr kennt doch den Aronsstab. Das ist eine Pflanze, die gern im Schatten wächst. Sie hat große fleischige Blätter. Die Blüte ist umgeben von einer hellgrünen Tüte, die sich in der Mitte verengt und unten zu einem Ballon erweitert. Aus dieser Tüte ragt ein violetter Kolben heraus. Auf einen solchen Kolben setzten wir uns nieder. Ich war außer Atem von dem schnellen Fliegen.
»Kriecht nur hinter mir her«, sagte Fee Minimax und kletterte an dem Kolben abwärts. Die enge Stelle in der Tüte, die mir gewaltig groß erschien, war versperrt durch einen Zaun von dicken weißen Borsten. Sie standen wie ein Gartengitter kranzförmig nach allen Seiten hin. Die grüne Fliege drängte sich hindurch und hielt mir den Eingang offen. So kamen wir in den unteren Raum, der ringsum geschlossen war. Da war ein Leben! Eine warme Luft schlug mir entgegen, und ein lustiger Lärm füllte den runden Saal. Dutzende von Fliegen und Mücken tanzten nach Herzenslust. Zwischendurch drängten sie sich zu einer Honigquelle unten am Boden und labten sich. Mitunter wollten einige nach oben hinausfliegen ins Freie, aber dann stießen sie gegen den Borstenzaun und fielen wieder zurück.
»Seht, Waldbruder«, sagte die Fee Minimax, »sie sind alle in die Falle gegangen. Hinein geht es leicht, weil die Borsten nach unten gerichtet sind, aber hinaus schwer.«
»Wie grausam!«, rief ich aus, »da müssen sie ja schließlich alle zugrunde gehen.«
Die Fee belehrte mich eines anderen: »Seht Ihr dort den Kranz von gelben Blättern? Das sind die Staubblüten des Aronsstabes. Und dort unten die weißen Köpfe sind Stempelblüten. Das Mückenzeug soll den Blütenstaub auf die Stempel bringen, sonst bekommt der Aronsstab keine Frucht. Wenn das genügend besorgt ist, schrumpfen die dicken Borsten ein, und der Ausgang wird frei. Der Aronsstab speist seine Gäste auch mit Honig, solange sie bei der Arbeit sind. Es ist also ein ganz reelles Geschäft.«
Das gefiel mir nicht schlecht, und ich trank auch mal aus der Honigquelle. Aber nun wurden die Mücken zudringlich und wollten alle mit mir tanzen. »Holla«, riefen sie, »was für ein putziger brauner Kerl! Komm, tanz mit mir, tanz mit mir!«
Es wurde mir ganz schwindlig. Da kam die gute Fee mir zu Hilfe, sie ergriff mich bei der Hand und kletterte hinaus. Die Borsten rissen meine Kutte fast in Fetzen, ich werde tüchtig flicken müssen.
»Jetzt zum Waldteich!«, rief Fee Minimax, »da gibt es noch mehr zu sehen!« Surr – ging es durch die Luft bis an das Ufer des Waldteiches.
»Jetzt tauchen wir unter Wasser«, sagte die Fee, »aber seid nicht bange. Lasst mir nur machen.«
Nun fing die kleine, grüne Fliege an zu surren in einem schrillen Tone. Nicht lange, da kletterte eine dicke Spinne mit langen braunen Haaren an einer Binse aus dem Wasser und glotzte uns an.
»Frau Wasserspinne«, sagte die Fee, »habt Ihr Eure Taucherglocke da unten fertig? Dann nehmt uns mal mit in die Tiefe.«
Frau Wasserspinne stellte die Haare aufrecht, dass sie wie Lanzen aussahen, und knurrte verdrießlich: »Meine Glocke ist fertig. Ich bin gerade daran, sie tüchtig mit Luft zu füllen. Soll ich den Braunen da auch mitnehmen? Der ist mir zu dick und zu schwer.«
Die grüne Fliege machte einige Zeichen mit den Vorderbeinen. Da schrumpfte ich noch mehr zusammen und wurde klein wie ein Floh.
»Nun mag es gehen«, knurrte Frau Wasserspinne. Wir setzten uns auf ihren Rücken und klammerten uns an den Haaren fest. Hopp, da tauchte sie nieder, und mir verging Hören und Sehen von dem Brausen des Wassers, das uns umspülte.
Als ich wieder zu mir kam, saßen wir ganz trocken und vergnügt in einer Taucherglocke unten im Wasser. Sie war kunstvoll gesponnen aus feinen, weißen Fäden und hatte bloß unten eine Öffnung. Beim Tauchen nimmt Frau Wasserspinne zwischen ihren Haaren eine Menge von Luftbläschen mit hinunter und füllt ihre Glocke damit an. Da haust sie und lauert am Eingange. Wenn ein Tierlein vorbeischwimmt, greift sie es mit ihren langen Spinnenarmen und saugt es aus.
Ich glaube, sie hätte mich auch ausgesogen, wenn die gute Fee nicht dabei gewesen wäre. Ich fürchtete mich vor den glotzenden Augen und den scharfen Zähnen und Beißzangen. Aber sie durfte mir nichts tun.
»Nun schaut Euch um, Waldbruder!«, sagte die Fee Minimax.
Ach, was es da zu sehen gab, da unten im Wasser! Riesige Kolbenkäfer fuhren umher, und Wasserflöhe wimmelten in Scharen, und ein Einsiedlerkrebs kroch in seinem Gehäuse von Holzstückchen und Steinchen langsam seines Weges.
Plötzlich kamen zwei Stichlinge daher geschossen. Ihr kennt sie gewiss, es sind eigentlich ganz kleine Fischlein, eine halben Finger lang. Mir erschienen sie furchtbar groß. Sie verfolgten sich und hatten den scharfen Stachelkamm auf dem Rücken steil aufgerichtet. Da war es dem einen geglückt, den anderen von unten her zu fassen. Im Nu hatte er ihm den Bauch aufgeschlitzt.
»Seht da den Wasserschlauch«, sagte die Fee. Ich sah ein grünes Gewächs, das viele kleine, offene Säckchen an den Zweigen trug.
»Damit fängt es die winzigen Wassertierchen«, erklärte die Fee, »sie können nicht wieder heraus und werden langsam von der Pflanze aufgefressen.«
Es wurde mir unheimlich, und ich verlangte heimgebracht zu werden. »Gut«, sagte Fee Minimax, »also nach oben!«
Eine Viertelstunde später saß ich wieder auf der Bank vor der Klause. Die grüne Fliege summte mir zweimal um den Kopf und verschwand. Ich war wieder ein richtiger Waldbruder.
Waldfrieden
Wie gut ist es dort, wo Friede ist! Wenn ich an diesen Hochsommerabenden vor meiner Klause sitze und den Rosenkranz durch die Finger gleiten lasse, wenn es dann wie ein tiefes, ruhiges Atmen durch den Wald geht und die lieben Sterne verstohlen durch die Wipfel blinzeln, dann wird es mir so stillselig ums Herz, als wenn ich im Paradiese wäre.
Es würde mich gar nicht wundern, wenn der gute Herrgott selbst den Waldweg entlangkäme in einem blauen, goldgestickten Mantel und mit einem langen, schlohweißen Bart, viel länger und schöner als der meine. Ich würde ihm ehrerbietig entgegengehen und ihm die Vaterhand küssen, und er würde gnädig lächeln und sagen: »Friede mit dir, Waldbruder! Wie steht’s im grünen Walde?«
Er weiß es selbst am besten, aber er will es auch mal von anderen hören. Was müsste ich dann sagen? Die reine Wahrheit, denn man kann dem lieben Gott keinen blauen Dunst vormachen.
»Lieber Herrgott«, würde ich sagen, »es steht gut in deinem Walde, aber so gut doch nicht, wie es aussieht.«
Dann würde der Herrgott wieder lächeln, und vielleicht würde er auf meiner armen Holzbank Platz nehmen, und wenn ich dann, wie es sich für einen Knecht passt, drei Schritte weit vor ihm stünde, so sagte er wohl: »Komm, setz dich zu mir, Waldbruder, und schütte mir dein Herz aus.« Denn er ist ja ein guter Herr. Das Herz würde mir klopfen, wenn ich so an seiner Seite sitzen dürfte, und am nächsten Tag hätte meine alte Kutte einen goldenen Ärmel, da, wo sie den Mantel des Herrgottes gestreift hätte.
Dann finge ich an zu reden, wie ein Kind zum Vater: »Lieber Himmelsvater, es ist Unfrieden auch im Walde. Deine Geschöpfe vertragen sich nicht immer, wenn man auch an diesem schönen, stillen Abende nichts davon sieht.«
»Das kommt von der bösen Sünde, Waldbruder«, würde der Herrgott dann antworten, »die Sünde hat den Fluch gebracht über meine liebe Welt. Aber der Fluch wird einmal hinweggenommen. Einstweilen magst du sehen, ob du das Kleine beschützen und hier und da Frieden stiften kannst.« So ungefähr denke ich es mir, und danach suche ich zu handeln. Neulich noch habe ich den Häher weggescheucht, als er das Rotkehlchennest überfallen wollte. Die kleinen Vögel wissen es schon, dass sie einen Beschützer an mir haben. Sie nisten gern nahe bei meiner Waldklause; ein Schwalbenpärchen hat sogar drinnen genistet und weckt mich jeden Morgen reichlich früh. Wenn der Junker Marder kommt, dem gar nicht zu trauen ist, obwohl er neulich beim Waldgericht über Reineke ein sehr ehrbares Gesicht machte, oder sein Vetter Iltis, der nichts besser ist, oder Frau Eule, die alle Paragrafen im Gesetzbuche kennt, aber nicht immer danach handelt, dann rufen die kleinen Vögel mich zu Hilfe.
»Waldbruder, Waldbruder«, jammern sie dann, und ich springe flugs mit meinem Knotenstock daher und vertreibe die Räuber. Die kleinen Vögel haben mich zum Ehrenmitglied der Singvögelgilde ernannt, obschon ich gar nicht so schön singen kann wie sie. Und Frau Nachtigall hat eigens ein Lied auf mich gedichtet, das sehr schmeichelhaft für mich ist. Ich sage es euch aber nicht auf, sonst merkt ihr zu deutlich, dass ich etwas eitel darauf bin.
Bald nach dem Waldgericht über Reineke kam Küster Kuckuck zu mir und erzählte, Frau Füchsin sei fortgegangen und habe die beiden ältesten Jungen mitgenommen. Den Jüngsten, den kleinen Hosenmatz, habe sie zurückgelassen, und er sitze vor dem Bau und hungere und heule gottserbärmlich. Das Büblein tut mir leid. Ich habe es in meine Waldklause geholt.
Erst wollte es gar nicht mitgehen und schrie immer nach seiner Mama. Ich habe es kurzentschlossen in meinen Kuttenärmel gesteckt und mitgenommen. Jetzt ist es schon ganz zutraulich und spielt mit meinen weißen Mäuslein, die sich wieder vermehrt haben. Es sind jetzt zwölf, ein ganzes Dutzend. Ich hoffe, dass ich den kleinen Fuchs zu einem anständigen, braven Waldburschen erziehen kann. Ich werde allerdings meine Last mit ihm haben. Die Kartoffeln wollen ihm nicht recht schmecken, und gestern hat er einem Mäusefräulein das weiße Schwänzchen abgebissen. Es schämt sich sehr und will sich gar nicht von hinten sehen lassen. Der kleine Fuchs hat die Rute bekommen und Besserung gelobt.
Er ist auch sonst ein lieber Kerl und heißt »Putzi«, weil er so drollig ist.
Ja, man hat oft seine Not mit dem Friedenstiften. Vorgestern zankten sich Frau Amsel, die ernste Person, und Frau Starin, die ein bisschen frech ist, gerade vor meiner Tür um einen Regenwurm und sagten sich die gröbsten Anzüglichkeiten. Der Wurm war schon tot.
Da habe ich ihn mit einem Spaten durchgeteilt und gesagt: »Nehmt jeder die Hälfte und vertragt euch!« Frau Amsel war zufrieden, aber Frau Starin sagte, sie hätte das kleinste Stück bekommen, und sie hätte mehr Kinder als Frau Amsel. Sie sind gerade wie die Menschen, diese Vögel.
Jungfer Reh ist ganz verträglich und spielt artig mit dem Brüderchen. Aber sie nagt zuweilen die Spitzen von den jungen Bäumchen, und das kann Herr Förster nicht leiden. Auch über Meister Lampe, den Hasen, kann ich nicht klagen. Er macht immer ein Männchen, wenn ich ihm begegne, und ist sehr höflich.
Aber einmal habe ich ihn doch bei einer Prügelei getroffen. Er gab einem Bruder tüchtige Pfotenhiebe über die Löffel, und der war auch nicht faul und trommelte wider mit aller Kraft. Ich wollte ihnen eine strenge Bußpredigt halten; ich hatte noch eine vorrätig, die ich für Reineke gemacht hatte und die ich leicht umändern konnte, sodass sie gut gepasst hätte.
Aber die beiden laufen mir zu schnell davon.
Das Ärgste hat Junker Marder begangen. Vor meinen Augen hat er das Eichhörnchen durch die Bäume gehetzt und ihm zuletzt trotz meines Scheltens die Kehle durchgebissen. Mein Freund, der Förster, will eine Knüppelfalle aufstellen für den Marder.
Es tut mir leid, aber er hat es verdient.
Erntearbeit
Wie steht es draußen auf dem Felde? Haben die Bauern die Ernte schon eingebracht? Ich denke, das Getreide wird schon meist eingefahren sein, aber mit den Kartoffeln wird es noch gute Weile haben.
Wisst ihr auch, wer früher mit der Ernte beginnt als der eifrigste Bauer? Das ist Herr Hamster. Ich traf ihn schon vor Wochen bei der Arbeit, als ich eines Abends zum Weidenhofe herausspaziert war. Da kam ich an einem Weizenfeld vorbei und sah, wie ein Bursche im grauen Rock eifrig zwischen den reifen Ähren herumhantierte. Es war schon dämmerig, und ich musste nahe hinzugehen, ehe ich ihn erkannte.
»Na, Herr Hamster«, sagte ich, »arbeitet Ihr im Akkord, dass Ihr Euch so spät noch dranhaltet?«
»Hm?«, brummte er und sah mich verdrießlich von der Seite an; er hatte den Klaps noch nicht vergessen, den er damals von mir bekommen hatte, als er in meiner Vorratskammer gemaust hatte.
»Sagt mal, Herr Hamster«, fragte ich weiter, »habt Ihr den Weidenhofbauern auch um Erlaubnis gefragt, dass Ihr auf seinem Acker ernten dürft?«
»Hm?«, brummte er wieder. Es war mir auffallend, dass er so wortkarg blieb. Als ich ihn genauer betrachtete, löste sich das Rätsel. Er konnte nicht sprechen, weil er beide Backen voll Weizen hatte.
So ein Hamster hat es bequem, er hat immer zwei Säcke bei sich. Ich wollte ihm eine kleine Strafpredigt halten, da schnitt er mir eine Fratze und hoppelte die Furche entlang zu seinem Bau in der alten Wallhecke.
Er wird schon einen guten Vorrat haben für den nächsten Winter, und man muss die Klugheit loben. Aber der alte Kerl treibt es ein bisschen arg, und dabei ist er ein rechter Geizkragen. Vorigen Winter war Frau Spitzmaus in Not geraten. Da hat sie bei Herrn Hamster angeklopft und um eine kleine Unterstützung gebeten. Er hat sie nicht bloß abgewiesen, sondern auch sehr grob angefahren und von »Bettelpack« gesprochen. Sie hat es mir selbst geklagt. Und dabei ist Frau Spitzmaus eine Person von guter Familie.
Da muss ich Frau Eichhörnchen loben, sie ist viel gutherziger. Einmal hat sie mir eine Haselnuss zugeworfen, als ich gerade an ihrem Hause vorbeiging.
»Da habt Ihr etwas zu knuspern, Waldbruder«, rief sie so recht freundlich und großmütig, und ich habe mich auch artig bedankt. Nachher sah ich freilich, dass die Nuss taub war; das wird sie wohl übersehen haben.
Frau Eichhörnchen ist eine reiche Frau. Sie hat außer ihrer Wohnung drei bis vier Vorratshäuser, und die sind jeden Herbst gefüllt mit Nüssen und Eicheln und Bucheckern, bis oben voll. Sie spaziert dann von einer Kammer zur anderen und isst sich ganz tüchtig durch den Winter. Vor der Kälte fürchtet sie sich auch nicht, denn sie schafft sich jeden Winter einen neuen Pelz an. Er ist nicht ganz so kostbar wie der, den Junker Marder trägt, aber doch hübsch und warm. Mit Kleidern und Pelzen wird überhaupt ziemlich viel Staat getrieben im Walde. Neulich begegnete ich dem kleinen Fräulein Wiesel, das trug einen schneeweißen Pelz, war aber auch so stolz, dass es meinen Gruß nicht einmal erwiderte.
Übrigens, ich ernte auch im Walde. Meistens lebe ich von der Hand in den Mund. Was war das für ein Pläsier zur Erdbeerzeit! Jeden Morgen zog ich zur Waldlichtung und holte mir eine ganze Schüssel voll. Man spürte den Duft schon von Weitem, und wenn man näherkam, sollte man glauben, eine gute Fee habe einen ganzen Sack voll Rubinen ausgeschüttet.
Frau Amsel fand sie auch sehr gut, und erst Frau Schnecke! Die ging gar nicht mehr fort und schmatzte den ganzen Tag an den süßen, roten Beeren herum. Nun, sie hatte ihr Haus ja auch bei sich und konnte auf der Stelle zu Bett gehen, wenn sie wollte. Waldbeeren und Brombeeren sind auch gut, aber Erdbeeren sind doch noch besser. Meine sieben Zwerge sind ganz närrisch darauf.
Die kleinen Kerle helfen mir wacker bei der Gartenarbeit und beim Einsammeln von Nüssen und verlangen gar keinen Lohn dafür. Ich muss ihnen nur bei jedem Neumonde den Bart etwas zustutzen und frisieren, denn sie sind ja ein bisschen eitel. Sie stehen dann nachher eine geschlagene Stunde am Waldteich und bespiegeln sich und drehen ihre Schnauzbärtchen. Wenn ich nächstens einmal in die Stadt komme, will ich ihnen einen kleinen Spiegel mitbringen. Oder ihr könnt mir einen besorgen. Ein Waldbruder passt nicht in die Stadt. Vielleicht hält man mich da für einen Bären und sperrt mich in einen Zoologischen Garten.
Ich ernte auch Pilze und trockne sie für den Winter. Das ist nahrhafte und leckere Kost, aber man muss sie kennen. Die Schönsten sind nicht immer die Besten.
Wie ich neulich mit meinem Korb daherkam, stand Herr Fliegenpilz am Wege und lachte mich schon von Weitem an und seinem purpurroten Hut.
»Nehmt mich mit, Waldbruder«, sagte ich, »ich bin der Schönste von allen.«
Aber ich habe ihm eine lange Nase gemacht und geantwortet: »Bleib, wo du bist! Du kommst mir nicht in meinen Topf, du Teufelskerl!« Seitdem sieht er mich nicht mehr an, mir ist es einerlei.
Ich traf damals auch den Meister Grimbart, den Dachs. Er lag vor seinem Bau und sonnte sich.
»Waldbruder«, gähnte er und gähnte vor Faulheit, »warum macht Ihr Euch das Leben schwer und schleppt Euch allerlei Sachen zusammen? Seht mich mal an!« Dabei drehte er sich herum und zeigte seinen dicken Specknacken.
»Macht es wie ich! Ich fresse mich den Sommer über dick und fett, und wenn der Winter kommt, gehe ich zu Bett und schlafe. Ich zehre vom eigenen Fett bis zum Frühjahr.«
Diese Methode ist allerdings bequem. Ich sagte ihm aber: »Eins schickt sich nicht für alle, Meister Grimbart! Ich kann nicht gut so lange schlafen, und dann sieht so ein dickes Bäuchlein auch nicht gut aus für einen Waldbruder.«
Die Waldhochschule
Diesmal kann ich euch ein Ereignis berichten, das jedenfalls euer besonderes Interesse erregen wird. Es ist die kürzlich erfolgte Gründung unserer Waldhochschule.
Da macht ihr Augen, nicht wahr? Damit ihr den rechten Respekt bekommt, will ich euch auch gleich sagen, dass euer Waldbruder einstimmig zum Leiter der Schule erwählt worden ist. Da es nun eine Hochschule ist – unter dem tun wir es nicht –, so bin ich also Hochschuldirektor und kann Anspruch machen auf den Titel »Magnifizenz«. In meiner Bescheidenheit habe ich mir diesen Titel aber verbeten, und ihr dürft mich nach wie vor einfach »Waldbruder« nennen. Nur Frau Eule, die große Stücke auf das gelehrte Wesen hält, redet mich hartnäckig mit Magnifizenz an. Sie lässt es sich nicht nehmen. Dafür erwartet sie aber auch, dass man sie »Frau Dekanin« tituliert. Sie bekleidet nämlich die Dekanswürde in der juristischen Fakultät, das will sagen, in der Abteilung für Rechtsgelehrsamkeit.
Von Frau Eule ist die Idee, eine Waldhochschule zu gründen, ausgegangen. Ich hatte deshalb auch vorgeschlagen, ihr den Ehrentitel »Universitäts-Mutter« zu geben. Das hat sie aber abgelehnt, doch hört sie es gern, wenn man jene Ehrenbezeichnung gebraucht, die dem Dekan zusteht, nämlich »Spektabilität«. Das heißt soviel wie Ansehnlichkeit, während Magnifizenz Großmächtigkeit bedeutet. Ich habe den Eindruck, dass Frau Eule den Titel Spektabilität deshalb so sehr liebt, weil er durch seinen Klang lebhaft an Speck erinnert. Speck isst sie nämlich sehr gern.
Die Gründung ging nicht ganz glatt vonstatten. Frau Eule hatte schon einige Male geäußert, es sei bedauerlich, dass die Bildung bei uns im Walde viel zu wünschen übrig ließe, von Wissenschaft ganz zu schweigen. »Außer Euch und mir«, sagte sie, »gibt es kaum einen, der lesen und schreiben kann, und was das Rechnen anbetrifft, so können die meisten nicht bis drei zählen. Frau Amsel zum Beispiel merkt es gar nicht, wenn der Häher ihr ein Ei aus dem Neste stibitzt, solange noch ein oder zwei darin bleiben. Und Frau Meise weiß niemals, wie viele Kinder sie hat. Die Person treibt allerdings auch große Verschwendung mit dem Kindersegen.«
»Nun«, sagte ich, »der kleine schwarze Taumelkäfer auf dem Waldteiche schreibt doch sehr flott und macht die schönsten Schnörkel, indem er auf der Oberfläche des Wassers herumfährt. Man nennt ihn ja auch das Schreiberlein.«
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte: »Ach, der kann ja selbst nicht lesen, was er schreibt, und andere Leute können es auch nicht.«
Nach kurzem Besinnen fuhr sie fort: »Was wäre das für ein Gewinn für die Wissenschaft, wenn jedes Geschöpf im Walde seine ausführliche Lebensbeschreibung verfassen würde. Dann würde auch viel dummes Zeug aus den Menschenbüchern verschwinden.«
Das leuchtete mir ein, und halb im Scherz warf ich die Bemerkung hin: »Wenn schon, denn schon! Gründen wir eine Schule, dann müsste es gleich eine Waldhochschule sein. Man muss sich das Ziel hochstecken.«
Frau Eule sah mich nachdenklich an, rückte ihre Haube zurecht, murmelte etwas vor sich hin und verabschiedete sich. Am nächsten Morgen, früh in der Dämmerung, klopfte sie an mein Fensterlein:
»Waldbruder, ich habe gleich alles in die Wege geleitet. Heute Abend ist Versammlung zur Gründung einer Waldhochschule. Punkt acht Uhr am Unkenteich. Ihr übernehmt doch den Vorsitz?«
Nun, man will ja nicht gern als ein Vertreter der Volksverdummung dastehen, und so sagte ich denn zu. Ich war sehr gespannt auf das Ereignis. Es fiel glänzend aus.
Als ich um acht Uhr beim Unkenteich ankam, wimmelte es von Volk. Vorläufig konnte man eher an alles andere als an eine Hochschule denken, so ging das Gezwitscher und Geplapper durcheinander. Als ich um Ruhe bat, verstummte alles und sperrte Maul oder Schnabel auf. Ich eröffnete die Versammlung, legte kurz den Plan der beabsichtigten Gründung vor und erteilte Frau Eule das Wort. Sie putzte die Brille, spuckte etwas Mäusewolle aus und hielt dann einen langen, scharf durchdachten Vortrag über den Nutzen der Wissenschaft, erstens im Allgemeinen, zweitens im Besonderen, drittens im Walde. Die meisten Vögel schliefen während des Vortrages ein, wurden aber wieder wach, als sich eine lebhafte Debatte anknüpfte. Frau Häsin fragte, ob an der neuen Schule auch Kochunterricht gegeben würde. Frau Eule verneinte es, stellte aber in Aussicht, dass eine Vorlesung gehalten werden sollte über Nahrungsmittelchemie, was Frau Häsin wenig zu interessieren schien.
»Ich meine«, sagte sie, »die Zubereitung des Winterkohls wäre viel wichtiger. Er liegt meinem Manne immer so schwer im Magen.«
»Du musst ihn auch gut durchfrieren lassen«, bemerkte Frau Kanin und fragte dann, ob an der Schule auch Handarbeit gelehrt würde. »Denn«, sagte sie, »die Kinder verschleißen schrecklich viele Socken, und die jungen Mädchen lernen gar kein ordentliches Stopfen mehr.«
Frau Eule lehnte auch die Handarbeit ab und meinte, sie sei Sache der Familienerziehung. Frau Graudrossel erkundigte sich nach dem Gesangunterricht. Dieses Fach müsste besetzt werden, erwiderte Frau Eule, und sie hoffe, dass Frau Graudrossel selbst die praktischen Übungen übernehmen würde.
Da meldete sich Küster Kuckuck und sagte: »Besonders wichtig sind die Treffübungen, denn es kommt alles auf die richtigen Tonintervalle an. Wenn einer die Terz rein herausbringt, dann ist schon viel gewonnen. Ich bin bereit, diese Spezialübungen zu leiten.«
»Gut«, entschied Frau Eule, »damit aber die Wissenschaft zur Geltung kommt, müsst Ihr auch ein Kolleg halten über Geschichte und Theorie der Musik.« Meister Kuckuck machte sich stark dafür.
»Wie ist es mit dem Turnen?«, rief der älteste Sohn von Frau Eichhörnchen und machte gleich ein paar gymnastische Übungen an seinem Ast, die große Welle, die kleine Welle und sonst noch allerlei.
»Gymnastik und Rhythmik gehören dazu«, sagte Frau Eule.
»Auch das Tanzen?«, fragte Fräulein Hermeline Wiesel und brüstete sich trotz der Sommerwärme mit seinem weißen Pelz.
»Auch«, sagte Frau Eule, »aber eine wissenschaftliche Grundlage …«
»Auch das Rudern?«, unterbrach sie ein Froschjüngling.
»Gewiss«, sagte Frau Eule, und da merkte ich an dem Beifall der jungen Welt, dass die Sache gewonnen war. Nur schien mir die eigentliche Wissenschaft etwas zu kurz zu kommen.
Frau Eule war offenbar derselben Meinung und gab dieser Meinung beredten Ausdruck, unterstützt von Meister Grimbart, dem Dachs.
»Kommilitonen«, schnarrte er mit einem Bierbass, wie ein alter bemooster Bursche ihn sich nicht besser wünschen kann, »das sind doch alles mehr oder weniger Fisimatenten …«
»Nieder mit dem Kerl!«, riefen die sämtlichen Frosch- und Eichhörnchenjünglinge.
Aber Meister Grimbart fuhr ruhig fort: »Meinethalben kann das alles dabei sein, aber die Hauptsache ist strenge Wissenschaft. Ich zum Beispiel bin gern bereit, eine Vorlesung zu halten über Geschichte und System der Philosophie, besonders über Metaphysik und Metapsychik mit Einschluss der Mystik und des Okkultismus …« Hier wurde er durch einen starken Lärm unterbrochen.
Ich hielt es an der Zeit einzugreifen. So machte ich den Vorschlag, die Sache an eine Kommission zu verweisen. Das fand allgemeinen Beifall. Gewählt wurden Frau Eule, Meister Grimbart, der Waldbruder und Krax junior, der Frosch. Wir sollten nun die Statuten entwerfen, die akademischen Lehrer anwerben und das Verzeichnis der Vorlesungen aufstellen. Arbeit genug! Ihr könnt euch denken, dass euer Waldbruder jetzt alle Hände voll zu tun hat.