Kitabı oku: «In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber», sayfa 6

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Zum Glück hatte ich meine sieben Zwerge gerade da, und die klugen Kerlchen wusste Rat für alles.

»Ich weiß reife Erdbeeren«, schrie der eine.

»Ich lauf zu Frau Hirschkuh und hole frische Milch«, rief der andere.

»Wir richten im Garten einen Sitz her«, sagte der Dritte.

Hast du nicht gesehen, so ging es los. Bald hatten sie die Gartenbank schön gepolstert mit Moos und meine Bettdecke darüber gebreitet. Der Tisch war weiß gedeckt; die Weidenhofbäuerin hatte ihr feinstes Tuch hergeliehen. Mächtige Blumensträuße standen auf dem Tisch, eine blanke Kanne mit Milch in der Mitte und rundherum auf grünen Kohlblättern duftende rote Erdbeeren. Saubere Halme lagen daneben, womit man die Beeren aufspießen konnte. Kurz und gut, es kam mir ganz königlich vor, und ich hatte guten Mut.

Da erscholl Getrappel und Geschnaube von Pferden. In einer goldenen Kutsche mit vier Schimmeln fuhr Königin Aschenputtel vor. Neben ihr saßen ein Prinzlein und eine kleine Prinzessin und ihr gegenüber eine schrecklich vornehme alte Dame. Ich dachte gleich, dass es die Oberhofmeisterin wäre. Sie trug silbergraue Seide und strahlte von Brillanten, während die Königin ein einfaches weißes Kleid trug und keinerlei Schmuck, bloß ein goldenes Krönlein.

Ich stand vor dem Törchen und machte drei Verbeugungen, eine immer tiefer als die andere.

»Grüß Gott, Waldbruder!«, rief die Königin freundlich und reichte mir die Hand. »Wie nett wohnt Ihr hier, und das sind wohl Eure braven Knechtlein.«

Die sieben Zwerge standen in einer Reihe aufgepflanzt wie die Orgelpfeifen und neigten sich noch viel tiefer als ich.

»Das ist mein Sohn, Prinz Asche, und dies mein Töchterlein, Prinzessin Puttel«, sagte die Königin, »seht, Kinder, da gibt es Erdbeeren, das wird euch gefallen.«

Bald saßen wir am Tische. Die beiden Lakaien, die hinten auf der Kutsche gestanden hatten, stellten sich hinter die Bank wie zwei Bildsäulen und verzogen keine Miene. Die Frau Oberhofmeisterin saß links von der Königin, lang und dürr wie ein Zaunstecken und hässlich wie die Nacht. Sie beschaute alles von oben her durch eine bestielte Brille, die sie vor die scharfen grauen Augen hielt. Die Königin aber war holdselig wie der Frühling, und die beiden lieben Kinder spießten vergnügt zwischen den Erdbeeren umher. Die Zwerge schenkten Milch ein, wir hatten aber nur zwei Gläser.

»Waldbruder«, sagte die Königin, nachdem sie ein paar Erdbeeren genommen hatte, »ich komme mit einer Bitte.« Ich verneigte mich.

»Seht, Waldbruder, ich suche einen Erzieher für Prinz Asche. Unser guter Schlosskaplan ist gestorben, und nun haben wir keinen Menschen mehr, der Latein kann. Meine liebe Gelbrüssel spricht ausgezeichnet Französisch« – dabei schaute sie huldvoll auf die Oberhofmeisterin, die vor Ehrfurcht zusammenknickte – »aber ein Prinz muss auch etwas Latein lernen. Nun habe ich von Euch gehört, dass Ihr ein frommer und gelehrter Mann seid« – hier wurde ich rot vor Beschämung und wollte das unverdiente Lob abwehren.

Die Königin winkte mit der Hand und fuhr fort: »Die Bescheidenheit ehrt Euch, Waldbruder! Seht, Ihr werdet einen willigen folgsamen Schüler haben, und was das Gehalt betrifft« – hier wurde ich noch röter und konnte es nicht lassen zu sagen: »Majestät, was soll ein armer Waldbruder mit Geld?«

Die Oberhofmeisterin Frau von Gelbrüssel warf mir einen empörten Blick zu und bemerkte mit scharfer Stimme: »Man unterbricht die Majestät nicht.« Ich war vernichtet.

»Lassen Sie, liebe Gelbrüssel«, sagte die Königin lächelnd und legte ihr die Hand auf den Arm. »Wenn Ihr das Geld selbst nicht braucht, Waldbruder, so könnt Ihr jedes Jahr eine große, schöne Kirche dafür bauen lassen.«

Mir schwindelte der Kopf, als ich das hörte, und ich schwankte einen Augenblick, ob ich das Anerbieten nicht annehmen sollte. Da kam die Oberhofmeisterin mir zu Hilfe.

»Majestät«, flüsterte sie ehrfurchtsvoll, »wenn es gestattet ist, möchte ich den Waldbruder darauf aufmerksam machen, dass er seine Tracht ändern muss. In dieser Fasson ist er am Hofe unmöglich.«

Die Königin zog eine verdrießliche Falte zwischen den Augenbrauen und sagte: »Liebe Gelbrüssel, das wird sich schon finden. Wir lassen ihm eine neue Kutte machen. Der lange Bart steht einem gelehrten Manne gut.«

Aber die Frau Oberhofmeisterin machte ein furchtbar vornehmes Gesicht und flüsterte noch ehrfurchtsvoller: »Majestät, dann muss die Kutte wenigstens von Seide sein, und er muss unbedingt Schuhe und Strümpfe tragen. Den Bart muss er pudern lassen. Auch muss er vorläufig jeden Tag eine Anstandsstunde bei mir nehmen, sonst wird er uns die ganze Etikette am Hofe umwerfen.«

Da hatte ich genug. So etwas würde der Herrgott nicht von mir verlangen, trotz all der neuen Kirchen, die ich ihm bauen konnte. Ein Esel darf nicht aufs Eis gehen, ein Waldbruder nicht an den Hof.

Und wenn ich noch daran gedacht hätte, die Stelle anzunehmen, dann würde das, was jetzt plötzlich geschah, mich davon abgehalten haben. Leise und unbemerkt war das ganze Getier und Gevögel des Waldes an den Gartenzaun geschlichen. Wie die Nachricht von dem hohen Besuche sich so schnell verbreitet hatte, weiß ich nicht. Nun erhob sich ein Rufen und Jammern und Weinen: »Waldbruder, hierbleiben! Waldbruder, nicht fortgehen! Ihr seid unser Waldbruder – oh, Waldbruder, Waldbruder!«

»Welch ein Pöbel«, schrie die Frau Oberhofmeisterin und wollte noch mehr sagen, aber die Königin legte ihr die Hand auf den Arm. Ich aber wandte mich um und rief: »Liebes Gesindel, ich bleibe bei euch!« Da hättet ihr den Jubel hören sollen!

»Schade ist es doch«, sagte die Königin und stand auf, »aber ich kann es Euch nicht übelnehmen, Waldbruder!«

Dann meinte sie, Prinz Asche könnte wöchentlich einen Nachmittag zu mir herüberreiten und Lateinstunden nehmen. Damit war ich gern einverstanden. Er ist schon einmal hier gewesen, und wir haben gleich angefangen mit mensa.

Als die goldene Kutsche fortgerollt war, sah ich ein Goldstück neben der Milchkanne liegen. Das passte mir. Nun kann ich der lieben Gottesmutter in unserm Waldkapellchen den Mantel neu vergolden lassen.

Prinz Asche und Prinzessin Puttel

Liebe Kinder! Prinzenerzieher sein ist nicht leicht, wenn man auch bloß Lateinstunden zu geben hat. Ich kann ein Lied davon singen. Die Gottesmutter im Waldkapellchen hat ihren goldenen Mantel bekommen und sieht holdselig und prächtig darin aus. Der Prinz bringt mir auch für jede Stunde ein Goldstück mit. Ich denke schon daran, mir nächstens ein neues Glöckchen anzuschaffen für meine Klause. Das jetzige ist eigentlich bloß eine Kuhschelle. Aber ich muss es sauer verdienen.

In der ersten Stunde haben wir fast nichts anderes getan als Honig geschleckt. Fräulein Bienchen hatte mir tags zuvor einen großen Topf mit Honig geschickt, wie sie es versprochen hatte. Des Weidenhofbauern Fränzchen schleppte ihn herbei mit einem schönen Kompliment. Eigentlich wollte ich euch, liebe Kinder, mit dem Honig bewirten, aber Prinz Asche schleckte mir den ganzen Topf leer. Ich hätte es ihm nicht verraten sollen, dass ich Honig habe. Doch der Prinz ist so ein nettes Kerlchen, auch dachte ich, der Honig würde ihm die Zunge geschmeidig machen für das schwere Latein.

Der Honig schmeckte ihm gut, aber das Latein nicht. Wir stehen immer noch bei der ersten Deklination, bei mensa, und er wirft mir alle Fälle durcheinander und macht zuweilen ganz neue dazu, die gar nicht im Buche stehen. Trotzdem kann man ihm nicht böse sein, weil er so lustig ist. Wenn ich mal ein ernstes Gesicht mache, dann erzählt er mir schnell einen Streich, den er der Frau Oberhofmeisterin gespielt hat, und dann muss ich wieder lachen.

Das wäre nun soweit ganz gut, wer nur das Lernen nicht wäre! Wenn der Prinz von seinem Pferdchen springt, dann ruft er schon: »Mensa, der Tisch! Waldbruder, Ihr habt ja nichts auf Eurem Tische stehen.« Dann muss ich den Honigtopf holen.

Neulich wurde ich verdrießlich. Da zeigte ich dem Prinzen ein Birkenbäumchen, das neben meinem Garten steht, und sagte: »Prinz, auf diesem Bäumchen wächst der Fleiß.«

»Wie geht das zu?«, fragte er erstaunt.

Ich sagte: »Man bindet die feinen Zweiglein zu einer Rute zusammen und dann – hui!« Ich machte die entsprechende Handbewegung.

Prinz Asche schaute mich mit großen Augen an. »Ich reite«, befahl der Prinz, »lebt wohl, Waldbruder! Mensa, der Tisch, aber niemals Hui vom Fleißbäumchen!« Fort brausten er wie die Wilde Jagd, das Kerlchen reitet wie der Teufel.

Das nächste Mal kam Prinzessin Puttel mit. Saß im grünen Kleidchen auf einem goldbraunen Rösslein, und goldbraun flatterte das Haar.

»Waldbruder«, rief sie, »mensa, der Tisch.« Das hatte die kleine Kröte schon gelernt. Und nun ging es über den Honigtopf her. Mit langen Strohhalmen sogen sie den süßen Saft in vollen Zügen und schmatzten vor Behagen.

»Ach, Latein ist süß«, rief das Prinzesschen, »ich komme jetzt immer mit.«

»Was sagt denn die Frau Königin dazu?«, fragte ich, »und die Frau Oberhofmeisterin?«

Da lachten sie beide. »Mama weiß nichts«, sagte Prinzessin Puttel, »und die Gelbrüssel haben wir eingesperrt in ihrem Turm, die faucht jetzt wie eine Katze.«

Ich machte ihnen Vorwürfe, aber das Prinzesschen ließ mich nicht ausreden. Sie sprang auf, tanzte durch die Blumen und blieb dann vor mir stehen, gerade wie ein Irrwisch in ihrem goldbraunen Haar.

»Waldbruder, was macht Ihr für Geschichten?« Sie drohte mit dem Fingerlein. »Wo steht das Fleißbäumchen mit dem Hui? Mein Bruder hasst es, und wir wollen es umhauen. Das ist es, nicht wahr?« Sie zeigte auf das Birkenbäumchen, das vor Angst zitterte.

»Das Beil!«, rief die Prinzess und zog ein blitzendes, silbernes Beil hervor.

»Gib her!«, schrie der Prinz und griff nach dem Beile. Das war mir denn doch zu arg. Ich stellte mich vor das Bäumchen und breitete beide Arme aus, es duckte sich ängstlich hinter meinem Rücken.

»Halt, Königliche Hoheiten«, rief ich, »daraus wird nichts. Dem Bäumchen wird kein Zweig geknickt; es sei denn, dass es freiwillig eine Rute hergibt für unartige Kinder.«

Da hättet ihr das Prinzlein sehen sollen. Es wurde feuerrot vor Zorn und hob das Beil gegen mich.

Prinzessin Puttel zog seinen Arm herunter und sagte: »Lieber Asche, mach keinen dummen Streich. Komm, wir wollen den groben Waldbruder verlassen.«

»Das wird wohl das Beste sein«, sagte ich ruhig. Alle beide waren wie der Wind auf den Pferdchen und wie der Sturm durch den Wald – weg! Ich dankte Gott, als sie fort waren, und dachte, da mag ein anderer Prinzenerzieher sein. Ich tue nicht mehr mit. Heute noch schreibe ich einen Brief und kündige die Stunden auf. Küster Kuckuck kann ihn zum Schloss tragen.

Aber die Gelbrüssel kam mir zuvor. Nach zwei Stunden erschienen die beiden weißen Tauben und brachten einen Brief von der Frau Oberhofmeisterin, der also lautete: »Ehrwürdiger, aber wenig hofmäßiger Waldbruder! Herr Professor Schwalbenschwanz, der zurzeit hier weilt, hat durch eine Prüfung festgestellt, dass Prinz Asche sehr wenig Fortschritte im Latein gemacht hat. Auch hat das Betragen des Prinzen nicht gewonnen, seit er in der Waldklause verkehrt. Vor Kurzem war sogar ein ungebührliches Benehmen gegen eine der obersten Hofchargen zu beklagen. Ich bin deshalb beim König vorstellig geworden. Seine Majestät haben huldvoll geruht, Herrn Professor Schwalbenschwanz zum Prinzenerzieher zu ernennen. Somit seid Ihr Eures Amtes in Gnaden entbunden. Reichsfreifrau Aldaberta von Gelbrüssel, geborene Gräfin von Katzenkrall, Oberhofmeisterin.«

Den Brief rahm ich mir ein. Gestern kam Prinz Asche mit dem Möhrchen hier vorbeigeritten.

Er rief über den Zaun: »Waldbruder, Ihr seid ein grober Mann mit Eurem Birken-Hui, aber Professor Schwalbenschwanz ist hundertmal schlimmer – mensa, der Tisch! Juchhe!«

Damit warf er eine Handvoll Goldstücke in den Garten. Ist doch ein nettes Kerlchen, und jetzt bekommt euer alter Waldbruder eine neue Glocke.

In der
Waldklause
Erlebnisse des Waldbruders im ersten Jahre
Sommer

Drei Gedichte

Mondnacht

Klagen

Die Kobolde

Die missglückte Bußpredigt

Waldgericht

Fee Minimax

Waldfrieden

Erntearbeit

Die Waldhochschule

Wissenschaft im Walde

Der Rundreisefahrschein

Sommer

Ach, Frau Sonne meint es gut,

Kocht und schürt die heiße Glut

Und hantiert in ihrer Küche,

Backt im Feld das braune Brot,

Kirsch‘ und Erdbeer‘ schmoren rot,

Lieblich duften die Gerüche.

Das gibt sicher guten Schmack,

Doch ich schwitz‘ in meinem Sack,

Und mein Mut geht in die Brüche.

Nun, so komm! Das Bächlein schreit:

»Hab‘ ein kühles Bad bereit,

Ist dazu die rechte Zeit!«

Herr Sommer heizt gehörig ein,

Er heizt mit lauter Sonnenschein.

Was nützt das Rennen und das Schwitzen?

Im Schatten lässt sich lieblich sitzen.

Die Sonne brennt, die Luft ist schwül,

Im grünen Walde weht es kühl,

Das Bächlein hält zu jeder Zeit

Ein frisches Bad für euch bereit.

Mondnacht

Diesmal habe ich ein kurioses Abenteuer zu erzählen! Setzt euch dort in den Schatten, die Sonne brennt schon recht tüchtig.

Halt! Der kleine Junge da trinkt zu hastig aus der kalten Quelle, das tut nicht gut. Trinkt nicht aus der Mütze, sondern aus der hohlen Hand. Dann ist das Wasser etwas angewärmt, und ihr trinkt nicht zu schnell. Nun gebt Acht!

Gestern Nacht wurde ich plötzlich wach. Als ich die Augen aufschlug, sah ich dem Monde gerade in das große, weiße Gesicht. Und als ich noch genauer hinschaute, merkte ich, dass der Mond nicht droben am Himmel stand, sondern unmittelbar vor meinem Fensterlein.

So nahe stand er, dass er ordentlich seine Nase plattdrückte an der Scheibe.

Ich erhob mich von meinem Strohsack, um diese kuriose Sache etwas näher zu untersuchen.

Der Mond nickte mir freundlich zu und sagte: »Schönen guten Abend! Eigentlich sollte ich sagen gute Nacht, denn es hat schon zwölf geschlagen.«

Ich war etwas verblüfft, denn ich hatte den Mond noch nie so nahe gesehen. »Guter Mond«, stotterte ich, »was willst du hier?«

Er kniff ein Auge zu und antwortete: »Ach, Waldbruder, es wurde mir so langweilig da oben. Mit den Sternen kann sich ein vernünftiger Mann nicht unterhalten, sie sind so klein und schwätzen lauter kindisches Zeug. Komm, wir wollen einen Spaziergang zusammen machen.«

Es war eine stille, wunderwarme Nacht, und da mir der Schlaf doch vergangen war, sagte ich gern zu. Ich sah, dass der Mond ein paar große, schwarze Flecken im Gesicht hatte, und fragte, ob er sich vielleicht erst das Gesicht waschen wolle.

Er zog die Stirn kraus: »Warum?«

»Oh, ich dachte nur so«, sagte ich, »weil du ein klein bisschen schmutzig bist.«

»Einbildung!«, schnarrte er, »pure Einbildung! Es sind bloß Schatten. Übrigens bin ich viel sauberer rasiert als du mit deinem wirren Barte.«

»Das mag wohl stimmen«, begütigte ich ihn und trat ins Freie.

Ei, wie hell war es draußen! Und wie fein war der Mond mit seinem silbernen Mantel! Ich schämte mich fast mit meiner rauen, groben Kutte. Aber er war gar nicht stolz, sondern nahm mich vertraulich am Arm und spazierte mit mir den Waldweg hinunter. Die Bäume glotzten uns verwundert nach, und Herr Hase, der uns gerade entgegenkam, schlug zwei Purzelbäume hintereinander.

»Du hast aber eine weite Reise gemacht«, sagte ich.

Der Mond lächelte. »Das geht ganz schnell«, belehrte er mich, »ich bin einfach die Milchstraße heruntergefahren, und am Ende brauchte ich nur noch einen Katzensprung zu machen bis in den nächsten Baum. Ich habe es drollig getroffen, denn ich bin gerade in das Nest des alten Bussard gesprungen.«

Ich meinte, da würde der alte Herr wohl sehr zornig geworden sein. Herr Bussard hat nämlich Generalsrang und lässt nicht mit sich spaßen.

»Ach«, lachte der Mond, »der Herr General war nicht zu Hause, aber die Frau General hat mir gründlich den Marsch geblasen. Schau mich mal an! Siehst du nichts?«

Da sah ich, dass er ein schiefes Gesicht hatte, die linke Backe war geschwollen.

»Da hat sie mir eine Ohrfeige hingefegt«, lachte der Mond, »aber das macht nichts. Vornehmen Damen muss man schon etwas zugutehalten.«

Unterdessen waren wir auf eine Lichtung hinausgetreten und setzten uns auf einem Baumstamm nieder. Mein Begleiter ließ seinen ganzen Mondschein über die Fläche gleiten, es war fast taghell.

»Gib Acht«, flüsterte er, »gleich kommt er. Wir wollen ihn mal belauern.«

»Wer kommt?«, fragte ich.

»Still – Reineke!«, war die Antwort, »er hat nebenan seinen Bau.«

Richtig, da kam der alte, rote Fuchs langsam und vorsichtig, spähend und witternd auf die Lichtung geschlichen. Er schnüffelte bedenklich nach uns herüber, beruhigte sich aber und fing an zu kichern. Auf dies Zeichen kam die Frau Füchsin mit einer braunen Haube und drei jungen Füchslein. Zwei trugen die ersten Höslein, eins hatte noch ein Kleidchen an, aus dem hinten das Schwänzlein drollig hervor sah. Die beiden Alten setzten sich auf einen Baumstumpf, Mutter Füchsin zog einen Strickstrumpf hervor, und Papa Fuchs zündete sich ein Stummelpfeifchen an. Die Jungen sprangen und tollten herum wie die Affen.

Wir schwiegen mäuschenstille. Da fing der alte Fuchs an zu plaudern. »Mutter«, sagte er, »ich bin die Mäuse jetzt gründlich satt. Es ist kein gutes Fressen für einen ordentlichen Fuchs. Du musst besser kochen.«

Frau Füchsin kratzte sich mit der Stricknadel unter der Haube und sagte: »Dann schaff mir etwas Besseres in die Küche. Übrigens, vorgestern haben wir doch noch ein junges Feldhuhn gehabt, das war delikat.«

Papa Fuchs spuckte aus: »Ich habe bloß ein paar Knochen davon bekommen. Du steckst alles den kleinen Bälgern ins Maul.«

»Wie kannst du so sprechen?«, rief die Füchsin, »die lieben Kleinen wollen doch auch leben.«

Papa Fuchs zog einige dicke Rauchwolken aus seinem Stummel.

»Mutter«, fing er nach einer Weile wieder an, »ich probiere es wieder auf dem Weidenhofe. Da ist ein Brett lose am Hühnerstall, und ich denke, die Küken sind jetzt gut herangewachsen und stichfett.« Er schmatzte ordentlich vor Lust.

»Nimm dich in Acht vor dem bösen Hund«, warnte Frau Füchsin.

»Oh, der liegt an einer Kette«, grinste der Rote und zeigte dabei alle seine weißen Zähne.

Frau Füchsin schaute sich unruhig um: »Was ist dahinten los?«

Der Fuchs stand auf und schaute gespannt herüber. »Hat nichts zu sagen«, sagte er dann, »das verrückte Volk treibt wieder sein Unwesen.«

»Wer?«, fragte die Füchsin. »Ach – die Elfen!«, murrte er.

Da sah ich ein merkwürdiges Schauspiel. Erst meinte ich, ein weißer Nebelstreif schwebe über der Lichtung, aber bald erkannte ich lustige Frauengestalten in langen Schleiern. Sie hielten sich an der Hand und tanzten einen seltsamen Reigen, und ich vergaß alles im Zuschauen. So wunderschön war es.

Als ich wieder zu mir kam, war die Fuchsfamilie verschwunden, und der Mond – wo war der Mond? Der stand wahrhaftig oben hoch am Himmel. Ich schlich in meine Klause zurück.

Klagen

Ach, es geht böse zu in der Welt. Der Große frisst den Kleinen, und der Schlaue übertölpelt den Dummen. Wenn ich euch so vor mir sitzen sehe, schaut ihr alle aus wie die liebe Unschuld selbst. Ausgenommen der Peter dahinten, der hat es jetzt schon hinter den Ohren, faustdick! Aber ihr seid doch noch unverdorben. Werdet ihr so bleiben, oder werdet ihr später teilnehmen an der allgemeinen Spitzbüberei? Hier im Walde ist auch nicht alles, wie es sein sollte. Reineke treibt es je länger, je ärger, und die Klagen mehren sich von Tag zu Tag.

Gestern war ich in meinem Gärtchen beschäftigt mit schwerer Arbeit. Ich will es nämlich etwas vergrößern, und da musste ich einige dicke Baumstämme ausroden. Der Schweiß lief mir in Strömen von der Stirne herunter, aber das tut nichts, das ist gesund. Als ich mich einmal aufrichtete, um ein wenig zu verschnaufen, schaute Frau Häsin über den Zaun.

»Gott helfe Euch«, rief sie mir zu; sie ist eine fromme Frau.

»Gott lohne es!«, erwiderte ich, wie es sich gehört, und dann gab ein Wort das andere. Frau Häsin lobte meinen Fleiß und empfahl mir, auf dem neugewonnen Stück Garten nächsten Herbst Braunkohl zu pflanzen. »Dann hat man etwas für den Winter«, sagte sie und dachte dabei wohl besonders an sich selbst. Nun, ich habe nichts dagegen, wenn die Hasenfamilie von meinem Kohl mitisst. Man muss leben und leben lassen. Darauf machte Frau Häsin ein betrübtes Gesicht, schlug die Ohren nieder, kreuzte die Pfoten über der Brust und fing ein langes Lamento an.

»Waldbruder«, klagte sie, »es ist nicht mehr zum Aushalten mit dem roten Räuber, er stört den ganzen Waldfrieden.«

»Meint Ihr den Reineke, Frau Häsin?«, fragte ich, »und was hat er denn wieder verbrochen?«

»Ach, Waldbruder!« Sie wischte sich mit beiden Pfoten die Tränen aus den Augen. »Er hat meinen Jüngsten verzehrt – rein aufgefressen hat er ihn. Und es war ein so liebes Kerlchen und konnte so putzige Männchen machen. Ach, wie hat er gequäkt, als Reineke ihn beim Wickel hatte. Aber es half ihm nichts.« Ich schalt wacker auf den Bösewicht und ließ mich auf den Baumstumpf nieder. Denn ich merkte, dass die gute Frau noch mehr auf dem Herzen hatte.

»Das ist nicht seine einzige Untat«, fing sie wieder an. »Einmal könnte man ja ein Auge zudrücken, denn wir sind eine große Familie und können schließlich wohl eines entbehren. Aber denkt Euch, meinen guten Vetter Kaninchen hat er neulich ganz schrecklich betrogen. Der falsche Mann sagte ihm einen freundnachbarlichen Besuch an. Er wolle sich den neuen Bau einmal ansehen, weil er selbst auch neu bauen müsse; Vetter Kaninchen sei so geschickt, dass jeder von ihm lernen könne. Mein guter Vetter ist etwas dumm und eitel. Er ließ den falschen Reineke ein und stellte ihm seine ganze Familie vor und machte noch viele Komplimente dabei. Das Ende vom Lied war, dass der Räuber zwei Kaninchenkinder tot biss und wegschleppte. Es waren gerade die fettesten von allen, so niedliche Bübchen, wenn sie auch nicht besonders begabt waren. Die Dummheit ist erblich in der Familie, während bei uns das Gegenteil der Fall ist. Denkt Euch, zwei auf einmal und dann so ein Hausfriedensbruch!«

Frau Häsin trommelte mit beiden Pfoten auf den Gartenzaun und sträubte zornig ihren Schnurrbart. In demselben Augenblick duckte sie sich und machte einen Hopser rückwärts, denn es ließ sich ein Geräusch vernehmen. Es war aber bloß mein Küster, Meister Kuckuck, der sich auf den Zaun schwang und wie verrückt schrie.

»Was ist denn wieder los?«, fragte ich.

»Der Reineke«, rief der Kuckuck, »der Dieb, der Räuber, der Schuft, er ist bei der gnädigen Frau Fasan eingebrochen und hat ihr das ganze Gelege weggeholt – sechs schöne Eier! Ich freue mich, dass nicht zufällig eins von mir dabei war.«

Ihr wisst, dass der Kuckuck seine Eier immer bei anderen Leuten unterbringt. Ich habe ihm schon oft gesagt, er solle sich doch selbst ein Haus bauen, aber er ist ein Faulpelz und macht es sich gern bequem.

»Die gnädige Frau ist ganz untröstlich«, fuhr er fort, »sie will fortziehen aus dem Walde, und das wäre schade, sie ist die vornehmste Person und gibt auch immer ein anständiges Trinkgeld, wenn sie taufen lässt.«

Frau Häsin war wieder hochgekommen und lehnte sich auf den Gartenzaun. »Waldbruder«, sagte sie, »Ihr müsst für Ordnung sorgen, so geht es nicht weiter. Wir hatten früher einen Waldbruder mit einem Schießgewehr. Es knallte allerdings fürchterlich, aber er hat den alten Vater Reineke totgeschossen. Das war eine große Tat.«

»Frau Häsin«, sagte ich, »ich habe gehört, dass mein Vorgänger auch Schlingen gelegt hat in seinen Kohlgarten.«

»Was? Schlingen?« Sie tat wieder einen Hopser nach rückwärts. »Schlingen sind eine Gottlosigkeit, daran dürft Ihr gar nicht denken. Aber noch eins! Reineke hat der Weidenbäuerin unten am Bach die beste Henne fortgeholt. Er bringt den ganzen Wald in Verruf, und zuletzt heißt es noch, mein guter Mann hätte es getan.«

Ich beruhigte die beiden, so gut es gehen wollte.

Da schnurrte Frau Feldhuhn über den Zaun, trippelte eilig durch den Salat und duckte sich unter die Bohnenstauden.

»Wie kommt Ihr denn in den Wald, Frau Feldhuhn?«, rief ich erstaunt.

»Ach, Reineke!«, schluchzte sie ganz verstört, flog auf und schnurrte wieder fort.

»Da habt Ihr es!«, riefen der Kuckuck und die Häsin mit einer Stimme und machten sich schleunigst aus dem Staube. Ich nahm meine Hacke und ging in die Klause, indem ich mir überlegte, wie dem Unwesen zu steuern sei.

Zunächst bin ich zur Weidenbäuerin hinübergegangen und habe ihr gesagt, sie solle das lose Brett an ihrem Hühnerstall wieder festnageln. Sie gab mir ein halbes Dutzend Eier für die gute Warnung. Wenn es mehr gewesen wäre, würde ich euch allen jetzt ein gesottenes Ei spendieren, aber so weit reicht der Vorrat nicht.

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