Kitabı oku: «Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi», sayfa 2

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3

Am dunstigen Himmel lässt die aufsteigende Sonne mit ihren wärmenden Strahlen letzte dünne Wolken verschwinden und taucht den Himmel in ein tiefes Blau. Wabernde Nebelschwaden lösen sich langsam auf dem Gelände des Ohlsdorfer Friedhofs auf. Ein Parkfriedhof, der zu den größten Europas zählt. Sogar eine eigene Buslinie verkehrt auf dem Gelände. Breite Straßen durchziehen das Areal, das von vielen Hamburgern genutzt wird, um dem alltäglichen Stau des Berufsverkehrs auf den Hauptverkehrsadern auszuweichen. In einer langen Schlange stehen viele Fahrzeuge mit laufenden Motoren vor dem Ausgangstor des Friedhofs am westlichen Ende. Ihre Fahrer hoffen, dass sie möglichst eine der nächsten Ampelphasen nutzen können, um auf die Fuhlsbüttler Straße zu gelangen und so zum Arbeitsplatz zu kommen.

Durch das westliche Eingangstor fährt ein dunkler Mittelklassekombi. Am Steuer sitzt ein Mann mit grauem, schütterem Haar, der sich strecken muss, um über das Lenkrad zu schauen. Er umfasst es mit beiden Händen und lässt den Blick über die Wege entlang der Straße gleiten. Er schüttelt den Kopf über die Pietätlosigkeit der Autofahrer, einen Friedhof als Abkürzung zu missbrauchen. Auch schaut er den Fahrern entgegen, die in der Warteschlange stehen. Er taxiert ihre Aufmerksamkeit ihm gegenüber, doch die meisten sind mit ihrem Rückspiegel zum Schminken oder Rasieren beschäftigt, singen zu den alltäglich gleichen Liedern im Radio oder blicken suchend und lesend auf ihre Smartphones. Das Warten am Ausgang entschleunigt ihre Fahrt zur Arbeit für einen Moment. Zumindest bis sie aus dem Parkgelände hinausfahren.

Der Fahrer des dunklen Kombis braucht nicht zu warten. Er fährt den Berufspendlern entgegen und rauscht die Allee hinauf zur Kapelle Nummer 9, wo er in eine Sackgasse abbiegt und langsam in einer Haltebucht rückwärts einparkt. Er bleibt zunächst sitzen und beobachtet die Umgebung.

Einzelne Eichhörnchen jagen über die Rasenflächen und an den Baumstämmen der schattenspendenden Kastanien entlang. Vereinzelt lassen Lücken zwischen den großen Rhododendronbüschen einen Blick auf die Grabsteine der unmittelbaren Umgebung zu.

Ganz allein steht der Wagen auf der Parkfläche. Die weiteren Buchten sind noch nicht besetzt. Am frühen Morgen sind offenbar noch keine Bestattungen in der Kapelle und auch Verwandte und Angehörige treffen erst langsam auf dem weitläufigen Gelände ein, um die Gräber ihrer Angehörigen zu pflegen.

Harry Goldutt, der Chef des Hamburger Rauschgiftdezernats, stößt die Autotür auf, nachdem er den Schlüssel aus der Zündung gezogen hat. Ein anonymer Anruf am frühen Morgen hat ihn hierhergelockt. Der Anrufer habe ihm etwas Wichtiges mitzuteilen, sagte er mit einer flüsternden Stimme bei unterdrückter Rufnummer. Er sprach in gebrochenem Deutsch, die Sätze schienen nicht einstudiert. Sie wirkten glaubwürdig auf Harry. Nachfragen konnte er keine mehr stellen, so schnell hatte der Anrufer wieder aufgelegt. Es könnte auch ein Wichtigtuer oder Spinner gewesen sein, aber das Bauchgefühl rät ihm, dieses konspirative Treffen wahrzunehmen.

Harry steigt aus, stellt sich neben sein Fahrzeug und schließt die Tür. Er schaut sich aufmerksam um. Sein Blick fällt auf den vereinbarten Treffpunkt. Ein dunkler Stein ragt aus dem sattgrünen Rasen vor ihm. Eingraviert steht auf dem anthrazitfarbenen Marmor in goldener Schrift “Gott kennt kein Warum”.

Der Satz umgreift Harrys Herz und zieht ihn förmlich an.

Harry geht mit langsamen Schritten auf den Grabstein zu. Seine Absätze lassen die Schritte auf dem Asphalt erschallen. Unterschiedliche Vögel singen von den Bäumen herab ihr Lied, während ein leichter Wind die Blätter der Büsche rascheln lässt.

«Sind Sie alleine?», fragt eine tiefe Stimme aus einer dichten Hecke hervor.

«So, wie verabredet. Was kann ich für Sie tun?», erwidert Harry Goldutt mit seriösem, aber freundlichem Grundton, ohne in Richtung des Fragenden zu blicken.

Er hört, wie der Mann mit langsamen Schritten an ihn herantritt.

«Es kommt Laster nach Hamburg. Er hat viel Drogen geladen. Kokain. Viel Kokain. Aus Spanien. Sie müssen aufhalten», beginnt der Mann zu erzählen.

«Es kommen viele Laster nach Hamburg. Ein bisschen genauer bräuchte ich es schon», erwidert Harry Goldutt und blickt zu dem Mann, der sich seitlich neben ihn gestellt hat.

«Es ist deutscher Laster. Er hat Pinneberger Kennzeichen. Großer Laster. Er bringt Paletten mit Katzenstreu. Ist aber nicht nur Katzenstreu drin.» Er reicht Harry einen Zettel und nickt ihm einmal kräftig zu.

«Das ist Kennzeichen. Ich weiß nicht, wo er hinfährt. Jedes Mal eine andere Halle, aber immer bei Hamburg.» Sein rundliches Gesicht sieht dabei traurig aus, als würde er jetzt schon bereuen, was er gerade macht.

«Warum helfen Sie uns?», fragt Harry einfühlsam und nimmt dabei den Zettel entgegen, den er ungesehen in seine Jackentasche steckt. «Angst? Schulden? Rache?» Harry lässt zwischen jedem Wort eine bedeutsame Pause, betrachtet dabei das Gesicht des südländischen Informanten. Doch es bleibt traurig und verschlossen. «Alles. Leider alles», antwortet der dunkelhaarige Mann und beginnt sich rückwärts von Harry zu entfernen.

«Warten Sie. Für wen ist der Laster bestimmt? Wie kann ich Sie erreichen, wenn ich Fragen habe?», ruft Harry ihm nach, ohne ihm dabei zu folgen.

Der Südländer blickt sich noch einmal um. «Guckst Du auf Zettel in deiner Jacke.» Er deutet auf Harry Goldutt, der umgehend an sich hinabschaut. Langsam zieht er den übergebenen Zettel wieder aus der Jackentasche.

Er faltet ihn auf und sieht dort ein Pinneberger Kennzeichen. Harry blickt auf, sein Mund steht ihm offen, weil er umgehend noch einmal nach dem Mann rufen will. Doch der ist spurlos im Dickicht der Büsche und Hecken verschwunden. Harry blickt wieder auf den Zettel und wendet ihn. Auf der Rückseite des cremefarbenen Notizzettels steht in geschwungener Schrift Cemal Sarikaya.

4

In einer Eppendorfer Altbauwohnung ist große Aufregung. Emilia und ihr Vater sind dabei, die Koffer zu packen. Zwei große schwarze Hartschalenkoffer und ein etwas kleinerer Koffer mit einer großen goldenen Krone auf beiden Seiten liegen auf dem Bett im Schlafzimmer der Eltern. Am Fußende des Bettes sind die verschiedenen Kleidungsstücke aufgestapelt, die mitgenommen werden sollen und darauf warten, in den Koffern verstaut zu werden.

Auf dem Fußboden vor dem Bett türmt Emilia nach und nach ihre gesamten Kuscheltiere und Puppen auf, die sie allesamt mit auf Reisen nehmen möchte. Emilia liebt es zu verreisen, aber sie liebt mindestens ebenso sehr ihre Kuscheltiere.

«Emilia, Prinzessin. Alle kannst du aber wirklich nicht mitnehmen», ruft ihr Vater, als er mit den Kulturtaschen unter dem Arm aus dem Badezimmer ins Schlafzimmer kommt.

«Aber Papa, ich kann doch keinen zu Hause lassen», antwortet Emilia im liebsten bettelnden Tonfall und kommt mit einer Giraffe und einem pinken Schwein ins Schlafzimmer gelaufen, die sie ebenfalls auf den Haufen fallen lässt. Sie stellt sich mit empört verschränkten Armen vor ihrem Vater hin und schaut ihn mit großen, braunen Augen schmollend von unten herauf an.

«Versteh doch bitte, die kriegen wir nicht alle mit und die müssen hier aufpassen, dass niemand einfach so hereinkommt. Irgendjemand muss ja auf unsere schöne Wohnung achtgeben, wenn wir im Urlaub sind», versucht ihr Vater beschwichtigend zu erklären und bindet dabei seine langen Haare am Hinterkopf zu einem strengen Zopf zusammen, wodurch die kahlrasierten Seiten zum Vorschein kommen.

«Kommen wieder die Leute in unsere Wohnung?», fragt Emilia mit ängstlichem Blick. Dem kleinen Mädchen ist noch gut in Erinnerung geblieben, wie ihre Wohnung aussah, als sie vor ein paar Monaten mit ihrer Mutter nach Hause kam und die gesamte Wohnung auf den Kopf gestellt war. Das war das erste Mal, als ihr Vater spontan für ein paar Wochen auf Geschäftsreise musste und dann passierte gleich so etwas. Seitdem schläft Emilia immer zwischen ihren Eltern. In ihr Prinzessinnenbett wollte sie seitdem nicht mehr.

«Nein, mein Schatz. Die kommen nie wieder. Das verspreche ich dir. Aber sicherheitshalber bleibt deine Rasselbande hier und passt auf. Einen darfst du dir aber aussuchen, den du mitnehmen kannst. Einverstanden?», verspricht ihr Vater mit sanftem Ton und lächelt seine Tochter liebevoll an, während er sich hinkniet und ihr in die Augen schaut.

«Zwei, sonst fühlen sie sich alleine, wenn wir unterwegs sind», stellt Emilia ihre Bedingung mit forderndem Blick und hervorstehender Schmolllippe.

«Okay, zwei. Dein Verhandlungsgeschick hast du auf jeden Fall von der Mama», antwortet er und richtet sich wieder auf.

«Steven, packst du bitte auch mein Laptop ein? Ich muss im Hotel vielleicht noch ein wenig arbeiten. Im Büro geht es gerade drunter und drüber», fragt eine schlanke, attraktive Frau, die sich an den Türrahmen lehnt und sich ihre helle Bluse dabei zuknöpft.

«Klar, mache ich. Liegt hier schon bereit», antwortet Steven. «Lassen wir die Mama schön arbeiten, während wir am Strand ein großes Schloss bauen, oder?» Steven streckt die Hand zu seiner Tochter aus und zwinkert ihr verschwörerisch zu.

«Jawohl. So machen wir es», ruft Emilia freudig und schlägt in die Hand des Vaters ein.

Nachdem Steven die zusammengesuchten Sachen schnell in den Koffern verstaut hat und auch Herr Bär und Prinzessin Smilla ihren Platz gefunden haben, trägt er das Gepäck zu dem vor dem Haus parkenden schwarzen Mustang und legt es in den Kofferraum.

Auch seine Freundin und Emilia kommen nun die Treppen herunter und setzen sich in das Fahrzeug. Mit einem lauten Motorenbrummen startet Steven den Sportwagen und fährt auf die Straße, nachdem er sich versichert hat, dass Emilia auch ordentlich angeschnallt ist.

Nach wenigen Momenten halten sie noch einmal kurz in der Troplowitzstraße vor dem Polizeikommissariat an. Steven schaut zu dem weiß-blauen Gebäude und dreht sich zu seiner Tochter um. «Weißt du was, Emilia. Ich laufe jetzt schnell bei der Polizei rein und sage denen Bescheid, dass sie die nächsten fünf Tage gut auf unsere Wohnung achtgeben sollen. Was hältst du davon?»

«Super Idee, Papa. Ich komme mit», antwortet Emilia begeistert.

«Bleib mal lieber hier, Emilia. Papa ist schnell wieder da und wir wollen doch jetzt zum Flughafen fahren, oder?», interveniert Emilias Mutter streng und emotionslos.

«Na gut», antwortet Emilia traurig und lehnt sich schmollend zurück.

«Ach Quatsch. Komm doch mit», antwortet Steven und erntet umgehend einen skeptisch-wütenden Blick seiner Freundin, den er mit einem beschwichtigenden Augenzwinkern auflöst. «Alles gut. Vertrau mir. Cool bleiben.»

Steven steigt aus dem Wagen und nimmt Emilia an der Hand. Mit ihr zusammen geht er in Richtung des prächtigen Polizeikommissariats.

«Toll. Wir gehen auf eine richtige Polizeiwache», freut sich das vierjährige Mädchen, dessen Haare in geflochtenen Zöpfen am Hinterkopf zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengeführt sind. Mit strahlenden Augen geht sie in das Polizeigebäude hinein.

Unmittelbar vor dem Wachtresen bleiben sie stehen und Steven nimmt Emilia auf den Arm, damit sie besser den uniformierten Beamten bei der Arbeit zuschauen kann.

Ein Beamter kommt auf sie zu und beginnt zu lächeln bei den strahlenden Augen von Emilia, die seine dunkle Uniform von oben bis unten bewundert.

«Hallo Herr Winter, einmal zur Unterschrift? Ihr Arbeitgeber hat uns bereits bestätigt, dass Sie am Montag nicht erscheinen können, wegen eines auswärtigen Termins», begrüßt der Beamte Steven, legt ihm ein Dokument auf einem Klemmbrett vor und zwinkert dabei dem kleinen Mädchen zu.

«Ja, das ist richtig. Passen Sie bitte gut auf unsere Wohnung auf in meiner Abwesenheit. Emilia hat ein wenig Sorge, dass dort eingebrochen wird», bittet Steven freundlich und lächelt dem Polizeibeamten zu.

«Das machen wir. Wir halten die Augen offen, dass niemand in eurer Wohnung Unfug treibt. Ansonsten sperren wir ihn ein. Stimmt doch, Herr Winter?», antwortet der Beamte und blickt Steven dabei verschmitzt und eindringlich zugleich an.

«Da treibt niemand mehr Unfug. Aber halten Sie bitte die Augen offen. Tschüss. Bis nächste Woche», erwidert Steven und geht mit seiner Tochter aus der Wache, die er beim Verlassen wieder auf dem Boden absetzt und an die Hand nimmt.

«Papa, der kannte dich ja sogar. Dann wird der bestimmt gut aufpassen», sagt Emilia und schaut glücklich zu ihrer Mutter im schwarzen Fahrzeug, die erleichtert aufschaut, als ihre Tochter ihr fröhlich zuwinkt und munter hüpfend an der Hand von Steven auf sie zugelaufen kommt.

5

Über die Stadtautobahn am Helmut-Schmidt-Airport in Hamburg fährt ein grauer Kombi mit gemütlicher Geschwindigkeit die Rampe zu den Terminals hinauf. Hinter dem Fahrzeug klettert die Sonne über die Dächer von Hamburg empor und hüllt die Glasdächer der Abflughallen in einen goldenen Schimmer.

Während Otto mit konzentriertem Blick das Lenkrad mit beiden Händen umgreift, erzählt Gerd von alten Geschichten, die er in seinen Zeiten im Polizeidienst erlebt hat. Egal, ob mit der Bereitschaftspolizei oder in verdeckten Ermittlungen, Gerd galoppiert durch die Vergangenheit und lacht immer wieder laut auf vor Seligkeit. Seine Worte überschlagen sich leicht beim Erzählen, während sich Otto an den bereits mehrfach gehörten Geschichten erfreut und Dörte auf der Rückbank vor sich hingrollt.

Im eingeschränkten Halteverbot des Terminals bringt Otto das Fahrzeug langsam zum Stehen. Noch bevor der Wagen endgültig anhält, drückt Dörte ihre Tür auf und verlässt die Rückbank fluchtartig.

Gerd schaut auf die Uhr im Armaturenbrett und lässt die Mundwinkel sinken beim Gedanken daran, dass er fast vier Stunden am Terminal verbringen muss, bis der Flieger startet. Noch bevor Otto den Zündschlüssel ziehen kann, ertönt das Klingeln der aktivierten Freisprecheinrichtung. Auf dem Display erscheint in Großbuchstaben “CHEF 2”. Das laute Klingeln schallt aus der offenen Tür im Fahrzeugfond heraus und lässt Dörte vor Schreck zusammenzucken.

«Ist das deine Frau oder Harry?», fragt Gerd neugierig, als er auf das Display schaut.

«Das is’ Harry. Meine Frau ist CHEF 1», antwortet Otto grinsend.

«Dörte, mach mal die Tür zu. Wir müssen telefonieren», ruft Gerd salopp durch die Tür zu ihr hinaus.

«Unser Flieger geht gleich, Gerhard», erwidert Dörte, während ihre Gesichtshaut bereits wieder einen rötlichen Schimmer annimmt und sie nervös und zornig auf ihre schmale Armbanduhr blickt.

«Die zwei Minuten wird der Flieger noch auf uns warten können», antwortet Gerd mit spitzbübischem Gesichtsausdruck, aber auch bestimmendem Unterton in der Stimme.

Wortlos fliegt die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss, kurz bevor Dörte mit stechenden Schritten zu den Gepäckwagen marschiert, vor denen sie stehen bleibt, und beginnt in ihrer Handtasche nach einem Geldstück zu kramen, um einen Gepäckwagen auszulösen.

«Das kann dauern. Willst du nicht langsam mal abnehmen? Nicht, dass er noch auflegt», beginnt Gerd hektisch zu drängen. Ohne eine Antwort abzuwarten, drückt Gerd auf den grünen Hörer auf dem Display und lehnt sich wieder in seinem Sitz zurück.

«Moin Otto. Harry hier. Hast du den alten Mann am Flughafen abgegeben?», begrüßt die vertraute Stimme durch die versteckten Lautsprecher des Radios.

«Der alte Mann hört zu, du Sack», erwidert Gerd, bevor Otto auch nur Luft zum Antworten holen kann.

«Gerd, mein Lieber. Drängt es dich etwa gar nicht?»

«Hör bloß auf. Ich weiß gar nicht was ich da soll. Aber da muss ich jetzt durch. Oder brauchst du mal wieder die Hilfe eines Pensionärs? Alleine kriegt ihr es ansonsten ja nicht gebacken», antwortet Gerd grinsend, während er sich langsam nach vorne lehnt und mit offenem Mund und breitem Lächeln auf eine Antwort wartet.

«Passenderweise habe ich heute einen Hinweis erhalten. Cemal Sarikaya erwartet einen Laster mit Kokain aus Spanien, versteckt in Katzenstreupackungen. Otto, ich schicke dir gleich das Kennzeichen. Kümmer dich bitte darum, sobald du wieder im Büro bist. Den lassen wir uns nicht durch die Lappen gehen», berichtet Harry Goldutt.

«Und wo ist der Laster jetzt?», fragt Otto, der Gerd mit seiner Frage zuvorkommt, dem offenbar dieselben Worte auf den Lippen brennen. Neugierig lehnt sich Gerd dem Radio noch mehr entgegen, als würde Harry Goldutt hinter dem Display sitzen, während sich Otto einmal nervös über die Lippen leckt und sich im Anschluss mit der Hand über den Mund wischt.

«Irgendwas musst du ja auch noch machen. Also, schönen Urlaub Gerd! Otto muss jetzt an die Arbeit», erwidert Harry und beendet im Anschluss das Gespräch ohne eine weitere Verabschiedung. Auf dem Display erscheint wieder ein Hamburger Radiosender und aus den Lautsprechern tönt die hektische Stimme eines Zuhörers, der gerade versucht, schnelle Antworten auf Fragen des Moderators zu geben.

Gerd hört nicht auf das, was dort gesprochen wird, blickt auf und schaut zu Otto, der seinen Blick erwidert. «Ist jetzt nicht sein Ernst, oder?»

«Ich denke schon. Ich wünsch dir eine gute Reise. Dörte ist auch erfolgreich, wie ich sehe», sagt Otto und nickt über die Schulter von Gerd hinweg, wo Dörte mit strengem Blick durch die Beifahrerscheibe in das Fahrzeuginnere blickt. «Gute Reise, Gerd. Lass was von dir hören.»

«Haltet mich auf dem Laufenden. Und wehe ich höre nicht als Erster davon, wenn ihr den Laster kriegt», antwortet Gerd und fixiert Ottos Augen, bis dieser gnädig zu nicken beginnt.

Gerd wendet sich zögernd von Otto ab und schreckt zurück vor Dörtes Gesicht, das unmittelbar vor seiner Scheibe steht und ihn stechend anblickt.

Erst als Gerd den Türöffner betätigt, weicht sie zurück, und ihre Gesichtszüge entspannen sich zügig zu einer frohlockenden Vorfreude.

Gerd steigt mit leidvollem Stöhnen aus dem tiefen Sitz aus und geht zum Kofferraum, aus dem er die Koffer auf den bereitstehenden Gepäckwagen hebt.

Kaum schließt er die Heckklappe, startet Otto bereits den Motor und fährt mit zweifachem Hupen davon.

Traurig blickt Gerd dem eleganten Dienstwagen nach. Nur zu gerne wäre er sitzengeblieben und hätte die Jagd nach dem ominösen Laster begonnen.

«Kommst du, Gerhard?», schrillt Dörtes Stimme aus der großen Drehtür, in die sie in diesem Moment bereits den Gepäckwagen hineinschiebt und hinter einer mit Werbebanner beschlagenen Glastür verschwindet.

6

Die tosende Brandung schlägt lang auslaufend auf die Bucht von Canet-en-Roussillon. Von Süden her weht ein scharfer Wind, der den Geruch von Salzwasser und die Rufe der Seevögel an den Strand heranträgt. Dort liegen Touristen und Einheimische im hellen Sand und genießen den erfrischenden Wind, der die ansteigenden Temperaturen an der französischen Mittelmeerküste erträglich macht. Sie beobachten vereinzelte Surfer dabei, wie sie versuchen sich auf ihren Brettern zu halten und die wilden Wellenberge zu bezwingen.

In einem kleinen unscheinbaren Bistro am Ende der Strandpromenade, etwas abseits der Touristenpfade, sitzt Capitaine Lebrédonchel in einem geflochtenen Gartenstuhl. Er schaut auf die glänzende See und die sichelförmig an den Strand gebaute Uferpromenade. Gelegentlich wirft er einen Blick in die Karte des Bistros, in der die Meeresfrüchte als besondere Spezialitäten angepriesen werden.

Lebrédonchel trägt seine langen lockigen Haare mittig gescheitelt und lässt sie locker über die Ohren fallen. Nur, wenn der Wind die Haare zu sehr ergreift, streift er sie seitlich hinter die Ohren, so dass sie ein wenig Halt haben. Die sonnengebräunte Haut sowie die Lachfalten um die Augen herum verleihen ihm eine gesunde und ruhige Ausstrahlung. Unter dem Mund trägt er einen dünnen, leicht struppigen Bart, der kurz vor der Kinnspitze abschließt und wie ein Ausrufezeichen aussieht.

Das lockere weiße Hemd, das er über seiner blauen Leinenhose leicht geöffnet trägt, flattert im Wind und lässt die dunklen Brusthaare aus dem Revers hervorscheinen.

«Bonjour, Capitaine. Was darf ich Ihnen heute servieren?», fragt ein adrett gekleideter Kellner, der von rechts an den Tisch herantritt.

«Bonjour Francois. Bring mir bitte eine Bouillabaisse und einen Sauvignon Blanc», antwortet Lebrédonchel mit einem freundlichen Lächeln. Er reicht die Speisekarte an den Kellner, der sie sich unter den Arm klemmt, nachdem er dem Capitaine bestätigend zugenickt hat.

«Warum habe ich mir dieses Leben so lange Zeit aufgespart?», fragt sich Lebrédonchel in Gedanken. Er wendet den Blick wieder zum Meer, während er sich im Stuhl zurücklehnt.

Nach vielen zermürbenden Jahren bei der Police nationale in Paris ließ er sich vor wenigen Wochen zur Gendamerie nach Perpignon versetzen, um es ein wenig ruhiger anzugehen. Zurück in seinen Geburtsort im Südwesten Frankreichs unmittelbar vor der spanischen Grenze, den er damals eigentlich nie verlassen wollte. Doch dann ergriff ihn die Sucht nach Verbrechensbekämpfung und führte ihn in die französische Hauptstadt. In seiner Heimat läuft die Arbeit viel gemächlicher als in der pulsierenden Metropole. Niemand wird ihn hier in der wohlverdienten Mittagspause stören.

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