Kitabı oku: «Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi», sayfa 3

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Mit einem lauten Rucken wird Dombrowski aus der Lethargie seiner ungeordneten Gedankenwelt gerissen.

«Die Zeit ist um», brüllt der Schließer in den kleinen Raum hinein. Er bleibt ohne erkennbare Gefühlsregung in der Tür stehen.

«Ist die Zeit etwa schon um? Das kann doch gar nicht sein», kreischt Charleen auf, während ihr umgehend Tränen in die Augen schießen, wie schon so oft in dieser für Dombrowski so ewig langen Stunde.

Dombrowski springt auf, während er dankend zur Uhr blickt, wo beide Zeiger direkt übereinanderstehen und sich der Sekundenzeiger zunehmend von ihnen entfernt.

«Ja, dann wollen wir mal, Frau Schulze. Tschüss, Herr Simsek. Bis die Tage.» Nachdrücklich blickt Dombrowski Charleen an, die ihre Blicke nicht von Faruk lösen kann. Widerwillig erhebt sie sich langsam von ihrem Stuhl, während ihr Tränen an den Wangen herablaufen.

«Bis bald, Baby. Ich liebe dich.»

«Denk an die Playstation, Baby. Ist wichtig», antwortet Faruk und schaut Charleen dabei bettelnd in die Augen. Doch schon schiebt sich Dombrowski dazwischen und streckt seinen Arm zur Tür hinaus. «Darf ich bitten? Ich hab’ heut’ auch noch etwas anderes zu tun», drängt er Charleen Schulze aus dem Raum, die noch versucht, einen letzten Blick auf ihren Geliebten zu erhaschen. Es gelingt ihr jedoch nicht, weil direkt hinter Dombrowski die Tür durch den Schließer geschlossen und mit einem Metallschieber verriegelt wird.

«Wenn Sie mal wieder Zeit haben und einen Termin brauchen, dann können Sie sich ja gerne bei uns melden. Bis dahin alles Gute für ihre Operation. Tschüss.» Ohne auf eine Reaktion zu warten schiebt Dombrowski die Metalltür zum Vorraum auf. Er geht schleunigst zum Wachraum im Eingangsbereich, wo er aus dem Schließfach sein Handy und die Dienstwaffe entnimmt. Er hebt die Hand, um sich von den Schließern zu verabschieden und nickt ihnen einmal freundlich zu.

«Bis nächstes Mal», rufen sie ihm noch mit süffisantem Grinsen hinterher, worauf Dombrowski mit leichtem Lachen in der Stimme ein «Ich hoff’ nicht so schnell wieder» antwortet.

Das durchdringende Surren der Tür verkündet Dombrowski, dass sich die schwere Metalltür zur Freiheit nun für ihn wieder öffnet. Er kann dieser leidigen Pflichtaufgabe endlich den Rücken zukehren.

Nach den ersten Schritten atmet er tief ein und genießt die frische Stadtluft, die seine Lungen mit Sauerstoff füllt. Kein billiges Parfüm, kein Geruch von Haarspray und vor allem nicht mehr diese leidigen Gesprächsinhalte, die sich immer nach fünf Minuten bereits wiederholen.

«Was finden diese Frauen bloß an solchen Kerlen?», fragt Dombrowski sich, während er den Fußgängerweg in Richtung der U-Bahnhaltestelle entlang schlendert. Er blickt in den mit kleinen weißen Wolken gesäumten blauen Himmel und kneift seine kleinen Augen zusammen. «Und was finden eigentlich solche Kerle an diesen Tussen?» Er schüttelt den Kopf und versucht die Erinnerung an die letzte Stunde gleich wieder zu verwerfen.

Anschließend aktiviert er sein Telefon und blickt auf das Display. Überrascht stellt er fest, dass sowohl Otto, als auch Harry bereits mehrfach versucht haben bei ihm anzurufen.

«Was da schon wieder los ist?», fragt er sich und wählt die Nummer von Harry Goldutt. Nach mehreren Klingelzeichen nimmt sein Chef das Telefonat an.

«Dumbo, ich kann gerade nicht, ich bin in einer Besprechung. Ruf Otto an, der weiß bereits Bescheid.» Bevor Dombrowski überhaupt ein Wort erwidern kann, piept sein Telefon einmal auf und das Telefonat ist bereits wieder unterbrochen. Er wählt die Büronummer von Otto, der sich wie gewohnt mit kehliger Stimme meldet: «Hallo Dumbo. Hast’ schon gehört?»

«Nee.»

«Wann bist du hier?»

«Bin gleich in der Bahn. 20 Minuten.»

«Beeil dich. Ich hab’ Fred am anderen Rohr. Bis gleich.»

Schon wieder beendet, ohne dass Dombrowski irgendetwas Erleuchtendes erfahren hat. Er schaut völlig irritiert auf sein Mobiltelefon und stolpert dabei über den Absatz der Rolltreppe, dem er keinerlei Beachtung geschenkt hatte. Dombrowski beginnt zu grübeln, aus welchem Anlass Otto wohl so dringend mit Fred, dem Leiter ihrer Observationsgruppe, sprechen wollte. Mit lautem Pfeifen und Quietschen fährt währenddessen die Bahn in den Bahnhof Messehallen ein, wo Dombrowski inzwischen angekommen ist. Er steckt sein Telefon in die Jackentasche, geht zu den Türen des hinteren Bahnwaggons und öffnet sie per Knopfdruck. Mit mehrfachem Piepen schließt sie sich hinter ihm. Er bleibt im Gang stehen und versucht sich in Geduld zu üben, während die Bahn langsam mit einem surrenden Brummen wieder anfährt.

8

Vor den Toren Barcelonas liegt der kleine und beschauliche Küstenort Castelldefels, der in Strandnähe und an seinen pittoresken Klippen mit repräsentativen Villen zeigt, dass hier die Schönen und Reichen von Barcelona am Wochenende ihre Ruhe suchen. Weiter im Landesinneren liegt das alte Stadtzentrum der kleinen Stadt. Es bietet eine Heimat für diejenigen, die sich keinen Wohnraum im Zentrum der lebendigen Mittelmeermetropole Barcelona leisten können. Steigende Mieten und die Umwandlung von Wohnraum zu Ferienwohnungen für die geldeinbringenden Touristen treiben die arbeitende Bevölkerung vor die Tore der Stadt. Direkt am Stadtzentrum liegt ein großes Industriegebiet mit Einkaufsmöglichkeiten, Fabriken, Lagerhallen und Speditionen. Es befindet sich direkt an der Autobahn, über die man in Richtung Süden nach Valencia und Malaga gelangt und nach Norden direkt auf die französische Grenze zusteuert.

Der Lärm vom durchfahrenden Verkehr dröhnt über das Gelände der Spedition Portador in dessen Lagerhallen sich durch Zubringertransporte die mit verschiedensten Gütern beladenen Paletten sammeln. Sie sollen mittels Zugmaschinen in Richtung Zentral- und Osteuropa transportiert werden.

Vor den Hallen parken Lastkraftwagen aus Skandinavien, den Niederlanden und Deutschland. Vereinzelt auch aus dem Baltikum und Polen.

Rückwärts eingeparkt stehen sie an den Hallen, wo emsige Arbeiter die Paletten mit Waschmaschinen, Fernsehern, spanischer Keramik oder anderweitigen Produkten mit surrenden elektronischen Hubwagen klappernd auf die Laster transportieren. Auf den Rampen stehen laut dirigierende Vorarbeiter, die auf ihren Klemmbrettern stets nachschauen, welche Paletten auf die jeweiligen Anhänger zu laden sind.

Bevor die Waren verladen werden, bestückt der Vorarbeiter sie mit Barcodeetiketten und scannt diese ein, um den Transport später verfolgen zu können.

Die Paletten werden an ihrem Ziel in den jeweiligen Ländern dann bei Partnerspeditionen abgeladen und erneut verladen, falls sie ihren Bestimmungsort noch nicht erreicht haben sollten.

Die bereits wärmende Frühjahrssonne brennt auf die Arbeiter nieder, lässt sie trotz der elektrischen Helfer ins Schwitzen kommen, während sie im Akkordtempo die verschiedenen Paletten in die aufgeheizten Laderäume der Aufleger fahren.

Gerade beladen sie an Luke Nummer vier eine blaue Zugmaschine mit weißem Anhänger. Auf dessen Wänden beidseitig mit orange-roter Farbe die Silhouette eines Eichhörnchens abgebildet ist.

Über die Zufahrt zum Grundstück der Spedition fahren immer wieder kleine und große Transporter, kleine Laster oder große Zugmaschinen, die zu transportierende Waren anliefern oder sich mit ihnen auf die weite Reise gen Europa machen.

Direkt gegenüber von der Spedition Portador, getrennt durch eine breite Straße, stehen auf einer weitläufigen Grünfläche drei blaue Vierzigfußcontainer aneinandergestellt. In die Stahlwände sind große Fenster geschnitten, die einen Blick auf das rege Treiben in ihnen zulassen. Die Ausschnitte sind als schattenspendende Vordächer an die Container geschweißt.

In ihnen arbeiten weiß gekleidete Köche, die durchgehend damit beschäftigt sind, Baguettebrötchen in schmackhafte Bocadillos zu verwandeln oder warme Speisen zu kochen.

Unter den vor den Kochcontainern als Sonnensegel aufgespannten, im Wind schwankenden Planen sitzen auf den verteilten Bänken die spanischen und ausländischen Lastwagenfahrer. An hellen Tischen lassen sie sich das spanische Essen schmecken. Ein letzter Genuss bevor sie wieder in ihre Fahrzeuge steigen, zum Teil für lange Zeit einsam in ihren Fahrerkabinen sitzen und alleine zu ihrem vorgegebenen Ziel fahren.

Hier tauscht man sich aus über Fahrtrouten und Baustellen, über Erlebnisse auf den Autobahnen Europas oder über jegliche Sportarten und ihre Ergebnisse.

An einem der Tische sitzt Pawel Kaminski, der vor sich eine große Schale mit einem Eintopf aus Kartoffeln, Paprika und Tomaten, Chorizo und mediterranen Kräutern stehen hat. Er rührt gemächlich mit einem hellen Brot durch die tiefrote, scharfe Soße. Gelegentlich beißt er aufschmatzend ein Stück von dem weichen, vollgesogenen Brot ab.

Auf der hohen Stirn, die von gräulichen, wilden Haaren umrandet ist, und auch auf der Oberlippe, stehen vereinzelte Schweißperlen, die er gelegentlich mit einem Stofftaschentuch abtupft. In die Stirn ragt ein schmaler Haarstrang hinein, dessen Spitzen feucht in den tiefen Falten kleben. Auf der Nase trägt Pawel eine Brille, die ihn seit vielen Jahren durchs Leben begleitet und seine blauen Augen mit einem dünnen grauen Stahlrahmen einfasst.

Unter der schlanken Nase lässt er sich einen schmalen Schnurrbart stehen, der kurz getrimmt ist und seitlich bis in die Mundwinkel reicht.

Der aufsteigende Dampf trägt den herrlich würzigen Geruch in seine Nase, während er die nächsten Bissen zerkaut.

Pawel sitzt etwas abseits der übrigen Gäste. Er mag die Einsamkeit, die ihm durch den Beruf des Fernfahrers täglich gegeben ist. Er scheut die Gesellschaft und genießt den Moment der Ruhe.

Immer wieder taucht er das Brot in die Soße, beißt ein Stück ab, bis der Eintopf spürbar abgekühlt ist, so dass er endlich zum Löffel greifen kann.

Ein leichter Bauchansatz drückt sich über den enggezogenen Gürtel der blauen Jeans, die lässig auf den dunklen Turnschuhen aufliegt.

Nach wenigen Minuten hat er die Schüssel leer gegessen. Er greift nach dem Bocadillo, das er sich vorsorglich für den Abend gekauft hat, und steht auf.

Sein Geschirr lässt er stehen, wischt sich noch einmal den Mund ab und wirft die benutzte Papierserviette in die Schale hinein.

Mit schnellen Schritten läuft Pawel über die Straße in die Einfahrt der Spedition und geht ein wenig langsamer, nachdem er das Gelände der Spedition Portador betreten hat.

Nach kurzer Zeit kommt er an der Luke vier an, wo er vor einer guten Stunde seine Zugmaschine geparkt hatte, um die zu transportieren Güter verladen zu lassen. Auf die Zusammenstellung der Paletten nimmt er hierbei keinen Einfluss. Er achtet nur darauf, dass er das Gesamtgewicht nicht überschreitet und die Ladefläche möglichst sinnvoll mit Europaletten genutzt wird.

Zufrieden blickt er in den Anhänger, der zwischenzeitlich voll beladen wurde. Der Vorarbeiter tritt an ihn heran und überreicht ihm das Klemmbrett mit den Ladepapieren. Pawel unterschreibt an der Stelle, die ihm der Vorarbeiter mit leichtem Brummen und einem blauen Kreuz markiert hat. Er reißt das Original für sich ab und übergibt den Durchschlag samt Klemmbrett an den Vorarbeiter.

«Gracias. Adios», sagt er mit ruhigem Tonfall. Die einzigen spanischen Worte, die er beherrscht. Seit Jahren fährt er immer wieder von Deutschland nach Spanien und zurück. Dennoch hat er es nie für nötig gehalten, sich ein paar mehr Wörter anzueignen, um sich auch hier mal verständigen zu können. Ihn freut es, dass er Polnisch und Deutsch sprechen kann. Das ist völlig ausreichend für sein Leben.

«Hasta luego», antwortet der Vorarbeiter und wendet sich von Pawel ab. Er widmet sich dem nächsten Fahrer, der eine Luke weiter steht und ebenfalls auf die entscheidenden Transportpapiere wartet.

Pawel schließt bereits die Ladetüren, um endlich aufbrechen zu können. Er steigt von der Rampe, geht zum Führerhaus, öffnet die Tür und steigt zum Sitz hinauf. Auf seinem Fernfahrerthron fühlt er sich wie ein kleiner König der Straßen Europas.

Mit lautem Brummen startet der Motor der Zugmaschine und er legt den ersten Gang ein. “Auf geht’s.” ruft er freudig und lässt die Kupplung langsam kommen. Allmählich setzt sich sein Sattelzug in Bewegung.

9

Direkt neben dem größten Einkaufszentrum südlich der Elbe in Hamburg verläuft die zweispurige Wilstorfer Straße. Der belebte Verkehr lässt die warme Luft im Sonnenschein nach Abgasen riechen. Die Motorengeräusche dröhnen in den Ohren der Gäste vom Café International. Sie sitzen vor den Milchglasscheiben vom Café an mehreren kleinen Holztischen und unterhalten sich lautstark miteinander.

Es wird gelacht, eher sogar laut aufgebrüllt vor Freude und Heiterkeit. Einige Besucher stehen um die sitzenden Gäste herum und beteiligen sich an dem Gerede, welches zum Teil in mehreren Sprachen gleichzeitig gestenreich geführt wird.

An einem der Tische sitzt auch Cemal Sarikaya. Seine frisch rasierte Glatze leuchtet im Sonnenschein. Das weiße Hemd lässt den Teint seiner Haut noch brauner erscheinen. Seine dunkle Stoffhose und die schwarzen Lederschuhe, die er trägt, lassen ihn zwischen seinen Freunden und Gästen deplatziert wirken. Sie selber tragen zumeist helle und dunkle Trainingshosen, Sportschuhe und luftig geschnittene T-Shirts.

Die Mehrzahl von ihnen hat einen mehr oder weniger langen Vollbart. Auch Cemal hat einen dunklen Bart, den er gerade erst am Morgen beim nebenan eröffneten Barbershop zurechtstutzen lassen hat.

«Cemal, Digger, das kannst du dir doch nicht gefallen lassen.»

«Die sollen dich endlich in Ruhe lassen.»

«Digger, was denken die eigentlich», sprechen seine Gäste auf Cemal ein. Er sitzt stoisch in seinem Stuhl, hat die Finger ineinander verfächert, wobei er die Zeigefinger ausgestreckt hält und mit den Fingerspitzen immer wieder gegen seine Nasenspitze tippt.

Grübelnd blickt er zu einem in Sichtweite geparkten Van, dessen Heckscheiben abgedunkelt sind.

«Du musst denen jetzt mal zeigen, dass sie nicht alles mit dir machen können. Du bist ein freier Mann.»

«Die können hier doch nicht ewig rumlungern», sprechen die nächsten beiden Gäste auf Cemal ein.

«Lasst sie doch im Kofferraum sitzend schwitzen. Irgendwann werden die schon die Lust an uns verlieren», erwidert Cemal mit ruhigem Tonfall. Er trinkt einen kleinen Schluck schwarzen Tee aus einer gläsernen Tasse, die er im Anschluss auf einem Blechtablett abstellt.

«Diggi, Bruder. Ich hänge hier nicht länger ab, wenn die hier immer sind, Digger. Das macht keinen Sinn.»

Mit jedem Kommentar der Anwesenden wird Cemal ruhiger und schaut mit gestochenem Blick zu dem Fahrzeug hinüber. Die Stirn wirft er dabei in Falten. Zwischen den Augenbrauen bildet sich eine tiefe Furche. Immer mehr baut sich eine Spannung in seinem Körper auf. Mit jeder weiteren Äußerung steigert sich in ihm die Aggression über die unerwünschten Beobachter.

«Bro, ich mach hier keine Geschäfte mehr. Ich geh' ab morgen wieder in Neugraben ins Café», äußert sich ein dickbäuchiger Südländer, der direkt neben Cemal sitzt.

Cemal beginnt zu blinzeln, als die Sonne hinter einer Wolke hervortritt, sich in dem Tablett vor ihm widerspiegelt und das Licht auf sein Gesicht wirft.

«Schluss jetzt», gibt er entschlossen von sich. Er steht von seinem Stuhl auf. Mit schnellen Schritten schreitet er in sein Café und geht unmittelbar auf seine Angestellte zu. Sie steht hinter dem Tresen und stellt gerade die Getränkewünsche der Gäste bereit.

Er greift hinter die Theke und spürt das kalte Metall an seinen Fingerspitzen, das er sogleich umfasst und hervorzieht.

«Was machst du da?», fragt Svetlana, die neue Angestellte von Cemal.

«Konzentrier’ dich auf deinen Kram», antwortet Cemal mit scharfem Tonfall und wendet sich von ihr ab.

Unweit vom Café sitzt im Kofferraum eines abgedunkelten Vans der Leiter der Observationsgruppe vom Rauschgiftdezernat. Trotz seiner Führungsposition in der Gruppe liebt er es, noch immer in erster Reihe zu stehen und möglichst gute Fotos und Videos von Treffen oder Übergaben zu fertigen. Immer wieder drückt er den Auslöser seiner Kamera und filmt die Bewegungen vor dem Café International. Das Hauptobjekt seiner Begierde hatte vor kurzem das Café betreten. So nutzt er den Moment, um mal die Kamera abzulegen und seine Brotdose zu öffnen. Er will sich kurz stärken für die nächsten Stunden der geplanten Observation.

In der Jackentasche von Fred vibriert plötzlich sein Handy. Auf dem Display erscheint der Name von Otto.

«Hallo, mein lieber Otto», antwortet Fred mit gedämpfter Stimme. «Wie geht's, wie steht's?»

«Bist du noch bei Cemal?», fragt Otto sogleich ohne eine Begrüßung oder die Frage nach dem Wohlbefinden.

«Mir geht es auch super. Und ja, ich sitze hier noch immer in meinem Backofen, schwitze wie ein Iltis und warte darauf, dass etwas Interessantes passiert. Bislang ist hier alles ruhig. Relativ viele Gäste sind anwesend, aber es wird nur herumgealbert. Ich konnte noch nichts Aufregendes feststellen», erzählt Fred mit vollem Mund, nachdem er kräftig von seinem Käsebrot abgebissen hat.

«Mmmh. Schade. Wir haben einen Hinweis auf Cemal bekommen. Wir müssen da dranbleiben. Er soll einen Laster mit Pinneberger Kennzeichen nutzen, um Kokain in Katzenstreupackungen nach Hamburg zu transportieren. Falls ihr also einen entsprechenden Lastkraftwagen oder Katzenstreupackungen seht, dann sagt mir bitte Bescheid», erklärt Otto sein Anliegen.

«Ja. Ich meld’ mich, wenn was passiert. Warte mal. Cemal kommt gerade aus dem Laden. Was hat der denn vor? Warte mal, Otto. Hier passiert vielleicht was. Ich glaube der, der kommt direkt auf mich zu.»

Mit entschlossenem Gang marschiert Cemal durch seine Freunde und Gäste hindurch. Erstaunt über diese Reaktion auf ihre Einflussnahme, blicken sie ihm nach.

Durch große, schnelle Schritte gelangt Cemal zu dem dunklen Van, den sie nun bereits seit mehreren Stunden im Auge behalten hatten. Nachdem Farid, der seit vielen Jahren in das Café International kommt, am Morgen beobachtet hatte, wie der Wagen in Sichtweite abgestellt wurde, jedoch keine Person ausstieg, war ihm gleich klar, was sich dort abspielt. Das Café war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnet, doch Farid wohnt direkt nebenan im zweiten Stock und schaute gerade aus seinem Fenster.

Cemal ergreift am Van angekommen den Griff der Schiebetür und reißt die Tür mit einem lauten Knallen auf. Aufgeschreckt blickt der im Kofferraum sitzende Fred zu Cemal auf, der ihm direkt in die Augen schaut und seine rechte Hand in Freds Richtung erhebt. Fred sieht es leicht aufblitzen in der Hand von Cemal, doch er schaut Cemal weiterhin gebannt von dessen Blick in die Augen.

«Wollen Sie vielleicht einen Tee, Herr Kommissar», fragt Cemal plötzlich aufgesetzt freundlich. Er wandelt die in seinem Gesicht stehende, furchteinflößende Strenge in ein verschmitztes Grinsen und schaut kurzzeitig auf das in seiner Hand befindliche Tablett. Ohne auf eine Antwort zu warten, stellt er es auf der Rückbank ab, zwinkert dem noch immer regungslos dasitzenden Fred zu und schließt die Seitentür vom Van mit einem metallischen Rauschen.

«Otto, ich glaube wir sind aufgeplatzt», spricht Fred emotionslos in sein Handy und beendet das Gespräch. Sein Blick bleibt bei Cemal, der selbstbewusst auf die johlende Gesellschaft vor seinem Café zuschreitet.

10

Am Flughafen in Hamburg sammeln sich nach und nach die Menschen, die an den Check-In-Schaltern warten und ihr Gepäck aufgeben oder aber ihre Familienangehörigen begleiten, um sich von ihnen zu verabschieden. Kinder laufen um die Gepäcktrolleys ihrer Eltern in Vorfreude auf einen bevorstehenden Urlaub. Andere Reisewillige stehen in den Duty-Free-Geschäften, um sich für die Reise mit Spirituosen, Zeitschriften, Süßigkeiten oder Zigaretten einzudecken. Jeder achtet vornehmlich auf sich selbst und seine Verwandten und Bekannten. Das wilde Treiben bewegt sich stumm voreinander her, weil die endlos hohen Dächer der Abflughalle die Stimmen und Geräusche schlucken.

«Seh’ ich etwa so aus, als würde ich ein Flugzeug entführen wollen?», raunzt Gerd seiner geliebten Ehefrau genervt zu, während sie sich von der Sicherheitsschleuse zu den Abfluggates entfernen. Mühsam pfriemelt er den Gürtel unter seinem leicht überstehenden Bauch in die Schlaufen an seiner Jeans. Dabei stopft er sein Hemd wieder in die Hose.

Weil er sein Kleingeld vergaß aus den Hosentaschen zu entnehmen und seine Halskette nicht abgenommen hatte, leuchtete der Scanner rot auf. Gerd durfte längere Zeit in einer Art Badekabine hinter dem Apparat verbringen. Dort musste er die Gegenstände dann erst einmal abnehmen und herauspuhlen. Im Anschluss durfte er sich in dem engen Raum von einem beleibten Sicherheitsbeamten per Hand abscannen lassen.

«Als ich damals noch beim Grenzschutz war, da hat es sowas noch nicht gegeben. Wir wussten genau, wen wir rausziehen mussten. Der hat mir sogar dreist an den Hintern gepackt. Selbst meine Schuhe musste ich ausziehen.» Noch immer läuft Gerd mit hochrotem Kopf hinter Dörte her, die ihm beim Meckern jedoch keinerlei Beachtung schenkt. Vielmehr bleibt sie mitten auf dem breiten Flur stehen und schaut mit freudigem Lächeln auf die große Anzeigetafel, um herauszufinden zu welchem Gate sie müssen. Dort will sie mit Gerd endlich ihren Flug in die Sonne antreten.

«Mannomann, Dörte. Du kannst mir Sachen antun. Mir ist jetzt schon warm. Wie soll das erst in Spanien werden. Die können ja alle auch gar kein Deutsch sprechen», mosert Gerd weiter herum, während er sein rotes Stofftaschentuch aus der Hosentasche zieht und sich die Stirn abtupft.

«Wir müssen zu Gate A42. Unser Flug geht schon in drei Stunden», erwidert Dörte, ohne den Worten von Gerd eine Beachtung zu schenken.

«Schon in drei Stunden. Man, man, watt soll’n wir denn die ganze Zeit machen? Ich muss erst einmal auf'n Pott», antwortet Gerd. Er geht ohne eine Antwort von Dörte abzuwarten auf einen Zugang zu, neben dem ein großes Männchen abgebildet ist.

Dörte trägt währenddessen das Handgepäck zu einer Bank bei ihrem Gate und lässt sich darauf nieder. Aus einer Seitentasche zieht sie einen ihrer Reiseführer über Barcelona heraus, schlägt die Seite mit der Sagrada Familia auf und beginnt auf den folgenden Seiten zu stöbern.

Mit einem schweren Ächzen lässt sich Gerd kurze Zeit später auf die Bank neben seiner Frau fallen. Dörte schaut kurz zu ihm auf und blickt sogleich wieder in ihren Reiseführer.

Gerd betrachtet verwundert die Monitoranzeige in ihrem Abfluggate. Er rückt seine Brille auf dem Nasenrücken zurecht und kneift die Augen zusammen. «Dörte?», ruft er fragend, doch Dörte antwortet ihm nicht. «Dörte. Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind? Da steht Zürich auf dem Monitor.»

«Wir sind hier richtig, Gerhard. Wir haben schon den nächsten Flieger an diesem Gate. Guck’ mal, alle Leute, die hier sitzen, werden gleich in die Schweiz fliegen. Ist das nicht spannend?», erwidert Dörte mit strahlenden Augen.

«Naja, geht so, näh», antwortet Gerd wortkarg und blickt auf die Uhr. Sie verrät ihm, dass er noch immer fast drei Stunden auf den Abflug warten muss. Er streckt seine Beine aus, verschränkt seine Arme und senkt leicht seinen Kopf. Das frühe Aufstehen am Morgen hilft ihm jetzt dabei, eine innere Ruhe zu finden. Er hört nur noch Wortfetzen seiner Frau, wie Antoni Gaudi, das Gran Teatre del Liceu, Casa Milà müssen wir und Park Güell ist einfach sehenswert, doch den Wörtern kann und mag er nicht weiter folgen. Lieber ergibt er sich seiner Müdigkeit und lässt seinen Geist für die nächsten Stunden bis zum Abflug gewähren.

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