Kitabı oku: «Europarecht», sayfa 36
1. Freier Warenverkehr
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Wie auch im EWR-Abkommen (→ Europäischer Wirtschaftsraum [EWR]) sind viele Bestimmungen des EFTA-Vertrags, gerade zur Warenverkehrsfreiheit, wörtlich aus den EU-Verträgen übernommen (→ Grundfreiheiten: Allgemeine Lehren). So ist das in Art. 3 EFTAV vorgesehene Verbot von Ein- und Ausfuhrzöllen sowie Abgaben gleicher Wirkung eng am Wortlaut des Art. 34 AEUV gehalten, die Ausnahmevorschrift des Art. 13 EFTAV ist im Wesentlichen wortgleich zu Art. 36 AEUV. Mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen bzw. Maßnahmen gleicher Wirkung sind gem. Art. 7 EFTAV ebenfalls verboten. Vorschriften zu Ursprungsregeln sind in Art. 5 EFTAV niedergelegt. Die Ausnahmebestimmungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse werden in Art. 8 EFTAV erläutert.
2. Freier Personenverkehr
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Seit dem Abkommen von Vaduz (2002) regelt der EFTA-Vertrag auch die Personenfreizügigkeit. Gem. Art. 20 Abs. 1 EFTAV ist die Personenfreizügigkeit i.V.m. Anhang K sicherzustellen. Art. 20 Abs. 2 EFTAV gibt darüber Aufschluss, dass sowohl Einreise und Aufenthalt zum Zwecke unselbständiger Erwerbstätigkeit als auch Niederlassung als Selbständiger hiervon ebenso umfasst sind wie die Erbringung von (hier gemeint: insbesondere kurzfristigen) Dienstleistungen (Art. 20 Abs. 2 Buchst. a) bzw. b) EFTAV). Hinzu kommt ein Aufenthaltsrecht für nicht erwerbstätige Personen, Art. 20 Abs. 2 Buchst. c) EFTAV. Art. 20 Abs. 2 Buchst. d) EFTAV normiert ein Diskriminierungsverbot zugunsten von EFTA-Ausländern im Hinblick auf Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen.
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Auch hinsichtlich der Systeme der sozialen Sicherheit ist gem. Art. 21 Buchst. a) EFTAV u.a. die Gleichbehandlung vorgeschrieben. Art. 22 EFTAV verpflichtet die Vertragsparteien mit Blick auf die gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen, geeignete Maßnahmen zu treffen. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um eine Übernahme der Regelungen aus dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz.
3. Niederlassungs-, Kapitalverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit
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Kapitel IX des EFTA-Vertrages gewährt überdies die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Erstere ist in Art. 23 Abs. 1 EFTAV ausdrücklich niedergelegt. Gem. Art. 24 Abs. 1 EFTAV gilt auch hier der Grundsatz der Inländergleichbehandlung. Auf Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, finden diese Regelungen jedoch keine Anwendung, Art. 27 Abs. 1 EFTAV. Art. 27 Abs. 2 EFTAV sieht ferner einen Rechtfertigungsgrund des ordre public vor. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist gem. Art. 28 Abs. 1 EFTAV gewährleistet.
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Kapitel X regelt den Handel mit Dienstleistungen. Die Dienstleistungsfreiheit ist gem. Art. 29 Abs. 1 EFTAV grundsätzlich vorgesehen. Auch in dieser Hinsicht gilt die Inländergleichbehandlung, Art. 30 EFTAV. Ein Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit zum Zwecke der Ausübung einer effektiven Finanzaufsicht sieht Art. 31 Abs. 1 EFTAV vor. Die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationsnachweisen o. ä., die in Zusammenhang mit der Dienstleistungserbringung stehen, wird von Art. 32 EFTAV geregelt. Art. 33 EFTAV sieht in einer im Wesentlichen zu Art. 27 EFTAV parallelen Vorschrift weitere Rechtfertigungsgründe für Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit vor.
4. Sonstiges
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Die Regelungsbereiche des EFTA-Vertrags gehen über diese Kernaspekte einer wirtschaftlichen Integration seit dem Abkommen von Vaduz hinaus. So regeln die Art. 14 f. EFTAV u.a. die Notifikation und gegenseitige Anerkennung mit Blick auf technische Handelshemmnisse. Art. 16 EFTAV befasst sich mit staatlichen Beihilfen, die Art. 17 und 18 EFTAV, die teilweise dem Unionsrecht nachgebildet sind, stellen Wettbewerbsregeln für öffentliche bzw. Unternehmen im Allgemeinen auf. Auch ein Schutz des geistigen Eigentums wird in Übereinstimmung mit dem TRIPS-Abkommen gewährleistet, Art. 19 EFTAV. Gem. Art. 36 EFTAV sind Antidumping-Maßnahmen zwischen Mitgliedstaaten verboten. Ferner verpflichten sich die Vertragsparteien zu einer Öffnung ihrer Märkte der öffentlichen Auftragsvergabe, Art. 37 Abs. 2 EFTAV.
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Schließlich besteht für jeden Mitgliedstaat die Möglichkeit, nach Maßgabe der Art. 39 ff. EFTAV bei einer drohenden Beeinträchtigung wesentlicher Eigeninteressen die Anwendung des EFTA-Vertrags auszusetzen bzw. entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen.
E › Europäische Freihandelszone (EFTA) (Maximilian Oehl) › IV. Institutionelle Struktur
IV. Institutionelle Struktur
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Die institutionelle Struktur der EFTA besteht aus ihren ursprünglichen, bereits im EFTA-Vertrag vorgesehenen Einrichtungen sowie aus nachträglich angesichts von Regelungen im EWR-Abkommen geschaffenen Institutionen.
1. Ursprüngliche EFTA-Institutionen
a) EFTA-Rat
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Das oberste Organ der EFTA ist der EFTA-Rat. Ihm kommt u.a. die Entscheidungsbefugnis darüber zu, den EFTA-Vertrag gemäß seiner Bestimmungen abzuändern, Art. 43 Abs. 1 Buchst. b) EFTAV. Ferner prüft er, inwieweit weitere Maßnahmen zur Verwirklichung der Assoziation erforderlich sind, Art. 43 Abs. 1 Buchst. d) EFTAV. Er ist es auch, der Beziehungen zu Internationalen Organisationen herstellt bzw. Handels- und Zusammenarbeitsabkommen mit Drittstaaten aushandelt, Art. 43 Abs. 1 Buchst. f) bzw. g) EFTAV. Schließlich ist er zuständig für die Streitbeilegung, Art. 43 Abs. 1 Buchst. h) EFTAV.
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Jeder Mitgliedstaat entsendet einen Vertreter in den Rat und hat dort über diesen je eine Stimme, Art. 43 Abs. 2 EFTAV. Grundsätzlich fasst der Rat seine Beschlüsse einstimmig, Art. 43 Abs. 5 S. 1 EFTAV. Der Rat tagt in der Zusammensetzung aus den jeweiligen ständigen Delegierten der EFTA-Staaten monatlich, auf Ministerebene zweimal jährlich. Dabei rotiert der Ratsvorsitz halbjährlich.
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Gem. Art. 43 Abs. 3 S. 1 EFTAV kann der Rat all jene Organe, Komitees und andere Ausschüsse errichten, die er für erforderlich erachtet, um ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die einzelnen Ausschüsse, die auf Grundlage dieser Vorschrift geschaffen wurden, sind in Anhang S des EFTA-Vertrags aufgelistet.
b) Konsultativkomitee
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Hervorzuheben ist hierbei zum einen das sog. Konsultativkomitee, das die Sozialpartner der jeweiligen Mitgliedstaaten in sich vereint. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und sonstige zivilgesellschaftliche Vertreter. Das Komitee befasst sich v.a. mit den wirtschaftlichen und sozialen Fragen, die die EFTA selbst bzw. die von ihr geschlossenen Freihandelsabkommen mit Drittstaaten aufwerfen.
c) Parlamentarischer EFTA-Ausschuss
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Weiterhin besondere Erwähnung verdient der sog. Parlamentarische Ausschuss der EFTA, der sich aus Abgeordneten der vier mitgliedstaatlichen Parlamente zusammensetzt. Er soll die Aktivitäten der EFTA möglichst eng an die politischen Realitäten in den Mitgliedstaaten rückbinden und zudem anhand von Austauschaktivitäten mit Parlamentariern innerhalb der EU eine Verbindung auch zum dortigen politischen Tagesgeschäft herstellen.
d) EFTA-Sekretariat
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Das EFTA-Sekretariat mit Hauptsitz in Genf unterstützt den Rat bei der Durchführung seiner Aufgaben. Das dortige Büro ist auch federführend bei der Aushandlung von Freihandelsabkommen mit Drittstaaten. Von seiner Zweigstelle in Brüssel aus, wo Zweidrittel der etwa 90 Mitarbeiter beschäftigt sind, unterstützt das Sekretariat die EWR-EFTA-Staaten bei der Durchführung des EWR-Abkommens sowie bei der Erstellung von Stellungnahmen zu neuen EU-Gesetzgebungsvorhaben. Geleitet wird das Sekretariat von einem Generalsekretär mitsamt seinen zwei Stellvertretern.
2. Aufgrund des EWR-Abkommens geschaffene Institutionen
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Neben den originären EFTA-Institutionen bestehen noch weitere Einrichtungen, die im Zusammenhang mit dem EWR-Abkommen geschaffen wurden. Hintergrund hierfür war ein Gutachten des → Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1992 – EWR I –). Hiernach darf die Autonomie der Unionsrechtsordnung, und damit die Letztentscheidungskompetenz des EuGH hinsichtlich der Gültigkeit von Unionsrecht, nicht anhand eines völkerrechtlichen Vertrages beeinträchtigt werden. Ursprünglich war jedoch die Schaffung eines eigenständigen sog. EWR-Gerichtshofs vorgesehen, der zur Auslegung des EWR-Abkommens (mitsamt seiner unionsrechtlichen Bestandteile, insbesondere der Grundfreiheiten) befugt gewesen wäre. In der Folge wurde die Durchführung und Überwachung des EWR-Abkommens unionsrechtskonform anhand des sog. Zweisäulenmodells ausgestaltet, was die Schaffung zusätzlicher EFTA-Institutionen erforderlich machte.
a) EFTA-Überwachungsbehörde (EFTA surveillance authority/ESA)
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So ist die EFTA-Überwachungsbehörde gem. Art. 108 Abs. 1 EWRA dafür zuständig, die Durchführung des EWR-Abkommens zu überwachen. Sie wurde anhand Art. 4 des Abkommens zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs (ÜGA) geschaffen. In Art. 5 ÜGA folgt eine eingehende Tätigkeitsbeschreibung der ESA, die Art. 6 ff. ÜGA regeln u.a. ihre Zusammensetzung und Arbeitsweise.
b) EFTA-Gerichtshof
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Gem. Art. 108 Abs. 2 EWRA kommt dem EFTA-Gerichtshof die Kompetenz zu, die Durchführung des EWR-Abkommens gerichtlich zu überwachen (insbesondere Klagen gegen Entscheidungen der EFTA-Überwachungsbehörde, vgl. Art. 36 ÜGA) und zudem die Streitbeilegung bei Streitigkeiten von EFTA-Staaten untereinander zu gewährleisten, Art. 32 ÜGA (Sein EU-Pendant, der EuGH, ist entsprechend zuständig für die Klagen von EU-Mitgliedstaaten bzw. deren Streitigkeiten untereinander). Der EFTA-Gerichtshof wurde mittels Art. 27 ÜGA errichtet. Er besteht gem. Art. 28 ÜGA aus fünf Richtern, die die in Art. 30 ÜGA näher spezifizierten Kriterien erfüllen.
c) Ständiger Ausschuss
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Der Ständige Ausschuss der EFTA-EWR-Staaten wurde anhand des am 5.11.1992 unterzeichneten und am 1.1.1993 in Kraft getretenen Abkommens betreffend einen Ständigen Ausschuss der EFTA-Staaten geschaffen, vgl. dessen Art. 1 Abs. 1. Er dient in erster Linie der Meinungsbildung bzw. Entscheidungsfindung dieser Staaten, heute also Liechtensteins, Norwegens und Islands, in allen Belangen, die ihre Verpflichtungen aus dem EWR-Abkommen betreffen. Ziel hierbei ist es, dass diese Staaten i.R. etwaiger Verhandlungen mit der EU mit einer gemeinsamen Stimme sprechen können. Seine Aufgabenbereiche sind in Art. 3 des Abkommens betreffend einen Ständigen Ausschuss der EFTA-Staaten niedergelegt.
d) Parlamentarischer Ausschuss
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Der Parlamentarische Ausschuss der EFTA-EWR-Staaten dient diesen als beratendes Gremium in allen Belangen des EWR. Er ist zu unterscheiden vom Parlamentarischen Ausschuss der EFTA selbst, welcher sich mit Beziehungen zu Drittstaaten, grundsätzlich nicht jedoch mit solchen zur EU befasst. Ebenso wie letzterer gewährleistet jedoch auch der Parlamentarische Ausschuss der EFTA-EWR-Staaten letztlich die Rückbindung der Handlungen ebenjener i. R. d. EWR an alltagspolitische Realitäten in den Heimatparlamenten. Der Parlamentarische Ausschuss der EFTA-EWR-Staaten wurde anhand Art. 1 Abs. 1 des Abkommens über einen Parlamentarischen Ausschuss der EFTA-Staaten (Unterzeichnung: 20.5.1992; Inkrafttreten: 1.1.1994) geschaffen. Seine Arbeitsweise wird in Art. 3 ff. selbigen Abkommens näher beschrieben.
E › Europäische Freihandelszone (EFTA) (Maximilian Oehl) › V. Drittstaatsbeziehungen der EFTA-Staaten
V. Drittstaatsbeziehungen der EFTA-Staaten
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Die EFTA-Staaten haben seit Anfang der 1990er Jahre ein umfassendes Freihandelsnetz zu Drittstaaten außerhalb der EU aufgebaut. Aktuell bestehen 27 Freihandelsabkommen (ständig aktualisierte Übersicht unter: http://www.efta.int/free-trade/free-trade-agreements) mit annähernd 40 Staaten, darunter auch mit den Zollverbänden South African Customs Unions (SACU) sowie MERCOSUR. Bei vielen der neueren Abkommen handelt es sich um umfassende Freihandelsabkommen. Sie sind für gewöhnlich neben dem Handel mit Industriegütern auch auf jenen mit Agrarprodukten anwendbar und enthalten abgesehen von den klassischen Handelsliberalisierungen häufig auch Vorschriften über den Dienstleistungshandel, die öffentliche Auftragsvergabe oder Investitionen. Auch Regelungen zu Arbeitsbedingungen, Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden in der neuesten Generation der Abkommen miteinbezogen.
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Verhandelt werden die Abkommen unter Federführung des EFTA-Sekretariats. Allerdings ist zu beachten, dass es sich rechtlich betrachtet immer um Abkommen der EFTA-Staaten, nicht der EFTA selbst handelt. Nach Abschluss eines Freihandelsvertrages mit einem Drittstaat besteht jedoch in der Regel ein multilaterales Abkommen zwischen den EFTA-Staaten und ihren Partnern (nicht: mehrere parallele bilaterale Abkommen).
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Zwar wurde das erste Abkommen mit einem Drittstaat seitens der EFTA-Staaten bereits 1979 mit Spanien, noch vor dessen EU-Beitritt, unterzeichnet; die Intensivierung der EFTA-Drittstaatenpolitik erfolgte allerdings erst nach 1990, zunächst anhand von Abkommen mit mittel- und osteuropäischen Staaten und sodann ab 1995 (sog. Barcelona-Prozess) mit diversen Mittelmeer-Staaten (z.B. Ägypten, Algerien, Israel, Montenegro, Marokko, Mazedonien, Tunesien und Türkei). Auch mit China und Hongkong besteht seit Oktober 2012 ein Freihandelsabkommen.
E › Europäische Freihandelszone (EFTA) (Maximilian Oehl) › VI. Ausblick
VI. Ausblick
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Seit dem Ende der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre hat die EFTA als Block der neutralen Staaten schrittweise einen erheblichen Bedeutungsverlust verzeichnet. Schon vor den EU-Beitritten Finnlands, Österreichs und Schwedens mit Anfang des Jahres 1995 hatte die EU die Rolle als Motor der europäischen Integration übernommen.
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Heute behält die EFTA in erster Linie Bedeutung für die Umsetzung der EWR-Verpflichtungen der drei assoziierten EFTA-Staaten außerhalb der EU. Zudem konnte die EFTA anhand ihrer intensivierten Drittstaatsbeziehungen, die von den Abschlüssen zahlreicher umfassender Freihandelsabkommen mit außereuropäischen Partnern gekennzeichnet war, eine gewisse handelspolitische Dynamik erzeugen, die sie nach wie vor zu einem relevanten Akteur macht. Gleichwohl ist ihr Handeln wie auch der rechtliche Gehalt der EFTA-Verpflichtungen heute in erheblichem Maße von der Union bzw. deren acquis communautaire beeinflusst.
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Sollte das Vereinigte Königreich nach seinem beantragten Austritt aus der EU (sog. Brexit) einen Wiedereintritt in die EFTA erwägen, würde eine solche Entwicklung selbstredend mit einem handelspolitischen Bedeutungszuwachs der Assoziation einhergehen. Ein solcher EFTA-Beitritt würde den Charakter der EFTA als Bündnis jener Staaten, die zwar (angesichts der EU-Beitrittskriterien) der EU angehören könnten, dies aber aus politischen Gründen nicht wollen, weiter verstärken.
E › Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) (Ulrich Vosgerau)
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) (Ulrich Vosgerau)
I.Rechts- und verfassungsgeschichtliche Bedeutung885, 886
II.Geschichte der EGKS887 – 894
1.Ziel des EGKS-Vertrags888 – 890
2.Monnet-Plan und Schuman-Plan891 – 893
3.Weitere Entwicklung der Montanunion894
III.System und Arbeitsweise der EGKS895 – 901
1.Integrationsmethode und Unionsmethode896, 897
2.Organe der Montanunion898, 899
3.Aufgaben und Tätigkeit der Montanunion900, 901
Lit.:
N. Bayer, Wurzeln der Europäischen Union, 2002; L. Herbst, Entscheidung für den Westen, 1989; F. A. Frhr. v. d. Heydte, Schuman-Plan und Völkerrecht, FS für Rudolf Laun, 1953, 111; W. Loth, Der Weg nach Europa, 3. Aufl. 1996; B. Meermagen, Beitrags- und Eigenmittelsystem, 2002; F. W. Meyer/A. Zottmann, Der Schuman-Plan und seine Problematik, 1951; D. Spierenburg/R. Poidevin, The History of the High Authority of the European Coal and Steel Community: Supranationality in Operation, 1994.
E › Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) (Ulrich Vosgerau) › I. Rechts- und verfassungsgeschichtliche Bedeutung
I. Rechts- und verfassungsgeschichtliche Bedeutung
885
Die EGKS (Communauté européenne du charbon et de l’acier, CECA bzw. European Coal and Steel Community, ECSC), 1952–2002, bildet nicht nur den historischen Nukleus der heutigen EU, sondern ihre Gründung war auch ein Wendepunkt in der Geschichte der internationalen Zusammenarbeit überhaupt. Mit der EGKS kommt ein Gedanke in die Welt, der heute das Völkerrecht prägt und die seit dem 19. Jahrhundert national und parlamentarisch zu denkende Rechtsetzung völlig verändert hat: Hoheitsrechte können nicht nur Staaten zustehen, sondern sie können auch von Staaten durch völkerrechtliche Verträge an Internationale Organisationen (das Grundgesetz spricht noch von „zwischenstaatlichen Einrichtungen“) übertragen werden, denen dann ihrerseits die Kompetenz zum Erlass eines Sekundärrechtsaktes (→ Sekundärrecht) zusteht (das → Primärrecht ist dabei der Gründungsvertrag der jeweiligen Internationalen Organisation). Wenn dieses Sekundärrecht – mag es auch aus dem Gründungsvertrag und daher letztlich von der Souveränität der beteiligten Staaten nur abgeleitet sein – dem nationalen Recht der beteiligten Staaten vorgeht (→ Anwendungsvorrang des EU-Rechts), was zur Erreichung der Zwecke des Gründungsvertrages und der Internationalen Organisation typischerweise erforderlich sein wird und auch schon i.R.d. EGKS so vorgesehen war, ist die Internationale Organisation zudem eine supranationale Organisation (→ Supranationalität).
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Das heutige Völkerrecht wird wesentlich von den Aktivitäten und der Rechtsetzung (inklusive auch des sog. soft law) Internationaler Organisationen bestimmt. Die heutige EU ist die mit Abstand am weitesten integrierte, bundesstaatsähnlichste, also quasi am weitesten fortgeschrittene Internationale Organisation der Welt. Ihre geistige Wurzel aber ist der sog. Schuman-Plan, der dem Pariser Vertrag über die EGKS zugrunde lag. Dieser wäre richtigerweise und nach seinem eigentlichen Urheber vielleicht besser Monnet-Plan zu nennen; indessen ist die Bezeichnung Plan Monnet schon anderweitig vergeben und benennt den wirtschaftlichen Wiederaufbau- und Modernisierungsplan des französischen Planungsamtes (Commissariat général du Plan) von 1946, der der späteren Montanunion (wie die EGKS auch bezeichnet wurde) strategisch wie organisatorisch vorauslag. Das genaue Verhältnis des Schuman-Plans zum Monnet-Plan ist eine der umstrittensten Fragen der frühen Geschichte der europäischen Integration.
E › Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) (Ulrich Vosgerau) › II. Geschichte der EGKS
II. Geschichte der EGKS
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Die EGKS wurde durch den Pariser Vertrag zwischen Frankreich, Deutschland, den Benelux-Staaten und Italien vom 18.4.1951 gegründet und bestand zwischen dem 23.7.1952 und dem 23.7.2002 (der Vertrag war auf 50 Jahre befristet).