Kitabı oku: «Das Herz des Zauberers», sayfa 3
Offenbare mir die Magie, die zuletzt über dich bestimmen konnte.
Erzähle mir die Geschichte deiner Zauber, denen man dich aussetzen wollte.«
Keine Reaktion. Irgendetwas scheint an meinem Spruch nicht zu stimmen. Also kneife ich die Augen ein wenig mehr zusammen und stelle mir den Moment vor, in dem ich die Worte damals gelesen habe. Mein Großvater hatte damals noch nicht begonnen, mich zum Zauberer auszubilden. Ich hatte mich heimlich in sein Studierzimmer geschlichen, eines der Bücher hervorgeholt und unter seinem Schreibtisch gelesen. Die ganze Zeit hatte ich Angst, von ihm erwischt zu werden. Möglicherweise habe ich dadurch keine genaue Abbildung der Seiten vor meinem inneren Auge. Mit jedem langsamen Atemzug wird das Bild deutlicher. Endlich kann ich einen neuen Versuch wagen.
»Ding, das du jetzt mir gehörst, verrate mir, woher du stammst.
Zeig mir deine Vergangenheit in Bildern, und von wo du davor kamst.
Offenbare mir die Magie, die zuletzt über dich bestimmen konnte.
Erzähle mir die Geschichte deiner Zauber, denen man dich aussetzen wollte.«
Mehr als eine kleine Anpassung ist nicht notwendig gewesen, damit der Spruch Wirkung zeigt. Obwohl auf dem Boden vor mir ein Mensch liegt oder zumindest eine menschliche Hülle, kann ich fühlen, wie die Magie in mir zu kribbeln beginnt.
Hinter meinen geschlossenen Augen sehe ich Schiffe. Tausende und Abertausende davon. Auf jedem befinden sich unzählige Krieger. Blicklos starren sie auf die Küste, der sie sich nähern und die mich zu meinem Entsetzen an die von Nialling erinnert. Am Bug jedes Schiffes stehen die Anführer der Truppen, doch auch sie regen sich nicht. Es scheint, als würden die Soldaten mit offenen Augen schlafen. Ob sie mit dem Zauber geladen werden, der sie zum Leben erwecken wird? Ein Schiff erregt meine Aufmerksamkeit. Es segelt in der Mitte dieser erschreckend großen Armee. Auf dem Deck steht die Maschine, die sich jetzt in diesem Lager befindet. Die riesigen Steine sind am gleichen Platz. Sie leuchten, ähnliche wie der Lichtstein, den ich verwendet habe. Allerdings fehlt die Dunkelheit in der Mitte, die ich beim letzten Mal beobachtet habe.
Das Bild verändert sich. Ganz plötzlich stehe ich in einem fremden Land, das so ganz anders aussieht als unser Kontinent. Während meiner Nachforschungen nach dem Verbleib unserer Verbündeten habe ich den ganzen Kontinent bereist. Auch wenn ich wenig Blick für die Schönheit der Landschaft hatte und nicht auf die Details der Natur geachtet habe, weiß ich sofort, mich an einem völlig anderen Ort zu befinden. Der Boden hier ist steinig und uneben. Soweit das Auge reicht, kann ich keine Pflanzen entdecken. Das hier ist viel kälter und unwirtlicher. Der Wind streicht über meinen kurz rasierten Schädel und lässt meine Ohren kribbeln. Ein paar Fuß entfernt ragen seltsame Formen aus dem Boden. Baumstämme scheinen an vier Stellen schräg in den Boden gerammt worden zu sein, während sie oben aufeinandertreffen und zusammengebunden sind. Miteinander vernähte Felle überziehen das Gerüst. Werden die Felle hier getrocknet?
Die ungewöhnliche Bespannung bewegt sich, ein Spalt klafft dazwischen auf, bevor das Fell an dieser Seite zur Seite geschoben wird. Ein Mann tritt heraus. Seine Augen sind groß und rund, seine Nase unnatürlich schmal, sein Mund klein. Als er einen Schritt zur Seite macht, kann ich einen Blick in das seltsame Gebilde werfen. Decken und Felle liegen auf dem Boden. Töpfe und Teller stehen in der Mitte des Raumes um einen Stein herum, von dem ein warmes Glühen ausgeht. Soll dieses seltsame Ding die Behausung des Mannes darstellen? Bevor ich mehr vom Inneren erkennen kann, klappt die Öffnung in den Fellen wieder zu.
Der Fremde geht weiter, direkt an mir vorbei, bleibt dann stehen, nestelt an seiner Kleidung und erleichtert sich dann in Sichtweite seines Zuhauses. Durch den starken Wind verteilt sich die Feuchtigkeit weit über den steinigen Boden.
Die Öffnung zwischen den Fellen klafft wieder auf. Ein kleiner Junge tritt heraus. Durch die für sein Gesicht riesig wirkenden Augen besitzt er eine Niedlichkeit, die ich gar nicht an ihm entdecken will. Er läuft auf den Mann zu und schmiegt sich an seine Beine. Die beiden unterhalten sich, während der Fremde über das Haar des Kindes streicht. Dann kehren sie wieder in das Zelt zurück.
Seltsam bewegt wende ich mich ab. Ich habe genug gesehen. Vielleicht gelingt es mir, ein wenig in das Land vorzudringen und mehr über die Menschen zu erfahren, die hier leben. Als ich versuche, meine Magie anzuwenden, um mich zu transportieren, scheitere ich. In dieser Vision habe ich keinen Körper, dessen Beine ich benutzen kann, um mich fortzubewegen. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als geduldig zu sein. Nach all den Tagen bin ich, ehrlich gesagt, am Ende meiner Geduld angelangt.
Zum Glück verschwimmt die Umgebung vor meinen Augen. Ich kann ein neues Bild sehen, das sich vor meine Augen schiebt und langsam klarer wird.
Ein Gebäude. Kahle Steinwände. Fenster ohne Scheiben.
Auch hier ist es kalt und unwirtlich. Es gelingt mir, den Blickwinkel etwas anzupassen, sodass ich aus einem der Fenster sehen kann. Anscheinend befinde ich mich irgendwo hochgelegen, denn das Land breitet sich weit unter mir aus. Unzählige dieser seltsamen Hütten, vor denen ich gerade noch gestanden bin, stehen dichtgedrängt auf der Ebene unter mir. Es handelt sich wohl um eine größere Siedlung. Gibt es in diesem Land viele Dörfer wie dieses? Oder leben die Menschen in anderen Teilen dieses Kontinents anders?
Schritte nähern sich in meinem Rücken. Ich habe keine Zeit, mich umzudrehen, was vermutlich ohnehin nicht geklappt hätte. Ein seltsames Gefühl bringt mein Innerstes zum Kribbeln. Und dann geht ein Bewohner dieses Ortes einfach durch mich hindurch.
Ich schüttle mich, um die Beklemmung loszuwerden. Etwas zieht mich weiter hinter dem Fremden her. Er öffnet eine riesige Holztür und tritt dann in den Raum dahinter. An der Schwelle werde ich angehalten und kann den Thronsaal in all seiner Pracht bewundern, der mich an Manekas’ große Halle erinnert. Allerdings herrscht hier drinnen viel weniger Prunk. Die Einrichtung ist kahl und einfach, der Stuhl an der gegenüberliegenden Wand besteht aus einem einfachen Holzgerüst, auf dem mit Lederbändern eine Sitzfläche gebildet wird. Dekoration ist in dem Raum nicht zu entdecken.
Auf dem Stuhl sitzt ein Riese, der mich vermutlich um zwei Köpfe überragt. Die Breite seiner Schultern wirkt auch aus der Ferne furchteinflößend. Die eindrucksvolle Gestalt des Hünen, der vermutlich der Herrscher des Landes ist, wird von prachtvollen Fellen und feinen Stoffen umhüllt. Der Fremde, mit dem ich gekommen bin, und der Riese beginnen sich in der Sprache zu unterhalten, die ich nicht verstehe. Zwischen Summen und den harten Lauten kann ich kein Muster erkennen. Doch auch so lese ich aus den Gesichtern der beiden, dass es wohl schlechte Neuigkeiten gibt.
Weinen ertönt. Eine Frau drängt in den Raum. Männer versuchen, sie aufzuhalten, doch sie eilt weiter, bis sie vor dem Herrscher anlangt. Sie lässt sich zu seinen Füßen nieder und streckt ihm ein Bündel entgegen. Dann legt sie es vor ihm ab. Ein Stück Stoff rutscht zur Seite, und plötzlich kann ich das leblose Gesicht eines Babys erkennen. Die Laute der Frau werden anklagend, bis zwei Männer sie an den Armen packen und nach draußen ziehen. Der Gesichtsausdruck des Herrschers zeigt seinen Schmerz.
Er verlässt mit seinen Ratgebern den Saal durch einen anderen Eingang. Sie treten an einen Abgrund und sehen in die Tiefe. Dort unten scheint Magie zu vibrieren. Truppen von Soldaten warten auf ihren Einsatz. In der Mitte einer freien Fläche steht eine Statue, so groß und breit wie einer der Soldaten, die uns heimgesucht haben. Rund um sie herum befinden sich Erdklumpen, deren Sinn ich nicht verstehe. Angst erfüllt mich, als sich die Statue verändert. In ihrem Inneren entsteht ein Glühen, das immer mehr zunimmt. Rauch steigt aus ihren Füßen auf, vermehrt sich, bis er zu einer riesigen Wolke auf der Fläche geworden ist. Der undurchdringliche Rauch verhüllt mir kurz die Sicht. Als der sich wieder lichtet, sind die Erdklumpen verschwunden. Soldaten samt Rüstung und Waffen stehen an ihrer Stelle. Eine Person formt wieder Erdklumpen, indem sie mehr Wasser auf den bereits feuchten Boden schüttet und dadurch Matsch entsteht. Die gerade erschienenen Soldaten marschieren währenddessen los, bis sie zu weiteren Kopien stoßen, die bereits in Reihen am Rand der Fläche stehen.
Eine weitere Person erscheint neben dem Herrscher. Sie bewegt sich so geschmeidig vorwärts, dass ich keine Schritte erkennen kann. Als würde der Neuankömmling schweben. Sein langes, fließendes Gewand reicht bis zum Boden. Eine Kapuze an der hellblauen Kleidung verdeckt sein Gesicht. Wellen von Energie gehen von ihm aus. Kraftvoll und intensiv, wie ich sie noch niemals in der Gegenwart eines anderen Menschen gespürt habe.
Er tritt zu den anderen beiden und beginnt, sich leise mit ihnen zu unterhalten. »Wir sind bald so weit«, sagt er laut genug, damit ich ihn verstehen kann.
Aber warum ergeben die Laute für mich plötzlich Sinn? Verbindet mich die erdumspannende Magie mit dem Zauberer, sodass ich die Sprache mit einem Mal enträtseln kann?
»Nur noch ein paar Tage, bis die Männer aufbrechen können. Unsere Armee wird unbesiegbar sein.«
»Und die Wesen, die du erschaffst und die unsere Truppen vergrößern werden, verhalten sich wie Menschen?«, fragt der Herrscher.
»Es handelt sich um Menschen. Sie sind Euch treu ergeben.« Ganz plötzlich hält er allerdings inne und wendet den Kopf. Der stechende Blick aus seinen länglichen Augen richtet sich direkt auf mich.
Erschrocken will ich einen Schritt zurück machen, doch da es sich bei diesen Bildern um reine Fantasie handelt, kann ich auch nicht verschwinden. Ich reiße die Augen auf.
Im nächsten Augenblick stehe ich wieder mit schnell klopfendem Herzen auf der Lichtung.
»Was ist mit Euch geschehen?«, fragt Manekas beunruhigt. »Ich habe Euch mehrmals angesprochen, aber Ihr habt nicht auf mich reagiert.«
»Ein Spruch hat mich in das Land reisen lassen, aus dem unsere unerwünschten Besucher stammen. Leider habe ich dadurch nicht viel mehr erfahren. Ich weiß nur, sie haben einen mächtigen Zauberer auf ihrer Seite. Er besitzt möglicherweise mehr Macht als alle Großen Zaubermeister unseres Kontinents zusammen.«
Die Stirn unseres Fürsten runzelt sich. »Wie kommt Ihr darauf?«
Für mich selbst ist es schwer zu verstehen, woher ich die Gewissheit habe. Wie soll ich Manekas erklären, wieso ich davon überzeugt bin? Von den Soldaten, die er mit Zauber erschaffen hat, will ich ihm nichts erzählen. Das würde ihn und alle anderen nur ängstigen. Die Größe ihrer Armee ist von Wichtigkeit, nicht woher die Männer stammen. Sie kämpfen. Sie bluten. Sie sterben. Wir müssen sie auch weiterhin bekämpfen. Unsere Truppen dürfen dabei nicht durch übertriebene Angst geschwächt werden. »Die Energie, die von ihm ausgeht«, sage ich. »Ich weiß, es handelt sich lediglich um einen Eindruck aus einer Vision. Die Magie, die ich in seiner Nähe gespürt habe, war nicht real. Dennoch konnte ich es fühlen.«
»Welche anderen Erkenntnisse aus Eurem Erlebnis können für uns von Vorteil sein?«
»Diese Menschen leben nicht in Häusern. Ihr Herrscher ist ein angsteinflößender Riese. Doch diese Informationen können wir nicht für uns nutzen. Interessanter ist da, dass die Maschine zusammen mit ihnen auf unseren Kontinenten gekommen ist. Die Leuchtsteine, die an den Ecken der Apparatur angebracht sind, hatten zu dem Zeitpunkt keinen Kern aus Dunkelheit. Sie sahen aus wie jetzt, nur dass sie gestrahlt haben.«
Manekas sieht zu dem Gerät und brummt leise.
Ich folge seinem Blick. Sehr viel länger kann ich den Moment nicht hinauszögern. Obwohl ich eine diffuse Unruhe empfinde, werde ich mich diesem Ding widmen müssen. Hoffentlich gelingt es mir, es unschädlich zu machen. Ob es reicht, die Steine zu entfernen? Zur Sicherheit werde ich sie mit einem Zauber belegen. Danach werde ich diese Maschine auseinandernehmen. Was wohl passiert, wenn wir es einfach in Brand stecken?
Unsere Männer haben in der Zwischenzeit begonnen, die persönlichen Gegenstände der Toten zu durchsuchen. Die leblosen Körper unserer Feinde rollen sie dabei einfach nur zur Seite. Ich erschaure. Der Anblick der Leichenberge verursacht bei mir Übelkeit. Dennoch kann ich meine Augen nicht abwenden. So viele Leben ausgelöscht, nur weil jemand unser Land überfallen wollte. Ja, vielleicht sind einige dieser Wesen aus Magie erschaffen worden. Dennoch haben sie geatmet und gelebt. Diese Soldaten waren menschlich.
Was haben sich unsere Feinde erhofft, als sie hierhergekommen sind? Diese Frage hat mich von Anfang an beschäftigt. Jetzt, da ich ihre Lebensumstände kenne, nehme ich an, sie wollen unseren Kontinent für sich beanspruchen. Ihre Heimat scheint kein angenehmer Lebensort zu sein. Vermutlich erhoffen sie sich von hier fruchtbaren Boden, milderes Wetter, bessere Umweltbedingungen. Wären sie tatsächlich bereit, uns alle dafür auszulöschen?
Einer unserer Soldaten hebt einen gegnerischen Krieger hoch, um ihn aus dem Weg zu schaffen. Der Mann auf dem Boden gibt einen Schmerzenslaut von sich. Wut verzerrt das Gesicht meines Landsmannes. Er greift nach seinem Schwert, um dem Feind den Todesstoß zu versetzen.
»Stopp!«, schreie ich aufgeregt. »Haltet ein! Lasst ihn am Leben.« Ich laufe los, um das Schlimmste zu verhindern.
Der Soldat mustert mich mit abschätzigem Blick und lässt sein Schwert nicht sinken. »Habt Ihr etwa Mitleid mit ihm? Wollt Ihr ihn vor dem Tod bewahren, obwohl er zu unseren Gegnern gehört? Er hat sich selbst für das Schwert entschieden. Soll er es bis zum Ende genießen.«
»Es ist mir herzlich egal, ob er leidet oder nicht«, lüge ich. »Dennoch werde ich ihn erst einmal heilen und dann versuchen, Informationen von ihm zu erhalten. Was nach meiner Befragung mit ihm passiert, werden wir später entscheiden.«
Als ich bei dem Soldaten anlange, lege ich eine Hand auf seinen Arm, damit ich seine Schwerthand zur Seite schieben kann. Der Mann wirkt nicht, als würde er sich gerne davon abhalten lassen, unseren Feind endgültig aus diesem Leben zu reißen. Er öffnet den Mund, schließt ihn aber wieder, nachdem er einen Blick über meine Schulter geworfen hat.
Ich kann Manekas’ Aura fühlen. Ohne dass unser Fürst etwas sagen muss, weiß ich, er steht auf meiner Seite.
Widerwillig tritt der Soldat zur Seite und wendet sich dem nächsten Toten zu.
»Wenn Ihr weitere Verwundete findet, denen noch geholfen werden kann, um sie nach ihren Absichten zu befragen, haltet Euch bitte zurück«, mahne ich ihn. Jemand reicht mir ein Seil, mit dem ich den Gefangenen fessle. Ich bücke mich zu unserem Feind am Boden und strecke die Hände über seine Wunde. Mit geschlossenen Augen murmle ich erst einen Sicherheits- und anschließend einen Heilungsspruch.
Hoffentlich ist es noch nicht zu spät. Es schmerzt, dass ich diesen Mann möglicherweise retten kann, während ich an Elevander gescheitert bin. Ich verstärke meine Bemühungen, als der Spruch keine Wirkung zeigt. Der Zauber wird anscheinend nicht reichen, um die Verletzung unseres Feindes verschwinden zu lassen. Dennoch darf der Fremde nicht sterben, bevor ich ihm meine Fragen gestellt habe.
Der Körper des Kriegers erstarrt. Er regt sich zwei Sekunden nicht, bevor er unter seiner Maske hungrig nach Luft ringt und die Augen aufreißt.
»Willkommen zurück«, sage ich trocken. »Könnt Ihr verstehen, was ich sage?«
Mit wütend funkelnden Augen starrt der Mann zu mir hoch.
Um ihn besser beobachten zu können, nehme ich ihm die Maske ab. Ich kann die Frustration in seinem Blick erkennen, als ihm klar wird, gefesselt zu sein. Er hebt ruckartig den Kopf und spuckt mich an.
Zum Glück trifft er mich nicht im Gesicht, sondern verteilt seinen Geifer lediglich auf meiner Toga. Mein Zauber hindert ihn daran, mich verletzen zu können. Ich wünschte, dieser Zauber könnte auch dafür angewendet werden, jeden Soldaten unserer Armee zu beschützen. Doch die Magie will verhindern, dass ihr Botschafter getötet wird. Durch mich fließt die Energie. Nichtzauberer existieren in ihren Wertevorstellungen nicht.
»Haltet lieber ein wenig Abstand«, schlägt unser Fürst vor. »Sie sind um vieles stärker als wir. Er könnte Euch leicht überwältigen, und anschließend vernichtet er den Rest von uns.«
Denkt Manekas, ich hätte nicht vorgesorgt? Hält er die Fesseln für wirkungslos? Hat er nicht bemerkt, dass ich dem fremden Krieger der Möglichkeit beraubt habe, mich zu verletzen?
Der Soldat knurrt bösartig, doch seine Mundwinkel zucken. Triumph blitzt in seinen Augen auf.
»Jetzt wissen wir zumindest, dass er uns verstehen kann«, sagt Manekas.
»Ein kluger Schachzug von Euch«, gebe ich zu und schäme mich dafür, an unserem Fürsten gezweifelt zu haben. Ich packe unseren Feind am Kragen und ziehe ihn in eine aufrechte Position. Die Tatsache, dabei an den leblosen Körpern seiner Freunde zu lehnen, schiebe ich hastig zur Seite. »Wollt Ihr uns nicht ein wenig über Euch erzählen? Bestimmt liegen Euch unzählige Beschimpfungen auf der Zunge. Tobt Euch aus, und berichtet mir dann, was ich wissen will.«
Ekel huscht über das fremdartige Gesicht des Kriegers. Dann schüttelt er den Kopf.
Ob er unsere Sprache überhaupt sprechen kann? Ich wünschte, ich wäre dazu in der Lage. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, sie schnell zu lernen. Dieses Mal lasse ich keinen Platz für Zweifel. Dieses Mal glaube ich an mich und daran, eine Chance zu haben. In Gedanken gehe ich die Zauberbücher meines Großvaters durch und bleibe dann an einer Seite hängen. Ein Spruch ist dort angeführt, um jede Sprache und jeden Dialekt zu erlernen. Möglicherweise erlaubt es mir, alle Sprachen unserer Welt zu verstehen.
Lautlos spreche ich den Zauber. Danach fühle ich mich wie zuvor. Nichts hat sich verändert. Anscheinend ist meine Magie gescheitert.
»Berichtet mir ein wenig aus Eurer Heimat«, locke ich trotzdem. »Wie wäre es, wenn Ihr mir den Namen Eures Zauberers nennt?«
Hinter mir keucht Manekas auf. Die Augen des Fremden weiten sich überrascht. Scheint, als würde der Zauber doch Wirkung zeigen.
»Ich habe ihn in seiner blauen Robe gesehen«, fahre ich fort. »Faszinierend, wie er förmlich über allem schwebt. Berühren seine Füße überhaupt den Boden?«
»Ihr könnt ihm unmöglich begegnet sein. Er hat uns nicht hierhin begleitet. Wie könnt Ihr wissen, wer er ist?«
»Habt Ihr noch nicht bemerkt, dass ich die gleichen Fähigkeiten wie Euer Zauberer besitze?«
Wut flackert in seinem Blick. »Lüge. Niemand ist so mächtig wie er.«
Grübelnd lege ich den Kopf schief. Mit welchem Spruch soll ich ihn von seinem Fehler überzeugen? Schließlich entscheide ich mich dafür, eine Energiewelle auszusenden, die ihm den Atem rauben soll. Üblicherweise fächere ich diese Kraft möglichst breit, um viele unserer Gegner von den Füßen zu fegen. Jetzt konzentriere ich sie auf seinen Hals, drücke zu, ohne ihn zu berühren.
Ungläubig reißt der Mann den Mund auf und ringt nach Luft.
Ich entlasse ihn aus meinem Griff. »Genügt diese Demonstration, damit Ihr mir glaubt?«
»Du bist nur ein kleiner Wicht, der Tricks anwendet, um mich zu täuschen. Darauf falle ich nicht herein.«
»Schön, dann muss mein Beweis wohl ein wenig größer ausfallen.« Ich murmle die Worte, mit denen ich unsere Soldaten unsichtbar gemacht haben. Untereinander können sie sich immer noch erkennen. Für den Krieger vor mir muss es allerdings wirken, als wären sie von einer Sekunde auf die andere verschwunden.
»Teufelswerk«, behauptet er.
»Wenn du denkst, ich würde mit dem Teufel zusammenarbeiten, dann will ich nicht widersprechen. Tatsächlich bin ich ihm nähergekommen, als ich erwartet habe.« Ich habe sogar mit ihm im Bett gelegen, habe ihm erlaubt, himmlische Dinge mit mir anzustellen. So detailliert muss ich das wohl nicht ausführen.
»Trotzdem sage ich dir kein Wort. Du wirst von mir nichts erfahren, was dir ermöglicht, einen Vorteil über uns zu erringen.«
Mein Versuch, ihm zu zeigen, genauso mächtig zu sein wie sein Zauberer, hat nichts genutzt. Er will an seinem Glauben festhalten, der Seite anzugehören, die am meisten Magie besitzt. Seinen Widerwillen, seinen Fehler einzusehen, kann ich nachvollziehen. Er wehrt sich dagegen, seinen Glauben aufzugeben. Das kann ich ihm nicht verübeln.
Dennoch brodelt die Wut in mir. Wie viel muss ich noch leisten, wie viele Opfer muss ich noch bringen, damit ich vom Rest der Welt endlich für gut genug gehalten werde? Wie viel Mut muss ich noch beweisen, wie viel Klugheit, wie viel Finesse, bis man nicht mehr an mir zweifelt?
Die Frustration dieses Morgen kehrt mit voller Wucht zurück und lässt mein Herz brennen. Nicht wieder jemand, der mich unterschätzt und denkt, er kann respektlos mit mir umspringen. Ich habe es statt, nett und höflich zu sein. Jetzt bin ich an der Reihe! Jetzt werde ich beweisen, wozu ich fähig bin! Alle Muskeln in meinem Gesicht spannen sich vor Wut an. Ich packe den Mann und schüttle ihn durch. »Du denkst, du hast eine Wahl? Du weißt nicht, mit wem du dich einlässt.«
Eine Hand legt sich auf meine Schulter. »Lesithder«, mahnt Manekas. »So haltet ein.«
»Er hat es nicht besser verdient«, sage ich über meine Schulter. »Ihr wisst doch, er würde keine Gnade zeigen, wenn er an meiner Stelle wäre.«
»Jetzt habt Ihr die Kontrolle über ihn. Ihr könntet mit ihm machen, was Ihr wollt. Ich bezweifle allerdings, Ihr könntet Eure Tat nicht bereuen. So gut habe ich Euch bereits kennengelernt.«
Gut, er kann meine Worte verstehen. Obwohl ich mich nicht bemüht habe, die Sprache zu wechseln, beherrsche ich beide Zungen gleichzeitig.
Aber schlecht, dass er mich durchschaut hat. Nach seinen Worten bin ich nicht mehr in der Lage, in meiner Wut zu verharren.
Ich stoße den Soldaten von mir. »Glaub nicht, das würde irgendetwas ändern. Es wird euch nicht gelingen, uns zu besiegen. Ihr seid vielleicht in unser Land gekommen, um uns zu unterwerfen. Daran müsst ihr jedoch scheitern. Wir lassen uns aus unserem Zuhause nicht vertreiben.«
Der Fremde lacht auf. »Wir werden euch weder unterwerfen noch vertreiben. Wir werden euch vernichten. Keiner von euch wird übrigbleiben. Uns wird gehören, was ihr jetzt besitzt. Und wenn unser Zauberer erst einmal den Rest der Energie eures Kontinents aufgesaugt hat …« Mit erschrockenem Gesichtsausdruck unterbricht er sich.
Mein Blick wandert zu der seltsamen Maschine. »Tut das Ding das? Sammelt sie unsere Magie ein? Schickt ihr sie zu eurem Zauberer?«
Die fest zusammengepressten Lippen des Kriegers machen klar, dass er nichts mehr sagen wird. Möglicherweise hat er bereits genug verraten, damit ich die Bedrohung für uns verringern kann. Unter Umständen ist der Plan unserer Feinde bereits gescheitert, wenn ich diese Maschine außer Gefecht setze.
»Danke dir für deine Hilfe«, sage ich spöttisch und richte mich auf. Dann wende ich mich an Manekas und berichte ihm, was der Soldat ungewollt preisgegeben hat. »Wir müssen uns um diese Gerätschaft kümmern. Ich werde die Hilfe von einigen Männern brauchen. Keine Sorge, ich werde vorsichtig sein. Sie werden von mir mit einem Schutzzauber belegt, damit sie keine Gefahr von dem Ding fürchten müssen. Zur Sicherheit sollten wir diesen Krieger dennoch am Leben lassen. Wenn es uns gelingt, noch weitere Verletzte zu befragen, erhalten wir möglicherweise ein deutlicheres Bild.«
»Wir werden das im Hinterkopf behalten, auch wenn ich bezweifle, dass meine Männer über die Anweisung sonderlich erfreut sein werden«, stimmt Manekas zu. »Ich werde fragen, ob es Freiwillige gibt, die Euch mit der Zerlegung der Maschine helfen werden.«
Mit einem Nicken verabschiede ich mich und mache mich auf den Weg zu dem Ungetüm. Je näher ich komme, umso größer wirkt es. Bestimmt spielt mir meine Fantasie einen Streich, weil ich Angst vor dem Versagen habe. Zu viel steht auf dem Spiel. Wenn es mir nicht gelingt, das Gerät unserer Gegner auszuschalten, nutzt es uns auch nichts, die Eindringlinge zu überwältigen.
Der Zauberer unserer Feinde versucht, unsere Magie zu stehlen. Möglicherweise ist dem Fürsten gar nicht klar, welche Folgen das haben würde. Die Energie, die sich in der Luft befindet, speist uns mit göttlicher Magie. Wir Zauberer können darauf zugreifen und unsere Zauber wirken. Sollten wir dazu nicht mehr in der Lage sein, würde das keine großen Auswirkungen auf den Verlauf der Welt haben. Unser Volk würde nicht zugrunde gehen, nur weil die Zauberer an kleinen Tricks und größeren Schauspielen scheitern. Die Sonne würde weiterhin jeden Tag auf- und untergehen. Das Leben der Menschen würde keinen großen Änderungen unterworfen sein.
Doch wenn auch sie nicht mehr in der Lage sind, von der Energie zu profitieren, würde das die Fruchtbarkeit der Erde beeinflussen. Wir würden es am Ertrag der Ernte spüren, an der Qualität der Früchte. Langsam, aber sicher würden unsere Vorräte zu Ende gehen. Wir würden verhungern, wenn es uns nicht gelingt, neue Ressourcen zu erschließen. Selbst wenn unsere Generation überleben würde, hätten unsere Nachkommen an der fehlenden Energie zu leiden. Den Kindern, die auf die Welt kommen, würde es an Gesundheit fehlen. Sie würden nicht so lange leben, wie es jetzt der Fall ist. Unsere Welt wäre nicht mehr die Gleiche.
Für Manekas sind diese Dinge vermutlich abstrakt. Er hat als unser Fürst noch keinen einzigen Tag in seinem Leben hart arbeiten müssen. Mit Sicherheit hat er sich noch niemals die Finger beim Bestellen der Felder schmutzig gemacht. Wenn er krank wird, scharren sich unzählige Heiler um ihn und weichen nicht von seiner Seite, bis es ihm besser geht. Als unser Herrscher quälen ihn keine Sorgen um seine Zukunft. Er sitzt in seinem gläsernen Turm und weiß nichts von den Kümmernissen der einfachen Menschen. Ich kann ihn nicht dafür tadeln. Er hat nichts außer seinem privilegierten Leben kennengelernt.
In meinem Rücken diskutiert Manekas noch immer mit einigen Soldaten, die sich weigern, mir zu helfen. Das Ungetüm jagt ihnen wohl Angst ein.
Seufzend murmle ich einen Spruch, der mich beschützen soll, dann strecke ich den Arm aus und berühre mit den Fingerspitzen die Oberfläche des geheimnisvollen Geräts. Nichts passiert. Etwas ruhiger lege ich meine Handfläche auf das glattpolierte Holz.
Wellen von Energie springen auf mich über. Dunkle Kräfte, die in meinem Körper Chaos verursachen. Es handelt sich um nichts, was mich verletzen könnte. Die Magie ist zu schwach, um Auswirkungen auf mich zu haben. Hätte es einer unserer Soldaten berührt, würde die Sache möglicherweise anders aussehen. Ich hänge meine Finger an einem Vorsprung in Augenhöhe ein. Dann setze ich meinen Fuß auf das Gerät und ziehe mich hoch. Angespannt warte ich ab, ob die Angriffe der gegnerischen Magie jetzt schwerer werden. Doch wieder komme ich mit den Wirbeln, die sich in meinem Körper ausbreiten, gut zurecht.
»Seid vorsichtig«, bittet eine mir unbekannte Stimme.
Ich werfe einen Blick über meine Schulter und entdecke einen grauhaarigen Soldaten, der mit besorgtem Ausdruck in den Augen zu mir aufsieht. Er ist vermutlich älter als Oremazz. Wenn er nicht mit unserer Armee hierhergekommen wäre, hätte ich bezweifelt, dass er ein Schwert auch nur hochheben kann. »Seid Ihr meine Hilfe bei diesem Projekt?«
Er nickt. »Ich werde tun, was Ihr von mir verlangt.« Meine Miene verrät ihm anscheinend, dass ich seinen Kräften misstraue, denn er drückt den Rücken durch und strafft die Schultern. »Ich bin harte Arbeit gewohnt. Ihr könnt Euch auf mich verlassen.«
»Mit Sicherheit habt Ihr Euch in Eurem Leben vor keiner Aufgabe gedrückt. Dennoch bin ich mir nicht sicher, ob Ihr der Richtige für diese seid.«
»Die jungen Männer haben ihr Leben noch vor sich. Ich stelle mich gerne für diese gefährliche Mission zur Verfügung. Mein Glück habe ich an der Seite meiner wundervollen Frau bereits verbraucht.«
Stolz schwingt in seiner rauen Stimme mit. Ich möchte ihn nicht weiter vor den Kopf stoßen und nicke ihm einfach zu. »Bleibt in Sichtweite. Wenn es mir gelingt, das Ungetüm zu erklimmen und von oben zu untersuchen, finde ich hoffentlich heraus, wie es funktioniert. Ich werde Euch mitteilen, wenn ich Eure Hilfe benötige.«
Mein Blick wandert wieder das seltsame Bauwerk hinauf. Als ich die feindlichen Soldaten dabei beobachtet habe, wie sie das Ding bestiegen haben, hat es viel einfacher gewirkt. Bestimmt haben sie genau gewusst, welchen Weg sie wählen müssen. Diesen Luxus besitze ich leider nicht.
Angespannt strecke ich meinen Arm aus und taste nach einem weiteren Vorsprung, den ich benutzen kann, um mich hochzuziehen. Tatsächlich finden meine Finger eine Einkerbung, die groß genug ist, damit ich mich vorwärtsbewegen kann. Mein Fuß rutscht in eine Aussparung, sodass ich mich strecken kann, um einen weiteren Schritt zu wagen. Es geht nur langsam vorwärts, aber schließlich kann ich den oberen Teil der Maschine erkennen.
Die Fläche zwischen den vier Steinen ist gerade und bietet keinen Blick ins Innere. Enttäuscht klettere ich das letzte Stück, bis ich oben stehe. Ich habe gehofft, hier oben würde es einen Zugang zu den Gerätschaften geben, die sich im Innenteil der Maschine befinden. Habe ich den Aufstieg umsonst angetreten? Hätte es einen Zugang von unten gegeben?
Ich setze meinen Fuß auf das Dach und beuge mich dann nach unten, um die Holzbohlen zu untersuchen. Nicht aufgerichtet auf dieser Plattform zu stehen, stellt eine gewisse Erleichterung für mich dar. Hier oben fühle ich mich unwohl, bloßgestellt und wie eine leichte Beute. Bei jedem Windstoß, der an mir zieht, grummelt es in meinem Magen. Viel zu sehr verstört mich der Gedanke, von diesem Ding zu fallen. Leide ich etwa unter Höhenangst?