Kitabı oku: «Das Herz des Zauberers», sayfa 5
»Wir sollten unsere Soldaten lieber von hier wegbringen«, wende ich mich an unseren Fürsten und trete vor ihn. »Der Einsturz der Maschine könnte unsere Gegner anlocken. Ich habe zwar den Stein an mich genommen, in dem sich die Magie konzentriert haben könnte. Sicher bin ich mir allerdings nicht, dass nicht doch Energie austreten könnte, die uns alle in Gefahr bringt.«
Er ignoriert mich und sieht durch mich hindurch.
Mir wird klar, immer noch nicht sicht- und hörbar zu sein. Rasch spreche ich einen Spruch, der alle Zauber aufhebt, die auf mich einwirken. Dann wiederhole ich meine Worte.
Manekas zuckt zusammen und stolpert beinahe über seine Füße. Schließlich zeigt sich Erleichterung auf seinen Zügen. »Ihr habt mir einen Schrecken eingejagt. Was für eine Erleichterung, dass Ihr aus diesem Ding entkommen seid. Als ich die Reste gesehen habe, dachte ich, die Konstruktion hätte Euch erschlagen.«
»Ich hatte mich zum Glück schon davor transportiert. Allerdings war ich unsichtbar. Lasst uns jetzt keine Zeit mehr mit Erklärungen vergeuden. Ich hoffe, unsere Armee hat die Sachen unserer Feinde durchsucht. Wir müssen von hier weg. Alles in mir drängt darauf, zur Basis zurückzukehren. Auf meine innere Stimme ist eigentlich Verlass.«
»Dann wollen auch wir darauf hören.« Manekas gibt ein Zeichen, damit seine Ratgeber zu ihm treten. Er teilt ihnen mit, dass wir unverzüglich aufbrechen müssen. Die hohen Herren geben die notwendigen Anweisungen weiter. Wenige Augenblicke später haben sich unsere Verbündeten bei den Portalen versammelt.
Aufgeregt laufe ich die Portale entlang und wende bei jedem einen Zauber an, der sie bei unserer Basis enden lässt. Die Menge an Soldaten, die dort eintreffen wird, ist zu groß, um alle in den Hütten unterzubringen. Dennoch will ich nicht riskieren, noch einmal die Verbindung zu den einzelnen Truppen zu verlieren. Ich weiß nicht, ob Umocks Magie uns noch vor der Entdeckung unserer Feinde beschützt. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir im Basislager sicher sind, ist allerdings höher, als wenn ich die Soldaten an ihren Ausgangspunkt zurückreisen lassen würde.
Es dauert einige Minuten, in denen die Sorge wie ein schwerer Stein in meinem Magen liegt, bis wir die Lichtung verlassen haben. Ich bin die letzte Person, die einen Blick zurückwirft. Die Soldaten haben unsere Verletzten, die überlebenden Soldaten unserer Gegner und die vier Steine von der Oberfläche der Maschine bereits abtransportiert. Wir haben weitere, mit einem Zauber belegte Tücher verwendet, damit die vier großen Steine nicht zu einer Bedrohung werden können. Der letzte Stein, der das geheimnisvolle Gerät gefestigt hat, befindet sich im Beutel an meinem Gürtel. Die Maschine scheint damit ausgeschaltet zu sein.
Dennoch empfinde ich eine Unruhe, die ich mir nicht erklären kann. Ich habe Angst, etwas zu übersehen, weshalb ich die Lichtung unsichtbar noch einmal überquere und mich umsehe. Die Taschen und privaten Gegenstände unserer Feinde wurden durchsucht. Auf den ersten Blick hat sich nichts offenbart, das uns beim Kampf gegen unsere Feinde hilfreich sein kann. Sobald ich zurück im Lager bin, werde ich dennoch alles in Ruhe durchsehen, um mir ein genaues Bild der Männer machen zu können, die es sich in den Kopf gesetzt haben, unseren Kontinent für sich einzunehmen. Ich will wissen, was sie antreibt, welche Sorgen und Hoffnungen sie ausmachen. Möglicherweise kann ich dadurch einen Weg finden, sie zu besiegen.
Schließlich stehe ich vor der Maschine, die beinahe zu einer Todesfalle geworden wäre. Ich habe sie mit Hilfe von Zauber durchsucht, während die Männer sich auf den Aufbruch vorbereitet haben. Magie hat mir geholfen, die Holzbretter zu durchleuchten, die jetzt, da sie nicht mehr durch die von der Maschine ausgehenden Energie zusammengehalten werden, ihre makellose Oberfläche verloren haben. Jetzt kann ich Rillen, Astlöcher und einzelne Bretter erkennen. Feder und Nut haben die Verkleidung an manchen Stellen zusammengehalten. In anderen Teilen stecken Nägel. Die Konstruktion ist nicht so makellos, wie sie mir erscheinen sollte. Seit Magie meinen Blick geklärt hat, weiß ich genau, dass ich das Gerät problemlos hätte auseinanderbauen können. Es hat sich lediglich um eine optische Täuschung gehandelt, die Eindruck schinden sollte. Ich habe mich zu sehr auf das verlassen, was sich vor meinen Augen befunden hat.
Möglicherweise kann ich diese Erkenntnis auch bei unseren Feinden anwenden. Sie und ihre Pläne stellen ein Rätsel für uns dar. Wir können nicht erkennen, was sie so stark, furcht- und gnadenlos macht. Sie zeigen uns lediglich ein Bild, das uns in Angst versetzen soll. Doch wenn wir ihnen die Magie wegnehmen, wenn wir sie entzaubern, dann können wir einen Weg finden, wie sie zu besiegen sind.
Ein letztes Mal durchleuchte ich die Reste der Maschine, um sicherzugehen, dass nicht doch noch ein Stein im Gerümpel verborgen ist. Auch andere Gegenstände präsentieren sich nicht meinem Blick. Ich habe nichts übersehen, was noch Energie in sich tragen könnte. Also schließe ich die Augen und konzentriere mich. Noch einmal sauge ich die Macht der Götter ein, die in der Luft liegt und mich mit neuer Stärke füllt. Denn spreche ich einen Zauber, der die Toten und das seltsame Gerät in ihrer Mitte verschwinden lässt. Magie verbirgt sie nun vor den Blicken von zufällig vorbeikommenden Wanderern. Selbst wenn jemand mitten auf die Lichtung treten würde, wird sein Fuß an keinem Hindernis anstoßen. Ich bin in der Lage, die Leichen und die Trümmer der Maschine zu erkennen. Für den Rest der Welt existieren sie nicht mehr. Ich wünschte, es wäre so leicht, das Geschehene auch aus meinem Kopf zu verbannen.
3. Kapitel
Müde reibe ich über meine Augen und versuche, meine verschwommene Sicht zu klären. Schon seit Stunden sichte ich nun das Material. Dank einiger Zeichnungen und Skizzen im Besitz der Gegner bin ich nun sicher, die Dörfer auf dem Kontinent unserer Feinde sehen so aus, wie das, das ich in meiner Vision besucht habe. Die Zeichen auf dem Papier ergeben immer noch wenig Sinn. Von den Bildern von Pflanzen, die neben Grabsteinen wachsen, nehme ich allerdings an, veränderte Umweltbedingungen haben das Leben der Menschen unwiderruflich verändert. Da es sich bei den Soldaten um immer neue Kopien eines bestimmten Soldaten handelt, entdecke ich viele Zeichnungen, die sich aufs Haar gleichen. Kleine Abweichungen erzählen unterschiedliche Varianten der gleichen Geschichte. Diese berührt mich mehr, als ich zugeben möchte.
Die Menschen leiden Hunger. Kinder sterben, ohne Hilfe von ihren Eltern bekommen zu können. Krankheiten wüten, gegen die man aufgrund von Mangelerscheinungen nichts entgegenzusetzen hat. Ohne fruchtbares Land werden die Menschen auf dem anderen Kontinent sterben.
Das rechtfertigt nicht, dass sie uns heimsuchen und uns nehmen wollen, was uns gehört. Ihre Vorgehensweise kann ich nicht gutheißen, auch wenn ich verstehe, warum sie sich in diesen Krieg gedrängt fühlen.
Als ich eine der Papierrollen anfasse, die besonders reich verziert ist, verändert sich plötzlich meine Wahrnehmung. Ich werde in eine Vision gezogen, gegen die ich mich nicht wehren kann. Durch die Augen des Fürsten kann ich eine große Hütte sehen. Kompliziert geknüpfte Teppiche mit wunderschönen Bildern hängen an der Wand. Die Kleidung der Frau ist aus feinem Stoff gemacht. Dennoch hat sich Sorge in ihre attraktiven Gesichtszüge gegraben. Offensichtlich hat sie stark an Gewicht verloren. Ihre Augen haben einen fiebrigen Glanz.
Sie wendet sich zu mir um. »Es geht dem Ende zu«, presst sie hervor. Ihre Gestalt verhindert eine gute Sicht auf das Lager hinter ihr.
»Das kannst du nicht wissen.« Die Stimme stammt von mir. Von ihrem Mann, in dessen Körper ich geschlüpft bin.
»Er hat keine Kraft mehr, um zu kämpfen.« Tränen treten in die Augen der Frau. »Verabschiede dich von deinem Sohn, bevor es zu spät ist.«
»Nein!« Die Gefühle des Fürsten dringen auf mich ein. Seine Angst vor Verlust, seine Fassungslosigkeit, seine Wut erfüllen mein Herz als wären sie meine eigenen. »Ich habe eine zusätzliche Ration Heilkräuter vom Magier besorgt. Bereite daraus einen Brei, der seine Schmerzen lindern wird. Noch ist es nicht vorbei.« Er wirft einen Beutel auf den Tisch neben sich.
»Ich habe ihm bereits mehr Brei eingeflößt, als ich verantworten kann. Die Götter verlangen ein weiteres Opfer. Sie werden Mmmussmisu holen kommen. Heute Nacht. Ich kann es fühlen. Du musst ihm die Erlaubnis erteilen, diese Welt zu verlassen, sonst muss er hundert Leben in der Hölle verbringen.« Flehend streckt sie die Hand nach mir aus.
Ihr Mann schüttelt den Kopf. »Ich bin noch nicht bereit.« Sein Tonfall verändert sich. Schmerz dringt aus jedem Laut.
Seine Verzweiflung spiegelt sich in den Augen der Frau. »Das verstehe ich. Wenn ich könnte, würde ich dir diese Aufgabe abnehmen. Leider kannst nur du sie als Herr des Hauses und unser Herrscher übernehmen.«
Noch niemals hat er diese Tatsache so sehr gehasst wie gerade! »Es ist zu früh.«
»Es gibt keinen anderen Weg mehr. Hätten wir die Warnzeichen vielleicht früher entdeckt, könnte ihm noch geholfen werden können. Hätte unser Magier früher begonnen, die Armee zusammenzustellen, würden wir unter Umständen rechtzeitig Lebensmittellieferungen erhalten.«
»Die Vergangenheit kann nicht geändert werden. Dafür haben die Götter gesorgt. Bis vor Kurzem habe ich nicht an ihren Entscheidungen gezweifelt. Doch heute …« Endlich tritt er zu dem Lager und lässt sich daneben nieder.
Beim Blick auf das kleine Kind, das auf der Matratze liegt, wird meine Brust zusammengedrückt. Es wirkt so ausgemergelt und krank. Jeder Atemzug kostet ihm offensichtlich viel Kraft. Dennoch liegt ein leiser Frieden auf seinem Gesicht. Anscheinend wirkt der Brei schmerzlindernd. Der Junge hat sein Schicksal akzeptiert.
Wut regt sich in mir, weil ich meinem Sohn nicht helfen kann. Hass auf die Bewohner eines fernen Landes, von denen unser Magier erzählt hat und die im Überfluss leben, lässt mich erzittern. Ich möchte aufspringen und ihnen sofort dringend benötigte Nahrung entreißen, die mein Kind retten könnten.
Mmmussmisu öffnet völlig unerwartet die Augen und sieht sich um. Erst wandert sein Blick ohne Halt durch den Raum, als hätte ihm die Unterernährung das Augenlicht geraubt. Dann sieht er mich direkt an. Ein leichtes Lächeln hebt seine Mundwinkel.
Mein Herz schmerzt so sehr, dass ich losbrüllen möchte. Ich hasse es, ihn in diesem Zustand zu erleben. Die Wahrheit lässt sich allerdings nicht länger verleugnen. Er wird uns verlassen. Jetzt. Und ich kann nichts dagegen tun.
Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich rücke näher an ihn heran und greife nach seiner Hand. »Mein geliebter Sohn. Die Götter verlangen nach dir im Himmel.«
Neben mir schluchzt meine Frau auf. Ich habe keine Kraft, um sie zu trösten.
»Du warst mir ein guter Sohn. Dein kurzes Leben lang hast du nichts falsch gemacht. Ich bin stolz, dein Vater zu sein. Nun muss ich dich ziehen lassen. Ich entbinde dich von deinen Pflichten mir gegenüber. Du darfst gehen.«
Ein Ausdruck von Erleichterung huscht über sein Gesicht. Dann atmet er tief aus. Voller Angst warte ich ab, doch er holt nicht noch einmal Luft. Er hat sein Leben ausgehaucht.
Der Schmerz des Soldaten ist der meine. Ich bin allerdings nicht in der Lage, die Trauer weiter mit ihm zu durchleben. Zu sehr erinnert sie mich an all den Verlust, mit dem ich zurechtkommen muss. Endlich gelingt es mir, mich aus der Vision zurückzuziehen.
Zusammengerollt bleibe ich am Boden liegen. Tränen laufen über meine Wange. Ich vermisse Elevander, dessen Ruhe mir in diesem Moment Kraft schenken würde. Ich vermisse Umock, der mich mit einem frechen Kommentar ablenken könnte. Ich vermisse mein altes Leben, in dem ich mir über die Gründe feindlicher Soldaten und Herrscher, warum sie unser Land überfielen, keine Gedanken machen musste.
Die Einsamkeit hinterlässt ein klaffendes Loch in meiner Brust. Es muss mir dringend gelingen, diesen Schmerz zu verarbeiten und in mir einzuschließen. Er darf meine Handlungen nicht beeinflussen. So viele Menschen verlassen sich auf mich. Der Druck ist unglaublich hoch. Ich darf nicht darunter zusammenbrechen.
Ein paar Minuten, die ich heulend auf den harten Holzdielen liege, sollten mir vergönnt sein. Ich werde verdrängen, dass die Soldaten, die über uns herfallen, eigene Leben hatten, sie von eigenen Problemen geschlagen waren, ganz eigene Gründe haben, warum sie nicht scheitern dürfen. Es ist zu viel für mein Herz. Doch es gibt niemanden, dem ich mich anvertrauen kann. Das tut mehr weh als alles andere.
»Es ist an der Zeit. Seid Ihr bereit?« Manekas sucht meinen Blick. Hinter uns drängen sich unsere Truppen zusammen. Lediglich das leise Knarzen der Rüstungen ist zu hören. Hin und wieder klirrt eine Waffe, wenn ein Soldat seine Haltung korrigiert. Gebannte Spannung liegt in der Luft und lässt keinen von uns unberührt.
Ich nicke grimmig. Nein, ich bin nicht bereit. Weder für das, was wir vorhaben, noch für das, was dadurch geschehen wird. Die Einsamkeit und Traurigkeit, weil ich das alles ohne Elevander und Umock durchstehen muss, frisst sich in meine Eingeweide. Alles, was es über unsere Feinde in diesem Lager zu erfahren gab, habe ich in mich aufgesogen. Nun habe ich ein ungefähres Bild ihres Landes, ihres Lebens, ihrer Vergangenheit. Was sie sich hier auf diesem Kontinent erhoffen, hat mir der gegnerische Soldat verraten, bei dessen Befragung ich die Nerven verloren habe. Jetzt wird sich bald zeigen, welche Zukunft sie in unserer Heimat erwartet. Ich hoffe, dass sie nicht lange andauern wird.
Zwischen den Zweigen eines Busches hindurch werfe ich einen Blick auf das gegnerische Lager, das wir überfallen wollen. Leider liegt es nicht so gut versteckte wie das, das wir zuvor aufgesucht haben. Wir können uns nicht ungesehen nähern. Denn zwischen dem Waldstück, in dem unsere gesamte Armee sich versteckt, und dem Lager liegt eine unbewachsene Fläche von mehreren Fuß. Sobald wir zwischen den Bäumen hervortreten, befinden wir uns auf dem Präsentierteller. Wir können unmöglich ungesehen bis zu unseren Gegnern gelangen. Selbst wenn es mir gelingt, uns alle gleichzeitig unsichtbar zu machen, hält der Effekt bei der Menge an Soldaten, auf die ich meinen Zauber anwenden muss, nicht lange genug an.
Manekas’ Ratgeber haben mehrere Varianten eines Ablenkungsmanövers besprochen. Schließlich ist die Wahl auf den Vorstoß einer kleinen Truppe von Soldaten gefallen, für die ich ein Portal hinter sieben Sträuchern direkt neben dem Lager erschaffen soll. Sie werden sich auf unsere Gegner stürzen, damit die unser Vorrücken nicht sofort bemerken.
Es handelt sich um ein Himmelfahrtskommando. Die Männer werden keine Chance gegen die Übermacht unserer Feinde haben. Sie werden innerhalb kürzester Zeit niedergemetzelt werden. Dennoch haben sich einige Soldaten freiwillig gemeldet. Sie scheint kein Zweifel zu quälen, es könnte eine andere Wahl geben, um die Eindringlinge zu verscheuchen. Für mich gilt diese Überzeugung von dem lückenhaften Plan nicht.
Ich habe die Idee für riskant gehalten, aber möglicherweise bleibt uns keine andere Wahl. Vielleicht müssen wir einige unserer Soldaten opfern, um unsere Feinde überwältigen zu können. Nein, der Gedanke will nicht in meinen Kopf. Alles in mir wehrt sich gegen die Vorstellung, wir könnten nur siegen, wenn wir unsere Männer in den unausweichlichen Tod schicken. Erst habe ich versucht, eine Illusion zu erschaffen. Es sollte so aussehen, als würden sich die Soldaten an einem anderen Ort aufhalten, um unsere Gegner abzulenken. Leider hat die Täuschung nicht länger als ein paar Sekunden angehalten.
Auf Situationen wie diese bin ich nicht vorbereitet. Ich habe mich lediglich auf das Erlernen von Sprüchen konzentriert, habe mich mit den Finten der Kriegsführung nie auseinandergesetzt. Welcher Weg der richtige ist, kann ich nicht entscheiden. Mein Großvater hätte diese Rolle übernehmen sollen. Er wäre dafür zuständig, jetzt den geeigneten Rat zu geben. Doch er hat mich im Stich gelassen. Schon bevor durch Umocks Verschwinden die Verbindung zu Oremazz abgerissen ist, hatte ich nicht mehr das Gefühl, mich auf ihn verlassen zu können. Ich habe begonnen, an ihm zu zweifeln. Ich ahne, er hätte auch kein Problem damit, den Tod einiger Weniger für das große Ganze in Kauf zu nehmen. Er würde sich nicht mit der Schuld belasten, die er mit der Billigung dieses Plans auf seine Schultern lädt.
Verrückterweise denke ich, Umock würde sich nicht auf diese Idee einlassen. Wieso ich davon so überzeugt bin, kann ich nicht sagen. Vermutlich höre ich eine Stimme in meinem Herzen, die immer noch daran glauben will, dass er kein bösartiges Wesen ist und etwas Gutes in ihm steckt. Ich muss mich selbst daran erinnern, dass er mich verlassen hat, dass er gegangen ist, ohne mich darüber zu informieren, ohne uns den Schutz zu bieten, den er uns versprochen hat. Er hat mich enttäuscht und mein Herz gebrochen. Ich sollte in einem Moment wie diesem gar nicht an ihn denken.
Dennoch sehne ich ihn an meine Seite herbei. Ich vermisse ihn. Seine Frechheit. Seine Herausforderung. Seine Fähigkeit, mich zur besten Version meiner selbst zu machen. Auf sein Urteil habe ich mich vor Kurzem noch blind verlassen. Wenn er behauptet hätte, es gäbe keinen anderen Weg, hätte ich ihm geglaubt. Aber er hätte mir einen Ausweg aufgezeigt. Zweifellos hätte er eine andere Möglichkeit gefunden, mit dieser verfahrenen Situation umzugehen. Er hätte seine Armee von Nebelseelen eingesetzt, um die gegnerischen Soldaten zu bekämpfen. Er hätte Nebel verwendet, um unsere Feinde zu verwirren …
»Wartet!«, fordere ich aufgeregt. »Einen Augenblick, bevor wir tun, was Ihr mir aufgetragen habt. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, das Leben der Freiwilligen zu verschonen.«
Manekas fragt nicht nach. Er vertraut mir, ohne zu wissen, was ich geplant habe. Das ist etwas, wofür ich ihm später danken muss. Jetzt allerdings muss ich die Magie in mir versammeln und einen Zauber versuchen, der alle Energie benötigen wird, die ich aus der Luft aufsaugen kann.
Ich schließe die Augen, um alles um mich herum auszublenden. Mein Herz brennt mit Sehnsucht nach Umock, doch ich schiebe den Gedanken an ihn beiseite. Er hat mir die Idee für diesen Zauber geschenkt. Alles andere darf jetzt keine Rolle spielen. Meine Gefühle für ihn müssen verblassen, auch wenn sie jetzt noch wie Flammen in meinem Herzen lodern.
Die Luft um mich herum wirkt wie elektrisiert. Unsere Gegner haben offensichtlich von der Zerstörung des mysteriösen Geräts nichts bemerkt. Sie gehen ihren üblichen Tätigkeiten in Lagern nach. Für mich hat sich allerdings etwas verändert. Die Energie, die ich vor dem heutigen Tage um mich herum gespürt habe, fühlt sich jetzt viel intensiver an. Hätte ich diese Erfahrung gemacht, wenn ich meine Zauberlehre begonnen hätte, bevor unsere Feinde die dunkle Wolke über unseren Kontinenten geschoben haben? Sind sie in der Lage gewesen, unsere Magie zu beschneiden, auf die ich jetzt endlich ungehindert zugreifen kann?
Diese Kraft ist so viel stärker als die, die ich nach der Anrufung der Götter erhalten habe. Wieder fehlt mir der passende Spruch, mit dem ich den von mir geplanten Zauber wirken kann. Dieses Mal suche ich allerdings nicht nach Worten, die ich für meine Bedürfnisse abwandeln kann. Nun wage ich etwas, das eigentlich den Großen Zaubermeistern vorbehalten ist. Ich lasse die Magie durch mich wirken, lasse mir die notwendigen Worte vom Universum eingeben. Wenn die Götter auf unserer Seite sind, werden sie mich unterstützen und mir die Macht geben, die ich benötige.
Der Spruch steht plötzlich deutlich vor meinen Augen. Ich murmle ihn leise, lege alle Magie, zu der ich fähig bin, in die Worte. Mein Körper erzittert, doch ich halte die Vibrationen aus, stelle mich dieses Mal aus freiem Willen als Werkzeug für die Energie der Götter zur Verfügung. Die Magie fließt durch mich hindurch, strahlt ins Freie, leuchtet weiter, bis ich glaube, keine Kraft sei mehr in mir selbst enthalten.
Hinter mir höre ich jemanden verwundert murmeln. Ich kann an den Auren der Soldaten um mich herum spüren, dass sie es mit der Angst zu tun bekommen. Habe ich versagt? Hat mein Spruch nicht funktioniert? Sind wir bemerkt worden?
Besorgt reiße ich die Augen auf und sehe mich um. Unsere Truppen scheinen nicht in Gefahr. Unsere Gegner allerdings springen auf und starren auf den Boden. Einige klettern auf die Baumstämme, die sie als Sitzmöglichkeit genutzt haben. Die Aufregung nimmt zu. Jetzt ist deutlich sichtbar, was sie verunsichert.
Aus der Erde steigt Nebel auf. Nicht so dicht und intensiv, wie von mir geplant. Mein Spruch hat dennoch funktioniert. Die Dunstwolken, die sich langsam aus dem niedergetrampelten Gras erheben, breiten sich im ganzen Lager aus. Die Krieger wissen nicht, was mit ihnen passiert.
»Ein kluger Schachzug, die Fähigkeiten des Königs zu verwenden«, sagt Manekas zufrieden. Bevor ich ihn korrigieren kann, sieht er mich fragend an. »Jetzt?«
Ich schüttle den Kopf. Es spielt keine Rolle, ob unser Fürst weiß, dass ich den Zauber erschaffen und etwas getan habe, von dem ich nicht einmal geahnt habe, dass ich dazu in der Lage bin. Wir müssen die Gelegenheit nutzen, bevor unsere Feinde herausfinden, wieso der Nebel so plötzlich aufgetaucht ist.
Hastig murmle ich einen Spruch, der uns unsichtbar macht. Ich sauge die Energie der Umgebung ein, lege alle Macht, derer ich habhaft werden kann, in diesen Zauber. Obwohl ich erschöpft bin und meine Eingeweide brennen, fahre ich fort, bis ich nach Luft ringend zur Seite kippe.
»Geht es Euch gut?«, fragt Manekas besorgt.
Für eine Antwort fehlt mir die Kraft. Ich schließe die Augen, sammle noch ein letztes Mal meine Kräfte. Dann versuche ich einen Zauber, der die Geräusche verschlucken soll, die unsere Truppen beim Vorwärtsstürmen zwangsläufig verursachen werden. Frustriert unterdrücke ich ein Seufzen. Das wird nicht reichen, um uns völlig lautlos zu machen. Mehr kann ich im Moment allerdings nicht tun.
Nach dem Öffnen meiner Augen suche ich den Blick unseres Fürsten. »Jetzt!«
Er nickt mir zu und gibt den Befehl dann weiter. In der nächsten Sekunde verlassen unsere Soldaten die Deckung und laufen los. Sie versuchen, unseren Feind zu umkreisen. Von meiner Position aus kann ich beobachten, wie sie sich verteilen. Obwohl ich sie bei diesem Kampf unterstützen sollte, bin ich zu müde, um mich aufzurichten. Meine Kräfte sind erschöpft. Jetzt liegt es an unseren Männern, den kleinen Vorteil zu nutzen, den ich ihnen verschaffen konnte.
Mühsam stemme ich meine Hände gegen die Erde und hebe den Kopf. Absolutes Chaos herrscht um das Lager herum. Die feindlichen Krieger wissen nicht, was mit ihnen geschieht. Gegen einen unsichtbaren Angreifer zu kämpfen, während Nebel sie einhüllt, bringt sie an ihre Grenzen. Sie schlagen wild um sich, ohne unseren Männern tatsächlich Schaden zuzufügen.
Alles in mir drängt darauf, mich ebenfalls in das Kampfgewühl zu stürzen, doch ich bin nicht in der Lage, auch nur aufzustehen. Ich möchte noch einen Zauber sprechen, der die Unsichtbarkeit unserer Männer lange genug aufrechterhält. Unter Umständen gelingt es uns, unsere Gegner zu überwältigen, bevor wir ihnen wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Schon jetzt kann ich beobachten, wie einige unserer Soldaten bereits als Umrisse von unseren Gegnern wahrgenommen werden können.
Nein, es ist zu früh! Die Männer haben unsere Feinde in der Mitte des Lagers zusammengedrängt. Wenn ich jetzt einen Spruch anwenden kann, der ihre Bewegungsfreiheit einschränkt, können wir sie überwältigen. Unsere Truppen brauchen mich, um die Zahl der Verletzten so gering wie möglich zu halten. Ich muss meine Kräfte sammeln. Jetzt.
Meine Arme zittern, als ich mich weiter hochstemme. Meine Beine versagen den Dienst. Das Gefühl ist aus ihnen verschwunden. Ganz offensichtlich habe ich zu viel Magie verwendet, sodass mein Körper von der Anstrengung ausgelaugt ist. Verzweifelt spüre ich, wie Tränen in meine Augen treten. Mein Inneres schmerzt. Ich fühle mich leer und ausgehöhlt, als würde ich Durst leiden. Wasser wird meine Beschwerden allerdings nicht lindern. Was ich brauche, ist Energie. Mein Körper scheint jedoch zu schwach, um sie aufsaugen zu können, obwohl sie unzweifelhaft noch immer um mich herumschwirrt.
Wie schwach ich bin! Wie erbärmlich! Umock hat mich davor gewarnt, mich zu übernehmen. Schon einmal war ich kurz davor, ein Opfer meiner eigenen Energie zu werden. Damals ist Umock eingeschritten. Er hat mich beim letzten Mal gerettet, indem er einen Zauber gesprochen hat. Leider ist er nun nicht hier, um mich zu unterstützen.
Die Tränen beginnen zu laufen. Ich flehe die Götter an, mir zu helfen, doch nichts passiert.
Tatenlos muss ich mitansehen, wie nach und nach alle unsere Männer sichtbar werden. Noch verwirrt der Nebel unsere Feinde. Langsam scheint allerdings auch dieser Effekt nachzulassen. Ich kann beobachten, wie einige gegnerische Krieger die Reihen unserer Leute durchbrechen und davonlaufen. Vermutlich wollen sie die anderen Truppen warnen? Wissen sie, wo sich ihre Verbündeten aufhalten?
Der Rest der Krieger kämpft verbissen darum, von unseren Soldaten nicht überwältigt zu werden. Es gelingt ihnen, einige von uns zu verletzen. Doch die Männer sind zu viele, lassen in ihrem Bemühen nicht nach, unsere Feinde auszuschalten. Schwerter klirren. Verwirrend wenige Schreie sind zu hören, obwohl mein entsprechender Zauber inzwischen seine Kraft verloren haben muss. Alle sind fokussiert. Jeder weiß, was auf dem Spiel steht.
Ich schiebe mich langsam vorwärts. Obwohl meine Beine immer noch nicht meinen Befehlen gehorchen, krieche ich näher an das Schlachtfeld heran. Ich bin zu langsam. Mir ist bewusst, in diesem Zustand nicht kämpfen zu können. Doch ich will für unsere Leute da sein. Ich möchte eingreifen können. Sobald die Magie in meinen Körper zurückkehrt, werde ich Sprüche anwenden, um ihnen zu helfen.
Die Soldaten haben unsere Gegner eingeschlossen. Die Krieger haben uns nichts mehr entgegenzusetzen. Statt sich gefangen nehmen zu lassen, stößt sich einer der Männer die Klinge selbst in den Bauch. Andere folgen seinem Beispiel. Wieder fließt so viel mehr Blut, als eigentlich müsste.
»Nein!«, brülle ich. In meinem Kopf suche ich einen Spruch, der sie daran hindern soll, sich selbst zu richten. Obwohl ich die Worte laut ausspreche, passiert nichts. Ich habe nicht genug Macht, um die Magie wirken zu lassen. Entsetzt muss ich zusehen, wie unsere Feinde sich selbst töten.
Das Grauen über diese Tat lässt auch die Soldaten unserer Armee nicht kalt. Sie treten zurück, starren schockiert auf das Schauspiel, das sich ihnen bietet.
Warum fehlt es diesen Männern an Überlebenstrieb? Wieso kämpfen sie nicht für sich selbst? Sie müssten nur ihre Waffen niederlegen, dann würde ihnen nichts passieren. Ich würde nicht zulassen, dass sie niedergemetzelt werden. Dazu habe ich viel zu viele Fragen an sie. Wollen sie tatsächlich verhindern, dass wir sie ihnen stellen können? Haben sie Angst vor dem, was sie in Gefangenschaft erwartet, oder fürchten sie das, was mit ihnen passiert, wenn ihrem Fürsten klar wird, dass sie ihn enttäuscht haben?
Ich werde es nicht erfahren. Wieder haben die Männer den Tod vorgezogen. Unsere Truppen quittieren es mit Jubelschreien, nachdem der erste Schock nachgelassen hat. Wir alle wissen, dass uns dadurch erspart geblieben ist, weitere Verletzte auf unserer Seite in Kauf zu nehmen, um alle Feinde zu überwältigen.
So viele Tote. So viele verschwendete Menschenleben. Mögen sie auch unsere Feinde sein, die leblosen Körper, deren Blut die Erde tränkt, sind ein unnötiges Opfer für jemanden, der seinen Fuß nicht einmal auf unseren Kontinenten gesetzt hat. Ob tatsächlich alle tot sind? Ich bin zu weit weg, um auch nur einen von ihnen retten zu können. Unsere Soldaten halten nicht nach mir Ausschau. Sie werden mich nicht holen kommen. Außerdem habe ich keine Magie in mir, mit der ich die notwendigen Zauber wirken könnte. Es würde auch keinen Unterschied machen. Einer der Soldaten, die ich nach der letzten Schlacht gerettet habe, ist kurz vor unserem Aufbruch in unserem Lager verstorben. Ich habe dem Tod nur ein paar Minuten abgerungen, um meine Fragen stellen zu können. Nein, gegen diesen Gegner bin ich machtlos.
Wie demütigend! Wie unnötig ich mich fühle! Tränen laufen über mein Gesicht. Ich rolle mich auf den Rücken und starre durch die Tränenflut in den Himmel. Was, wenn ich meine Magie verloren habe? Was, wenn ich durch meine Überanstrengung die Verbindung zur Energie unserer Götter getrennt habe? Was, wenn ich nicht mehr von Nutzen bin?
Es wäre eine Katastrophe. Die Soldaten, die vor uns geflohen sind, werden den Rest ihrer Truppen informieren. Unsere Gegner werden vorgewarnt sein. Wir müssen uns auf eine Schlacht vorbereiten, wie sie uns in Medisia erwartet hat. Auch wenn wir jetzt mit unseren Truppen in der Überzahl sind, wissen unsere Feinde von unserem Kommen. Sie werden sich von uns nicht übertölpeln lassen. Jetzt müssen wir beweisen, dass wir uns nicht unterwerfen lassen, auch wenn sich uns Kräfte in den Weg stellen, auf die wir noch niemals getroffen sind.
Unser Fürst verlässt sich auf mich. Er weiß nicht, dass ich weder auf die Hilfe von Umock zählen kann, noch zu Beginn die Zauber selbst gewirkt habe. Ich werde ihm gestehen müssen, von Oremazz’ Macht dazu bemächtigt worden zu sein, ihm zu helfen. Auch wenn ich ohne die beiden mächtigen Männer erfolgreich Magie eingesetzt habe, steht außer Frage, dass meine Fähigkeiten beschränkt sind. Mir bleiben nur ein paar Stunden, um herauszufinden, ob ich überhaupt noch einmal in der Lage bin, genug Energie für einen neuen Spruch in mir zu versammeln. Manekas muss erfahren, dass ich ihn enttäuscht habe. Nicht einmal einen ganzen Tag ist es mir gelungen, die beste Version meiner selbst zu sein. Ich habe es nicht geschafft, der Mensch zu werden, der ich werden wollte. Die Zeit der Täuschung ist vorbei.
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