Kitabı oku: «Seewölfe Paket 19», sayfa 17
Gustave Le Testu schob sich an Jerry Reeves heran.
„Jetzt sind wir an der Reihe“, flüsterte der Hugenotte in das Ohr seines Kapitäns. „Wir wollen schließlich auch unseren Beitrag leisten.“
„Einverstanden“, erwiderte Jerry.
Gustave, der Mann mit dem schmalen Oberlippenbärtchen, pirschte ohne Umschweife los. Ihm folgte Montbars, der Korse, dessen graues Haar einen ungewöhnlichen Kontrast zu seinen jettschwarzen Augen bildete.
Dritter im Bunde war der hagere Albert mit dem wirren schwarzen Haar. In Quimper an der französischen Atlantikküste war er als der Bucklige bekannt gewesen. Den falschen Buckel trug er schon lange nicht mehr unter dem langen schwarzen Umhang, und auch seine durchtriebenen Machenschaften gehörten der Vergangenheit an.
Während sie warteten und den drei Männern nachschauten, mußten Jerry Reeves und seine Gefährten ungewollt an die Ereignisse an der bretonischen Küste zurückdenken. Damals, als sie den Seewolf als einen zuverlässigen und gerechten Freund kennengelernt hatten, waren auch Gustave Le Testu und die anderen beiden zu ihnen gestoßen.
Gustave hatte eine Bande von Wegelagerern befehligt, mit der er Heinrich von Bourbon zu schaden versucht hatte, wo er nur konnte. Aber dann war die Bande von französischen Soldaten aufgerieben worden, und Gustave und Montbars waren die einzigen Überlebenden gewesen.
Dunkelheit verschluckte die beiden Franzosen und den Korsen im felsigen Küstenbereich. Minuten verstrichen, ohne daß ein Laut zu hören war. Dann, plötzlich, tauchten die Silhouetten der drei Männer im Lichtschein auf. Gustave war es, der kurz den Arm hob und winkte.
Jerry und die anderen setzten sich in Bewegung. Kurz darauf sahen sie, daß Gustave, Montbars und Albert ihr tödliches Handwerk mit jener unerbittlichen Zuverlässigkeit erledigt hatten, die damals in Frankreich dazu geführt hatte, daß sogar der Königshof auf sie aufmerksam, geworden war.
Auch diese Geschützstellung wurde in der schon gewohnten Weise zerstört. Es gab zwei Rohre weniger, die den Schiffen des Seewolfs schaden konnten. Allein das war schon ein Erfolg. Aber es reichte nicht. Die eigentliche Aufgabe stand noch bevor.
Auf dem weiteren Weg in Richtung Südosten erreichten Jerry und seine Männer bald darauf einen Trampelpfad, der von der Küste weg ins Innere der Insel führte. Jerry überlegte nicht lange und entschied sich für diesen Pfad. Wohin er auch immer führen mochte – er wurde von Menschen benutzt und mußte demzufolge eine Bestimmung haben.
Sie zogen die Entermesser, denn mit bösen Überraschungen war jetzt eher zu rechnen. Wieder übernahm der Kapitän der „Tortuga“ die Spitze seines Trupps. Beim Vordringen wurde nach allen Seiten gesichert. Mit zunehmender Vegetation setzten sehr bald auch Geräusche ein. Die Tierwelt im Dickicht beiderseits des Pfades kümmerte sich nicht um den menschlichen Lebensrhythmus und gab auch zu dieser späten Stunde keine Ruhe.
Der Schatten tauchte so plötzlich hinter einer Wegbiegung auf, daß selbst Jerry Reeves erschrak.
Er prallte mit dem Mann zusammen, der einen entsetzten Quieklaut ausstieß. Jerry reagierte dennoch blitzschnell. Mit der Linken packte er zu, riß die Gestalt herum, umklammerte sie und preßte ihr die Klinge des Entermessers an die Kehle.
Der andere begann zu zittern.
„Wer bist du?“ zischte Jerry. „Was hast du hier zu suchen?“ Da es sich nicht um einen Mann der Geschützbedienungen handelte, war nicht von vornherein anzunehmen, daß er aus den Reihen der Black Queen stammte.
„Mei-mein Name ist – Emile Boussac“, wisperte der andere mit vibrierender Stimme.
Jerry horchte auf.
„Boussac?“ flüsterte er erstaunt. „Der Schankwirt aus El Triunfo?“
„Ja, der bin ich. Aber woher …?“
„Du hast zwei Freunden von uns geholfen. Wenn du vernünftig bist, lasse ich dich los.“
„Ich war schon immer ein vernünftiger Mensch“, versicherte der Franzose eilfertig. „Die beiden Freunde, von denen du gesprochen hast, waren das etwa Monsieur Ribault und sein schweigsamer Begleiter?“
„So ist es.“ Jerry Reeves löste seinen Griff.
Emile Boussac atmete erleichtert auf und strich seine Kleidung glatt. Stoker schob sich vorbei, um die Sicherung nach vorn zu übernehmen. Am Schluß der kleinen Marschformation war Gustave Le Testu auf dem Posten.
„Die Kanonenschüsse“, hauchte Boussac, „und jetzt ihr, heimlich, still und leise! Die Black Queen ist in Aufruhr – alles zusammen bedeutet doch wohl, daß ein Angriff bevorsteht.“
„Mir ist lieber, wenn ich es bin, der die Fragen stellt“, entgegnete Jerry Reeves. „Dir passiert nichts, wenn du uns erzählst, wie die Lage auf Tortuga ist.“
„Warum denn nicht?“ sagte Emile Boussac leichthin. „Ich stehe doch eher auf eurer Seite.“ Mit einem nicht endenden Wortschwall berichtete er zunächst, daß er in der Berglandschaft herumgeschlichen sei, um das eingezäunte Lager zu suchen, in das man seine bedauernswerten Mädchen gesperrt habe.
Aus dem weiteren Redefluß des drahtigen Franzosen notierte Jerry Reeves nur das Wesentliche in seinem Gedächtnis. Nach dem Geschützdonner, der von der Nordseite der Insel herübergeweht war, hatte die Black Queen sofort alle verfügbaren Kräfte mobilisiert. Der Zweidecker und die „Aguila“ waren klar zum Auslaufen, während die „Vascongadas“ offenbar die Verteidigung der Hafenbucht übernehmen sollte.
Die Siedler um Willem Tomdijk hatten sich allesamt in den Grotten der Kneipe „Zur Schildkröte“ versammelt. Sie hatten beschlossen, sich aus allem herauszuhalten.
Jerry Reeves war mehr als zufrieden, dies zu hören. Der Unsicherheitsfaktor, der dem Seewolf am meisten Kopfzerbrechen bereitet hatte, war damit aus der Welt geräumt. Es bedeutete kein Problem mehr, die Unbeteiligten aus den Kampfhandlungen herauszuhalten.
Die Leute aus El Triunfo waren in der „Schildkröte“ in Sicherheit. Und die Pariserinnen waren von der Black Queen selbst in Sicherheit gebracht worden, ohne daß die Schwarze dies vermutlich jemals beabsichtigt hatte.
„Sehr gut“, sagte Jerry, als der andere seine heruntergehaspelte Schilderung beendete. „Wenn du auf unserer Seite stehst, kannst du uns jetzt noch einen Gefallen tun. Kennst du dich auf Tortuga schon einigermaßen aus?“
„Ich habe mir alle Plätze angesehen, wo man vielleicht eine zweite Kneipe einrichten könnte.“
„Wir brauchen mindestens zwei Einmaster“, sagte Jerry, „und zwar so, daß niemand etwas davon mitkriegt.“
Die Augen Emile Boussacs leuchteten verstehend in der Dunkelheit. Mit einem erneuten Wortschwall versicherte er nach kurzem Nachdenken, daß er genau die richtige Stelle wüßte.
In der Tat erwies sich die Behauptung des Franzosen als nicht übertrieben. Auf Schleichwegen führte er die Männer von der „Tortuga“ zu einer abseits gelegenen kleinen Bucht. Mehrere Einmaster lagen dort vertäut. Die Eigentümer hatten sich ohnehin aus den nahen Hütten zurückgezogen und im Inneren der Insel verkrochen.
Jerry Reeves entschied sich für zwei Pinassen, auf die er seine Männer verteilte. Boussac entließ er, nachdem er ihm das Versprechen abgenommen hatte, kein Wort über die nächtliche Begegnung zu verlieren. Minuten später wurden die Leinen der beiden Einmaster gelöst und die Segel gesetzt. Außerhalb der Bucht gingen sie sofort auf Nordkurs.
8.
Rings um die Hafenbucht von Tortuga war es still geworden. Auch hier hatten sich die Bewohner der Hütten zurückgezogen. Sie waren aus Erfahrung klug geworden. Oft genug war in der letzten Zeit die wahre Hölle losgebrochen. Wer auch immer sich in der Bucht oder vor der Bucht Gefechte lieferte – man konnte nie wissen, ob nicht einmal eine volle Breitseite versehentlich an Land einschlug.
Emile Boussac empfand leises Unbehagen, als er sich durch die unbefestigten Gassen der Bucht näherte. Die Leute waren vernünftiger als er. Die meisten von ihnen hockten wahrscheinlich zusammen mit Willem Tomdijk und seiner Anhängerschar bei Diego in der „Schildkröte“. Oder sie hatten sich andere beschauliche Plätze in einem sicheren Gebiet der Insel ausgesucht.
Emile sagte sich, daß er ein verdammter Narr war, jetzt noch zur Bucht zu gehen. Aber da war eine seltsame Art von Jagdfieber, das ihn gepackt hatte. Die Jagd nach Informationen konnte unter Umständen wichtiger sein als ein Gefecht auf See. Das begriff er jetzt, nachdem er den Freunden Jean Ribaults sein Wissen preisgegeben hatte.
Wußte er denn, ob nicht vielleicht ein zweites geheimes Landeunternehmen stattfand? Vielleicht konnte er noch einmal mit wichtigen Nachrichten zu Diensten sein. Möglich auch, daß sich so etwas auszahlte, wenn nicht in klingender Münze, dann doch auf die eine oder andere lohnende Weise.
Emile Boussac, der kleine Schankwirt aus El Triunfo, empfand plötzlichen Stolz darüber, wie bedeutend seine Person geworden war – und noch werden konnte. Nur durch die Weitergabe seines Wissens trug er vielleicht entscheidend zur Entwicklung des Geschehens auf Tortuga bei.
Verblüfft verharrte er, als er den Strand erreichte.
Alle drei Schiffe lagen noch in der Bucht – die „Caribian Queen“ die „Aguila“ und die „Vascongadas“. Das Laternenlicht enthüllte hektisches Treiben auf den Decks. Kisten und Fässer wurden aus längsseits liegenden Schaluppen und Pinassen an Bord gehievt. Zweifellos handelte es sich um Munitionsvorräte, die in die Pulverkammern verfrachtet wurden.
Die Black Queen mußte also einen Schiffsausrüster aufgetrieben haben, der sich bereit erklärt hatte, sie zu beliefern. Auf Tortuga, soviel hatte Emile Boussac mittlerweile begriffen, war das Unmögliche möglich. Hier gab es die denkwürdigsten und unvermutetsten Vorratsquellen. Man mußte nur dem richtigen Mann den richtigen Preis zahlen, dann gab es nichts, was man nicht erhalten konnte.
In seinem Hinterkopf notierte Emile Boussac die Tatsache, daß sich die Black Queen mit zusätzlicher Munition versorgt hatte, eine wichtige Erkenntnis, die vielleicht für die gegnerische Seite noch von Bedeutung war.
Er ging ein paar Schritte weiter und stutzte, als er eine kleine Jolle an einem der Stege liegen sah. Solche Beiboote wurden nur an Bord der großen Galeonen mitgeführt. Es handelte sich also nicht um ein Boot, das irgend jemandem gehörte, der hier zu Hause war.
Emile fand keine Zeit mehr, weiter über seine Beobachtung nachzudenken.
Das Geräusch, das er plötzlich hinter sich hörte, war nicht mehr als ein Huschen. Schreck durchzuckte ihn. Er kreiselte herum und streckte abwehrend die Arme aus. Zu spät.
Die Silhouette, die ihn ansprang, war schneller. Emile fühlte sich jäh in einem eisenharten Griff. Die Arme wurden ihm auf den Rücken gerissen, und erst jetzt sah er aus den Augenwinkeln heraus, daß es Caligula war, der ihn mit brutaler Gewalt festhielt.
Aus dem Dunkel trat die Black Queen. Das Weiße ihrer Augen leuchtete. Ein spöttischer Glanz schien darin zu liegen.
„Was hast du hier zu suchen, du lausiger Hurenbändiger?“ fauchte sie ihn an.
„Ich? Nichts, gar nichts“, stammelte Emile. „Hab mir nur ein bißchen die Beine vertreten.“
„Du lügst.“
„Natürlich lügt er“, fügte Caligula mit glucksendem Lachen hinzu. „Bestimmt sucht er Verbündete, mit denen er seine hübschen Püppchen befreien kann. Er denkt wohl, daß die Gelegenheit günstig ist, wenn wir was anderes zu tun haben.“
„Himmel, nein“, beteuerte Emile, „so ist es nicht, wirklich nicht.“
„Nein? Wie ist es denn?“ entgegnete die Black Queen, und der Spott lag jetzt unüberhörbar in ihrer Stimme.
Emile Boussac brachte seine Gedanken in rasender Schnelligkeit in geordnete Bahnen. Wenn er keine plausible Antwort fand, brachte sie es fertig, ihn zu foltern oder gar Schlimmeres mit ihm anzustellen. Jäh erwachte seine Händlerseele. Aber ja, schrie es in ihm, tu es!
Wenn er der einen Seite von Nutzen war, konnte er es der anderen ebenso sein. Aber es mußte sich natürlich lohnen. Umsonst würde er mit seinem Wissen nicht herausrücken, diesmal nicht.
„Du mußt ja lange darüber nachdenken“, knurrte Caligula in sein Ohr. „Soll ich dir mal auf die Füße treten?“
„Nein, nein“, sagte Emile hastig. „Ich weiß nur nicht, wie ich es erklären soll.“
„Spuck’s einfach aus“, forderte die Black Queen barsch, „dann ersparst du dir unnötige Schwierigkeiten.“
„Es handelt sich“, Emile ächzte, denn der hünenhafte Neger lockerte seinen schmerzhaften Griff um keinen Deut, „um Beobachtungen, die – hm, sagen wir – strategisch wichtig sein könnten. Was ist es dir wert, Madam, wenn ich ein bißchen darüber berichte?“
Die Black Queen wurde hellhörig. Es fiel nicht schwer, zwei und zwei zusammenzuzählen: Geschützdonner vor der Nordküste, Boussac schlich in der Gegend herum. Irgend etwas mußte sich abgespielt haben.
„Du weißt also etwas“, sagte sie gedehnt und tat, als dächte sie angestrengt nach. Dann gab sie sich einen gespielten Ruck. „Also gut: Ich werde deine Mädchen auf der Stelle freilassen, wenn du mit mir zusammenarbeitest. Vorausgesetzt, deine Neuigkeiten sind wirklich von Bedeutung.“
„Ich denke schon“, entgegnete Emile mit geschwellter Brust, „was würdest du sagen, wenn ich dir verrate, daß die Angreifer schon auf der Insel waren?“
Der Black Queen und auch Caligula verschlug es die Sprache.
„Rede“, sagte die Schwarze dann zähneknirschend, „und zwar schnell.“
Emile Boussac ließ die Worte sprudeln. Wenn seine Mädchen freikamen, war das bares Geld wert. Einen besseren Lohn konnte er nicht erwarten. Also schilderte er alle Einzelheiten über das Zusammentreffen mit Jean Ribaults Freunden und darüber, wie er sie zu der Nebenbucht geführt hatte, wo sie mit zwei Pinassen davongesegelt waren.
„Ist das alles?“
„Im Augenblick ja. Aber ich werde gern weiter Augen und Ohren offenhalten und …“
„Nicht nötig“, unterbrach ihn die Queen eisig. Mit einem jähen Ruck riß sie das handtellerbreite Messer aus dem Gurt.
Emile Boussac spürte, wie sein Herz aussetzte. Die Todesangst lähmte ihn. Viel zu spät schaffte er es, den Mund aufzureißen. Aber den Schrei brachte er nicht mehr hervor.
„Wenn du andere verrätst, verrätst du auch mich“, sagte die Schwarze und stach zu. Dreimal hintereinander, bis sie sicher war.
Caligula ließ den Toten fallen.
„Ein Segen“, sagte er, „wenn wir nicht zufällig noch mit dem Munitionshändler gefeilscht hätten, wäre diese französische Ratte ungestraft davongekommen.“
„Und wir wüßten nicht, was wir jetzt wissen“, sagte die Black Queen nachdenklich. „Ich frage mich nur, was die Kerle mit zwei Pinassen wollen.“
„Keine Ahnung. Vielleicht wollen sie ihre ganze Horde an der Nordseite landen lassen. Mit den Pinassen schaffen sie das dreimal so schnell wie mit ihren Jollen. Vielleicht sollten wir bei den Geschützstellungen erhöhte Alarmbereitschaft anordnen.“
„Möglich, daß du recht hast. Wir schicken auf jeden Fall einen Boten. Aber jetzt schleunigst an Bord. Ich will aus der verdammten Bucht heraus, bevor es zu spät ist. Die ‚Buena Estrella‘ müßte auch jeden Moment aufkreuzen.“
Caligula widersprach nicht. Er wartete, bis seine Gefährtin auf der mittleren Ducht Platz genommen hatte. Dann wriggte er das Boot hinaus, auf den Zweidecker zu.
Die fünf Schiffe des Verbandes von der Schlangen-Insel hatten die vereinbarte Position beibehalten.
Zweieinhalb Seemeilen nördlich von Tortuga stießen Jerry Reeves und seine Gefährten zu den Verbündeten. Nachdem die beiden Pinassen längsseits der „Isabella“ vertäut worden waren, begab sich Jerry sofort in die Kapitänskammer.
Stoker, Mulligan und die anderen blieben an Deck, um bei der Arbeit mitzuhelfen, die jetzt in aller Eile zu erledigen war. Unter der Anleitung von Ferris Tucker wurden die beiden Einmaster auf ihren Einsatz vorbereitet.
Mit Jerry Reeves war die Versammlungsrunde in der Kammer des Seewolfs komplett. Alle wandten sich ihm in gespannter Erwartung zu: Hasard, Arne von Manteuffel, Thorfin Njal, Jean Ribault und Siri-Tong.
Jerry setzte sich und bedankte sich mit einem Nicken für das Glas Rotwein, das Hasard ihm zuschob. Dann berichtete er über die erfolgreiche Mission. In knappen Worten beschränkte er sich auf das Wesentliche.
„Die ‚Buena Estrella‘ ist uns auf dem Rückweg begegnet“, schloß er, „allerdings waren wir weit genug entfernt, und sie hatten auch genug mit sich selbst zu tun.“
„Haben sie das Feuer an Bord gelöscht?“ fragte der Seewolf.
„Ja“, erwiderte Jerry. „Wenn wir richtig gehört haben, waren sie schon dabei, die Schäden auszubessern.“
„Habt ihr noch mehr Geschützstellungen an der Küste gesehen?“ erkundigte sich der Wikinger mit dröhnendem Organ.
„Nur die Lichter. Auf alle Fälle gibt es jede Menge von diesen behelfsmäßigen Stellungen. Uns haben sie entweder nicht bemerkt, oder sie konnten nicht rechtzeitig reagieren. Diese Pinassen sind nämlich verteufelt schnell.“
„Genau das, was wir brauchen“, sagte Jean Ribault und nickte zufrieden. Er warf einen Blick zu Siri-Tong hinüber.
Ein kaum merkliches Lächeln entstand in den Mundwinkeln der Roten Korsarin. Aber in ihren Augen zeigte sich ein harter Glanz, der ihre eisige Entschlossenheit spiegelte.
„Wenn alles vorüber ist, werden wir den Schaden ersetzen“, sagte Hasard. „Diego wird die Eigentümer der Pinassen ermitteln und ihnen das Geld in unserem Auftrag auszahlen.“
„Noch ist nicht alles vorüber“, entgegnete Siri-Tong pessimistisch, „ich glaube nicht daran, bevor ich den Zweidecker mit eigenen Augen sinken sehe. Diese Schwarze ist einfach zu gerissen.“
„Welch ein Kampfmoral!“ rief Arne von Manteuffel mit gespieltem Vorwurf. „Laß das auf unsere Männer abfärben, und wir nehmen am besten gleich wieder Kurs auf die Schlangen-Insel.“
„Siri-Tong meint es nicht so, wie du denkst“, sagte Jean Ribault, „wir haben nur schon zuviel mit dieser sogenannten Queen erlebt. Uns wundert nichts mehr.“
Der Seewolf beendete die beginnende Debatte mit einer energischen Handbewegung.
„Fassen wir zusammen: Selbst wenn man Abstriche an Boussacs Glaubwürdigkeit vornimmt, sind die Informationen doch wertvoll genug, um die Lage einigermaßen richtig einzuschätzen. Die Black Queen hat auf ihrer Seite nur die Schiffsbesatzungen. Und die sind auch vermindert um die Leute, die die Geschützstellungen in den Felsen besetzt haben.“
„Minus sechs“, warf Jerry Reeves ein.
Hasard nickte.
„Das habe ich nicht vergessen. Zur Sache also: Das einzige, was wir jetzt noch zu klären haben, ist die Frage der beiden Brander.“
„Was gibt es da noch zu klären?“ rief die Rote Korsarin aufbrausend. „Es stand von vornherein fest, daß Jean und ich die Pinassen ins Ziel steuern.“
„Allerdings“, fügte Ribault bekräftigend hinzu, „wenn wir diese Aufgabe übernehmen, dann wissen wir, warum. Gibt es jemanden, der einen besseren Grund hat als wir? Siri-Tong und ich haben eine verdammt persönliche Rechnung mit dem schwarzen Satansweib zu begleichen.“
„Es war euer Vorschlag, die Brander zu übernehmen“, stellte Hasard richtig, „unumstößlich war das meines Erachtens noch nicht. Ich meine, daß jeder bei seinen Entscheidungen einen klaren Kopf haben sollte. Wollt ihr das nicht noch einmal überdenken?“
„Nein“, entgegnete die Rote Korsarin prompt.
„Nein“, sagte auch Jean Ribault spontan.
„Also gut.“ Hasard zuckte mit den Schultern und lächelte. „Gegen eure Dickschädel kann man in diesem Fall wohl nichts tun. Ist jemand dagegen?“ Er blickte in die Runde.
„Laß ihnen ihren Willen“, brummte Thorfin Njal, „wer so verbissen ist, der wird seine Sache auch prächtig bewältigen.“
Auch Arne von Manteuffel und Jerry Reeves hatten nichts einzuwenden. Jeder wußte schließlich, wie sehr Jean Ribault danach fieberte, seine Rache zu vollenden. Und die Rote Korsarin stand dem in nichts nach.
Der Seewolf hob die Runde auf. Gemeinsam begaben sie sich an Deck.
Der hünenhafte Schiffszimmermann löste sich aus der Schar der Männer und trat ihnen entgegen.
„Brander klar, Sir“, meldete er knapp.
Hasard und die anderen traten an das Backbord-Schanzkleid.
Auf den Pinassen waren Scheiterhaufen aus trockenem Abfallholz aufgeschichtet worden, und zwar jeweils auf dem Vorschiff und mittschiffs hinter dem Mast, so daß sich das Lateinersegel noch unbeeinträchtigt bewegen ließ.
Ferris Tucker und seine Helfer hatten die Holzstapel mit Tauen gesichert, so daß sie selbst bei jähen Segelmanövern nicht auseinanderfielen oder über Bord gingen. Al Conroy hatte überdies eine besondere Zündvorrichtung aus seiner Trickkiste gezaubert.
Es gab keine Zeit mehr zu verlieren.
Jerry Reeves und seine Einsatztruppe wurden mit dem kleinen Beiboot der „Isabella“ an Bord der „Tortuga“ gebracht. Zur Unterstützung von Jean Ribault und Siri-Tong stellte Hasard sechs Mann ab, so daß sie auf den Pinassen jeweils zu viert waren.
Das Kommando an Bord der „Le Vengeur III.“ übernahm Nils Larsen, der keine Mühe haben würde, sich mit seiner alten Crew im Gefechtseinsatz zu verständigen.
Nachdem das Beiboot zurückgekehrt war, gab der Seewolf Befehl, Segel zu setzen.