Kitabı oku: «Seewölfe Paket 19», sayfa 5

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7.

Es hatte einiger Stunden Zeit bedurft, die recht verwickelten Ereignisse, die sich in El Triunfo vor und nach dem Angriff der Spanier zugetragen hatten, detailgetreu zu berichten. Erst beim Dunkelwerden verließen Siri-Tong und die vier Männer der „Le Vengeur III.“ wieder die „Isabella IX.“ und kehrten an Bord ihres Schiffes zurück. Desgleichen enterten auch die Wikinger in ihre Jolle ab und pullten mit kräftigem, energischem Schlag zum Schwarzen Segler.

Der Plan, von Hasard entwickelt, war noch einmal durchgesprochen worden. Jeder wußte, was er zu tun hatte, es brauchten keine Fragen mehr gestellt, keine unnützen Rufe von Schiff zu Schiff gewechselt zu werden. Die Mannschaften waren auf ihren Posten, die Anker der „Isabella“ und des Schwarzen Seglers wurden gelichtet. Die „Vengeur“ blieb in der Bucht liegen. Alle drei Schiffe waren klar zum Gefecht.

Durch das Auftauchen der „Le Vengeur III.“ hatten sich neue Konstellationen ergeben, die Hasard um jeden Preis ausnutzen wollte. Vorher hatte er vorgehabt, mit der „Isabella“ und „Eiliger Drache“ in der Todesbucht auf das Eintreffen der Black Queen zu warten. Jetzt zog er es vor, die Taktik zu ändern.

Lautlos glitten die „Isabella“ und der Schwarze Segler aus der Bucht. Keine Laternen wurden gesetzt, kein Wort durfte gesprochen werden. Von jetzt an bestand stündlich die Möglichkeit, daß die Queen mit ihrem Verband von Galeonen erschien – und die Seewölfe und ihre Verbündeten durften sich durch nichts verraten.

Die Silhouetten der beiden Schiffe verschmolzen mit der Dunkelheit. Nur eine schmale Mondsichel stand am Nachthimmel und spendete kaum Licht. Die „Le Vengeur III.“ schwojte leicht an ihrer Ankertrosse, letzte Vorkehrungen wurden an Bord getroffen. Alle Mann befanden sich an Deck, es herrschte ununterbrochene Gefechtsbereitschaft.

Ein paar Geschütze wurden noch etwas justiert, Sand auf der Kuhl ausgestreut, Kugeln und Pulverfässer als Reserve aus der Munitionskammer an Deck gemannt. Alles verlief in tiefem Schweigen, nur das Plätschern des Seewassers an den Bordwänden und das Knarren im Rigg waren zu vernehmen. Auch auf der Insel war es totenstill, Gran Cayman schien ein Eiland ohne jegliches Leben zu sein.

Die „Isabella“ und der Schwarze Segler segelten am Wind eine Meile nach Norden, dann kreuzten sie gegen den Wind nach Osten auf. Nach knapp einer Stunde hatten sie ihr Ziel erreicht – die Ostseite der Insel. Sie liefen ein Stück nach Süden ab, langten an der von Hasard vorher festgelegten Position an und drehten eine Kabellänge vom Ufer entfernt bei.

Die Segel wurden ins Gei gehängt, die Anker rauschten aus. Auf der „Isabella“ wurde die kleine Jolle ausgeschwenkt und abgefiert. Jeder Handgriff saß, es war ein Routinemanöver, wie die Männer es Hunderte von Malen durchgeführt hatten.

Der Seewolf trat zu Dan O’Flynn und Bill, die sich anschickten, in die Jolle abzuentern.

„Es bleibt bei unserer Vereinbarung“, sagte er. „Wer die Schiffe der Black Queen als erster sieht, gibt ein Zeichen, bei Dunkelheit mit der Öllampe, bei Tageslicht mit einer Spiegelscherbe.“

„Ich hoffe, daß sie nicht allzulange auf sich warten läßt“, sagte Dan grimmig. „Ich bin nämlich schon gespannt auf ihre neuen Schiffe. Die Siedler von El Triunfo werden sich noch wundern. Sie werden es bereuen, daß sie sich der Bande angeschlossen haben – bei dem heißen Empfang, den wir ihnen bereiten.“

„Nicht zu sehr auf die Pauke hauen, Mister O’Flynn“, sagte Carberry. „Und das Wetter nicht vor dem Sturm loben. Die Queen ist keine blutige Anfängerin, sondern eine höllisch gefährliche Gegnerin, vergiß das nicht.“

„Aber sie ahnt nicht, daß wir hier auf der Lauer liegen“, sagte Dan. „Ich mache mir keine Illusionen. Ich weiß nur, welchen Trumpf wir in den Händen halten.“

„Was ist, wenn sie ohne Bordlaternen segelt?“ fragte Bill.

„Sobald die Schiffe nah genug an der Insel sind, entdecke ich sie auch bei Nacht, keine Angst“, sagte Dan. „Es müßte schon mit dem Teufel zugehen, wenn die Queen Gran Cayman ungesehen erreicht.“

„An Bescheidenheit ist bei dir kein Mangel“, sagte der Profos mit wildem Grinsen. „Dann mal los, Mister O’Flynn. Auf was wartest du noch? Ich bin froh, wenn du endlich von Bord bist.“

Dan und Bill enterten in die kleine Jolle ab. Sie waren ausreichend mit Waffen, Proviant und Kiekern versorgt. Eigentlich konnte nichts schiefgehen, was ihren Auftrag betraf. Sie lösten die Bootsleine, legten ab und griffen zu den Riemen. Dann pullten sie kräftig an und steuerten auf das Ufer zu.

Die Brandung hob die Jolle hoch und ließ sie wieder fallen, im Gischt schnellte sie auf den Strand zu. Der Rumpf wurde in seiner Bewegung gebremst, ein Ruck noch, und das Boot saß fest. Sie stiegen aus, zogen es ganz an Land und versteckten es unter Gestrüpp, das nah am Ufer wucherte. Mit wenigen Griffen hatten sie sich ihrer Ausrüstungsgegenstände bemächtigt und begannen den Marsch ins Innere der Insel.

Bald hatten sie die Felsen erreicht und stiegen in ihnen auf. Auf einer winzigen, plateauähnlichen Plattform verharrten sie und drehten sich um. Steil fiel das Gestein unter ihnen ab, die See dehnte sich tintenschwarz bis ins Unendliche aus.

„Kannst du die ‚Isabella‘ und den Schwarzen Segler noch sehen?“ fragte Dan.

„Nein“, erwiderte Bill. „Ich habe ungefähr den Ankerplatz im Kopf, aber ich kann ihre Umrisse nicht sehen, wirklich nicht.“

„Ich erkenne sie noch“, sagte Dan. „Das soll keine Überheblichkeit sein, nur meine ich, daß wir wirklich alle Chancen haben, die vier Schiffe der Queen zu entdecken, wenn sie sich im Dunkeln anpirschen.“

„Sicher. Du hast eben doch die schärfsten Augen.“

Sie setzten ihren Weg fort, er führte sie immer höher in das Felsenland der Insel hinauf. Dan orientierte sich mühelos, es war, als kenne er jeden Yard, jeden Stein, jede Baumwurzel, über die man stolpern konnte. Bald hatten sie das „Auge der Götter“ erreicht. Wie eine Platte aus geschliffenem schwarzem Marmor lag der See im Dunkeln da. In seiner Tiefe schien die Antwort auf viele ungelöste Geheimnisse zu schlummern.

„Hier möchte ich nicht begraben sein“, sagte Bill. „Ein Fluch scheint auf dem See zu lasten.“

„Mit solchen Äußerungen könntest du schon mit meinem Alten konkurrieren“, sagte Dan und grinste. „Aber du hast recht. Der Platz lädt nicht zum Hierbleiben ein. Hörst du das?“

Unterschwellig war ein Rumoren und Vibrieren zu vernehmen, das man weder auf See noch in den tiefergelegenen Bereichen der Insel wahrnehmen konnte. Der Vulkan schien vor sich hin zu murmeln, aber man brauchte nur an seine beängstigenden Aktivitäten zu denken, und schon lief einem ein kalter Schauer über den Rücken.

„Hoffentlich bricht der Vulkan nicht ausgerechnet jetzt aus“, sagte Bill.

Dan schüttelte den Kopf. „Er grummelt nur vor sich hin, keine Sorge. Er bereitet uns heute nacht bestimmt keine Schwierigkeiten. Das Schlimmste, was uns passieren könnte, wäre, daß das Wasser aus dem Auge der Götter abläuft und wir alle Schätze bergen, die auf seinem Grund liegen.“

Bill mußte lachen. Sie kletterten zu dem Aussichtspunkt hinauf, den der Seewolf bei Tageslicht durch den Kieker ausgewählt hatte, und richteten sich häuslich ein. Die Musketen legten sie auf den Boden, die Fernrohre fanden in einer Gesteinsmulde ihren Platz. Nachdem sie den Sitz ihrer Pistolen, Entermesser und Messer in den Gurten gesichert hatten, ließen Dan und Bill sich nieder und befaßten sich mit ihrer Wegzehrung: Schiffszwieback, Hartwurst, Käse und Wein in zwei mit Korken gut verschlossenen Flaschen.

„Übrigens Flaschen“, sagte Dan, als er die ersten Bissen mit Wein heruntergespült hatte. „Ferris hat wieder einige Sätze Hölleneier gebastelt. Die Queen wird sich wundern, wenn wir sie auf die Decks ihrer Kähne feuern.“

„Aber sie hat auch aus den vergangenen Gefechten gelernt“, sagte Bill. „Wir sollten wirklich nicht zu zuversichtlich, sondern besser auf einen harten Kampf gefaßt sein.“

Dan war ernst geworden. „Das tue ich auch, Bill. Du kennst doch meine Flachserei. Ich ziehe den Teufel gern am Schwanz, aber ich weiß genau, was uns bevorsteht. Die Queen und Caligula gehören zu den gefährlichsten Feinden, die wir je bekämpft haben.“ Er stellte seine Flasche weg und stieß Bill mit dem Ellbogen an. „Siehst du, dort unten?“

„Die Todesbucht, nicht wahr?“

„Ja. Ich kann auch die ‚Vengeur‘ sehen. Teufel, Jean und Siri-Tong hätten sich bestimmt nicht ausgemalt, daß sie als Köder herhalten müssen.“

„Die Frage ist, ob die Black Queen anbeißt“, sagte Bill. „Wenn alles so klappt, wie wir uns das vorstellen, läuft sie genau in die Falle. Und wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Hast du dich jemals gefragt, wie es geschehen kann, daß eine Frau so grausam ist?“

„Nein. Es gibt Frauen, die sich schlimmer aufführen als der wildeste und skrupelloseste Kerl.“

„Was würdest du tun, wenn sie dir im Duell gegenüberstehen sollte?“

„Ich würde sie töten“, erwiderte Dan, ohne zu überlegen. „Sie kennt keine Gnade. Ich bin der Ansicht, daß man in diesem Fall gleiches mit gleichem vergelten sollte.“

Während er sprach, hielt er angestrengt nach allen Seiten Ausschau. Nichts konnte seiner Aufmerksamkeit entgehen. Aber noch näherte sich kein Schiff Gran Cayman.

Die Windverhältnisse waren im Heraufziehen des neuen Tages unverändert. Ein zufriedenes Lächeln glitt über die Züge der Black Queen. In aller Frühe stand sie wieder auf dem Achterdeck der „Caribian Queen“, warf einen prüfenden Blick auf den Stand der Segel und überprüfte den Kurs und die Position.

Die Entfernung nach Gran Cayman war auf fünfzig Meilen zusammengeschrumpft. Wenn der Wind nicht einschlief, konnte der Verband die Insel noch am Vormittag erreichen. Sie wandte sich um und warf einen Blick zurück zur „Aguila“, zur „Buena Estrella“ und zur „Vascongadas“. Auch dort schien alles in Ordnung zu sein. Die Schiffe hielten den Kurs und die Geschwindigkeit, es gab keine Verzögerungen.

Caligula enterte das Achterdeck. Die Queen begrüßte ihn mit einem harten Lächeln.

„Was treibt unser Freund Willem?“ fragte sie.

„Schläft.“

„Und Emile?“

„Der schläft in der Kombüse. Er scheint seine neue Aufgabe sehr ernst zu nehmen.“ Caligulas Miene war finster, er betrachtete den Holländer und den Franzosen nach wie vor als Störenfriede an Bord des Schiffes. Am liebsten hätte er sie ins Meer geworfen, aber er hielt sich mit seinen Wutausbrüchen zurück.

Die Queen hatte recht – noch brauchten sie die beiden. Aber was geschah, wenn sie Tortuga erreicht hatten? Vielleicht hatte er dann endlich Gelegenheit, auf seine Weise ein Wörtchen mit Willem Tomdijk und Emile Boussac zu reden.

Vor allem mit Willem wollte er abrechnen. Eine groteske Situation wie diese hatte es auf der „Caribian Queen“ noch nie gegeben. Ein dicker Mann, der obendrein eine Memme war, störte das Gleichgewicht. Das konnte nach Caligulas Überzeugung noch böse Folgen haben.

„Ich weiß, was du denkst“, sagte die Queen, die ihn nicht aus den Augen ließ. „Aber laß die Finger von Willem.“

„Unser Schiff ist kein Narrenhaus.“

„Natürlich nicht“, sagte sie scharf. „Aber spar dir deine idiotischen Bemerkungen. Ich weiß genau, was ich tue. Laß lieber die leeren Fässer auf die Kuhl mannen. Ich will auf Gran Cayman nicht mehr Zeit verlieren, als unbedingt erforderlich ist. Wir schaffen die Fässer an Land und füllen sie.“

„Ja. Und wer geht auf die Jagd?“

„Sechs Mann, du führst sie an. Im vertrauten Revier stöbert ihr genug Wild auf, das unseren Bedarf an Frischfleisch deckt. Die ‚Estrella‘ und die ‚Vascongadas‘ sind mit Fleisch auch noch ganz gut eingedeckt, es geht in erster Linie darum, unser Schiff und die ‚Aguila‘ zu versorgen.“

Caligula enterte auf die Kuhl ab. Er ließ alle notwendigen Vorkehrungen treffen, und schon kurze Zeit später waren nicht nur die „Caribian Queen“, sondern auch die drei anderen Galeonen zur Proviant- und Trinkwasserübernahme bereit. Jaime Cerrana und die beiden Männer, die als provisorische Kapitäne auf den spanischen Kriegsseglern eingesetzt worden waren, verständigten sich über ihre Toppgasten mit der Queen. Es wurde mit Flaggen signalisiert.

Die Stunden verstrichen jetzt schneller, die bevorstehende Ankunft auf Gran Cayman beschäftigte die Gedanken der Kerle. Man konnte sich ein wenig die Füße vertreten, die Jagd war eine willkommene Abwechslung. Vielleicht spendierte die Queen auch eine Extraration Rum, wie es in solchen Fällen oft geschah. Vielleicht wurde in der Todesbucht – zur Feier des Sieges in El Triunfo – eine rauschende Orgie mit den Siedlern abgehalten.

Emile Boussac erschien blinzelnd auf der Kuhl und trat ans Schanzkleid. Zeigte sich ein Schiff an der Kimm? Er seufzte. Nein, es gab keine Hoffnung. Er konnte die fünfzig Mädchen in den Wind schreiben. Er würde ihnen nicht begegnen, einen solchen gleichsam unerhörten Zufall gab es nicht. Jemand anderes würde die Mädchen kaufen – ein Gedanke, der ihn fast um den Verstand brachte.

Willem Tomdijk hatte sich schlaftrunken bis zum Achterdecksschott geschleppt. Er öffnete es und sah Emile am Schanzkleid stehen.

„Emile!“ rief er. „Komm sofort her!“

Mit leicht verwundertem Blick begab sich der Franzose zu dem Dicken. Dieser führte ihn in die Kapitänskammer, ließ sich ächzend auf seinem Lager nieder und sagte klagend: „Ich warte ständig auf dich, aber du verkriechst dich im Vordeck. Was ist los? Ist dir eine Laus über die Leber gekrochen? Hast du was gegen mich?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Emile. „Aber ich muß immer an mein Schiff und die Mädchen denken. Außerdem habe ich jetzt die verantwortungsvolle Aufgabe, dem Koch, diesem Giftmischer, auf die Finger zu schauen.“

„Das heißt – das Essen wird besser?“

„Heute gibt es eine erlesene Bouillabaisse“, entgegnete Emile stolz.

„Endlich. Ich sterbe vor Hunger. Kannst du mir nicht das Frühstück bringen?“

„Ich sorge dafür, daß du es kriegst“, erwiderte der kleine Franzose ernst. Er erkannte, daß sich der Dicke in einem äußerst kritischen Zustand befand. Da war es nur ratsam, ihm gut zuzureden.

„Dieser Caligula führt was gegen mich im Schilde“, sagte Willem mit ärgerlicher, trotziger Miene. „Am liebsten würde er mir die Kehle durchschneiden, glaube ich. Er versucht, die Queen gegen mich aufzuhetzen. Heute nacht wollte sie mich besuchen, hat es aber nicht getan. Das ist alles seine Schuld.“

„Ich werde ein waches Auge auf ihn haben“, versprach Emile. Dabei fürchtete er Caligula noch mehr als die Pest. Nie würde er sich offen mit ihm anlegen – er war nicht lebensmüde.

Ein Ruf, der aus dem Großmars der „Caribian Queen“ ertönte, lenkte sie ab.

„Gran Cayman voraus!“

Bewegung entstand an Deck, das Trappeln von Schritten war zu vernehmen. Die Kerle stürzten auf die Back und ans Schanzkleid der Kuhl, um selbst vorauszuspähen. Jemand stieß einen Pfiff aus, ein anderer johlte. Bald war die Insel mit dem bloßen Auge zu erkennen, ein öder grauer Klotz, der aus der See aufragte.

„Was hat es mit dieser Insel bloß auf sich?“ fragte Willem seinen Gefährten. „Haben diese Piraten dort Schätze vergraben – oder wollen sie uns aussetzen und verhungern lassen?“

„Dir scheint heute morgen wirklich die Petersilie verhagelt zu sein“, sagte Emile. „Aber dagegen weiß ich ein gutes Mittel. Ich hole das Frühstück und bringe einen Krug Wein mit.“

„Trink lieber ein Bier mit mir“, sagte Willem traurig. „Dann sieht die Welt vielleicht schon wieder anders aus. Merkwürdig, ich habe den Eindruck, es war doch ein Fehler von mir, dieser Umsiedlung zuzustimmen. Vielleicht haben wir uns nichts als Ärger eingehandelt.“

„Du vergißt, daß die Queen uns vor den Spaniern gerettet hat.“

„Und was ist, wenn wir vom Regen in die Traufe geraten?“

„Das will ich nicht hoffen.“ Emile hob wieder den Kopf. Noch einmal war die Stimme des Ausgucks zu vernehmen.

„Schiff in Sicht! Es ankert vor der Todesbucht!“

„Was für ein Schiff?“ rief die Black Queen.

„Ein Dreimaster! Eine Galeone!“

Sofort war ihr Mißtrauen geweckt. „Klarschiff zum Gefecht! Signalisiert den anderen! Wir sehen uns das Schiff genauer an!“

„Eine Galeone“, flüsterte Emile Boussac. „Vielleicht habe ich doch noch Glück. Willem, warte hier auf mich.“

Er stürzte an Deck, ließ sich einen Kieker geben und hielt nach dem fremden Schiff Ausschau. Noch konnte er es im Dunst, der über Gran Cayman schwebte, nicht genau erkennen. Aber es war die Black Queen, die es als erste identifizierte.

Sie stieß einen lästerlichen Fluch aus.

„Das ist die ‚Vengeur‘!“ schrie sie. „Caligula, sofort zu mir!“

Caligula enterte von der Kuhl zum Achterdeck auf. Die Kerle fluchten und wetterten, es herrschte Unruhe. Emile verkroch sich in der Kombüse. In der Kapitänskammer des Achterdecks fuhr sich Willem Tomdijk mit beiden Händen durch das schwammige Gesicht.

„Das gibt ein Unheil!“ flüsterte er. „Ein großes Unheil. O Himmel, steh mir bei.“

8.

Dan O’Flynn und Bill hatten den Verband von vier Schiffen ihrerseits längst entdeckt. Dan warf einen letzten prüfenden Blick durch den Kieker, dann ließ er ihn sinken und gab Bill ein Zeichen.

Bill signalisierte zur „Isabella IX.“ und zum Schwarzen Segler. Die kleine Spiegelscherbe in seiner geöffneten rechten Hand reflektierte die Strahlen der Sonne und schickte sie zu den am Ostufer ankernden Schiffen hinunter. Sofort wurden die Blinkzeichen erwidert. Hasard und Thorfin Njal hatten die Nachricht verstanden.

„Los jetzt“, sagte Dan. „Ab nach unten. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“

Sie rafften ihre Mitbringsel zusammen und begannen mit dem Abstieg. Ehe sie sich abwandten, warfen sie beide noch rasch einen Blick in die Tiefe. Das Schauspiel war grandios und bedrückend zugleich: Sieben Schiffe bei und vor Gran Cayman – die „Le Vengeur III.“ vor der Todesbucht, die „Isabella IX.“ und der Schwarze Segler am Ostufer, die Galeonen der Black Queen, die sich von Westen näherten und nun auf Kreuzkurs gingen. Höchstens noch fünf Meilen trennten die vier Dreimaster mit den gelohten Segeln von der Insel – es war höchste Zeit, den Ausguckposten zu räumen und zurück an Bord der „Isabella“ zu gehen.

Wieder führte der Weg am Auge der Götter vorbei. Durch das tiefblaue klare Wasser schien man bis auf den Grund blicken zu können – und doch gab der See nichts von seinen Schätzen preis. Verhalten meldete sich der Vulkan auch an diesem Morgen, sein Grollen klang wie eine Beschwerde über die Störenfriede, die sich anschickten, Gran Cayman anzulaufen. Während der Nacht hatte er geschwiegen, jetzt schien er zu neuem Leben zu erwachen.

Beim Abstieg zum Ufer strauchelte Bill. Er fiel hin und überschlug sich, krümmte sich aber so geistesgegenwärtig, daß ihm nichts geschah. Mit einem Satz war er wieder auf den Beinen und eilte weiter. Dan war ihm um einige Schritte voraus, aber er holte ihn wieder ein, als sie auf dem schmalen Streifen Sandstrand anlangten.

Sie packten die kleine Jolle an ihren Dollborden, zerrten sie aus dem Gestrüpp, schoben sie ins Wasser, verstauten ihr Gepäck und sprangen hinein. Dann pullten sie, so schnell sie konnten, zur „Isabella“.

Dort war alles klar zum Ankeraufgehen. Der Wikinger wartete auch nur auf Hasards Zeichen. Er saß drüben, auf dem Achterdeck von „Eiliger Drache“, auf seinem „Sesselchen“ und hatte sein „Messerchen“, ein gewaltiges Schwert, gründlich gewetzt.

Dan und Bill enterten an der Jakobsleiter auf. Die Jolle wurde in aller Eile hochgehievt und binnenbords geholt.

„Einen schönen guten Morgen wünsche ich euch“, sagte Dan. „Die Lady ist also da – und wir können uns auf einen heißen Tag gefaßt machen.“

„Laß die Sprüche“, erwiderte der Seewolf. „Sag mir lieber, ob die beiden Galeonen, die sie gekapert hat, den Beschreibungen von Jean und Siri-Tong entsprechen.“

„Aufs Haar“, bestätigte Dan. „Sie sind beide über dreihundert Tonnen groß und – den Stückpforten nach zu urteilen – bestens armiert. Genug Munition haben sie bestimmt auch an Bord, die Spanier haben Cartegena ja sicher mit hervorragend ausgerüsteten Schiffen verlassen, um El Triunfo in Schutt und Asche zu feuern.“

„Wir wissen nur nicht, wer diese beiden Schiffe befehligt“, sagte Bill. „Aber das ist wohl unerheblich. Für uns sind es Fremde.“

„Ja, und wir dürfen auf die Siedler von El Triunfo keine Rücksicht nehmen“, sagte Hasard. „Sie haben sich auf die Seite der Queen geschlagen und sind unsere Feinde. Wir werden fair kämpfen, aber es gibt keine Unterschiede, alle Gegner gehören der gleichen gefährlichen Sorte an. Wir haben gut hundertzwanzig Kanonen gegen uns, allein das ist ausschlaggebend.“

„Sicher ist, daß die Queen inzwischen die ‚Vengeur‘ entdeckt hat“, sagte Ben Brighton. „Wenn sie sich so verhält, wie wir annehmen, brauchen wir nicht mehr lange zu warten.“

„Alle Mann auf Gefechts- und Manöverstation!“ rief der Seewolf. „Ferris, dein Platz ist an der Höllenflaschenabschußkanone! Shane, Batuti – haltet euch mit Pfeil und Bogen bereit!“

„Aye, Sir!“ schrien die Männer.

„Thorfin!“ rief der Seewolf zum Schwarzen Segler hinüber. „Auf mein Zeichen ankerauf gehen und den Feind angreifen!“

„Verstanden!“ brüllte der Wikinger. „Dann laß ihn mal heran, den Feind! Odins Feuerhauch wird ihre Decks aufheizen und sie das Tanzen lehren!“

Grimmig hockte er auf seinem Thron und ließ den Blick prüfend über die Decks seines Viermasters wandern. Jeder Handgriff im Gefecht mußte sitzen, es durfte keine Verzögerungen beim Nachladen der Geschütze geben.

Er war sich darüber im klaren, daß die Black Queen ein harter Brocken sein würde, schwer abzuwehren und noch schwerer zu schlagen. Das hatte er ja selbst bereits erfahren. Er hatte sie zur Genüge kennengelernt, diese schwarze Hexe und Walküre, wie er sie nannte, und er wußte, daß es der größte Fehler war, sie zu unterschätzen.

Ähnliche Überlegungen stellte auch Hasard an, während sie auf das Auftauchen der „Le Vengeur III.“ warteten. Das Gefecht gegen einen starken Verband der Spanier hätte nicht schlimmer sein können. Gegner wie Mardengo, Duvalier oder Arvidson, die er auf der Reise nach Florida und zum Mississippi hatte bekämpfen müssen, verblaßten vor der Erscheinung der Black Queen.

Und Caligula? Nun, er war noch wilder und blutrünstiger als seinerzeit Caligu. Wer ihnen und der Meute von Galgenstricken und Schnapphähnen, die sie um sich geschart hatten, in die Hände fiel, starb unter entsetzlichen Leiden. Arkana und die Schlangenkriegerinnen waren der Queen nur wie durch ein Wunder entkommen, und auch Jean Ribault und Siri-Tong hatten höllisches Glück gehabt.

Aber die Narben auf Ribaults Rücken zeugten noch von der Behandlung, der Caligula ihn unterzogen hatte. Nie würde der Franzose diese Schmach vergessen, und seine Rache hatte erst begonnen. Er würde nicht eher ruhen, bis sie gemeinsam der Black Queen das blutige Handwerk gelegt hatten.

Die See dünte flach mit langgezogenen Wellen, der Wind wehte frisch aus Osten und trieb weiße Wolken über Gran Cayman hinweg. Sie standen wie zufällige Tupfer am blauen Himmel und verliehen der Szene einen Anflug von Heiterkeit. Alles in allem wirkte der Tag ruhig und beschaulich – ein Hohn der Natur. Denn das Unheil nahm seinen Lauf und ließ sich nicht mehr aufhalten.

Die Black Queen hatte nur kurz mit Caligula beratschlagt. Sie waren sich einig: Sie wollten einen direkten Vorstoß vornehmen und die „Le Vengeur III.“ angreifen. Mit vier Schiffen, die stark armiert und noch besser bemannt waren, waren sie für alle Eventualitäten gerüstet. Daß das Ganze eine Falle sein konnte, vermutete die Queen schon jetzt.

„Die ‚Vengeur‘!“ Caligula hatte das Wort bereits mehrmals wie einen Fluch ausgestoßen. „Ribault, Siri-Tong und Rivero! Wie haben die Hunde es geschafft, so schnell wieder aus El Triunfo abzuhauen? Das geht nicht mit rechten Dingen zu!“

„Sie sind vor uns ausgelaufen“, sagte die Queen. Ihr Gesicht war angespannt, aber sie war eisern darum bemüht, die Ruhe zu bewahren. „Wir hätten uns nach ihrem Schiff umsehen sollen, nachdem wir wußten, daß Ribault und Rivero in der Siedlung waren. Aber im Wirbel der Ereignisse ist es dann unterblieben. Ein Fehler von uns, Caligula.“

„Der Teufel soll diese Hunde holen! Es ist mir immer noch nicht klar, wie Ribault Rivero befreien und es geschehen konnte, daß diese dreckigen Säcke uns nach El Triunfo folgten!“

Sie blickte durch das Spektiv voraus. Die Insel rückte näher, und mit ihr die „Le Vengeur III.“, die scheinbar verlassen im Wasser lag und an ihrer Ankertrosse schwojte.

„Die Antwort darauf ist Rivero selbst“, sagte die Queen. „Streng deinen Geist an, Caligula. Er wußte über alles Bescheid, über den geplanten Angriff auf die Siedlung und den Auftrag der Spanier, alle Bewohner zu töten.“

„Rivero hat sich also mit Ribault und der Hure Siri-Tong verbündet?“

„Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel.“

Caligula spuckte aus. „Verrecken soll er, dieser närrische Bastard. Ich werde ihn mir vor die Klinge holen – und diesmal entwischt er uns nicht.“

„Dann überlasse ich ihn also dir? Und ich nehme mir Ribault vor?“

„Der gehört auch mir!“ stieß der schwarze Riese zornig hervor. „Und auch die Rote Korsarin ist mein! Ich zerhacke sie mit meinem Säbel!“

„Dann bleibt für mich kaum noch jemand übrig“, murmelte die Queen. „Hoffentlich verläuft der Kampf wirklich so, wie du ihn dir vorstellst.“

Daß es zum Gefecht kam, schien unverrückbar festzustehen. Die „Le Vengeur III.“ rührte sich nicht vom Fleck. Kein Mann schien sich an Bord zu befinden.

Die Black Queen grinste hart. Ein alter Trick, dachte sie. Man entert, und aus allen Schotten springen die Kerle hervor. Aber für wie dumm hältst du mich, Ribault? Und du, Siri-Tong? Bildest du dir ein, ich falle darauf herein?

„Klarschiff zum Gefecht!“ rief sie.

Die Geschütze waren geladen, die Stückführer und Ladenummern standen bereit, Munition war auf die Kanonendecks gemannt worden, der Sand war ausgestreut. Jetzt öffneten sich die Stückpforten, und die Männer rannten die Geschütze aus.

Der Ruf der Queen gellte zur „Aguila“, zur „Buena Estrella“ und zur „Vascongadas“, und auch dort bewegten sich rumpelnd die Kanonen. Drohend blickten die Mündungen aus den Stückpforten, auch die Drehbassen auf den Backs und Achterdecks der Galeonen wurden auf den Feind gerichtet.

Der Verband fuhr einen Kreuzschlag nach Nordosten und rückte nun fast auf Schußweite an den Gegner heran. Da geschah es: Plötzlich wurde es an Bord der „Le Vengeur III.“ höchst lebendig.