Kitabı oku: «Seewölfe Paket 19», sayfa 6
9.
Barba, der häßliche Riese, schien hinter dem Ruderrad der „Le Vengeur III.“ emporzuwachsen. Er grinste und blickte zu Jean Ribault, Siri-Tong, Mister Jenkins und Carlos Rivero, die ebenfalls auf ihren Posten waren. Es konnte losgehen – der Köder hatte funktioniert, der Feind segelte auf.
Fred Finley, der Mann im Großmars, hatte nur ein Zischen ausgestoßen, das vereinbarte Zeichen. Sofort waren die Männer, die sich hinter den Geschützen, im Vor- und Achterkastell verborgen hatten, auf das Hauptdeck gestürzt, und schon wurde der Buganker gelichtet. Wie Affen kletterten ein paar Mann in den Wanten hoch, und auch die Segel lösten sich bereits aus dem Gei.
Im Nu war die Galeone segelbereit und ging auf Kurs Nordosten an den Wind.
Jean Ribault warf einen Blick zum Gegner.
„Die ‚Caribian Queen‘ ist fast auf Schußweite heran“, sagte er. „Gleich läßt die Queen ihre Kanonen sprechen.“
„Ich glaube nicht, daß sie Munition vergeudet“, sagte Siri-Tong. „Erst wenn sie sicher ist, daß ihr Wild in der Falle sitzt, zieht sie sämtliche Register.“
„Und dann läßt Barba die Kuh fliegen!“ rief der bärtige Riese. „Dann hageln die Brocken! Diesmal darf sie uns nicht entwischen.“
„Und was sagst du zu den über hundertzwanzig Kanonen der Galeonen?“ fragte Mister Jenkins.
„Die benutzt Barba als Zahnstocher!“ stieß der Riese hervor. Aber auch er wußte, daß es gegen ein Aufgebot von vier schweren Galeonen wenig zu lachen gab.
Längst war auch an Bord der „Le Vengeur III.“ alles klar zum Gefecht. Die Stückpforten öffneten sich, die Rohre schoben sich übers offene Wasser hinaus. Gran Cayman glitt an Steuerbord achteraus. Das Schiff lag hoch am Wind, krängte über Backbordbug und lief mit zunehmender Fahrt vor dem Gegner nach Nordosten ab.
Die Queen setzte jetzt alles daran, ihren Feind einzuholen und auf offener See zu stellen, aber die „Le Vengeur III.“ war ein schnelles Schiff, das auch ein Segler wie die „Caribian Queen“ nicht zu übertrumpfen vermochte, weder in der Geschwindigkeit noch in der Manövrierfähigkeit.
„Über Stag gehen!“ rief Jean Ribault. „Kurs Südosten!“
Die Männer arbeiteten an den Schoten und Brassen, das Ruderrad drehte sich unter Barbas schwieligen Fäusten. Sanft ging die Galeone mit dem Bug durch den Wind und fiel wieder ab.
Dann folgte der Ruf von Mister Jenkins: „Kurs Südosten liegt an, Sir!“
Die „Le Vengeur III.“ lief jetzt wieder auf die Insel zu. Ribault, Siri-Tong und Rivero beobachteten das Vorgehen des Gegners. Die Queen zog mit. Wie Riesenschwäne drehten sich ihre Schiffe, das Wendemanöver war beispielhaft.
„Auch die Kapitäne der beiden gekaperten Galeonen verstehen ihr Handwerk“, sagte Jean Ribault. „Sie stehen in nichts hinter der Queen und Jaime Cerrana zurück.“
„Du darfst nicht vergessen, daß die Männer von El Triunfo erfahrene Küstenpiraten sind“, sagte Siri-Tong. „Sie haben immer nur kleine Einmaster gehabt, aber ihre seemännische Erfahrung reicht trotzdem aus.“
„Und auch an der nötigen Verwegenheit mangelt es ihnen nicht“, sagte Carlos Rivero. „Sie werden bis zum Letzten kämpfen.“
„Das glaube ich auch“, sagte die Rote Korsarin. „Sie haben sich der Queen mit Haut und Haaren verschrieben. Ihr Einfluß auf die Kerle ist wie Opium.“
Gran Cayman war nah genug herangerückt, Ribault ließ wieder über Stag gehen. Inzwischen war das östliche Ufer nur noch wenige Meilen entfernt. Der Verband der Black Queen hielt mit, holte aber nicht auf. Ribault und die Rote Korsarin hatten allen Grund zu der Annahme, daß ihnen die Queen auf den Leim ging. Nach der mit dem Seewolf festgelegten Taktik sollte die „Le Vengeur III.“ als Köder den Verband der Gegner anlocken, damit dieser direkt in den Überraschungsangriff der „Isabella“ und des Schwarzen Seglers hineinlief. Anschließend sollte auch die „Le Vengeur III.“ in das Gefecht eingreifen.
Aber nun geschah etwas, mit dem weder Ribault noch die Rote Korsarin zu diesem Zeitpunkt noch gerechnet hatten.
„Achtung!“ stieß Mister Jenkins hervor, der gerade wieder einen Blick nach achtern geworfen hatte. „Da tut sich was!“
Siri-Tong und die Männer fuhren auf dem Achterdeck herum. Plötzlich fielen die vier Galeonen zurück. Sie gaben den Kreuzkurs auf und drehten überraschend bei.
„Hol’s der Henker“, sagte Jean Ribault entgeistert. „Die geien die Segel auf.“
„Sie haben uns durchschaut“, sagte Siri-Tong. „Die Queen gibt uns einen neuen Beweis für ihre Gerissenheit. Jetzt ist guter Rat teuer.“
„Wir segeln weiter“, sagte Ribault. „Wir müssen Hasard und den Wikinger sofort unterrichten. Ich nehme an, daß er trotzdem angreifen will. Aber das Überraschungsmoment haben wir jetzt natürlich verspielt.“
„Wir haben immer noch einen Trumpf, Sir“, erklärte Jenkins. „Die Luvposition.“
„Die reicht nicht aus, um eine Teufelin wie die Queen vernichtend zu schlagen“, entgegnete Ribault.
Keiner sah einen Anlaß, ihm zu widersprechen. Die Bedingungen hatten sich erneut verändert, und die Lage wendete sich zu ungunsten der „Le Vengeur III.“, der „Isabella IX.“ und des Schwarzen Seglers.
Ein höhnisches, überlegenes Lächeln beherrschte die Züge der Black Queen. Sie verfolgte die „Le Vengeur III.“ mit ihrem Blick. Das Schiff segelte mit Kreuzschlägen zur Ostseite von Gran Cayman, seine Umrisse wurden allmählich etwas kleiner, dann tauchte es im Morgennebel unter.
„Dreimal darfst du raten, was an der Ostseite der Insel auf uns wartet“, sagte die Queen. „Galeonen, Caligula, vielleicht sogar die ‚Isabella‘. Irgendwie ist es Ribault und Siri-Tong gelungen, Verstärkung zu holen.“
„Aber wie nur, wie?“
„Das darfst du mich nicht fragen“, erwiderte sie. „Und es spielt jetzt auch keine große Rolle. Wichtig ist nur, daß wir die Tricks der Hurensöhne erkennen und uns darauf einstellen.“
Nur zu genau erinnerte sie sich noch an den Fehler, den die Kapitäne ihrer beiden Schiffe begangen hatten, die Jean Ribault bis zur Windward Passage verfolgt hatten. Sie hatten mit dem Leben dafür bezahlt, und die Schiffe waren versenkt worden. Dieses Mal war die Queen nicht bereit, auch nur ein Schiff ihres Verbandes durch Leichtfertigkeit und übertriebene Impulsivität einzubüßen.
„Wir bleiben hier in Warteposition liegen“, sagte sie. „Mal sehen, was Ribault unternimmt. Verdrücken kann er sich nicht, dazu ist er zu stolz. Vielleicht wartet er die Dunkelheit ab, aber bis dahin ist noch viel Zeit. Wir können der Entwicklung gelassen entgegensehen.“
Caligula schwieg. Innerlich bereitete er sich auf das Gefecht vor. Er wollte sich Ribault vor die Klinge holen, er wollte ein Duell. Nicht nur, um der Queen zu imponieren – er hegte seinen persönlichen Haß gegen den Franzosen, und die endgültige Abrechnung stand noch bevor. Was auf Gran Cayman geschehen war, hatte er noch nicht vergessen. Ribault hatte sich an ihm gerächt, aber er würde es ihm heimzahlen.
Ganz anderen Gedanken hing Emile Boussac nach, der auf die Back der „Caribian Queen“ geentert war. Sein kühnster Traum war nicht in Erfüllung gegangen. Nicht das Schiff der fünfzig Mädchen hatte vor Gran Cayman vor Anker gelegen, sondern die Galeone dieses verdammten Jean Ribault, dem er in El Triunfo dummerweise das Messer zugesteckt hatte.
Emile beschloß, seinen Freund Willem aufzusuchen. Er berichtete ihm, was in der Zwischenzeit vorgefallen war, und Willem sah todtraurig zu ihm auf.
„Dieser Ribault“, murmelte er, „der bringt uns nichts als Verdruß. Ich würde am liebsten ins Wasser springen.“
„Du vergißt die Haie. Und wohin willst du schwimmen? Nach Gran Cayman? Die Insel ist verflucht. Keine tausend Teufel bringen mich dorthin.“
„Außerdem bin ich ein schlechter Schwimmer. Ich habe das ja auch nur so gesagt. Mir ist elend zumute, Emile. Ich glaube, heute muß ich sterben.“ Willem ließ den Kopf hängen. Der Zustand tiefster Niedergeschlagenheit nahm immer mehr zu und wollte nicht verschwinden.
Emile fand, daß es an der Zeit war, ein offenes Wort mit dem Dicken zu reden. „Hör mal zu, Willem. Während der ganzen Zeit der Überfahrt bist du nicht an Deck erschienen, du hast die Tage hier, in dem muffigen Salon, verbracht. Das ist nicht gut für dich. Komm mit an Deck und schnapp ein bißchen frische Luft. Das heitert dich wieder auf.“
„Du weißt doch, daß ich nicht gern laufe.“
Emile beugte sich zu ihm hinunter. „Du benimmst dich lächerlich. Reiß mir den Kopf ab, wenn du willst, aber laß es dir von mir gesagt sein: Du läßt dich viel zu sehr hängen. Nimm dich zusammen. Du bist der Bürgermeister von El Triunfo, wir haben dich zu unserem Sprecher und Vertreter gewählt. Es ist nicht nur dein gutes Recht, es ist deine Pflicht, die Black Queen nach ihren Plänen zu fragen.“
„Du meinst, was sie vorhat, nachdem Ribaults Schiff weitergesegelt und verschwunden ist?“
„Ja, genau das.“
„Sie wird ihn verfolgen wollen.“
„Warum hat sie dann beigedreht?“ Emile trat an die Rückwand der Kammer und öffnete die Tür, die auf die Heckgalerie hinausführte. „Da, sieh doch selbst. Wir segeln nicht mehr. Was hat das zu bedeuten? Die drei anderen Galeonen liegen auch beigedreht in der See. Interessiert es dich denn überhaupt nicht, zu erfahren, was jetzt aus uns wird? Die Männer von El Triunfo sehen zu uns herüber. Wie lange willst du noch tatenlos herumhocken?“
Willem Tomdijk fühlte sich bei seiner Ehre gepackt. Mit einem Ruck erhob er sich – diesmal klappte es gleich beim ersten Versuch. Er warf einen Blick zur Tür hinaus, stieß ein grimmiges Brummen aus und bewegte sich mit seinem typischen Watschelgang durch den Salon. Seine Füße waren nach außen gerichtet, seine Beine schienen kaum das Gewicht seines Körpers zu halten. Erstaunlich schnell begab er sich jedoch auf den Mittelgang. Emile rammte die Heckgalerietür hinter sich zu und folgte ihm.
Gemeinsam traten sie durch das Achterdecksschott auf die Kuhl. Sofort ertönte über ihnen eine barsche Stimme. „Ihr beiden! Verschwindet! Ihr habt hier nichts zu suchen!“
Willem fuhr zusammen wie von der Tarantel gestochen. Heftig wandte er sich um und blickte zu Caligula, dem Sprecher, auf.
„Wann ich auf Deck erscheine und wann nicht, bestimme ich selbst!“ schrie er.
„Irrtum! Hier fliegen gleich die Fetzen!“
„Wo ist die Black Queen?“ schrie Willem mit überschnappender Stimme.
„Hier!“ rief sie und war mit zwei Schritten neben Caligula. Drohend blickte sie ihn an. Ihre Stimme klang scharf und schneidend. „Schluß jetzt! Ab mit dir, Caligula! Ich will kein Wort mehr hören!“ Diesmal war es ihr ernst. Sie hatte die Farce satt und war entschlossen, energisch durchzugreifen, falls die Streitereien nicht aufhörten. „Schieb ab, wird’s bald?“ fuhr sie den schwarzen Riesen an.
Caligula begriff, daß es keinen Sinn hatte, ihr zu widersprechen. Sie war von rasch aufbrausendem, jähzornigem Temperament und konnte fuchsteufelswild werden, wenn man wagte, ihr zu widersprechen. Dann wurde sie auch sehr schnell handgreiflich – und sie war stärker, als mancher Kerl es von ihr annahm. Sie konnte es mit jedem Mann aufnehmen, auch mit Caligula.
Er wandte sich ab und begab sich nach achtern zum Rudergänger, versäumte aber nicht, im Herumdrehen noch einen haßerfüllten, mordlustigen Blick auf Willem abzuschießen.
Die Queen winkte dem Holländer und dem kleinen Franzosen zu. „Hier herauf!“ Ihr Tonfall war weniger kalt, aber immer noch herrisch. Sie verlangte, daß man ihr gehorchte und duldete kein Zögern. Willem und Emile spürten es. Sie enterten das Achterdeck über den Backbordniedergang.
Der Mantel der katzenhaften Freundlichkeit war von der Queen abgefallen, sie zeigte ihr wahres Gesicht. Sie hatte es ohnehin satt, Willem Honig um den Bart zu schmieren, obwohl sie andererseits auch nicht plante, ihn auszubooten. Nur: Die Gegebenheiten verlangten ihre äußerste Härte und Entschlossenheit.
Sie wartete, bis die beiden vor ihr standen, dann sagte sie: „Ich weiß, was ihr wollt. Ihr wollt wissen, was los ist und wie es weitergeht. Also schön. Es ist euer gutes Recht, alles zu erfahren. Aber wenn es zum Gefecht kommt, rate ich euch, das Deck zu räumen. Euer Leben ist euch doch sicher lieb.“
„O ja“, sagte Willem. Er hatte große Angst, aber er riß sich zusammen. „Und welchen Sinn hat es, diesen Ribault zu verfolgen?“ fragte er.
„Wir verfolgen ihn nicht. Wir warten hier auf ihn. Du mußt zugeben, daß das ein großer Unterschied ist.“
„Du meinst – er kehrt zurück?“ fragte Willem entgeistert.
„Mit Sicherheit. Er ist zur Ostseite von Gran Cayman gesegelt und holt Verstärkung“, erwiderte sie. „Du mußt wissen, daß er Verbündete wie den Seewolf und eine Bande von behelmten Nordmännern hat – Narren, die sich für ihn schlagen. Sie dachten, sie könnten uns hier eine Falle stellen, aber sie haben sich getäuscht.“
Willem war erblaßt, der Gedanke an die bevorstehende Schlacht ließ seine Knie weich werden. „Läßt sich das Gefecht denn nicht verhindern? Denk doch an die schönen Schiffe.“
„Es ist Ribault, der uns angreift“, sagte die Queen kühl. „Wir weichen nicht vor ihm zurück. Diese Blöße geben wir uns nicht. Wenn er uns herausfordert, schlagen wir voll zurück. Und vergiß nicht, daß er mit Rivero zusammen als Spion für die Spanier arbeitet.“ Sie fuhr herum und schrie zur „Aguila“ hinüber, die auf Rufweite herangestaffelt war: „Wollt ihr vor Ribault und Rivero kneifen?“
„Nein!“ rief Jaime Cerrana erbost zurück. „Lieber jage ich mir eine Kugel durch den Kopf! Und mit Rivero habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen!“
„Wollt ihr also den Kampf?“
„Ja!“
Rufe schallten auch zwischen der „Aguila“ und der „Buena Estrella“ sowie der „Vascongadas“ hin und her. Rasch hatten sich die Siedler an Bord der beiden spanischen Galeonen davon überzeugt, daß es gut war, die „Le Vengeur III.“ und deren Verbündete zu vernichten. Schließlich waren das spanische Spione – so stellte die Queen es dar, und so nahmen die Männer es ihr auch unbesehen ab.
„Siehst du, Willem“, sagte die Queen. „Es herrscht Einigkeit, wir brauchen nicht abzustimmen. Die Umsiedlung nach Tortuga und Hispaniola darf durch Bastarde wie Ribault, Rivero und die Rote Korsarin nicht verhindert werden. Will dir das nicht in den Kopf?“
„Na-natürlich will mir das in den Kopf“, erwiderte er.
„Also hast du nichts an meinen Befehlen zu kritisieren?“ Durchdringend blickte sie ihn an.
„Absolut nichts.“
„Das habe ich gewußt“, sagte sie. „Dann überlege dir, ob du beim Kampf auf dem Achterdeck bleiben willst oder nicht. Ich würde es schätzen, dich an meiner Seite zu wissen, aber ich weiß nicht, ob du die Courage hast.“
Willem wußte selbst nicht, wie ihm geschah.
„Ich bleibe“, sagte er heiser. „Emile, du hast die freie Wahl.“
„Ich? Oh, ich muß nachsehen, ob die Kombüsenfeuer schon gelöscht worden sind.“ Mit diesen Worten verschwand Emile Boussac vom Achterdeck, eilte über die Kuhl und schlüpfte durch das Vordecksschott in die Kombüse. Aufatmend lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand des Raumes.
Der Koch lachte hämisch. „Hast du die Hosen schon voll? Warte, bis dir die Kugeln und die Schiffstrümmer um die Ohren fliegen. So heiß ging es bestimmt nicht her, als dir deine Kneipe über dem Kopf zusammenbrach.“
Emile war elend zumute. Er war kein Held, aber ein bißchen zäher als Willem war er doch, jedenfalls bildete er sich das ein. Willem, dessen war er sicher, würde seinen heroischen Entschluß, auf dem Achterdeck zu bleiben, noch bereuen.
10.
Die „Le Vengeur III.“ hatte die „Isabella IX.“ und den Schwarzen Segler erreicht und drehte mit aufgegeiten Segeln auf Rufweite bei.
„Die Queen scheint uns durchschaut zu haben!“ rief Jean Ribault. „Sie denkt nicht daran, uns weiter zu verfolgen! Sie liegt mit ihrem Verband zwei Meilen nördlich querab der Todesbucht und wartet ab!“
„So ein Mist“, sagte der Seewolf. „Auf diese Weise packen wir sie also nicht.“
„Das habe ich mir schon gedacht“, sagte der alte O’Flynn.
„Warum hast du uns dann nicht gewarnt?“ fragte Big Old Shane drohend. Er lag fast ständig mit dem Alten im Streit, vor allem wegen dessen Aberglaubens.
„Ihr hättet ja sowieso nicht auf mich gehört“, erwiderte er störrisch.
Während sich der Disput zwischen ihnen entwickelte, faßte der Seewolf rasch seinen Entschluß. Er mußte erkennen, daß sein Plan nicht geklappt hatte. Die Queen war raffinierter, als er gedacht hatte, sie ging ihm nicht auf den Leim.
„Ruhe!“ rief Hasard, und jedes Gespräch verstummte. „Angriff ist die beste Verteidigung! Wenn wir die Queen noch stellen wollen, ist das unsere einzige Möglichkeit!“
„Dann verfahren wir nach dem Motto!“ brüllte Thorfin Njal von Bord des Schwarzen Seglers. „Auf was warten wir noch? Ich habe mein Messerchen gewetzt, aber wenn wir noch länger hier herumdümpeln, fängt es an zu rosten!“
„Jean, Siri-Tong, seid auch ihr einverstanden?“ rief der Seewolf.
„Ja!“ tönte es zweistimmig zurück.
„Den Anker lichten!“ schrie Hasard. „Wir gehen auf Kurs Norden, fallen nach drei Meilen ab und segeln vor dem Wind auf den Gegner zu!“
„Alle Mann auf Posten!“ brüllte Carberry. „Wird’s bald, ihr Kakerlaken? Bindet euch die Hosenbeine zu und zurrt die Ohren fest, damit sie euch nicht abfallen! Mister Davies, soll ich dir dein dämliches Grinsen aus dem Gesicht wischen? Bewegt euch, ihr Rübenschweine, hopp, hopp, keine Müdigkeit vorschützen! Ihr beiden – bringt die Hündin weg!“ Damit waren die Zwillinge gemeint, die auch sofort Plymmie in die Kombüse führten und einsperrten. „Sir John, du Nebelkrähe, verzieh dich!“ brüllte Carberry, und auch der Aracanga zog es vor, im Achterdeck Deckung zu suchen.
Es wurde ernst. Das Versteckspiel war vorbei, die Karten wurden offen auf den Tisch gelegt. Deswegen brauchten die Männer an Bord der drei Schiffe auch nicht mehr zu schweigen. Die Queen und deren Spießgesellen konnten das Gebrüll ohnehin nicht hören – der Wind trug es ins Innere der Insel.
Die Queen sah ihren Feind erst, als die „Le Vengeur III.“, die „Isabella IX.“ und der Schwarze Segler an der Nordostseite von Gran Cayman aus dem Morgendunst hervorstießen und Kurs auf ihre vier Galeonen nahmen.
Rasch schrumpfte der Abstand zwischen den beiden Parteien zusammen. Die Reichweite der Kanonen war jetzt fast gewährleistet, gut eine Meile lag zwischen den vier Galeonen und den drei Schiffen des Seewolfs. Aber kein Schuß fiel. Eine Nervenprobe begann – wer würde als erster feuern?
Hasard hatte den strikten Befehl gegeben, ohne sein Zeichen nicht das Feuer zu eröffnen. Daran hielten sich die Männer. Sie kauerten an ihren Geschützen und spähten aus zusammengekniffenen Augen zum Gegner, aber noch entzündeten sie nicht die Enden der Lunten in der Glut der bereitstehenden Kupferbecken.
Ferris Tucker stand an seiner Höllenflaschenabschußkanone, Big Old Shane und Batuti hielten sich mit ihren Langbögen aus englischer Eibe bereit. Sie schickten sich an, in den Großmars und Vormars der „Isabella“ aufzuentern, aber auch dazu warteten sie den Befehl des Seewolfes ab.
Thorfin Njal thronte wie Odin höchstpersönlich auf seinem Achterdecksstuhl und rührte sich nicht. Seine Miene war wie versteinert, kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Gespannt blickten seine Männer voraus, und auch auf dem Schwarzen Segler waren die Kanonen feuerbereit und glomm die Holzkohlenglut in den Metallbecken.
Die „Le Vengeur III.“ segelte am weitesten nach Norden versetzt. Noch hielten die drei Schiffe – die „Isabella“ lag in der Mitte, „Eiliger Drache“ segelte am dichtesten unter Land – auf Parallelkurs auf den Feind zu, aber das sollte sich rasch ändern. Platt lagen sie vor dem Wind, prall waren die Segel gebläht, aber plötzlich, ohne ein vom Gegner erkennbares Zeichen, luvten die „Le Vengeur“ und der Schwarze Segler leicht an, so daß der Dreierverband auseinanderfächerte.
Nun war es doch die Black Queen, die als erste die Nerven verlor. Sie ließ die Segel setzen. Jaime Cerrana und die Kapitäne an Bord der „Vascongadas“ und der „Buena Estrella“ folgten ihrem Beispiel, die Galeonen gingen auf Kurs.
Vom Bug der „Caribian Queen“ löste sich ein Schuß – eine Drehbasse war gezündet worden. Der Schuß raste hoch und senkte sich bogenförmig auf das Wasser, er lag vor dem Bug der „Isabella IX.“. Eine Wasserfontäne stieg auf, bildete eine Schaumkrone und fiel rauschend wieder in sich zusammen. Das war der Auftakt zum Gefecht.
„Anluven!“ schrie die Black Queen. „Kurs Norden! Eine volle Breitseite abgeben!“
Die Rauchwolke, die von der vorderen Drehbasse aufgestiegen war, verpuffte, mit fliegenden Fingern lud der Geschützführer nach. An den Steuerbordkanonen hockten die Piraten bereit zum Schuß. Das Schiff legte sich an den Wind und krängte nach Backbord, eine unsichtbare Macht schien sich gegen die Bordwand zu stemmen. In engem Bogen holte das Schiff herum, und die Mündungen der Kanonen richteten sich auf die „Isabella“, die ihren Kurs nicht geändert hatte und tollkühn auf den Gegner zuhielt.
Willem Tomdijk fuhr sich mit der Hand an den Hemdkragen. Ihm war plötzlich sehr heiß, und er schwitzte am ganzen Körper. Welcher Teufel hatte ihn geritten, als er sich dazu entschlossen hatte, an Deck zu bleiben? Warum floh er nicht?
Er war versucht, das Achterdeck zu räumen, aber irgend etwas hielt ihn fest. Er war unfähig, sich zu rühren. Und dann war es auch schon zu spät, noch etwas zu unternehmen. Das Gefecht begann.
„Feuer!“ schrie die Queen.
Die Geschützführer der Steuerbordseite senkten ihre glühenden Luntenstöcke auf die Bodenstücke der Kanonen. Es zischte und funkte, dann lösten sich die Kugeln mit urweltlichem Donner aus den Rohren. Das ganze Schiff erbebte unter dem Krachen und Grollen, die Kanonen rumpelten auf den Hartholzrädern ihrer Lafetten zurück. Dröhnend raste die Breitseite auf die „Isabella“ zu.
Der Seewolf hielt hartnäckig den Kurs. Die „Isabella“ wandte der „Caribian Queen“ ihre Bugpartie zu und bot eine relativ geringe Angriffsfläche. Wie auf Kommando lagen die Männer bäuchlings auf den Planken – keine Sekunde zu spät, denn die Kugeln waren heran.
Vier, fünf Stück flogen vorbei, an Backbord und an Steuerbord, doch der Rest der Ladung lag im Ziel. Es krachte, prasselte, knackte und barst, und etwas schien von unten her die Galion aufzuschlitzen. Der Bugspriet ruckte hoch, die Blinden flatterten an ihren Rahen, Hämmer schienen gegen die vordere Querwand der Back zu schlagen. Trümmer wirbelten durch die Luft und landeten auf dem Hauptdeck und dem Quarterdeck, so heftig war der Aufprall.
Al Conroy und Smoky rollten auf der Back bis zur achteren Balustrade, rappelten sich fluchend wieder auf und stürzten zurück zu den Drehbassen. Sie waren unverletzt. Auf dem Hauptdeck rieb sich Bob Grey den Hinterkopf, er war von einem Plankenteil getroffen worden. Aber außer einer Beule hatte auch er nichts abbekommen.
„Drehbassen – Feuer!“ schrie der Seewolf.
Belfernd entluden sich die Hinterlader. Sie ruckten in ihren Gabellafetten, und fast wirkte es so, als würden sie sich losreißen. Doch die Balustrade der Back war nicht so stark beschädigt, wie es anfangs den Anschein gehabt hatte. Auch der Bugspriet stand noch, und die Löcher in der Galion und im Bug lagen zum Glück oberhalb der Wasserlinie.
Noch während die Drehbassenkugeln zum Feind hinüberflogen, gab Hasard den Befehl zum Anluven. Wie die „Caribian Queen“ legte sich die „Isabella“ auf Kurs Norden. Die Black Queen versuchte unterdessen, vom Wind abzufallen und eine Halse zu fahren, aber sie war nicht schnell genug.
Wieder schrie der Seewolf „Feuer“, und die Siebzehn- und Zwanzigpfünder der Backbordseite spuckten Eisen, Feuer und Rauch aus.
Drei Löcher hackten die Kugeln in die Bordwand der „Caribian Queen“, drei weitere Kugeln heulten flach über die Decks weg. Die Piraten brüllten auf. Wassersäulen stiegen neben der Bordwand auf, die Gischt näßte die Decks der „Caribian Queen“. Es gab einen Toten und zwei Verletzte, und das Wutgeheul der Kerle ging in dem Johlen und Pfeifen der Arwenacks unter.
„Halsen!“ schrie Hasard. „Näher an den Feind heran! Steuerbordgeschützfeuer – bereithalten! Shane, Batuti – die Brandpfeile einsetzen! Ferris!“
„Klar zum Feuer, Sir!“ rief der rothaarige Riese.
Die „Buena Estrella“ war unterdessen nach Nordosten abgelaufen und griff die „Le Vengeur III.“ an. Die „Aguila“ und die „Vascongadas“ hielten Kurs auf Gran Cayman und versuchten, den schwarzen Segler in die Zange zu nehmen. Auf allen Schiffen donnerten die Kanonen, ein ohrenbetäubendes, gewaltiges Grollen rollte über die See. Bordwände zitterten, Masten erbebten, Trümmer flogen hoch durch die Luft. Männer schrien, und die See war von rauschenden Fontänen aufgewühlt.
Willem Tomdijk war leichenblaß, ihm drohten die Sinne zu schwinden. Er wich bis an die Heckreling zurück und versuchte, in dem Durcheinander, dem tosenden Inferno und heulenden Irrsinn noch etwas Klares zu erkennen. Es gelang ihm nicht. Fetter schwarzer Rauch zog in dichten Schwaden über die See und hüllte die Schiffe ein. Wo war der Gegner, wo die Verbündeten? Willem wußte es nicht mehr.
Er sah die Queen und Caligula wie Schemen auf und ab eilen und hörte ihre gebrüllten Befehle. Die „Caribian Queen“ hatte ihre Halse vollendet, und jetzt brüllten die Backbordgeschütze wie todwunde Riesentiere. Feuerblitze stachen wie dicke Keile in die Luft, und plötzlich jaulten auch wieder die Kugeln des Feindes heran. Ein Stakkato von Einschlägen traktierte die „Caribian Queen“, die Kerle fluchten und schrien. Willem sank auf die Knie und stieß ein jammerndes Gebet aus.
Etwas huschte auf ihn zu, er warf sich hin. Eine Kugel – sie riß ein Stück der Reling mit, taumelte der See entgegen und landete mit einem Zischen im Wasser.
Willem kroch wie von Sinnen weiter nach achtern. Er hatte begriffen, daß er nur wie durch ein Wunder dem Tod entgangen war. Er war seinem Schicksal ausgeliefert, jeden Augenblick konnte eine neue Kugel nahen, die diesmal seinem Leben ein jähes Ende setzte. Er wollte nicht sterben, aber er wußte nicht, wo er sich verkriechen sollte.
Die „Caribian Queen“ luvte wieder an, die Lage des Schiffskörpers veränderte sich. Die Krängung brachte Willem ins Rutschen – und mit einem schrillen Schrei schoß er durch die Lücke in der Heckreling. Er konnte sich nicht mehr festhalten, nichts hielt sein Abgleiten auf. Brüllend segelte er durch die Luft und verschwand mit einem gewaltigen Klatscher im Wasser.
Der Queen war es jedoch nicht entgangen.
„Mann über Bord!“ schrie sie. „Fischt ihn wieder auf! Es ist der Dicke!“
Pitcairn, ihr bester Schwimmer, mußte über das Schanzenkleid der Kuhl außenbords springen. Er tauchte mit einem Kopfsprung unter, schoß wieder hoch und hielt mit schnellen, knappen Zügen auf den zappelnden, wasserschluckenden Willem zu.