Kitabı oku: «Geschichtsmatura», sayfa 5

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2.3.7 Zur Kontroverse um den Aspekt Wissen und historische Kompetenzen

Die gesellschaftlichen Ansprüche an Wissensbestände junger Menschen, die durch den Geschichtsunterricht zu erwerben seien, streuen erheblich. Während im öffentlichen Diskurs seit jeher das Verfügen über deklaratives Fachwissen (i. e. die Kenntnis über Daten und Fakten, Ereignissen, Epochen, Subjekten, Räumen, Dimensionen und Kategorien) im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, wünscht sich die Geschichtswissenschaft die Erarbeitung von Wissen zu forschungsrelevanten Themen, während eine an Sozialwissenschaften und Pädagogik orientierte Didaktik die Hinwendung zu „[…] epochentypische(n) Schlüsselprobleme(n) unserer Gegenwart und der vermutlichen Zukunft“243 verlangt. Vertreter*innen der jüngeren Geschichtsdidaktik propagieren die Berücksichtigung individueller Interessen der Schüler*innen bei der Auswahl zu erarbeitender Inhalte.244 Im krassem Gegensatz zur Bandbreite der Erwartungen an historisches Wissen stehen die Befunde der empirischen Forschung über dessen Verfügbarkeit bei deutschen Schüler*innen. Bodo von Borries fasst sie pointiert in dem Diktum zusammen, es herrsche „gähnende Leere“.245 Mit dem kompetenzorientierten Unterricht werden die Ansprüche an den zu erarbeitenden „Stoff“ – das „[…] Substrat gesicherten Wissens über die Welt“246 – um mehrere Facetten erweitert: Nutzung von Wissen zum Zweck des Aufbaus der Fähigkeit, historische Phänomene selbstständig zu erschließen, die Gegenwart zu erklären und die Zukunft zu prädeterminieren. Folgt man der Kompetenzdefinition Weinerts, kann man Wissen sowohl als Ausgangspunkt als auch als Ergebnis des Prozesses des Kompetenzaufbaus sehen,247 was die Klärung der Frage des Stellenwerts und der Rolle des Wissens im kompetenzorientierten Unterricht nicht erleichtert. Daher wird im Folgenden der Versuch einer Standortbestimmung unternommen, um einen denkbaren Zugang zum Umgang mit Wissen in den Reifeprüfungen zu finden.

2.3.7.1 Zur Funktion von Wissen: Der Konnex Wissen – Können – Urteilen, ein Problemaufriss

Die Bedeutung, die historischem Wissen zugemessen wird, hat viel mit Vorstellungen von Bildung, aber auch mit der Haltung zu Unterricht zu tun. Verfolgt man den wissenschaftlichen Diskurs und gleicht ihn mit so manchem kollegialen Gespräch in Konferenzzimmern ab, könnte man zu dem Schluss kommen, der Umgang mit Fachwissen sei die Gretchenfrage des kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts. Lehrer*innen artikulieren die Sorge, die Anforderungen im Umgang mit Materialien würden es nicht (mehr) erlauben, ausreichend „Stoff“ zu erarbeiten, um den für unabdingbar gehaltenen Überblick über die Geschichte so aufzubereiten, dass Schüler*innen sich in ihr sicher bewegen und somit als gebildet gelten können. Der wissenschaftlichen Didaktik wird unterstellt, sie propagiere eine Reduktion von Wissensvermittlung im Schulunterricht zugunsten des Einübens von Verfahren.248 Auch wenn die Kritik übersieht, dass die Didaktik eine zielgerichtete und wohlüberlegte Wissensgenerierung fordert, um ausgewählte Themen der Geschichte umfassend und in die Tiefe gehend zu bearbeiten, gibt es die Irritationen innerhalb der Disziplin bezüglich des Stellenwerts von Fachwissen. Das belegt auch die nachfolgende Auswahl an Stellungnahmen aus der Geschichtsdidaktik.

Vor dem Hintergrund der Änderung des leitenden Unterrichtsprinzips hat die Debatte zur Relevanz des Verfügens über Fachwissen an Dynamik gewonnen. Neu ist die Kontroverse nicht. Bereits unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg sind erhebliche Zweifel an der dauernden Verfügbarkeit von historischem Wissen und damit am „Bildungsertrag“ aufgekommen.249 Die Formel der „Tübinger Beschlüsse“ (1951), die „Durchdringung des Wesentlichen“ habe Vorrang vor der Quantität zu erarbeitender Stoffgebiete, war eine erste Reaktion auf die Verunsicherung im Umgang mit Fachwissen. Bereits dieser Empfehlung lag die Einsicht zugrunde, „[…] die Schule vermittelt nicht den ‚Stoff‘, sondern erzeugt ihn, indem sie Wissen aus anderen Kontexten (z. B. Kultur, Wissenschaft, Alltag) sich anverwandelt und nach ihren eigenen systemischen Logiken verwendet“.250 Die Diskussion um die PISA-Ergebnisse hat den Eindruck entstehen lassen, dass die in den 1970er Jahren erwarteten Erfolge ausgebleiben sind, trotz punktueller didaktischer Kurskorrekturen in den 1980er Jahren. Daher sollte mittels kompetenzorientierten Unterrichts ein ernsthafter Versuch unternommen werden, Nachhaltigkeit zu generieren, indem Wissen mit Können verknüpft wird. Für Wolfgang Sander ist diese bildungstheoretisch untermauerte Wissens-Definition der „[…] Referenzbegriff für die Beschreibung der Ziele der Schule […]“ in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern.251 Gautschi äußert die Befürchtung, es drohe in der Dynamik der Implementierung des Kompetenzparadigmas die Gefahr, dass sowohl in Teilen der Lehrerschaft als auch bei einzelnen Didaktiker*innen die Auffassung aufkeimen könnte, fachliches Wissen sei obsolet geworden. Sollte das der Fall sein, werde übersehen, dass die Kognitionspsychologie den Begriff „Wissen“ so ausdifferenziert habe, dass ihm komplexe Denkvorgänge zuzuschreiben sind. Gautschi beruft sich auf Walter Edelmann, demzufolge Wissensaufbau durch „[…] kognitive Strukturen oder mentale Modelle, die durch Kognition über die Wirklichkeit erworben werden […]“,252 erfolgt. Dabei handle es sich um Prozesse, die nicht bloß Abbildungen darstellen, sondern als neuronale Verknüpfungen samt der Entwicklung neuer Systeme zu verstehen sind, i. e. als Denkoperationen. Nach Escher und Messner definiert Gautschi Wissenserwerb als „[…] individuelle gedankliche Repräsentationen“,253 die durch Sprache evident werden und Teil eines schrittweisen Erkenntnisprozesses sind. Da „Historisches Lernen […] in der Auseinandersetzung des Individuums, das in eine Gesellschaft und in den zeitlichen Wandel eingebunden ist, mit Ausschnitten aus dem Universum des Historischen, das durch den zeitlichen Wandel stetig wächst. [...]“254, vollzogen wird, komme der Aneignung von Fachwissen im Zuge der Entwicklung historischer Kompetenzen eine zentrale Bedeutung zu. Gautschi und Béatrice Ziegler sehen die Funktion von Wissen als Hilfsmittel, die das Zurechtfinden in der Geschichte ermöglicht. Es unterstützt die Herausbildung der Fähigkeit, mit historischen Narrativen umgehen zu können.255 Thünemann nimmt vor dem Hintergrund der gewünschten Synchronisation von Wissen und Können den Aspekt des „trägen Wissens“256 in den Blick und begrüßt an der Kompetenzdiskussion, dass sie das Problem seiner Existenz wahrnimmt. Zwar müssten die für den kompetenzorientierten Geschichtsunterricht erforderlichen Wissensbestände erst modelliert werden. Dessen ungeachtet stehe fest, dass im Geschichtsunterricht lange Zeit Wissen generiert worden sei, das sich Deutungen entziehe und somit keinerlei Orientierungsnutzen für das Individuum aufweise. Thünemann beruft sich auf Rüsen, der kritisch anmerkt: „Was nützt ein ausgebreitetes historisches Wissen, wenn es als bloße Gedächtnisleistung erlernt worden ist und keine Orientierungskraft hat? Auf der anderen Seite: Was nutzt die Fähigkeit zur historischen Reflexion und Kritik von Praxisentwürfen, wenn sie erfahrungsarm ist […]?“257 Sollen Erkenntnisse ermöglicht werden, bedarf es der Klärung der Frage: „Wieviel Wissen braucht man eigentlich, um historisch kompetent zu sein […]“258 und der Entscheidung darüber, ob Kompetenzorientierung eine Trennung von Wissen und Fähigkeiten meint oder das Fachwissen als integralen Bestandteil des Umgangs mit Geschichte sieht.259 Dem Verdikt Thünemanns über „träges Wissen“ hält Roland Reichenbach einen erweiterten, philosophisch determinierten Bildungsbegriff entgegen. Es hänge allein von der Entscheidung des Individuums ab, ob Wissen tot, träge oder nützlich sei. Da Wissen dann träge werde, wenn, wie Renkl nachgewiesen habe, das Erlernte nicht angewendet wird, sei es Sache der Lehrer*innen Sorge für die Schaffung von Lernumgebungen zu tragen, die Handlungsorientierung fördern. „Die Praxis lernt man nur in der Praxis selbst. Schwimmen etwa im Wasser und nicht in Schwimmseminaren und Schifahren allein durch Schifahren und nicht in Vorlesungen zur Geschichte des Wintersports.“260 Reichenbach verweist auf Dilthey, der Wissen als essenzielles Element von Bildung ansieht und selbst jenem Wissen, das keinen unmittelbaren Nutzen stiftet, einen hohen Stellenwert einräumt, weil auch implizites Wissen, ja sogar Vergessenes seine Funktion in der Ausbildung von Horizonten hat. Entscheidend sei nicht das Ad-Hoc-Verfügen über Wissen, sondern der Prozess der Aneignung und die dabei entwickelten Fähigkeiten und Fertigkeiten. Versteht man Lernen als einen individuellen Vorgang des Erfahrungen-Sammelns, sei der momentan dominante „[…] gegenwartszentristische und instrumentalistische Zugang zu Wissen und Bildung“261 zu kritisieren. Reichenbach sieht am Verlauf der Diskussion eine verengte Vorstellung von Wissen erstarken und setzt dem ein Verständnis entgegen, das er mit dem Begriff „Orientierungswissen“ versieht. Dieses zeichne sich durch die „[…] Befähigung zur Beurteilung von Berechtigungsgründen des Tuns“262 aus, verbinde das Individuum mit seinem Umfeld, führe zum Einnehmen von Standpunkten und benötige dazu Wertmaßstäbe. Jeder Vorgang von Meinungsbildung, aber auch die Überprüfung von Ansichten samt möglicher Korrekturen, bedürften dieses Orientierungswissens. Durch diesen Prozess würden Illusionen zerstört und Unwahres eliminiert werden. Soll Bildung Wandelprozesse initiieren, begleiten und steuern, bedarf das Individuum Wissens jeder Art. Entscheidend sei, dass allfälliges implizites Wissen durch Anwendung explizierbar werde.263 Für Matthias Martens kann Kompetenzorientierung im Geschichtsunterricht, will sie gemäß dem Postulat Tenorths „[…] den Bildungsanspruch […] neu begründen […]“,264 ohne Einüben in den Umgang mit narrativistisch-konstruktivistischen Prinzipien nicht gelingen: „Geschichte als Gegenstand des Geschichtsunterrichts kann ausschließlich als eine Deutung verstanden werden und ist ohne konstruktivistisches Denken nicht zu erschließen. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, dass Geschichte ein narrativistisches Konstrukt ist und müssen die geschichtsunterrichtliche Praxis der historischen Sinnbildung als eine konstruktivistische Praxis begreifen.“265 Martens weist darauf hin, dass sich der Umgang mit Geschichte nicht in der summarischen Aneignung aller verfügbaren Kenntnisse erschöpfen kann, sondern dass historisches Denken und dessen Ausprägungsgrad den Inhalt des Fachs ausmacht. Um mentale Operationen zu ermöglichen, bedarf es des Erwerbs von Kenntnissen über zentrale Kategorien und des verfahrensgeleiteten Umgangs mit ihnen, also des Verfügens über implizites Wissen. Die Definition von Dimensionen und von Handlungsanforderungen sollte jene Kernbereiche rahmen, die eigenständiges Denken und Handeln (selbstbestimmtes Leben) ermöglichen. Im Zentrum des Kompetenzerwerbs stehe daher der Aufbau der Fähigkeit, Quellen und Darstellungen deuten zu können.266 Thomas Hellmuth schließlich schlägt, ausgehend von der lernpsychologischen Wissensdefinition Roland Arbingers,267 ein Zwei-Stufen-Verfahren im Umgang mit Wissen vor, nämlich die Teilung der Wissensbestände in zu erwerbendes Grundwissen (Fakten, Begriffe, Kategorien, Konzepte) samt dessen Anwendung in themenbezogener Bearbeitung und in die Entwicklung von Orientierungswissen, das zum Auf- und Ausbau von Kompetenzen führen soll.268 Der fachdidaktische Diskurs macht einen Konsens darüber sichtbar, dass Fachwissen als unabdingbar für einen gelingenden kompetenzorientierten Unterricht angesehen wird.269 Die Meinungen über Rolle und Stellenwert teilen sich aber an zwei Trennlinien. Die eine Grenze entsteht entlang der Frage, wann und wie Wissen aufgebaut zu werden hat. Es gibt die Auffassung, dass Fachwissen als Voraussetzung für Kompetenzerwerb anzusehen ist (z. B. Gautschi, Hellmuth) und daher gesondert erarbeitet gehört. Dem entgegen steht der Wunsch nach einem integrativen Wissensaufbau im Zuge des Lernprozesses (z. B. Martens, Reichenbach) im Umgang mit Geschichte. Eine weitere Trennlinie verläuft entlang der Frage, ob für den kompetenzorientierten Umgang mit Geschichte spezielle Wissensbestände nötig sind (z. B. Thünemann, Hellmuth) oder ob jede Form einer Begrenzung bzw. Modellierung obsolet ist, weil alle Arten von Wissen für individuelle Erkenntnisprozesse nützlich bzw. nötig sind (z. B. Martens, Gautschi). Mit der Klärung des Theorieproblems ist auch die Beantwortung der Frage verknüpft, ob das Verfügen über Fachwissen eine Teilkompetenz darstellt (Gautschi) oder ob es die Voraussetzung für den Aufbau und die Anwendung (eigentlicher) historischer Kompetenzen bildet (Hellmuth).

2.3.7.2 Ein Vorschlag für Wissensformen bei Kompetenzorientierung: Konzepte und Kategorien

Die Bildungspolitik hat mit ihren Entscheidungen die Fachdidaktik auch in der Frage der Klärung des Stellenwerts von Wissen unter Druck gesetzt.270 Sander weist darauf hin, dass der politische Entschluss, Kompetenzorientierung zum leitenden Unterrichtsprinzip zu erheben, das gängige Unterrichtsziel der Abarbeitung von Stoffkatalogen hat obsolet werden lassen.271 Markus Bernhardt, Ulrich Mayer und Peter Gautschi pflichten dieser Einschätzung bei, wenn sie die Funktion kanonisierter Wissensbestände primär der Selbstvergewisserung sozialer Eliten zuschreiben, denen es darum geht, mittels Canones die eigenen Interessen im Schulunterricht repräsentiert zu sehen. Der Kanon ist per definitionem gedeutet, er manipuliert daher und findet seine gesellschaftliche Rechtfertigung in dem diffusen Bildungsanspruch, den Schüler*innen vorüberlegte Instrumente in die Hand zu geben, um in der Öffentlichkeit „mitreden“ zu können.272

Einen viel beachteten Vorschlag zur Beseitigung des dargestellten Theoriedefizits zur Frage der Beschaffenheit jenes Wissens, das nötig ist, um historisch kompetent zu sein, stammt von Sander. Rüsen folgend empfiehlt er der Geschichts- und Politikdidaktik die Aneignung des kognitionspsychologischen Begriffs „Konzept“ zum Zweck des Fassens des Gehalts von Wissensbeständen im System kompetenzorientierten Unterrichtens. Dieser Begriff fasst das Ordnen sinnlich wahrgenommener Eindrücke, deren Interpretation und die Verknüpfung der beiden mentalen Vorgänge: „Ein Konzept ist der Versuch, etwas zu verstehen und erklären.“273 Und ein Konzept ist integrativ angelegt. Es beinhaltet Alltagswissen und Forschungswissen, es ist unscharf und zeigt eine subjektiv wahrgenommene Wirklichkeit. Es gilt so lange, bis es durch ein plausibleres ersetzt wird. Jedes Konzept besteht aus den Elementen Schema (Wissenseinheit zu bestimmten Aspekten), Script (Wissenseinheit zu Abläufen) und Modell (Darstellung der Zusammenhänge). In Funktion treten Konzepte in Verbindung mit Kategorien (dem „Objekt“).274 Gregory Murphy meint: „Concepts are the glue that hold our mental together”,275 denn sie würden das Erklären historischer Phänomene und Prozesse bedingen.276 In der Kognitionspsychologie herrscht Dissens zur Frage, ob der Terminus „Konzept“ in seiner Funktion als Wissensbegriff alle Formen kognitiven Wissens erfasst. Während Murphy das so sieht, tritt Anderson für eine Differenzierung nach Factual, Conceptual, Procedual und Metacognitive Knowledge ein,277 eine Separierung, deren Sinnhaftigkeit sich Sander nicht erschließt.278 Gautschi und Kühberger folgen hingegen Anderson, der drei Arten von Wissen propagiert, die im Unterricht einzuüben und anzuwenden sind: deklaratives Fachwissen (Denkinhalte aus Bedeutungsnetzen), prozedurales Wissen (Denkinhalte aus Operationen), metakognitives Wissen (Spiegelung eigener Wissensbestände durch andere).279 Aufgebaut werde das historische Wissen mit Hilfe der Fähigkeit zur Verknüpfung von Begriffen mit Konzepten. Das Resultat materialisiere sich in der Performanz. „Die Performanz besteht nicht einfach aus Wissen, sondern ist das Ergebnis der Verfügung über Wissen.“280 Daher ist ein zentraler Vorgang beim Wissenserwerb die Entwicklung von Begriffskompetenz. Sie umfasst die Fähigkeit, Inhalte von Fachbegriffen zu erklären, die Begriffe mit historischem Kontext, aber auch mit eigenen Vorstellungen zu verbinden und zu bewerten, sie adäquat zu verwenden, zu erweitern, zu differenzieren und zu adaptieren.281 Erst im Vorgang der Verknüpfung kognitiv erworbener Begriffe mit Konzepten wird Wissen aufgebaut. Dabei vollzieht sich historisches Lernen und es entsteht Orientierungskompetenz.282 Die Fähigkeit, eigenständig Wissensbestände einzuordnen und zu bewerten, Wissen also nicht nur wiederzugeben, ist für Bernhardt et all. Ausdruck kompetenten Umgangs mit Wissen. „In dieser Reflexion besteht sogar die einzig mögliche Sicherung des Wissens, denn erst hier findet eine Objektivierung der äußerlichen, vermeintlich wahrnehmungsabhängigen Daten statt.“283 Sander schlägt für die schulische Praxis die Übernahme der in den USA entwickelten Idee der „Basic Concepts“ vor, die grundlegende Annahmen, Deutungen und Erklärungsmodelle der Schüler*innen umfassen. Das dafür nötige Fachwissen wird als „konzeptionelles Deutungswissen“284 bezeichnet. Ihm kommt die Funktion zu, den Ausgangspunkt für Lernvorgänge zu bilden.285 Ziel von Unterrichtsarbeit ist die schrittweise substanzielle Verbesserung der Basiskonzepte. Sie sind jene „[…] Vorstellungsräume, die einerseits für das Weltverstehen des Faches von struktureller Bedeutung sind, von denen aber andererseits angenommen werden kann, dass Schülerinnen und Schüler mit ihnen bereits konzeptuelle Vorstellungen verbinden.“286 Sander weist auch darauf hin, dass das Argument, es bedürfe im Unterricht des Aufbaus eines chronologischen Überblicks über die Geschichte und eines Grundgerüsts an Daten, um in einem weiteren Schritt kompetenzorientiert arbeiten zu können, einen Trugschluss darstellt, weil die Idee der Präsentation eines Überblicks per se bereits ein Basiskonzept ist. Vor dem Hintergrund zeitökonomischer Erfordernisse und des Anliegens, Wissen so rasch als möglich im reflektierenden Umgang mit Geschichte zu nutzen, sei es jedoch wenig zielführend, eigens am Konzept „Grundwissen“ zu arbeiten.287

2.3.7.3 „Wissen“ im FUER-Modell: Sachkompetenz als „intelligenter Wissenserwerb“

„Der Historiker weiß nie genug“.288 Von diesem Ondit ausgehend, entwickelt Bodo v. Borries seine Vorstellung davon, was „Wissen“ im kompetenzorientierten Unterricht sein kann. Es sei keinesfalls auf Daten („Gegebenes“) und Fakten („Handlungen“) reduzierbar, sondern müsse „Kenntnisse“ umfassen, die evidente Vergangenheitspartikel in „akzeptierte Ordnungssysteme“ (z. B. Abläufe, Begriffskonzepte, Kontextualisierungen etc.) integrieren.289 FUER orientiert sich an diesem Axiom, wenn es seinem Kompetenz-Strukturmodell sowohl die Theorie der Basiskonzepte zu Grunde legt,290 als auch Anderson et all. folgt, indem die drei Formen kognitiven Wissens (Konzeptwissen, Verfahrenswissen und metakognitives Wissen) in den Fokus der theoretischen Betrachtung genommen werden und das Modell deren integrative Anwendung in der Mechanik des Kompetenzaufbaus (Lernen) empfiehlt. Weil es FUER um die „[…] erinnernde Vergegenwärtigung in ihrer theoretischen Struktur, kategorialen Fassung und sprachlichen Form“291 geht, hat man einen eigenen Kompetenzbereich entworfen, der Wissen gewidmet ist (Sachkompetenz). Man verweist aber nachdrücklich darauf, dass Sachkompetenz ein integraler Bestandteil jedes Kompetenzbereichs ist und somit Wissen keinen separaten Kompetenz-Status aufweisen kann. Es gehe um das Verfügen über Begriffe, um die Kenntnis von Strukturen und Kategorien, deren Logiken, deren Klassifizierung und deren Nutzung. Ziel sei nicht eine Ansammlung von deklarativen oder prozeduralen Wissenspartikeln, sondern die Unterstützung historischen Denkens durch das Ermöglichen von Erfahrungen und Entdeckungen und von mentalen Orientierungsprozessen.292 Die beiden Kernkompetenzen der Sachkompetenz (Begriffs- und Strukturierungskompetenz) sollen Menschen in die Lage versetzen, „[…] die Domäne mit Hilfe dafür relevanter Begrifflichkeiten in Bezug auf Theoretisches, Subjektbezogenes, Inhaltliches und Methodisches zu strukturieren. […]. Als historisch strukturierungskompetent hat also der zu gelten, der über zur Strukturierung genutzte historische Begriffe auf unterschiedlichem Abstraktionsniveau verfügt und sich ihrer funktionalen Bedeutung für die Systematisierung der Domäne bewusst ist.“293 Borries erscheint dieser Zugang zweckdienlich, weil es der individuellen Entscheidung des Lehrenden unterliegt, anhand welcher Themen historisches Denken eingeübt wird. Die Auswahl ist notgedrungen der Willkür unterworfen, sodass eine zu konstruierende Erzählung stets neu durch die Aspekte Partikularität, Selektivität und Perspektivität determiniert sein wird. Der eigentliche Wissensaufbau sei die „,[…] Herstellung von Zusammenhang und Gewichtung des gesicherten Materials, […], dessen Verknüpfung und Vergleichung mit der Umgebung und anderen Themen“.294 Die Rolle des Wissens besteht darin, Einsichten zu ermöglichen, indem Schüler*innen Erkundungen vornehmen können, die aus einem „[…] Mix herkömmlicher Thematisierungen […] und völlig überraschenden Erkundungen […] mit sicheren Verfahrensweisen und offenen Kategorien“295 bestehen.296 Waltraud Schreiber spricht in diesem Zusammenhang von „intelligentem Wissenserwerb“297 und Bernhardt et all. vom Aufbau von „individuellen historischem Wissens“.298 Schüler*innen würden auf diese Weise lernen, historische Erzählungen zu konstruieren, die an persönlichen Orientierungsbedürfnissen Maß nehmen, sodass die Narrationen in einem wachsenden Maß Lebensbezüge aufweisen. Die Rolle der Schule besteht in der Vermittlung der „Erschliessungskompetenz“,299 also in der Unterstützung der Entwicklung der Fähigkeit zur Aneignung von Wissen und in der Heuristik. Waltraud Schreiber erscheint es akzidentiell, ob die Schaffung von Lerngelegenheiten via Problemorientierung (pädagogischer Zugang), Aufgabenstellungen (methodischer Zugang) oder als Reaktion auf Lernstanderhebungen (didaktischer Zugang) erfolgt. Von zentraler Bedeutung ist stets, dass „[…] Wissensaufbau und Förderung der Kompetenzen Hand in Hand gehen sollen […]“, indem darauf geachtet zu werden hat, „[…] dass Reproduktion – Transfer – Reflexion nicht als aufeinander folgende und in den Niveaus unterschiedliche Stufen verstanden werden, sondern dass sie als nebeneinander liegend und vernetzt gesehen werden.“300 Alle Wissenschaftler betonen, dass es keine Interpretation ohne ausreichendes deklaratives Fachwissen geben kann und dass Orientierung ohne metakognitives Wissen oder Methodenkompetenz ohne prozedurales Wissen nicht existieren.301

Die Kritik am Zugang von FUER zur Funktion historischen Wissens im kompetenzorientierten Unterricht zeigt, dass das Thema auf der Agenda der Theoriearbeit bleibt. Ziegler und Gautschi anerkennen zwar, dass FUER die Kompetenzprogression als Wechselwirkung von Wissen und Können sieht, vermissen aber genauere Angaben über die Mechanik Prozesses. Es sei evident, dass Kompetenzaufbau ohne Wissen unmöglich ist, die Funktion von Wissen erscheine aber diffus, wenn nicht sogar ungeklärt. Am ehesten fassbar ist für Ziegler und Gautschi das deklarative Fachwissen als Element des kategorialen Wissens. Es ist in die Progression der Kompetenzentwicklung integrierbar und kann im Zuge der Kompetenzstufung sichtbar gemacht werden.302 Wissen „[…] hat seine Funktion darin, dass an ihm mit den Kompetenzen die Verfügung über Wissen aufgebaut werden kann, wobei der Aufbau von historischem Wissen zu kategorialem und nicht zu deklarativem Wissen führt. Solches Wissen wird in FUER Geschichtsbewusstsein als in den Kompetenzen enthalten gesehen und zusammengefasst als Sachkompetenz beschrieben.“303 Im Gegensatz dazu kritisiert Sander am FUER-Modell die Existenz eines eigenen Kompetenzbereichs „Sachkompetenz“, denn er erwartet, dass dessen Modellierung zu einer separierten Betrachtung des Fachwissens verleiten könnte. Außerdem würde das Kompetenz-Strukturmodell nur über ein einziges genuin historisches Basiskonzept verfügen, nämlich das der Kategorie „Zeit“.304 Hellmuth greift in seiner Beurteilung des Wissens im FUER-Modell die Kritik Pandels an den Begriffskreationen auf und wirft der Gruppe Willkür bei der Definierung der zentralen Termini Re-Konstruktion, De-Konstruktion und Sachkompetenz vor. Aus seiner Sicht könnten Re- und De-Konstruktion jeweils eigenständige Kompetenzbereiche bilden, während die Dimensionen des Kompetenzbereichs Sachkompetenz dem Grunde nach Arbeitswissen umschreiben und daher Bestandteile der Methodenkompetenz seien.305 Resümee: Die Diskussion erweckt den Anschein, als sei die „Gretchenfrage“: „Wie hältst du’s mit dem Wissen?“, vorerst wissenschaftlich nicht zufriedenstellend beantwortbar, sodass die Lehrer*innen weiterhin gefordert sind, in Eigenverantwortung damit umzugehen. In der Entwicklung eines allfälligen Progressionsmodells wird die Klärung der „Wissensfrage“ jedoch eine entscheidende Rolle zu spielen haben.

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