Kitabı oku: «Geschichtsmatura», sayfa 6

Yazı tipi:

3. Kompetenzen und ihre Progression: Zur Graduierung fachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten

Es entspricht sowohl den Logiken didaktischer Konzepte zum Kompetenzaufbau als auch den Interessen der Bildungssysteme, die mittels Lehrplänen Kompetenzorientierung als Unterrichtsprinzip vorgeben, dass die Kompetenzprogression bei Schüler*innen diagnostiziert wird. Niveaustufen der Kompetenzentwicklung sind als analytisches Hilfsmittel aufzufassen, um Unterricht zu gestalten. FUER bietet eine wesentliche Voraussetzung zur Ermöglichung von Kompetenzanalyse, dem Modell ist eine Graduierungstheorie inhärent. Trotzdem erweist sich die Einstufung von Schüler*innen-Leistungen in gesellschaftswissenschaftlichen Domänen prinzipiell als komplex, wie nachfolgend dargestellt wird. Das gilt auch für das FUER-Modell.

3.1 Erkundung eines Systems von Niveaustufen

Der Begriff „Graduierung“ umschreibt die Unterscheidung von Niveaus als Feststellung eines Grades im Umgang mit Fähigkeiten und Fertigkeiten. Am Beginn der Theorie-Arbeit steht die Idee von Taxonomien, die der Lernzieltheorie der 1970er Jahre entsprungen ist. Damals hat man sich eines von Benjamin Bloom in den 1940er Jahren entwickelten Konzepts bedient, um Lernziele in die Fachcurricula zu implementieren und deren Erreichen zu messen. Der didaktische Fortschritt gegenüber den Richtig-Falsch-Analysen besteht in einem ernsthaften Schritt der Abkehr von „Abbilddidaktik“ samt ihres Postulats des Erlernens von Daten und Fakten und einer Hinwendung zu verstehendem Wissen. An die Stelle der Vermittlung deklarativen Fachwissens, meist mittels Master-Narratives und ausgerichtet an politischen Wünschen, tritt allmählich eine kritisch-emanzipatorische Didaktik mit subjektiven Interessen, die sich in Lernzielen manifestiert. Das Resultat von Unterricht (Ziele), die Verfahren, es zu erreichen (Methoden) und die Messung der Ergebnisse (Tests) bilden eine systemische Einheit.306 Um das Jahr 2000 ist die Bloom’sche Taxonomie durch David Kratwohl und Lorin Anderson an das Kompetenzparadigma herangeführt worden, indem das skalierte Schema in ein System stufenweisen Aufbaus von Fähigkeiten („Komplexitätsstufen“) gewandelt worden ist. Die modifizierte Taxonomie beschreibt auch Entwicklungen, die einen nomologisch-kausalistischen Aufbau zeigen. Bloom, Kratwohl, Anderson gehen von der Annahme aus, dass jede Fähigkeit eine Voraussetzung hat und es Entwicklungen gibt. Ähnlichen Überlegungen folgt Lee S. Shulman, der ein Kreislaufmodell, bestehend aus sechs Dimensionen entwickelt, das Handeln über Wissen stellt. Es gebe eine Progression vom Wissen zum Tun. Weder Bloom noch Kratwohl, Anderson oder Shulman bilden Kompetenzentwicklungen ab und leisten damit auch keine Kompetenzniveau-Definitionen.307 Kompetenzgraduierung findet, laut Körber, erst dann statt, wenn „[…] mithilfe eines plausiblen Konzepts unterschiedliche Hierarchiestufen innerhalb der Verfügung über eine Fähigkeit unterschieden und beschrieben werden.“308 Pandel sieht 2005 drei denkbare Zugänge zur Stufung historischer Kompetenzen: die Berücksichtigung der Entwicklungspsychologie der Kinder, die Orientierung an der Chronologie der Geschichte oder die Steigerung der Anforderung von Lernaufgaben.309

3.1.1 Niveaustufen-Unterscheidung: Anthropologie oder Aufgabenschwierigkeit

Kompetenzerwerb und -ausbau markieren Lernprozesse, die ein Leben lang andauern. Sie vollziehen sich im Rahmen komplexer Entwicklungsvorgänge, die nach außen hin kaum manifest werden. In der Fachdidaktik dominiert die Ansicht, dass es der theoriegebundenen Festlegung von Etappen und deren Veranschaulichung bedarf, um das Wahrnehmungsdefizit von Kompetenzprogression zu beenden. Für Pandel ist es „[…] eine unabweisbare plausible Forderung, dass man historische Lernprozesse gemäß den Lebens- und Lernaltern der Schülerinnen und Schüler stufen muss.“310 In der Umsetzung erweist sich dieses Postulat als Herausforderung, weil es zum Wesen von Denken gehört, dass es autonom und perspektivisch erfolgt. Die Ergebnisse manifestieren sich in subjektiven Deutungen, „korrekte“ Lösungen gibt es nicht, stattdessen plausible.311

In der fachdidaktischen Theoriebildung erscheint die Stufung von Kompetenzen nach wie vor als ungelöstes Problem. Die ältere Forschung hat die Grundsatzfrage diskutiert, ob ein derart komplexes Phänomen wie die Entwicklung von Geschichtsbewusstsein überhaupt klassifiziert werden kann. Christian Noack war einer ersten, der dazu eine Graduierungstheorie entwickelt hat. Sein psychologisch-anthropologischer Ansatz geht von der Annahme aus, es gebe sechs Phasen, in denen Schüler*innen zu bestimmten persönlichen Entwicklungsschritten bereit seien. Das inkludiert die Progressionen des Geschichtsbewusstseins. Zwei der sechs Stufen würden in die Zeit des Schulbesuchs fallen. Pandel kritisiert den Vorschlag als didaktisch kaum nutzbar. Eine Einschätzung, wie: „Menschen der Stufe 3 neigen zu historischen Romanen, die hohe Identifikation ermöglichen“,312 belegt er mit dem Verdikt: „Horoskop aus der Regenbogenpresse“,313 denn die Koppelung des Geschichtsbewusstseins an die Persönlichkeitsentwicklung ist für Pandel nicht schlüssig. Wichtiger erscheint ihm die Klärung der Frage, warum sich gewisse Prozesse vollziehen, denn Progressionen von Fähigkeiten und Fertigkeiten würden in den einzelnen Dimensionen weder linear noch parallel vonstattengehen. Das gelte besonders für die Ausformung des Geschichtsbewusstseins, das ein „[…] hoch komplexes Konstrukt aus verschiedenen Dimensionen ist, die jeweils eine eigene Genese haben“.314 Der psychologisch-anthropologische Ansatz greife auch deshalb zu kurz, weil zu dem Zeitpunkt, an dem Schüler*innen das erste Mal mit Geschichtsunterricht konfrontiert werden (mit ca. 12 Jahren), ihre Persönlichkeit bereits weitgehend vollendet sei, während die Ausformung der historischen Kompetenzen erst am Anfang stehe. Pandel schließt daraus, dass die Lösung des Graduierungsproblems durch eine Stufung der Schwierigkeitsgrade von Aufgaben gefunden werden muss. Sinnentnahme aus Texten, Bildern oder Filmen sei mit jeder Altersgruppe möglich und so gehe es darum, passende Materialien zu finden und Fragestellungen zu entwickeln, die altersadäquat eingesetzt werden können.315 Diesen Vorschlag lehnen Borries, Körber und Heil ab. Bei Pandel wären Aufgaben vom Umfeld des/der Schülers*in (z. B. Sozialisation, kulturelle Rahmenbedingungen, Lernumfeld etc.) zu trennen. Damit würden die essenziellen Parameter Kontextreichtum versus Kontextarmut und Kontextfremdheit versus Kontextvertrautheit außer Acht gelassen.316 Körber und Heil glauben nicht, dass es gelingt, Kompetenzniveaus allein durch die Veränderung des Schwierigkeitsgrads von Aufgaben herauszufinden. Bloß die Fähigkeiten zur Sinnentnahme aus Texten zu stufen, greife zu kurz, will man Kompetenzen messen. Die Schritte lesen, interpretieren, verstehen und Sinnbildung würden fehlen.317

Pandels Vorschläge wurden zu Forschungszwecken gemacht.318 Der erste realisierte und zugleich wirkmächtige Versuch einer Kompetenzstufung in der Schule via Aufgaben erfolgte durch die Einführung der „Einheitliche(n) Prüfungsanforderungen für die Abiturstufe“ (EPA). Um das deutsche Abitur zu homogenisieren, einigte sich die KMK am 10. 2. 2005 auf ein Prüfungssystem, das drei Anforderungsbereiche (AFB)319 umfasst, deren Beschreibung sich an den Erkenntnisstufen orientiert, die Jeismann zum Zweck der Differenzierung einer schrittweisen Progression historischen Denkens vorgeschlagen hat.320 Die AFB sind dem EPA-Verständnis nach hierarchisch gegliedert, sodass ihre schrittweise Lösung eine graduelle Entwicklung nachweist. Konkretisiert werden die Kompetenzen durch TA, die mittels Operatoren eingeleitet werden. Der AFB I (Reproduktion) überprüft die Fähigkeit zur Wiedergabe von Sachverhalten. Ziel ist deren Auffinden und Reproduktion. Zu leisten ist die Entnahme von Inhalten bzw. Aussagen aus Quellen, historischen Darstellungen oder Produkten der Geschichtskultur und der Nachweis der Kenntnis von deren Gattungen. Die Darstellung erfolgt in einem neutralen Register. Das erhobene Wissen wird nach den Sektoren der Geschichtswissenschaft (Epochen, Räume, Dimensionen und Subjekte) definiert. Somit erwächst aus dem Umgang mit dem AFB I der Nachweis des Vermögens, Arbeitswissen (deklaratives Fachwissen und prozeduralem Wissen) zu lukrieren. Der AFB II (Transfer und Reorganisation) überprüft analytische Fähigkeiten, deren Ziel das Attestieren von Interpretationsvermögen ist. Im Zentrum der mentalen Operationen steht die Anwendung von Methoden, um verfahrensgeleitet zu Deutungen und zur Überprüfung der Triftigkeit der Inhalte der Materialien bzw. der aus ihnen erhobenen Aussagen zu gelangen. Historische Sachverhalte und Phänomene werden anhand von Materialien auf Argumente, Urteile und Interessen des/der Autors*in untersucht und kritisch überprüft. Sichtbar werden die Resultate dieses Erkenntnisvorgangs in der Darstellung historischer Verläufe und Strukturen und damit in der Fähigkeit zur Kontextualisierung der Analyse-Ergebnisse. Es erfolgt deren Übertragung (Transfer) in einen neuen Sinnzusammenhang (Reorganisation). Das sprachliche Register ist argumentierend. Der AFB III (Reflexion) erwartet einen reflektierender Umgang mit den Erkenntnissen der vorherigen Schritte (AFB I und II) mit dem Ziel, eigenständige, begründbare Urteile über Sachverhalte bzw. Ereignisse oder Phänomene zu entwickeln, die entweder zur Reorganisation oder Festigung des eigenen Geschichtsbildes führen. Die wertenden Urteile müssen plausibel sein und sich an Wertesystemen orientieren. Daher erfolgt die Darstellung argumentierend.321 Im EPA-Modell dienen die AFB-Definitionen als Grundlage zur Ausdifferenzierung von drei Niveaustufen. Laut Körber ermöglicht dieses Verfahren das Erkennen von Graden der Selbstständigkeit im Erfassen und Nutzen von Konzepten durch die Schüler*innen. Manifest wird das durch die Komplexität der Operationen, in der Differenzierung zwischen Erwerb, Anwendung und Sicherheit von Erkenntnissen und in deren Handhabung. Damit gelingt es, „[…] taxonomisch komplexere Denkformen einzufordern.“322 Diese Aspekte stellen aber singuläre Phänomene im Umgang mit Geschichte dar und lassen sich nicht zu einem Gesamtbild über Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person fügen. Statt die Progression gleicher Fähigkeiten zu messen, „[…] wird das Anspruchsniveau einer Aufgabe durch die Anteile der drei als unterschiedlich ‚schwierig‘ erachteten Anforderungsbereiche bestimmt“.323 Es dominiere die Dichotomie zwischen nicht gekonnt und gekonnt.324 FUER räumt ein, dass mit dem EPA-Modell ein wichtiger Schritt in Richtung Graduierung gesetzt worden ist, weil man bemüht gewesen sei, „[…] validen inneren Differenzierungen der Niveaus innerhalb der Anforderungsbereiche näher zu kommen.“325 Kritisiert wird am EPA-Konzept auch das Gewicht, das der „Sachkompetenz“ beigemessen wird, weil darunter fundiertes Wissen über Vergangenes auf den Ebenen der „Eigenwirklichkeit“ und als „Vorgeschichte über die Gegenwart“ verstanden werde. Durch die Art, wie EPA konzeptiv mit Wissen umgeht,326 erwartet Körber in der Unterrichtspraxis die Herausbildung der Tendenz, Wissensbestände zu kanonisieren und das Verfügen darüber in Niveaustufen zu gliedern. Es mangle EPA an „epistemologischen Bedingungen des Historischen“,327 die die Nutzung von Wissen zur Entwicklung von Kontextualisierungsfähigkeit ermöglichen. Körber weist darauf hin, dass Wissen per se keine Kompetenz sei, sondern „[…] das Substrat, an dem sich Kompetenzen erwerben und entwickeln lassen und an welchen sie zum Tragen kommen.“328 Und er betont, dass FUER, im Gegensatz zu EPA, unter „Sachkompetenz“ das Verfügen über historische Begriffe und Strukturen verstehe. Die „Sache“ sei hier nicht die Vergangenheit, sondern die Geschichte. Der fundamentale Unterschied bestehe in „[…] deren erinnernder Vergegenwärtigung in ihrer theoretischen Struktur, kategorialen Fassung und sprachlichen Form“.329 Somit erweist sich die Kompetenz im Vermögen, konzeptionelles, kategoriales und prozedurales Wissen zu erwerben, in der Bereitschaft, es in allen Kompetenzbereichen anzuwenden und in der Fähigkeit zum Diskurs (narratives Konzept). Anders als bei EPA ist Sachkompetenz bei FUER jedem Kompetenzbereich inhärent und daher nicht singulär fassbar. Sie beinhaltet fachwissenschaftliche Komponenten (deklaratives Fachwissen, prozedurales Wissen) ebenso wie die Fähigkeit zum Umgang mit Theorie (Wissen um Kategorien und Konzepte) und deren Klassifizierungen und Logiken.330 Eine weitere Divergenz zwischen EPA und FUER ortet Körber in der Bedeutung, die EPA der Fähigkeit wertend zu urteilen beimisst. Hier wirft FUER dem EPA-Konzept vor, eine wichtige Fähigkeit – die Urteilskompetenz – herauszuheben und zu operationalisieren, statt sie zu integrieren. „Das Urteilen ist Bestandteil vieler anderer Kompetenzbereiche. Viele andere Kompetenzen tragen zur historischen Urteilsfähigkeit bei, wie diese bei ihnen. Kompetenzen verschränken sich ineinander.“331 Daher werde die Urteilsfähigkeit bei FUER als Bestandteil der Orientierungskompetenz verstanden. Auch Schönemann et all. kritisieren EPA. Der Anspruch, den „[…] Ausprägungsgrad der historischen Kompetenzen zu beurteilen, [… ein] zentrales Anliegen der Abiturprüfung“,332 könne die Prüfungsordnung nicht erfüllen, da „[…] ein substanzieller Fehler im Bauprinzip […]“333 aufgetreten sei. Sie kritisieren das ungeklärte Verhältnis der drei zu erhebenden Kompetenzen (Sach-, Methoden- und Urteilskompetenz) zueinander und die Hierarchisierung der Anforderungen. Das sei „[…] aber keine wirkliche Unterscheidung der Niveaus der Verfügung über die zur Bewältigung der Aufgaben nötigen Kompetenzen“,334 denn Fortgeschrittene sollten in jedem Kompetenzbereich besser werden, also auch elaborierter reproduzieren können. EPA repräsentiere eine nicht zu Ende gedachte Verknüpfung von AFB, Kompetenzen und Graduierungsbemühungen.335 Als problematisch wird die hohe Zahl von Operatoren (32) und deren Zuordnung336 gesehen. Zudem gebe es systemische Inkonsequenzen (z. B. die Aufteilung nach spezifischen und nach übergeordneten Operatoren) und eine mangelnde Präzision bei der Zuordnung der zu speziellen AFB gehörenden Verben. Der Kritik am Operatoren-System als Komplikationsfaktor337 treten Buchsteiner et all. bei.338

Evidenzen von Schüler*innen-Leistungen, die aus der Bewältigung von Aufgaben resultieren, entsprachen dem Messerfordernis nach dem Kompetenzverständnis der Gruppe FUER ebenso wenig, wie anthropologische oder chronologische Ansätze zur Kompetenzanalyse. Daher empfiehlt Borries die Entwicklung eines Graduierungssystems aus dem eigenen Kompetenzmodell, was eine differenzierte Diagnose der Kompetenzentwicklung ermöglichen sollte. Und er weist darauf hin, dass Kompetenz-Plateaus (Stufen) untauglich wären, denn sie stellten keine Intervalle von Entwicklungen mit gleitenden Übergängen, sondern Sprünge dar. Ein Graduierungsmodell müsste drei Komponenten beinhalten: Zunächst müsse es darum zu gehen, eine „[…] begriffliche Ordnung möglichst geringer Beliebigkeit“339 herzustellen, sodann Modelle der „Lernprogression“ zu entwerfen und schließlich Strategien zur Lernförderung zu kreieren.340

3.1.2 Niveaustufen-Unterscheidung: Entwicklungspsychologische Aspekte

Fasst man die Messung von Kompetenzniveaus bei Schüler*innen als Hilfsmittel auf, dessen Funktion darin besteht, historisches Denken weiterzuentwickeln, sodass ein selbstreflexives Geschichtsbewusstsein aufgebaut werden kann, war vorab die Frage zu klären, in welcher Hinsicht Formen historischen Denkens qualitativ und quantitativ zu unterscheiden wären. Von zentraler Bedeutung war es daher, ein für die Kompetenzbereiche und Teilkompetenzen gemeinsames Kriterium, den Graduierungsparameter, eine „allgemeine(n) Vorstellung, worin sich elaborierte Formen dieses Denken-Könnens von basalen unterscheiden“341 zu finden.

Da es bei der Unterscheidung von Niveaustufen auch um die Gewährleistung einer „empirisch abgesicherte(n) Einschätzung der Realisierbarkeit“342 geht, haben die Wissenschaftler ihren Blick bei der Suche nach Graduierungsparametern zunächst auf Verfahren der empirischen Sozialforschung gerichtet, die in anderen Fächern zur Messung von Bildungsstandards herangezogen wurden. Als zweckmäßigste Methode zur Untersuchung von Lösungshäufigkeiten standardisierter Aufgaben unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade galt Anfang der 2000er Jahre die probabilistische Testtheorie nach Georg Rasch,343 ein statistisches Verfahren, das die Interpretation von Aufgaben-Eigenschaften ermöglicht, sodass Rückschlüsse auf Kriterien gezogen werden können, mit deren Hilfe man Kompetenzniveaus abzugrenzen vermag. Das Ergebnis ist eine statistische Normierung in einem eng abgesteckten Rahmen. Für das Einstufen historischen Denkens ist diese Methode aus folgenden Gründen nicht zielführend: (1) Denkoperationen müssten sich valide und reliabel in Aufgaben abbilden lassen. Das hätte, wegen der nötigen Beachtung des Aspekts der Abhängigkeit des Verständnisses von der Perspektive des/der Probanden*in, individuelle Aufgaben erfordert. (2) Es bestehen prinzipielle Zweifel, ob statistische Mess-Systeme in der Lage sind, Fähigkeiten erheben zu können, wenn die Aufgaben nicht an die didaktische Theorie angebunden sind. (3) Laut Testtheorie können Daten nur dann genutzt werden, wenn eine Aufgabe als gelöst zu betrachten ist. Damit würden perspektivische, kulturelle und lebensweltliche Aspekte des*der zu Testenden aus dem Blick fallen, wenn eine Aufgabe nicht hat bewältigt werden können, obwohl Denkprozesse vollzogen worden seien. Sie müssten negiert werden. (4) Da statistische Normierung eine Lösung „typischer“ Aufgaben erfordert, kommt die Reflexion der eigenen Situation und der individuellen Perspektive auf den Sachverhalt nicht zum Tragen. Dazu tritt die Einsicht, dass es in Reflexionsmaterien keine „richtige“ Lösung geben kann. (5) Zufriedenstellend überprüfbar seien fachwissenschaftliche Kenntnisse und das Wissen um Operationen nur durch die Analyse von Kontextwissen.344 Daten- und Faktentests würden dem Kompetenz-Paradigma widersprechen.345 (6) Bei der Anwendung probabilistischer Verfahren ist es unerlässlich, einen feststehenden Aufgabenpool für alle denkbaren Schwierigkeitsgrade zu schaffen. Das ist weder praktikabel noch wünschenswert.346

Da Kompetenzanalysen nach probabilistischen Verfahren ausschieden, entschloss sich die Gruppe FUER auf die Suche nach Qualitätsunterscheidungen zu gehen, um ein Kriterium der Differenzierung von Kompetenz-Niveaus formulieren zu können. Dazu wurden vier gängige, facheinschlägige Methoden untersucht. (1) Der den deutschen und österreichischen Geschichtsunterricht dominierende chronologische Aufbau nach Epochensequenzen347 hat die „[…] Gewinnung eines Verständnisses sowohl der inneren Logik der einzelnen Epochen bzw. Zeiten einerseits als auch der Veränderungen zwischen ihnen und damit des Gesamtverlaufs der Geschichte andererseits […]“348 zum Ziel. Dieser Ansatz ermögliche zwar traditionale oder exemplarische Sinnbildungen, aber keine erkenntnistheoretisch validen Darstellungen, aus der Kompetenzen ableitbar wären, schon gar nicht nach Entwicklungsgraden.349 „Gerade historische Kategorien und Zeitverlaufsdarstellungen werden somit nicht explizit thematisiert und die Verfügung über sie wird gerade nicht gefördert.“350 (2) Als ebenso ungeeignet wird das in der Forschung häufig propagierte Darstellungsmodell des „thematischen Längsschnittes“351 befunden, denn eine Niveau-Unterscheidungslogik lässt sich damit nicht finden. Das Verfahren habe aber das Potenzial, zur Grundlage der Konzeption eines Kompetenz-Entwicklungsmodells zu werden. (3) Die von Proponenten der Fachdidaktik vorgeschlagene Variante einer gegenläufigen Chronologie („regressive Verfahren“)352 impliziert das Kriterium der Perspektive, bietet darüber hinaus aber für eine umfassende Niveaustufenbestimmung von Kompetenzen wenig Anhaltspunkte. Es würden sich zwar mit jedem Rückschau-Schritt Teilkompetenzen (Alterität der Phänomene, Strukturen, Handlungslogiken etc.) aufbauen lassen, trotzdem erscheint eine Niveau-Unterscheidung nur anhand der Schwierigkeitsgrade der Aufgaben möglich. (4) Ähnliche Bedenken gelten für die methodischen Zugänge Fallprinzip und Querschnitt, denn der Fokus auf einen engen Zeitraum würde es nicht gestatten, „[…] aus sich heraus eine Lernentwicklung zu begründen.“353 Beide Verfahren seien zudem tendenziell unhistorisch. Es gebe durch die Beschäftigung mit mehreren parallel beobachteten Fällen nicht a priori eine qualitative Bewusstseinsänderung. Damit boten auch gängige methodischen Verfahren keine Anhaltspunkte für einen Graduierungsparameter.354

In einem dritten Schritt untersuchten die Wissenschaftler von FUER die bis 2005 publizierten didaktischen Modelle auf Graduierungsvorstellungen, weil additives Geschichtelernen (Erarbeitung geschlossener Wissensbestände, Einsichten, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kategorien mittels Aneinanderreihung zu behandelnder Themen) von keiner fachdidaktischen Richtung als kompetenzbildend angesehen wurde. So erkennt man im „Berliner Rahmenlehrplan“ die Propagierung einer zunehmenden Selbstständigkeit von Denkvollzügen als mögliches Graduierungskriterium, das auf verschiedene Bereiche anwendbar sei und daher mit validen Vorstellungen historischen Denkens und Lernens kompatibel wäre. Ein „mittleres“ und ein „oberes Niveau“ ließe sich abgrenzen. Kritisiert wird, dass das Modell nicht „Denken an sich“, sondern selbstständiges Denken im Kontext Unterricht meint.355 Das System der AFB (EPA) würde zwar eine Stufung sichtbar machen, indem „[…] eine zumindest teilweise Hierarchisierung der Anforderungen erkennbar (ist), die für eine Graduierung der Kompetenzniveaus genutzt werden kann“,356 allerdings biete EPA keine valide Differenzierung von Niveaus, sondern eine von Bereichen, d. h., es fehlt gerade der Aspekt der „Unterscheidung der Niveaus über die zur Bewältigung der Aufgaben nötigen Kompetenzen“.357 Als relevant beurteiltet FUER sowohl die Graduierungsideen des Modells der „Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung“ (GPJE)358 als auch die implizite Graduierungslogik des „Kerncurriculums für Sozialwissenschaften“.359 Im Politikdidaktik-Modell seien Parameter genannt,360 müssten aber erst gestuft werden, was gelingen könne, sofern eine Logik und Systematik entwickelt werden würde. Das sozialwissenschaftliche Kerncurriculum weise eine Entwicklungslogik auf, die sich aus mehreren Parametern aufbaut,361 und es gebe Progressionen, die an Altersstufen gebunden sind, sodass die Logik altersadäquate Graduierungen ermögliche. Als genereller Graduierungsparameter kämen beide Systeme nicht in Frage, denn sie seien zu stark auf „Output“ hin ausgerichtet, sodass die Gefahr bestehe, dass nur testorientiert gelehrt werde. Ein alternatives Stufungsmodell aus dem Kerncurriculum unterscheidet politische Verhaltensweisen nach „Aktivitätsgraden“. Es hat den „kritischen Bürger“ im Blick und beschreibt dessen Niveaustufen im Umgang mit Politik: die Bereitschaft, sich zu informieren und Urteile zu bilden (passive*r Begleiter*in politischen Geschehens) und Interventionsfähigkeit (mittleres Niveau).362 Im Idealfall würde daraus ein*e „Aktivbürger*in“ (oberstes Niveau). Diese Graduierung ist nicht altersabhängig und die Grade seien an Dimensionen gebunden, sodass das Modell auf Geschichte umgelegt werden könnte. Die Ausdifferenzierung der Fähigkeiten zur Umsetzung fehlt jedoch.363 Schließlich untersuchte die FUER die Ergebnisse der Kompetenzaufbauforschung in England und stellten fest, dass das gut entwickelte und normierte System des „National Curriculum“ keine Hinweise auf Niveaus bietet. Es würde „[…] lediglich relative Veränderungen ohne jegliche Fixierung von Niveaus“364 zeigen, also Phasen des Umgangs mit Geschichte beschreiben. Das Standard-Modell befand berücksichtigt qualitative Veränderungen einzelner Dimensionen historischen Denkens, wenn auch die Konzepte ziemlich chronologisch angelegt seien. Körber weist darauf hin, dass eine explizit fachliche Entwicklungslogik aber auch hier fehlt, sodass für jedes Teilkonzept eigene Progressionsmodelle nötig wären.365 Summa summarum ergaben die umfangreichen Recherchen der Gruppe FUER weder im Bereich der Empirie noch der Vermittlungsmethoden oder der fachdidaktischen Modelle befriedigende Ergebnisse, sodass daraus einheitliche Graduierungsparameter für die Kompetenzbereiche und Teilkompetenzen des Struktur-Modells hätten abgeleitet werden können.366

₺1.581,44

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
921 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9783706560856
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Serideki 14 kitap " Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik.Geschichte - Sozialkunde - Polit..."
Serinin tüm kitapları