Kitabı oku: «Parlamentsrecht», sayfa 9

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9. Diskontinuitätsgrundsatz

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Die Geschäftsordnung ist nach h.M. diskontinuierlich.[79] Ihre Gültigkeit ist folglich auf eine Wahlperiode beschränkt. Von diesem verfassungsgewohnheitsrechtlichen Grundsatz (s. Rn. 80) kann nicht abgewichen werden, wenngleich der Wortlaut des Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG auch eine dauerhafte (kontinuierliche) Geschäftsordnung zu gestatten scheint.[80] Die Diskontinuität der Geschäftsordnung wirkt sich faktisch nicht aus: Im Regelfall wird in der konstituierenden oder einer der nachfolgenden Sitzungen eines neugewählten Parlaments die Geschäftsordnung der vorangegangenen Wahlperiode durch Mehrheitsbeschluss auch für die neue Legislaturperiode in Kraft gesetzt („übernommen“).[81] Eine konkludente Übernahme ist ebenfalls möglich.[82]

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Die Diskontinuität wirkt sich rechtlich aus: In der Übergangszeit zwischen dem Zusammentreten des neu gewählten Bundestages[83] und dem Erlass einer oder der Übernahme der alten Geschäftsordnung besteht keine formelle Geschäftsordnung. Da Art. 40 Abs. 1 GG den Bundestag zu bestimmten Handlungen – der Präsidentenwahl und dem „Geben“ einer Geschäftsordnung – verpflichtet, darf es einen „regellosen“ Zustand nicht geben. Daher ist davon auszugehen, dass die zur Konstituierung nötigen Geschäftsordnungsvorschriften über den Wahlperiodenwechsel hinaus fortgelten.[84] Was zur Konstituierung erforderlich ist, wird nicht einheitlich beurteilt. Nach hiesiger Auffassung sind eine wahl- und beschlussfähige Anzahl von Abgeordneten, die Wahl des Bundestagspräsidenten sowie einiger Stellvertreter und Schriftführer und der Beschluss einer Geschäftsordnung erforderlich.[85] Mithin gelten die Vorschriften über den Alterspräsidenten, die Präsidentenwahl, die Wahl der Vizepräsidenten und der Schriftführer (§§ 1-3 GO-BT) und den Erlass bzw. die Übernahme der formellen Geschäftsordnung zwar nicht formell, aber materiell kraft Parlamentsgewohnheitsrechts[86] (oder jedenfalls kraft Parlamentsbrauchs,[87] nicht aber kraft Verfassungsgewohnheitsrechts[88]) über den Ablauf einer Wahlperiode hinaus bis zur erfolgten Konstituierung (inklusive des Beschlusses einer Geschäftsordnung) fort.[89]

Die Einberufung des neu gewählten Bundestages durch den Präsidenten des vorangegangenen wird durch § 1 Abs. 1 GO-BT geregelt, ohne dass es eines Rückgriffs auf Verfassungsgewohnheitsrecht bedarf.[90] Denn zum Zeitpunkt der Einberufung besteht der „alte“ Bundestag und amtiert der „alte“ Bundestagspräsident ja noch.

Eine Weitergeltung ungeschriebenen Rechts (bzw. ungeschriebenen Brauchs) über Wahlperiodenwechsel hinaus ist für das deutsche Parlamentsrecht typisch. Die Ansicht, es bestünden zu Beginn einer Wahlperiode gar keine rechtlich bindenden Regeln, und die Ordnung der Geschäfte könne zunächst nur in allgemeiner Übereinstimmung,[91] oder (wenn diese nicht besteht) durch Mehrheitsbeschluss von Fall zu Fall erfolgen,[92] geht fehl. Bis zur Konstituierung bestehen keine Fraktionen, die sich verständigen könnten. Auch der Mehrheitsbeschluss bedürfte der Leitung der Abstimmung, einer Verständigung über die Frage, worüber (wann) abzustimmen ist, und der Feststellung, dass eine bzw. keine Mehrheit gegeben ist. Aus diesem Grund sieht § 1 Abs. 2 GO-BT – der als Gewohnheitsrecht über das Wahlperiodenende hinaus bis zur erfolgten Konstituierung (inklusive des Beschlusses einer Geschäftsordnung) fortgilt – den Alterspräsidenten, also das Mitglied mit den meisten Mandatsjahren, als Sitzungsleiter bis zur Präsidentenwahl vor.

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Änderungen an der bis zu der konstituierenden Sitzung geltenden Geschäftsordnung, die zu Beginn der neuen Wahlperiode in Kraft treten sollen, werden in der Praxis entweder im Übernahmebeschluss als Maßgaben vorgesehen oder ins Plenum eingebracht und an den 1. Ausschuss überwiesen. Über dessen Beschlussempfehlung stimmt dann das Plenum ab.

10. Auswirkungen eines Geschäftsordnungsverstoßes

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Die GO-BT ist untergesetzliches Recht, das der Bundestag im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie selbst setzt. Die GO-BT ist nicht Teil der Verfassung. Die in ihr vorgesehenen Verfahrensvorschriften sind politisch zweckmäßig, aber nicht verfassungsrechtlich geboten. Das Verfahren könnte auch anders ausgestaltet sein. Ein Verstoß gegen die GO-BT (z.B. gegen die Vorgabe von drei Beratungen bei Gesetzentwürfen, § 78 Abs. 1, oder gegen die Verteilungsfrist, § 78 Abs. 5 GO-BT) ist daher nicht automatisch ein Verfassungsverstoß. Im Gegenteil: Eine Geschäftsordnungsverletzung ist nur dann zugleich ein Verfassungsverstoß, wenn die GO-BT ausnahmsweise Vorschriften des Grundgesetzes wiederholt (z.B. § 42 GO-BT, Art. 43 Abs. 2 GG) oder wenn das parlamentarische Verfahren die ihm durch die Verfassung zugewiesenen Funktionen nicht mehr erfüllt (und damit das Demokratieprinzip verletzt ist).[93] Das dürfte aber nur selten der Fall sein. Erstens werden Abweichungen vom Verfahren zumeist zwischen allen Fraktionen vereinbart oder gemäß § 126 GO-BT mit Zweidrittelmehrheit beschlossen. Zweitens ist eine zügige Beratung gerade Ausweis einer starken parlamentarischen Demokratie. Nur wenn Abgeordnete oder Fraktionen regelrecht überrascht werden und z.B. erforderliche Beratungsunterlagen vor einer Abstimmung nicht erhalten, kommt ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip infrage.

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Prüfungsreihenfolge bei Verstößen gegen die GO-BT


1. Abweichung von der GO-BT (z.B. § 78)? a) Nein: bei interfraktioneller Vereinbarung (im Ältestenrat, im Plenum oder anderswo) b) Nein: bei Abweichung mit Zweidrittelmehrheit (§ 126 Abs. 1, aber Vorsicht bei Minderheitsrechten wie § 20 Abs. 4; hier ist eine Abweichung durch § 126 Abs. 2 GO-BT verboten)
2. Liegt überhaupt ein Verstoß vor?
3. Wenn ein Verstoß vorliegt: Ist er zugleich ein Verfassungsverstoß? a) weil gegen eine GO-Vorschrift verstoßen wurde, die eine Verfassungsvorschrift wiederholt b) weil der GO-Verstoß das Demokratieprinzip verletzt (das kann der Fall sein, wenn gegen Minderheitsrechte verstoßen wird, Fraktionen oder Abgeordnete in ihren Rechten beschnitten werden, eine Beratung nicht möglich war).

11. Verfassungsprozessuale Bedeutung der Geschäftsordnung

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Die GO-BT ist nur insofern Prüfungsmaßstab eines Verfahrens vor dem BVerfG, als sie im Organstreit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG die Grundlage für die Parteifähigkeit (und ggf. die Prozessstandschaft) von Organteilen darstellt.[94] Parteifähig sind danach z.B. Abgeordnete, Fraktionen (auch solche in Ausschüssen), Gruppen, Ausschüsse[95] und der Ältestenrat.[96] Parteifähig sind auch der Bundestagspräsident und der Wehrbeauftragte. Ihre Parteifähigkeit ergibt sich unmittelbar aus dem Grundgesetz: Die Verfassung verleiht dem Bundestagspräsidenten bestimmte Befugnisse (z.B. in Art. 39 Abs. 3, S. 2, 40 Abs. 2 GG). Die Parteifähigkeit des Wehrbeauftragten folgt aus seiner in Art. 45b GG festgeschriebenen Rolle als Hilfsorgan des Bundestages.[97]

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Gegenstand eines Organstreits können Geschäftsordnungsvorschriften und auf ihrer Grundlage erlassene Individualrechtsakte[98] als „Maßnahme“ i.S.d. § 64 Abs. 1 BVerfGG sein. Voraussetzung ist, dass sie beim Antragsteller eine aktuelle rechtliche Betroffenheit auszulösen vermögen.[99] Maßstab der Prüfung, ob der Organstreitantrag begründet ist, ist aber allein die Verfassung. Geschäftsordnungsverstöße, z.B. im Gesetzgebungsverfahren oder bei der Besetzung eines parlamentarischen Amtes, die nicht zugleich einen Verfassungsverstoß darstellen, sind nach h.M. nicht justiziabel.[100] Mit anderen Worten: Wenn sich ein Verfassungsorgan oder -organteil auf ein Recht aus der Geschäftsordnung beruft, muss dieses Recht sich auch aus der Verfassung ergeben.[101] Die bloße Möglichkeit (abstrakte Gefahr) einer verfassungswidrigen Handhabung der Geschäftsordnung genügt im Organstreit nicht.[102] Das BVerfG muss vielmehr davon ausgehen, dass die Geschäftsordnung „fair und loyal“ angewandt werden wird.[103] Die Kontrolle von Geschäftsordnungsvorschriften ist auf Willkür begrenzt; zudem bleibt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz außer Betracht.[104]

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Ob eine Geschäftsordnungsnorm im Wege der abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG) überprüfbar ist, ist umstritten, aber zu bejahen.[105] Die GO-BT besitzt Rechtssatzqualität und gehört zum Bundesrecht. Sie kann daher überprüft werden. Prüfungsmaßstab ist aber – wie auch beim Organstreit – schon nach dem Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG allein das Grundgesetz.

§ 3 Rechtsquellen des Parlamentsrechts › V. Ungeschriebene Regeln

V. Ungeschriebene Regeln

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Auf die Bedeutung ungeschriebener Regeln im Parlamentsrecht wurde weiter oben (Rn. 98 f.) bereits hingewiesen. Ungeschriebene Regeln sind notwendig, da ein Parlament nicht alle Organisations- und Verfahrensprobleme erschöpfend regeln kann.[106] Eine umfassende Normierung wäre auch nachteilig. Sie würde es verhindern, parlamentarische Fragen flexibel zu regeln. Eine flexible, also der politischen Situation angepasste, Ordnung des Parlamentsgeschehens – die durch ungeschriebene Regeln leichter möglich ist – ist aber unabdingbar.[107] Sie ermöglicht es, alle Parlamentsakteure – den sitzungsleitenden Präsidenten, die Abgeordneten und die Fraktionen – fortwährend in das Parlamentsgeschehen einzubeziehen und den unverzichtbaren demokratischen Grundkonsens zu erhalten. Dieser Grundkonsens lautet: Die Volksvertretung muss stets arbeitsfähig sein und ihre verfassungsgemäßen Aufgaben als Volksvertretung (Art. 20 Abs. 2 S. 2, 38 Abs. 1 S. 2 GG) wahrnehmen. Alle am Parlamentsgeschehen politisch Beteiligten sind verpflichtet, hierzu beizutragen und die parlamentarische Ordnung zu schützen. Obstruktion und Zerstörungswille haben keinen Platz. Durch flexible Geschäftsordnungsregeln wird ein den Grundkonsens wahrender Interessenausgleich zwischen den Fraktionen und Abgeordneten ermöglicht. Natürlich verschiebt dieser nicht die Mehrheitsverhältnisse, welche die demokratische Wahl nach Art. 38 Abs. 1 GG ergeben hat. Letztendlich entscheidet die Mehrheit bei Abstimmungen und Wahlen im Parlament (Art. 42 Abs. 2 GG). Welche ungeschriebenen Regelungen einer bestimmten politischen Situation angemessen sind, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Gerade die interfraktionelle Vereinbarung wirkt befriedend und konsenserhaltend.

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Ungeschriebene Regelungen haben noch einen weiteren Vorteil: Aufgrund ihrer Flexibilität ermöglichen sie Verfahrenserprobungen und Selbstoptimierungen des Parlamentsbetriebs.[108] Diese können zu einer besseren Aufgabenerfüllung der Volksvertretung beitragen. Hinzuweisen ist darauf, dass zwar die Vertreter von Bundesregierung und Bundesrat (Zutritts- und Redeprivilegierte) grundsätzlich nicht dem Geschäftsordnungsrecht unterfallen. Dieses bindet nach h.M. nur die Mitglieder des Bundestages.[109] Doch unterwerfen sich die Zutritts- und Redeprivilegierten üblicherweise ebenfalls dessen Regeln – sei es aus Gründen politischer Übereinstimmung mit bestimmten Akteuren oder aus Verfassungsorgantreue. Die Verfassungsorgantreue ist Ausdruck des geschilderten demokratischen Grundkonsenses, bezogen auf die gesamte Verfassungsordnung. Ein Vorteil ungeschriebener Regeln liegt darin, dass sie unverbindlich vorschreiben können, was rechtlich nicht vorgeschrieben werden könnte.[110]

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Bei den ungeschriebenen Regeln unterscheidet man zwischen dem rechtlich verbindlichen Gewohnheitsrecht und dem nicht rechtlich, aber politisch verbindlichen Parlamentsbrauch[111].

Parlamentsgewohnheitsrecht (zum Teil als Observanz bezeichnet[112]) entsteht nicht durch ein förmliches Rechtssetzungsverfahren, sondern durch eine stetige, von der Verbindlichkeit ausgehenden Übung der Abgeordneten. Die konstante, über einen längeren Zeitraum praktizierte Übung ist ebenso konstitutiv wie die allgemeine Anerkennung der Rechtsverbindlichkeit.[113] Letztere kann sich nämlich bei ungeschriebenen Regeln nur über einen längeren Zeitraum entwickeln.[114] Parlamentsgewohnheitsrecht ist nach zutr. Auffassung nicht diskontinuierlich, sondern wirkt über mehrere Wahlperioden hinweg.[115] Verfassungsgewohnheitsrecht besitzt unter dem Grundgesetz angesichts der Auslegungskompetenz des BVerfG eine geringe Bedeutung.[116] Hingegen ist das auf der Stufe der Geschäftsordnung stehende Parlamentsgewohnheitsrecht für den Parlamentsbetrieb sehr bedeutsam.

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Der nur politisch verbindliche Parlamentsbrauch ist eine regelmäßig befolgte Tradition[117] und fast rechtsähnlich wirksam.[118] Ihm fehlt im Unterschied zum Parlamentsgewohnheitsrecht die allgemeine Anerkennung als rechtsverbindlich.[119] Er ist eine (potenzielle) Vorstufe von Parlamentsgewohnheitsrecht und – wie das Parlamentsgewohnheitsrecht[120] – auch von kodifiziertem Geschäftsordnungsrecht.[121] Das bestehende Parlamentsgewohnheitsrecht ist aus früherem, rechtlich nicht bindendem Parlamentsbrauch als dauerhafter Übung der Parlamentsmitglieder hervorgegangen.[122]

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Sowohl das Parlamentsgewohnheitsrecht als auch der Parlamentsbrauch orientieren sich stark an der Rechtswirklichkeit und werden von ihr geprägt. Das Parlamentsrecht ist sehr stark mit der Rechtswirklichkeit verklammert.[123] Die Grenze zwischen verbindlichem Gewohnheitsrecht und unverbindlichem Parlamentsbrauch lässt sich nicht immer trennscharf ziehen.[124] Oftmals ist umstritten, ob Regeln dem Verfassungsgewohnheitsrecht, dem Parlammentsgewohnheitsrecht oder dem Parlamentsbrauch zuzuordnen sind. Rechtliche oder praktische Bedeutung hat die Zuordnung nur, wenn um die Verbindlichkeit einer Regel gestritten wird und die Frage im Raum steht, ob es einer Zweidrittelmehrheit bedarf, um von einer bis dato bestehenden Vorgehensweise abzuweichen, denn § 126 GO-BT gilt auch für das Parlamentsgewohnheitsrecht.[125] Ein Streit um die Verbindlichkeit einer Norm und eine Abweichungsmöglichkeit kann unter Umständen auch vor Gericht ausgetragen werden.[126] Abgesehen davon kann man einige Regeln mittlerweile als so gefestigt ansehen, dass sie dem Parlamentsbrauch entwachsen und zum Parlamentsgewohnheitsrecht geworden sind.

1. Parlamentsgewohnheitsrecht

Zu den Regeln des Parlamentsgewohnheitsrechts gehören im Wesentlichen die im Folgenden genannten Fälle.

a) Vorschlagsrecht für den Bundestagspräsidenten

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Schon seit der Wahl Paul Löbes (SPD) zum Reichstagspräsidenten im Jahr 1920 und erst recht seit dem Bestehen der Bundesrepublik stellt die stärkste Fraktion den Parlamentspräsidenten. Dies war allerdings zunächst nicht unwidersprochen. In der Weimarer Zeit und in den ersten Jahren der Bundesrepublik gab es immer wieder mehrere Kandidaten, wobei sich der Vorschlag der stärksten Fraktion jedoch immer durchsetzte.[127] Seit der dritten Wahlperiode des Bundestages[128] liegt das Vorschlagsrecht gewohnheitsrechtlich und damit zwingend immer bei der stärksten Fraktion; die übrigen Fraktionen haben dessen Wahl durch Zustimmung oder Enthaltung sicherzustellen.[129] Da diese Regel schon seit langem zur Parlamentstradition gehört und in ganz Deutschland auf Bundes- und Landesebene unbestrittenermaßen befolgt wird, ist sie Teil des verbindlichen Parlamentsgewohnheitsrechts. Sie ist folglich nicht Teil des Parlamentsbrauchs.[130] Ein Vorschlagsrecht einzelner Mitglieder besteht daher nach zutr. Ansicht nicht.[131] Die GO-BT geht selbst davon aus, dass der Bundestagspräsident aus der stärksten Fraktion stammt (was nach aller politischen Erfahrung dann der Fall ist, wenn ihn diese auch vorschlägt): Gemäß § 7 Abs. 6 GO-BT wird der Bundestagspräsident im Verhinderungsfall durch einen seiner Stellvertreter aus der zweitstärksten Fraktion vertreten.[132]

b) Unvereinbarkeitsregeln

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Ein Regierungsamt als Kanzler, Minister oder Parlamentarischer Staatssekretär ist mit der Mitgliedschaft in einem Ausschuss[133] oder im Parlamentspräsidium[134] unvereinbar. In der Praxis wird ohnehin nicht erwogen, Inhaber von Regierungsämtern zu Ausschuss- oder Präsidiumsmitgliedern zu machen. Die hohe Arbeitsbelastung der Minister und Parlamentarischen Staatssekretäre und der Umstand, dass auch die „einfachen“ Abgeordneten bei der Vergabe von Ausschusssitzen zum Zuge kommen sollen, schließt solche Überlegungen aus.

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Die ganz h.M. ist der Ansicht (und hält dies vereinzelt sogar für Verfassungsgewohnheitsrecht[135]), die gleichzeitige Mitgliedschaft im Bundestag und im Bundesrat bzw. in einer Landesregierung sei unzulässig.[136] Dies ist unzutreffend.[137] Die gleichzeitige Mitgliedschaft im Bundestag und im Bundesrat bzw. in einer Landesregierung ist zulässig, denn der Verfassungstext ordnet eine Unzulässigkeit nicht an. Auch Art. 51 Abs. 1 GG, der die Mitgliedschaft im Bundesrat regelt, schließt eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Bundestag nicht aus. Ferner regelt Art. 38 Abs. 1 GG die Wahl der Abgeordneten des Bundestages, verbietet eine Mitgliedschaft etwa im Bundesrat aber nicht. Eine Unvereinbarkeit mit der Mitgliedschaft im Bundestag oder im Bundesrat besteht hingegen ausdrücklich für das Amt des Bundespräsidenten (Art. 55 Abs. 1 GG) und für das Amt der Richter des BVerfG (Art. 94 Abs. 1 S. 3 GG). Dass in zwei Fällen die Inkompatibilität ausdrücklich geregelt ist, in den Vorschriften über den Bundesrat und den Bundestag aber nicht, spricht für die Zulässigkeit einer gleichzeitigen Mitgliedschaft im Bundestag und im Bundesrat. Die Staatspraxis kennt durchaus Fälle, in denen eine Mitgliedschaft im Bundesrat und im Bundestag bestand. Sie währte aus politischen Gründen sowie aus solchen der Arbeitsbelastung stets nur kurz.

c) Abstimmungsreihenfolge

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Der Bundestag stimmt über eine Ausschussüberweisung vor allen anderen Anträgen[138] und über einen Änderungsantrag vor dem Hauptantrag[139] ab.

In einigen Geschäftsordnungen der Landesparlamente ist dies ausdrücklich geregelt, so z.B. in § 126 der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtages, in § 51 der Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft und in § 94 der Geschäftsordnung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern.

Bei mehreren Änderungsanträgen stimmt der Bundestag über den inhaltlich am weitesten gehenden zuerst ab (wobei umstritten sein kann, welcher Antrag weiter reicht).[140] Ist in Bezug auf eine Ausschussüberweisung strittig, welcher Ausschuss federführend sein soll, stimmt der Bundestag zunächst über den Antrag ab, der voraussichtlich abgelehnt wird.[141] Das Parlament stimmt über Rückverweisungsanträge in der zweiten Beratung vor Änderungsanträgen ab.[142]

d) Zwischenrufe in der parlamentarischen Debatte

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Zwischenrufe von Abgeordneten während der Plenardebatten sind zulässig[143] (da sie kein „Sprechen“ im Sinne von § 27 Abs. 1 S. 1 GO-BT sind). Sie werden in das Plenarprotokoll aufgenommen (arg. § 119 Abs. 1 GO-BT).[144]

e) Weitere Regeln des Parlamentsgewohnheitsrechts

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Der sitzungsleitende Präsident darf in einer Debatte nicht kritisiert werden.[145] Der Ort für Kritik an der Sitzungsleitung ist der nicht-öffentlich tagende Ältestenrat (§ 6 GO-BT) als „Clearing-Stelle“ zwischen den Fraktionen.

Für Anträge einer Fraktion genügt es, wenn nur der Fraktionsvorsitzende sie mit dem Zusatz „und Fraktion“ unterschreibt.[146]

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