Kitabı oku: «Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation», sayfa 5

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2.2.2 Kulturwissenschaftlich orientierte Landeskunde

Der cultural turn in den Geisteswissenschaften hatte mit einiger Verspätung auch Einfluss auf die Fremdsprachenwissenschaften, vor allem die Landeskundedidaktik.1 Zwar war die Beschäftigung mit der ‚Kultur‘ eines Zielsprachenlandes, wie die verschiedenen Ansätze der Landeskundedidaktik zeigen, immer für Fremdsprachenunterricht von Belang, doch die

Hinwendung der Kulturwissenschaften zu Materialität, Medialität und Tätigkeitsformen des Kulturellen, um genauer zu erkennen, wie und in welchen Prozessen und kulturspezifischen Ausprägungen Geistiges und Kulturelles in einer jeweiligen Gesellschaft überhaupt produziert werden[,] (Bachmann-Medick 2010, 99)

hatte grundsätzliche Auswirkungen auf die Bestimmung von Inhalten und didaktischen Vorgehensweisen von Landeskundeunterricht und lieferte zudem ein Gerüst für die gewünschte wissenschaftliche Fundierung. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass ‚kulturwissenschaftlich orientierte Landeskunde‘ weder eine abgeschlossene Entwicklung noch einen homogenen Ansatz bezeichnet. Laurien beispielsweise stellt fest, dass die verstärkte Positionierung der Landeskunde in den Kulturwissenschaften

zwar nicht zur Etablierung eines eindeutig definierten und in einem Gegenstand fest umrissenen wissenschaftlichen oder didaktischen Fach geführt [hat], aber doch zu einer eingehenden Reflexion und eine [sic] Neufassung des Kulturbegriffs, die für den Landeskunde- und Sprachunterricht nicht ohne Konsequenzen bleibt. (Laurien 2010, 105)

Am einflussreichsten für die kulturwissenschaftliche Orientierung der Landeskunde war die Berücksichtigung der Diskussionen um verschiedene Konzepte von Kultur. Die damit einhergehende Hinwendung zu einem bedeutungs- und wissensorientierten Kulturbegriff blieb nicht ohne Folgen für Inhalte und didaktische Vorgehensweisen und stellt auch den theoretischen Ausgangspunkt für den in dieser Arbeit untersuchten Unterricht dar. Zum einen sollen die Lernenden nun über geteiltes Wissen und geteilte Überzeugungen einen Zugang zu den fremdsprachlichen Lebenswelten erhalten. Zum anderen erlaubt diese Vorstellung von Kultur, in der eine Wirklichkeit nicht mehr einfach objektiv gegeben ist, sondern erst von Akteuren selbst konstruiert wird, eine differenziertere Betrachtungsweise der Lebenswelt, so dass Brüche und Widersprüchlichkeiten nicht ausgeblendet werden. Die homogenisierende Darstellung von ‚Nationalkulturen‘, die sich noch in früheren Ansätzen findet, ist damit nicht mehr möglich.

Neben den Implikationen, die die Diskussionen um einen angemessenen Kulturbegriff im Bereich des Deutschen als Fremdsprache für den Unterricht bedeuten, ist kulturwissenschaftlichen Ansätzen gemein, dass sie Verfahren, Ergebnisse und Konzepte der Kulturwissenschaften in die Landeskunde übertragen wollen. Ein einflussreiches Beispiel ist die Berücksichtigung von Theorien des kollektiven Gedächtnisses, um so „sozial geteilte Überzeugungen, Einstellungen und Werte zu rekonstruieren“ (Bärenfänger 2008, 49).

Ein Ziel der kulturwissenschaftlichen Ausrichtung ist dabei die Etablierung von Landeskunde als Wissenschaft,2 um aus dieser Erkenntnisse für die Unterrichtspraxis zu gewinnen: Altmayer beispielsweise fordert eine kulturwissenschaftliche Forschungsdisziplin, „die sich über die aus der Praxis des landeskundlichen Unterrichts ergebenden Fragestellungen und Probleme des landeskundlichen Lernens“ definiert (Altmayer 2004, 28, Hervorhebung im Original). Auch Wormer spricht sich für eine wissenschaftliche Landeskunde aus, die „kein Selbstzweck [ist], sie ist aus der Praxis entstanden, und sie führt – über die Brücke einer wissenschaftlichen Didaktik – zumindest partiell wieder in die Praxis hinein“ (Wormer 2004, 3).

Gegenwärtig lässt sich im Hinblick auf die kulturwissenschaftliche Orientierung folgendes Fazit ziehen: Während noch vor wenigen Jahren eine zunehmende (kultur-)wissenschaftliche Fundierung der Landeskunde festzustellen war (vgl. Koreik 2011), die zu einer Diskrepanz zwischen Theorie und praktischer Umsetzung führte,3 zeigt sich heute anhand einer nicht unwesentlichen Anzahl an Publikationen, dass die kulturwissenschaftlich orientierte Landeskunde Einzug in die Unterrichtspraxis gehalten hat, wobei vor allem das Konzept der Erinnerungsorte populär ist. Problematisch bleibt, dass die meisten Berichte aus der Praxis universitären Sprachunterricht betreffen und dass Konzepte für niedrige Sprachniveaus und vor allem für jüngere Lerner fehlen.4

Dahingehend lässt sich feststellen, dass in den meisten Fällen nicht von eigenen Forschungsergebnissen ausgegangen wird, sondern dass, wie auch im hier untersuchten Unterricht, bereits existierende Forschungsergebnisse für die Erarbeitung der Themen herangezogen werden. Die von Altmayer und Wormer geforderte Forschungspraxis für den Landeskundeunterricht wird vermutlich auch weiterhin – bis auf punktuelle Ausnahmen – ein Desiderat bleiben, vorallem wenn man bedenkt, dass die Frage, welche Inhalte relevant sind, je nach Kontext unterschiedlich beantwortet werden muss und sich die Forschungsergebnisse stets wandeln dürften.

Auf die Frage, welche Implikationen die kulturwissenschaftliche Theoriebildung im Fach Deutsch als Fremdsprache mit sich bringt und welche Lösungsansätze sich bieten, wird sodann genauer eingegangen. Im Folgenden werden jedoch zunächst Überlegungen zu zwei Kulturbegriffen dargestellt, die im Bereich der Fremdsprachendidaktik relevant sind.5 Kulturwissenschaftliche Ansätze weisen zwar homogenisierende Vorstellungen von Kultur zurück, da diese aber zum einen für die Unterrichtspraxis von Belang sind6 und zum anderen den Ausgangspunkt für die Hinwendung zu einem wissens- und bedeutungsorientierten Kulturbegriff darstellen, soll daher zunächst auf Kultur als Ausdruck homogener Einheiten eingegangen werden, sodann auf Kultur als geteiltes Wissen. Normative Vorstellungen von Kultur, wie z.B. in der Bedeutung von hochqualifizierten künstlerischen Produkten oder im Sinne eines erweiterten Kulturbegriffs, werden in der Darstellung nicht berücksichtigt. Sie spielen für die Wahl von Lerninhalten in der Unterrichtspraxis nach wie vor eine Rolle, sind aber im Hinblick auf kulturtheoretische Überlegungen in der Landeskundedidaktik hier nicht relevant.

Kulturbegriff

Wird in der Landeskundedidaktik von Kultur als Ausdruck homogener Einheiten gesprochen, ist damit meist die Vorstellung von Kultur als Orientierungssystem gemeint, das die Mitglieder einer Gemeinschaft determiniert. Diese Auffassung von Kultur wurde schon von Tylor vertreten, der im Jahr 1871 Kultur wie folgt definiert:

Culture or Civilization, taken in its wide ethnographic sense, is that complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society. (Tylor 1871, 1)

Angelegt ist darin die Vorstellung von Kultur als einer geschlossenen Einheit von Wissen, Vorstellungen und Verhaltensweisen, die Mitglieder einer Gemeinschaft gemein haben bzw. im Laufe ihres Lebens erwerben und die sie von anderen Gruppen unterscheiden. In der Fremdsprachendidaktik spielen Annahmen dieser Art, beeinflusst etwa durch die Arbeiten des Kulturpsychologen Thomas, „bis heute eine herausragende Rolle“ (Altmayer 2010, 1407, siehe z.B. Bechtel 2003, 50f), vor allem aufgrund des von Thomas geprägten Begriffs des Kulturstandards. Dabei handelt es sich

um alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden. (Thomas 1993, 380f)

Problematisch ist an dieser und ähnlichen Auffassungen von ‚Kultur‘, dass sie, wenn beispielsweise von der „Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur“ die Rede ist, Heterogenitäten und Brüche innerhalb von Gesellschaften nicht berücksichtigen. Ein Individuum wird, sofern es wie die Mehrzahl der Mitglieder seiner Kultur handelt und denkt, zum Angehörigen einer Kultur; diejenigen, die nicht zu dieser Gruppe gehören, erhalten die Rolle der ,Andersdenkenden und Andershandelnden‘ und werden nicht als der Kultur zugehörig betrachtet. Fremdsprachenunterricht, der an einem solchen Kulturbegriff ausgerichtet ist, fördert wohlmöglich auf dieser Grundlage die stereotype Wahrnehmung der Lernenden, die er eigentlich aufbrechen sollte. Dennoch ist dieser Kulturbegriff, im Sinne eines Orientierungssystems, relevant als wissenschaftliche Kategorie, weil es sich dabei, im Gegensatz zu normativen Kulturbegriffen, um eine deskriptive Kategorie handelt, über die theoretisch die Beschreibung von Kultur(en) erst möglich ist (vgl. Altmayer 2010, 1405). Für die Fremdsprachendidaktik ist die Frage nach der Beschreibung insofern relevant, da sie schließlich die Voraussetzung dafür ist, dass Kultur(en) lehr- und lernbar gemacht werden können. Ein Kulturbegriff, der lediglich ‚normale‘ und ‚typische‘ Arten des Wahrnehmens und Handelns berücksichtigt, ist jedoch nicht geeignet, die Brüche und Unvereinbarkeiten zu beschreiben, die in der Lebenswelt erfahren werden. Die Hinwendung zu einer Auffassung von „Kultur als Text“ (Geertz 1983, 253f) im Zuge des cultural turn eröffnet dahingehend einen Lösungsansatz: Zwar wird bei Geertz, insbesondere im Essay „,Deep Play‘: Bemerkungen zum balinesischen Hahnenkampf“ (ebd., 202–260), der Hahnenkampf als ein homogenes Ereignis beschrieben, bei dem es nicht zu Widersprüchlichkeiten z.B. im Verhalten der Beteiligten kommt, dennoch legt die Auffassung, dass es sich bei Kultur um ein „Ensemble aus Texten“ (ebd., 259) handelt, theoretisch den Grundstein für folgende wichtige Vorannahme: Da Kultur aus einer Vielzahl von Texten besteht, manifestieren sich darin zugleich, Bachtins Konzept der Dialogizität entsprechend (vgl. Bachtin 1979, 169–180), Vielstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten. Die Vorstellung von der textuellen Verfasstheit von Kultur legt somit eine Grundlage für die Annahme, dass Kultur kein homogenes, funktionales Gesamtgefüge ist, das sich durch eine Summe aus Normen, Überzeugungen und kollektiven Vorstellungen und Praktiken auszeichnet.

Die Kultur-als-Text-Metapher bedeutet jedoch nicht, dass Kultur und Text gleichzusetzen sind (vgl. Bachmann-Medick 2010, 72); vielmehr geht es um die Lesbarkeit von Kultur, die wiederum ein Bedeutungszusammenhang ist, den der Mensch selbst herstellt. Geertz beschreibt dies wie folgt:

Der Kulturbegriff, den ich vertrete […] ist wesentlich ein semiotischer. Ich meine mit Max Weber, daß der Mensch ein Wesen ist, das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses Gewebe ansehe. (Geertz 1995, 9)

Ausgehend von diesem von Geertz im Jahre 1973 formulierten bedeutungsorientierten Kulturbegriff und anderen Theorietraditionen wie u.a. aus den Bereichen der Phänomenologie, der Verstehenden Soziologie und des Sozialkonstruktivismus, wird in aktuellen kulturwissenschaftlichen Forschungsansätzen davon ausgegangen, „dass die (soziale) Wirklichkeit nicht unmittelbar gegeben ist, sondern in Akten diskursiver Deutung- und Sinnzuschreibung von den Akteuren selbst konstruiert wird“ (Altmayer 2010, 1408).

Für das Fach Deutsch als Fremdsprache, d.h. vor allem für die Forschungspraxis, versucht Altmayer diese Vorstellungen fruchtbar zu machen: Kultur wird dabei als ein sozial festgelegtes Phänomen betrachtet (vgl. Altmayer 2002, 9); sie manifestiert sich in einem „gemeinsam unterstellten Vorrat an selbstverständlichem Hintergrundwissen“ (Altmayer 2002, 9), das der Lebenswelt im Sinne Habermas’ entspricht, also einem Wissensvorrat an Deutungs- und Wertmustern, mit

unproblematischen, gemeinsam als garantiert unterstellten Hintergrund-überzeugungen; und aus diesen bildet sich jeweils der Kontext von Verständigungsprozessen, in denen die Beteiligten bewährte Situationsdefinitionen benutzen oder neue aushandeln. Die Kommunikationsteilnehmer finden den Zusammenhang zwischen objektiver, sozialer und subjektiver Welt, dem sie jeweils gegenüberstehen, bereits inhaltlich interpretiert vor. (Habermas 1981, 191)

Die Kultur einer Kommunikationsgemeinschaft, so Altmayer, befinde sich in Texten und mache die „Gesamtheit des als selbstverständlich gültig und allgemein bekannt angenommenen und vorausgesetzten Wissens [aus], das von Texten präsupponiert wird“ und das sich in kulturellen Deutungsmustern zeige:

Wir deuten und schaffen die gemeinsame Welt und Wirklichkeit auf der Basis von Mustern, die wir im Verlauf unserer Sozialisation erlebt haben, die wir in der Regel in Diskursen als allgemein bekannt und selbstverständlich voraussetzen, die aber auch selbst jederzeit zum Gegenstand diskursiver und kontroverser Deutungsprozesse werden können. Soweit es sich bei diesen Mustern um überlieferte, im kulturellen Gedächtnis einer Gruppe gespeicherte und abrufbare Muster von einer gewissen Stabilität handelt, spreche ich von ‚kulturellen‘ Deutungsmustern, und den Bestand an ‚kulturellen Deutungsmustern‘, der einer Gruppe als gemeinsamer Wissensvorrat für die gemeinsame diskursive Wirklichkeitsdeutung zur Verfügung steht, nenne ich die ‚Kultur‘ dieser Gruppe. (Altmayer 2006, 51)

Im Anschluss daran versteht Altmayer unter ‚deutschen Deutungsmustern‘, um deren Vermittlung es im Landeskundeunterricht gehen solle, solche, „die in deutschsprachigen Diskursen zur deutenden Konstruktion von Wirklichkeit verwendet werden, und zwar unabhängig von ihrer ‚ursprünglichen‘ Herkunft“ (ebd., 52).

Für die Forschungspraxis im Fach Deutsch als Fremdsprache ist die Metapher „Kultur als Hypertext“ (Altmayer 2004) wichtig; der Hypertext wird als „Netzwerk vielfältig untereinander verknüpfter Texte“ betrachtet, „die jeweils bestimmte Aspekte eines komplexen und in sich vielfach differenzierten Teilbereichs des kulturellen Wissens repräsentieren“ (ebd., 261). Das Ziel einer kulturwissenschaftlich ausgerichteten Forschungspraxis im Bereich Deutsch als Fremdsprache sei daher die Analyse von kulturellen Deutungsmustern in sich aufeinander beziehenden Texten, so dass die Muster lehr- und lernbar würden (ebd., 263).

Unbeantwortet bleibt jedoch die Frage nach den Auswahlkriterien der Deutungsmuster und Texte und der daraus entstehenden Relevanz. In der Praxis würden einzelne Wissenschaftler/-innen, möglichweise in der Zusammenarbeit mit anderen, eine Auswahl an in ihren Augen relevanten Deutungsmustern treffen, die dann aber wiederum eine subjektive Auswahl darstellt, der die Forschungspraxis eigentlich entgegenwirken will. Da Landeskundeunterricht immer auch eine regionale Perspektive hat1 und Deutungsmuster ständigem Wandeln unterworfen sind, kann es eine global und überzeitlich gültige Auswahl gar nicht geben. Eine kulturwissenschaftliche Forschungspraxis im Fach Deutsch als Fremdsprache, die Lehr- und Lerninhalte auf diese Weise wissenschaftlich verankert, ist somit forschungspraktisch eigentlich nicht durchführbar.

Trotzdem bedeutet der Ansatz, über kulturelle Deutungsmuster den Lernenden einer Fremdsprache Zugang zu der fremdsprachlichen Lebenswelt zu vermitteln, einen Fortschritt in der Landeskundedidaktik, denn Kenntnisse von geteiltem Wissen sind für die Teilhabe an der fremdsprachlichen Lebenswelt Voraussetzung. Gewisses Sach- bzw. Faktenwissen und Wissen über Alltagskommunikation gehören dabei natürlich ebenso dazu.

Indem Kultur als geteiltes Wissen definiert wird, besteht außerdem die Möglichkeit, Brüche, Widersprüche und Unvereinbarkeiten in der fremdsprachlichen Lebenswelt zu berücksichtigen. In der Landeskundedidaktik gehen dabei die Vorstellungen davon, welche Auswirkungen diese Heterogenitäten auf den Landeskundeunterricht haben, auseinander. Im Folgenden werden verschiedene Positionen einander gegenübergestellt; Ziel ist es, den interkulturellen und den transkulturellen Landeskundeansatz zusammenzuführen, da die Annahme besteht, dass zugrundeliegende Vorstellungen nicht so unterschiedlich sind, wie von einigen Vertretern und Vertreterinnen argumentiert wird.

Interkulturelles und/oder transkulturelles Lernen?

In vielen Arbeiten, die in der kulturwissenschaftlichen Ausrichtung der Landeskunde verortet sind, wird in Abgrenzung zum interkulturellen Landeskundeansatz auf den Fortschritt hingewiesen, der mit der Hinwendung zu einem bedeutungsorientierten Kulturbegriff einhergehe.1 Interkulturellen Ansätzen wird vorgeworfen, dass sie auf einem homogenisierenden Kulturbegriff basieren, der aufgrund der im Zuge der Globalisierung vermehrten Durchlässigkeit und stärkeren Verbindung von Kulturen der Welt nicht mehr angebracht sei. Dieses Urteil ist sicherlich bei einer Reihe hauptsächlich unterrichtspraktischer Ansätze angebracht, vor allem, wenn das Paradigma reduziert wird auf die einfache kulturkontrastive Frage „Und wie ist es bei Ihnen?“ (Hackl/Langner/Simon-Pelanda 1998, 8). Nichtsdestoweniger liegt interkulturellen Ansätzen nicht per se ein homogenisierender Kulturbegriff zugrunde, auch Vertreter des interkulturellen Paradigmas sind sich bewusst, dass „mit der heutigen, von Migration und sprachlich-kulturellem Pluralismus gekennzeichneten Situation in Gesellschaft, Bildungsinstitutionen und somit auch Fremdsprachenunterricht“ (Hu 1999, 278) homogenisierende Vorstellungen von Kultur weder zeitgemäß noch brauchbar sind.

Auch für das Gießener Graduiertenkolleg Didaktik des Fremdverstehens, das sich vor allem auf einer theoretischen Ebene mit kulturellen Verstehensprozessen im Rahmen fremdsprachlichen Lernens auseinandersetzte, gilt, dass trotz der Trennung in Eigen- und Fremdkultur nicht von einem homogenisierenden Kulturbegriff ausgegangen wird:

[Die] Anerkennung unterschiedlicher kollektiver Identitäten [bedeutet nicht], dass sie in jeder Hinsicht gleich seien. Sie umfasst ferner die Einsicht, dass ein und dieselben Menschen mehreren kollektiven Identitäten angehören können […]. Es liegt somit der Didaktik des Fremdverstehens ein Kulturbegriff zugrunde, der weitaus komplexer ist, als Vertreter der Transkulturalität annehmen. (Bredella 2010, 25f)2

Und auch Bechtel betont:

Auch wenn eine Kultur durch ‚einen mehr oder weniger gemeinsamen Kern an Weltbildern, Wertvorstellungen, Denkweisen, Normen und Konventionen‘ bestimmt ist, so wie es Knapp & Knapp-Potthoff […] hervorheben, darf nicht vergessen werden, dass eine fremde Kultur genauso wenig wie die eigene Kultur homogen, sondern vielmehr gerade durch ihre innere Heterogenität, ihre Divergenzen, ihre Widersprüche und Konflikte gekennzeichnet ist. (Bechtel 2003, 52f)

Bechtel führt die kulturtheoretischen Grundlagen interkulturellen Lernens aus; er verbindet dabei Thomas’ Kulturstandards mit Knapp und Knapp-Potthoffs Vorstellung von Kultur als „ein zwischen Gesellschaftsmitgliedern geteiltes Wissen an Standards des Wahrnehmens, Glaubens, Bewertens und Handelns“ (Knapp/Knapp-Potthoff 1990, 65), wobei die Formulierungen „Standards“ bzw. dass es sich um „Normalitätserwartung“ (Bechtel 2003, 52) handle, von normativen und homogenisierenden Vorstellungen zeugt. Für Vertreter des interkulturellen Paradigmas ist somit zwar ein Kulturbegriff grundlegend, der den jeweils größten gemeinsamen Nenner einer Gemeinschaft beschreibt, dennoch werden Unterschiede und Widersprüche mitgedacht.

Die Auffassung, dass interkulturelle Landeskundeansätze auf der Vorstellung beruhten, dass es sich bei Kulturen um mehr oder weniger geschlossene Entitäten handle, rührt u.a. von einer Trennung in Eigen- und Fremdkultur her, wie sie auch in der Didaktik des Fremdverstehens beschrieben wird. Das Ziel landeskundlichen Unterrichts ist im Zuge dessen vor allem die Entwicklung von Fähigkeiten, Strategien und Fertigkeiten im Umgang mit fremden Kulturen und Gesellschaften. Besonders die Perspektivenübernahme spielt dahingehend eine wichtige Rolle (vgl. Kapitel 6.5), genauer gesagt das Wechselspiel zwischen der Übernahme einer Innen- und einer Außenperspektive. Durch die Einnahme einer Innenperspektive wird der Versuch unternommen, „die Dinge mit den Augen der Mitglieder der fremden Kultur zu sehen“ (Bredella/Christ 1994, 65), durch die Einnahme einer Außenperspektive kann „die fremde Kultur mit unseren eigenen Augen“ (Bredella/Christ 1994, 69) gesehen werden. Dies soll ermöglichen, dass man die Phänomene in der fremden Kultur aus einer kritisch-distanzierten Haltung beurteilen kann.

Für die Auffassung, dass ein Unterricht mit dieser Zielsetzung den Verhältnissen in der globalisierten Welt nicht gerecht wird, werden Konzepte wie Hybridität oder Transkulturalität belegend herangezogen,3 wobei im Kontext des Faches Deutsch als Fremdsprache vor allem Welschs Konzept der Transkulturalität einflussreich ist (vgl. Welsch 2000). Vermehrt finden sich Begriffe wie „transkulturelle Landeskunde“ (Laurien 2010, Roche 2005), „transkulturelles Lernen“ (Eckerth/Wendt 2003, Freitag 2010) oder „transkulturelle Deutschlandstudien“ (Martinson/Schulz 2008).

Dem Begriff der Transkulturalität liegt die Beobachtung zugrunde, dass der herkömmliche essentialistische Kulturbegriff der heutigen Situation in der Welt aufgrund der „externen Vernetzung der Kulturen“ (Welsch 2000, 336, Hervorhebung im Original) nicht mehr gerecht werde: „Zeitgenössische Kulturen sind generell durch Hybridisierung gekennzeichnet. Für jede einzelne Kultur sind tendenziell alle anderen Kulturen zu Binnengehalten oder Trabanten geworden“ (ebd., 337, Hervorhebung im Original). Dabei handelt es sich bei Welschs Konzept der Transkulturalität, dies stellt auch Bredella fest, um eine normative Kategorie (vgl. Bredella 2010). Da alle Kulturen rassistisch seien (vgl. Welsch 1994, 152f), solle eine transkulturelle Welt angestrebt werden und es gelte, diesen Zustand, der auch in der Interkulturalität bestehe, zu überwinden.

Für den Fremdsprachenunterricht kann es – unabhängig davon, ob es sich bei Transkulturalität um eine normative oder eine deskriptive Kategorie handelt – nicht gewinnbringend sein, von theoretischen Prämissen auszugehen, die „einer empirischen Überprüfung der bestehenden Verhältnisse“ (Bredella 2010, 23) nicht standhalten. Hu schreibt beispielsweise:

Die Frage ist nun, ob man das Konzept Interkulturalität für den Kontext des Fremdsprachenunterrichts wegfallen lassen kann. Ich denke, man kann dies aus dem Grunde nicht tun, weil die traditionelle Vorstellung von abgrenzbaren und objektiv beschreibbaren Kulturen und das Bedürfnis nach kultureller Verortung und kultureller Identität alltagssprachlich verankert und zumindest zurzeit unhintergehbar sind. Gerade auch der Fremdsprachenunterricht kann diese Aspekte nicht ausblenden. (Hu 1999, 297, vgl. dazu auch Hu 1995, 27f)

Ebenso weist auch Delanoy darauf hin, dass das Konzept der Transkulturalität „may stand in stark contrast to real people’s experiences“ (Delanoy 2006, 234). Auf einer unterrichtspraktischen Ebene ist es hingegen problematisch, das Bestehen von unterschiedlichen Kulturen zu negieren. Gerade im Zusammenhang mit der Feststellung, dass Kultur und Sprache untrennbar miteinander verbunden sind, stellt sich die Frage, was Lernende eigentlich im Klassenzimmer machen und wie mit den Wünschen der Lernenden umgegangen wird, die meist gern etwas über die Kultur des Zielsprachenlandes lernen möchten und die möglicherweise vereinfachte Vorstellungen der Zielsprachenkultur haben.4 Als normative Kategorie zielt sie somit an den Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts vorbei. Zu beantworten bleibt außerdem, wie man unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch von einem Gegenstand wie ,deutsche Kultur‘ sprechen kann (vgl. Altmayer 2008, 31), geschweige denn, wie man diesen unterrichten soll.

In letzter Zeit entstehen, vor allem auch in der Literaturdidaktik, Ansätze, in denen ausdrücklich das interkulturelle und das transkulturelle Paradigma nicht als zwei unvereinbare Enden eines Kontinuums betrachten werden. Transkulturalität lässt sich als deskriptive Kategorie verstehen, mit deren Hilfe sich die Heterogenität der Lebenswelt besser beschreiben lässt. Delanoy etwa entwickelt eine Theorie des dialogic cultural learning, in dem es u.a. um einen interkulturellen Kontakt zwischen Nationalstaaten geht:

I see my approach as compatible with a transcultural agenda, since I do not treat territory as a monolith or wish to keep its boundaries intact. In fact, I view territories as historically grown, discursively constructed, culturally heterogeneous and politically contested entities, which are implicated in further reaching networks and open to change. (Delanoy 2006, 241)

Diese Verbindung inter- und transkultureller Annahmen wird dem fremdsprachlichen Unterricht, so wie er in der Praxis vorgefunden wird, am ehesten gerecht. In dieser Arbeit wird daher an Hansen angeschlossen, der bemerkt, dass sowohl die kohärente Stabilität im Inneren einer Kultur als auch die Abgeschlossenheit nach außen zurückgefahren, aber nicht abgeschafft werden können:

Die Stabilität basiert auf einem gemeinsamen Nenner, der bei aller Heterogenität vorhanden ist. Dieser kleine gemeinsame Nenner genügt, um Stabilität und Abgrenzung zu gewährleisten. Die Homogenität des alten Kulturbegriffs, das folgt daraus, kann man weitgehend, aber keinesfalls ganz aufgeben. Das Gleiche gilt für die Grenzen, die man sich zwar durchlässig vorstellen darf, die aber weiterhin die Funktion der Abgrenzung erfüllen müssen. (Hansen 2000, 298)

Das Konzept des interkulturellen Lernens, in dem die Befähigung zur Begegnung mit anderen Kulturen im Mittelpunkt steht, lässt sich so auf der inhaltlichen Ebene mit transkulturellen Inhalten füllen, um die Vernetzung und Durchlässigkeit von Kulturen zu thematisieren. Das transkulturelle Paradigma erweist sich für den Landeskundeunterricht also insofern als fruchtbar, als dadurch die von Heterogenität geprägte fremdsprachliche Lebenswelt stärker im Unterricht berücksichtigt wird. Eben dies ist auch das Ziel kulturwissenschaftlich orientierter Landeskundeansätze, die im Folgenden präsentiert werden. Deutlich wird dabei aber auch, dass nationalstaatliche Grenzen weiterhin eine große Rolle spielen, auch in Arbeiten, die die Vernetzung der Kulturen ausdrücklich thematisieren (vgl. z.B. Clemens 2006).