Kitabı oku: «Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen», sayfa 3
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Es ist von einer gefahrenabwehrenden Zielsetzung auszugehen; strafverfolgende Aspekte sind nicht ersichtlich (Grundmaßnahme: Platzverweis). Der Zwangsanwendung ist also eine polizeiliche Verfügung vorausgegangen. Der sog. sofortige Vollzug (§ 50 Abs. 2 PolG NRW) kommt demnach nicht in Betracht. Zu prüfen ist § 50 Abs. 1 PolG NRW (Zwangsanwendung durch Durchsetzung eines erlassenen Verwaltungsaktes; sog. gestrecktes Verfahren).20
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Zulässigkeit des Zwanges (§ 50 Abs. 1 PolG NRW)
Gem. § 50 Abs. 1 PolG NRW kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.
Strittig ist, ob die Rechtmäßigkeit der Zwangsanwendung von der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes abhängig ist. Dabei ist fraglich, ob der Grundverwaltungsakt in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (keine aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln) rechtmäßig sein muss, um die Vollstreckungsmaßnahme zu seiner Durchsetzung (Androhung, Festsetzung, Anwendung eines Zwangsmittels) zu rechtfertigen (sog. Konnexität zwischen Grundverwaltungsakt und nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen). Nach einer Auffassung setzt eine rechtmäßige Zwangsmaßnahme eine rechtmäßige Primärmaßnahme voraus21, d. h. die Rechtswidrigkeit der Primärmaßnahme hat die Rechtswidrigkeit der Sekundärmaßnahme (Zwang) ohne Rücksicht darauf zur Folge, ob die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen. Erlässt die Polizei einen Verwaltungsakt, so ist für ihn die Rechtmäßigkeit unabdingbar zu fordern.22 Ist also der Grundverwaltungsakt nicht rechtmäßig, so sind bereits aus diesem Grund die nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig.23 Durch die Vollstreckung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes werde das bereits entstandene Unrecht noch weiter vertieft. Nach a. A. wird davon ausgegangen, dass es für die rechtliche Beurteilung polizeilicher Zwangsmaßnahmen nach § 50 Abs. 1 PolG NRW auf die Rechtmäßigkeit der Primärmaßnahme nicht ankommt.24 Dieser Auffassung folgend ist dann (lediglich) zu prüfen, ob der Grundverwaltungsakt unanfechtbar oder sofort vollziehbar ist. Zur rechtmäßigen Vollstreckung ist ein rechtswidriger, aber wirksamer Grundverwaltungsakt ausreichend.25 Tragender Grundsatz des Verwaltungsvollstreckungsrechts ist, dass die Wirksamkeit und nicht die Rechtmäßigkeit vorausgegangener Verwaltungsakte Bedingung für die Rechtmäßigkeit der folgenden Akte und letztlich des Zwangsmittels ist.26
Der Grund hierfür liegt in der Situationsgebundenheit der Entscheidung, deren Vollzug nicht bis zur (evtl. auch vorläufigen) Klärung der Entscheidung aufgeschoben werden kann.27 Das BVerfG stützt sich dabei auf die Unterscheidung zwischen „Situationsebene“ und „Sanktionsebene“. Für die Gefahrenabwehr auf der Primärebene sei das Treffen von Prognoseentscheidungen unter Zeitdruck charakteristisch, die naturgemäß irrtums- und fehleranfällig seien.28 Anders sei die Rechtslage auf der Sekundärebene (Sanktionsebene) zu beurteilen.29 Nachfolgend wird geprüft, ob die Grundverfügung rechtmäßig ergangen ist.
Ein Verwaltungsakt ist u. a. unanfechtbar, wenn förmliche Rechtsmittel nicht mehr eingelegt werden können. Zu diesen förmlichen Rechtsmitteln gehören z. B. Widerspruch30 (§§ 68 ff. VwGO) und Anfechtungsklage (s. § 42 Abs. 1, § 74 VwGO). Weiterhin müssen die Berufung (§§ 124 ff. VwGO), die Revision (§§ 132 ff. VwGO) und die Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision ausgeschlossen sein. Die Voraussetzungen liegen (dann) vor, wenn die Fristen abgelaufen sind oder rechtskräftige Entscheidungen getroffen wurden. Außer im Falle der Unanfechtbarkeit (Rechtsbeständigkeit) von Verwaltungsakten können diese (auch) zwangsweise durchgesetzt werden, wenn Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung haben. Gem. § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage (grundsätzlich) aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt). Dieser nach § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehene Suspensiveffekt entfällt jedoch nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, wenn es sich um unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten handelt. Diese Regelung will primär solche Fälle erfassen, in denen ein Polizeibeamter vor Ort angesichts der besonderen Eilbedürftigkeit seines Handelns tätig werden muss und den Eintritt der Unanfechtbarkeit aus naheliegenden Gründen nicht abwarten kann. So gelten als unaufschiebbar i. d. R. (nur) zeitlich dringliche Maßnahmen, also solche, die Polizeibeamte mündlich (oder durch Zeichen) treffen. Ein Wirksamwerden dieser Maßnahmen kann nicht aufgeschoben werden. In diesen Fällen geht der Schutz der öffentlichen Sicherheit dem Interesse des Betroffenen an nochmaliger rechtlicher Überprüfung des Verwaltungsaktes vor seinem Vollzug vor. Bei der polizeilichen Verfügung (§ 34 PolG NRW) handelt es sich um eine unaufschiebbare Maßnahme zur Gefahrenabwehr, sie ist sofort vollziehbar, da gem. § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung förmlicher Rechtsbehelfe entfällt. Die Voraussetzungen des sog. gestreckten Zwangsverfahrens nach § 50 Abs. 1 PolG NRW liegen vor.
Parallelnormen zu § 50 Abs. 1 PolG NRW (Gestrecktes Verfahren): § 6 VwVG; Art. 53 Abs. 1 BayPAG; § 53 Abs. 1 BbgPolG; § 47 Abs. 1 HSOG; § 80 Abs. 1 MVSOG; § 64 Abs. 1 NdsSOG; § 50 Abs. 1 RhPfPOG; § 44 Abs. 1 SPolG; § 53 Abs. 1 LSASOG; § 229 Abs. 1 SchlHLVwG; § 51 Abs. 1 ThürPolG
2. Zulässigkeit des Zwangsmittels
Zwangsmittel sind in § 51 PolG NRW abschließend aufgezählt, d. h. mit anderen Mitteln dürfen polizeiliche Maßnahmen nicht durchgesetzt werden. In Betracht kommt vorliegend der unmittelbare Zwang. Nach § 55 PolG NRW kann die Polizei unmittelbaren Zwang anwenden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind. Andere Zwangsmittel sind die Ersatzvornahme (s. §§ 51 Abs. 1 Nr. 1, 52 PolG NRW) und das Zwangsgeld (s. §§ 51 Abs. 1 Nr. 2, 53 PolG NRW). Sowohl Zwangsgeld als auch Ersatzvornahme scheiden zur Durchsetzung des Platzverweises vorliegend (eindeutig) aus.
Der Anwendungsbereich des § 53 PolG NRW (Zwangsgeld) ist – zumindest – für die vollzugspolizeiliche Praxis eher gering. Es ist für die Abwehr konkreter (gegenwärtiger) Gefahren nicht geeignet. § 53 PolG NRW ist vielmehr Vollstreckungsermächtigung für das Zwangsgeld als psychisches Beugemittel zur Herbeiführung eines künftigen Verhaltens durch finanzielle Belastung, d. h. der monetäre Nachteil soll den Störer veranlassen, letztendlich nachzugeben. Da die Festsetzung und die Androhung eines Zwangsgeldes (zudem) der Schriftform bedürfen, scheidet es zur Abwehr der im Sachverhalt gegebenen (gegenwärtigen) Gefahr aus. Es ist nicht geeignet und kommt nicht in Betracht. Ebenso scheidet eine Ersatzvornahme (§ 52 PolG NRW) vorliegend aus. Ersatzvornahme ist die Vornahme einer vertretbaren Handlung durch die Polizei oder einen Beauftragten auf Kosten des Verpflichteten. Sie ist möglich, soweit eine dem Pflichtigen obliegende Handlung verlangt wird. Die Vornahme einer derartigen (geforderten) Handlung muss (aber) auch durch einen anderen möglich sein (vertretbare Handlung), d. h. das, was die Polizei von dem Störer verlangt, muss auch ein anderer ausführen können. Anhand dieser Ausführungen wird deutlich, dass auch eine Ersatzvornahme nicht in Betracht kommt.
Letztendlich ist festzustellen, dass die Voraussetzungen der (Vollstreckungs-)Ermächtigung (§ 55 PolG NRW) vorlagen. Die Polizei durfte somit das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwanges anwenden. Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW gelten für die Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwanges die §§ 57 ff. PolG NRW. Ist die Polizei nach diesem Gesetz (PolG NRW) oder anderen Rechtsvorschriften zur Anwendung unmittelbaren Zwanges befugt, gelten für die Art und Weise der Anwendung die §§ 58 bis 66 und, soweit sich aus diesen nichts Abweichendes ergibt, die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes (§ 57 Abs. 1 PolG NRW).31
3. Art und Weise des (Verwaltungs-)Zwangs
Mangels entsprechender Hinweise im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass alle Verfahrensvorschriften beachtet wurden, und zwar insbesondere hinsichtlich der Androhung des unmittelbaren Zwanges (§§ 51 Abs. 2, 56 Abs. 1, 61 Abs. 1 PolG NRW).
Die Androhung ist ein Verwaltungsakt (§ 35 Satz 1VwVfG NRW).32 Sie enthält eine „Regelung“. Der Regelungscharakter ergibt sich aus der Warn- und Beugefunktion (letzter „Appell“, die gebotene Handlung durchzuführen), die ihm dem Betroffenen deutlich macht, welche Zwangsmittel auf ihn zukommen können. Dem Betroffenen wird mithin die Möglichkeit eingeräumt, der polizeilichen Verfügung noch freiwillig nachzukommen. Für den Inhalt der Androhung gilt das Bestimmtheitsgebot (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW).33
4. Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (Übermaßverbot)
An der objektiven Zwecktauglichkeit der (Zwangs-)Maßnahme bestehen keine Zweifel, sie ist somit geeignet. Auch hinsichtlich der Erforderlichkeit bestehen keine Bedenken. Eine Verfügung wurde nicht befolgt. Die Zwangsanwendung war fraglos auch verhältnismäßig, denn die geringe Zwangsanwendung auf den Betroffenen (Z) steht in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Maßnahme. Die zwangsweise Durchsetzung des Platzverweises war rechtmäßig.
D. Gewahrsam
I. Ermächtigungsgrundlage
Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es bei einem Grundrechtseingriff einer Ermächtigungsgrundlage, welche auf ein verfassungsmäßiges Gesetz zurückzuführen ist. Unter Gewahrsam ist ein mit hoheitlicher Gewalt hergestelltes Rechtsverhältnis zu verstehen, kraft dessen einer Person die Freiheit dergestalt entzogen wird, dass sie von der Polizei in einer dem polizeilichen Zweck entsprechenden Weise verwahrt, d. h. daran gehindert wird, sich fortzubewegen34. Es handelt sich um eine freiheitsentziehende Maßnahme (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). Bez. der Zulässigkeit und Dauer dieser Maßnahme ist entsprechend der grundgesetzlichen Regelung des Art. 104 Abs. 2 GG der Richtervorbehalt zu beachten. Die Maßnahme dient der Gefahrenabwehr.
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Die Zweckbestimmung dieser Maßnahme dürfte eindeutig sein. Sie dient der Gefahrenabwehr. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1, 2 PolG NRW i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG NRW (Verhütung von Straftaten, originäre Zuständigkeit).
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Tatbestandliche Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
Als Ermächtigung kommt vorliegend § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW (Unterbindungsgewahrsam) in Betracht. Hiernach ist eine Gewahrsamnahme zulässig, wenn das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Eine solche Tat i. S. des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW steht dann unmittelbar bevor, wenn ohne die Ingewahrsamnahme eine fortdauernde Beeinträchtigung des Rechtsgutes polizeilich nicht verhindert werden kann.35 Die Prämisse „unmittelbar bevorstehende Begehung“ ist gleichbedeutend mit „gegenwärtiger Gefahr“36. Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen nicht hinausreichen, genügen für eine Ingewahrsamnahme zwecks Abwehr der Begehung einer Straftat nicht.37 Dass Verhalten des Z lässt den Schluss zu, dass er Straftaten begehen wird.
2. Besondere Verfahrensvorschriften
Zu beachten sind die hier einschlägigen besonderen Verfahrensvorschriften aus den §§ 36 - 38 PolG NRW. Da der Sachverhalt diesbezüglich keine genaueren Ausführungen beinhaltet, kann von einer Einhaltung dieser Vorschriften ausgegangen werden. Im Einzelnen handelt es sich dabei zunächst um die Begrenzung der Ingewahrsamnahme auf das Ende des Folgetages (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW) und die Beendigung der Ingewahrsamnahme bei Wegfall des Grundes der Maßnahme (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW).
Besonderen Stellenwert hat die Beachtung des Richtervorbehaltes über die Fortdauer der Freiheitsentziehung (§ 36 Abs. 1 PolG NRW). Die Ingewahrsamnahme muss aber nicht durch einen Richter angeordnet werden; es ist nachträglich (also bei bereits erfolgter Ingewahrsamnahme) eine richterliche Entscheidung beizubringen. Abzusehen von einer richterlichen Entscheidung ist, wenn selbige erst nach Wegfall des Grundes der Ingewahrsamnahme eingeholt werden könnte. Daraus würde eine Entlassung nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW folgen. Zum diesbezüglichen zeitlichen Ablauf enthält der Sachverhalt jedoch keine Angaben.
Weiterhin ist der Grund für die Freiheitsentziehung bekanntzugeben (§ 37 Abs. 1 PolG NRW) und die Benachrichtigungsmöglichkeit gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 PolG NRW zu berücksichtigen. Zudem soll die Unterbringung nicht mit Straf-/Untersuchungsgefangenen (§ 37 Abs. 3 Satz 1 PolG NRW) wie auch geschlechtergetrennt (§ 37 Abs. 3 Satz 2 PolG NRW) erfolgen.
Die PolGewO NRW (Polizeigewahrsamsordnung) ist zu beachten.
Durch das „Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen – Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen“ v. 13.12.201838 wurde mit § 38 Abs. 2 PolG NRW erstmals eindeutige und differenzierte Vorgaben für die zulässige Dauer der Ingewahrsamnahme aufstellt. Die unterschiedlich konzipierten Zeiträume binden den Richter bei seiner unverzüglich durch die Polizei herbeizuführenden Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams (§ 36 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW), sind also keine Fristen für die Polizei. Die Vorschriften über den jeweils zulässigen Zeitrahmen folgen dabei den Tatbestandsvarianten des § 35 Abs. 1 PolG NRW. So ist etwa für die Ingewahrsamnahme zur Verhütung der Begehung eines Verbrechensgem.
§ 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW nach der Bestimmung des § 38 Abs. 2 Nr. 1 PolG NRW eine Gewahrsamsdauer von bis zu 14 Tagen mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung durch richterliche Entscheidung um weitere 14 Tage vorgesehen. Eine neuartige Bestimmung ist § 38 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 PolG NRW über die Dauer des Gewahrsams, wenn dieser im Rahmen einer Identitätsfeststellung (§ 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 PolG NRW) begründet wird. Die Vorschrift erlaubt (was durch den Verweis auf Nr. 2 deutlich wird) eine richterliche Entscheidung über eine Gewahrsamsdauer von bis zu sieben Tagen, wenn „Tatsachen die Annahme begründen, dass die Identitätsfeststellung innerhalb der Frist nach Satz 1 [innerhalb von 12 Stunden] vorsätzlich verhindert worden ist“. In diesem Fall genügt es auch, „wenn die richterliche Entscheidung über die Fortdauer des Gewahrsams spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen herbeigeführt wird“. Adressaten polizeilicher Maßnahmen sind häufig nicht zur Kooperation bereit und sperren sich nicht selten schon gegen eine Feststellung ihrer Identität – das Verätzen oder Verkleben von Fingerkuppen, passiver und aktiver Widerstand sind keine Seltenheit. Die Möglichkeit, eine Person in einem solchen Fall aufgrund der auch hier unentbehrlichen richterlichen Anordnung bis zu sieben Tagen in Gewahrsam zu halten, soll sie zu einem Einlenken bewegen. Denn gibt die Person ihre Identität preis, ist sie unverzüglich aus dem Gewahrsam zu entlassen.
3. Adressatenregelung
Als Adressaten einer Ingewahrsamnahme kommen nur die Personen in Betracht, die in den jeweiligen Gewahrsamsgründen näher umschrieben sind; ein Rückgriff auf die allgemeinen Störervorschriften ist wegen Spezialregelung nicht erforderlich. Im Falle des Unterbindungsgewahrsams ist es jedenfalls erforderlich, dass die angenommene Gefahr der Verwirklichung von Tatbeständen strafbewehrter Normen der in Gewahrsam zu nehmenden Person als Störung individuell zuzurechnen ist.39 Die Ingewahrsamnahme kommt demgemäß nur in Betracht, um die betroffene Person selbst an der Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr zu hindern.40
4. Übermaßverbot
Die Gewahrsamnahme ist geeignet und erforderlich. Die Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Die Beurteilung setzt eine Abwägung voraus, d. h. das eingeschränkte Grundrecht darf objektiv nicht höher einzustufen sein als das Recht, das geschützt werden soll. Eingeschränkt wird durch die Maßnahmen die körperliche Bewegungsfreiheit des Z (Freiheitsentziehung). Andererseits wird dadurch die Rechtsordnung geschützt. Der Schutz der Rechtsordnung, die das Zusammenleben im Staat ermöglicht, hat zudem einen erheblichen Stellenwert. Eine Abwägung führt daher nicht zu einem Missverhältnis, d. h. die Maßnahme steht nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck und ist rechtmäßig.
Parallelnormen zu §§ 35 ff. PolG NRW (Gewahrsam, Verfahren): § 39 BPolG, § 57 BKAG, § 28 BWPolG; Art. 17 ff. BayPAG; §§ 30 ff. ASOG Bln; §§ 17 ff. BbgPolG; §§ 15 ff. BremPolG; §§ 13 ff. HambSOG; §§ 32 ff. HSOG; §§ 55 f. MVSOG; §§ 18 ff. NdsSOG; §§ 14 ff. RhPfPOG; §§ 13 ff. SPolG; § 22 SächsPolG; §§ 37 ff. LSASOG; §§ 204 f. SchlHVwG
E. Zwang (Durchsetzung Gewahrsam)
I. Ermächtigung
Z wird daraufhin von den Beamten kräftig an den Armen gepackt und in den Streifenwagen gezerrt. Bei solchen Handlungen kann nicht mehr von einer sog. Durchführungshandlung gesprochen werden.
Es wird die Auffassung vertreten, dass Verwaltungsakte auch solche Standardmaßnahmen sind, die man als Ausführungsermächtigung bezeichnet. Nach hier vertretender Auffassung ermächtigen Ausführungsermächtigungen zum Realakt der Ausführung, indes begleitet von einem befehlenden Verwaltungsakt, der dem Betroffenen die Mitwirkung an der Ausführung, mindestens aber deren Duldung aufgibt.41 Sofern Widerstand durch unmittelbaren Zwang als Zwangsmittel gebrochen werden muss, so ist dies nur auf der Grundlage eines Verwaltungsaktes zulässig. So wird etwa für Gewahrsam, Durchsuchung, Sicherstellung und ED-Behandlung daran festgehalten, dass es sich um Verwaltungsakte handelt, die jeweils einheitlich angeordnet werden und Duldungs- sowie einzelne Mitwirkungspflichten erzeugen.42 Bei diesen Maßnahmen ist eine (meist auf eine Duldung der Vollziehungshandlung gerichtete) Regelung mit einer tatsächlichen Ausführungshandlung (= Vollziehung) gekoppelt, bei der es sich, (nur) isoliert betrachtet, um einen Realakt handelt.43
Wenn eine Grundmaßnahme zwangsweise durchgesetzt wird, liegt eine Erweiterung des Ursprungseingriffs vor, mithin ein eigener zwangsbedingter Eingriffsgehalt. Die polizeiliche Zwangsanwendung geht in ihrer Wirkung über den Eingriffsgehalt der Grundmaßnahme regelmäßig hinaus. Dabei wird in der „mildesten Form“ nur die Handlungsfreiheit des Betroffenen weiter eingeschränkt, als es bei Erfüllung der polizeilichen Forderung der Fall gewesen wäre. Zwang ist mithin eine Rechtsfolgengestaltung, die über die Rechtsfolgen der Grundmaßnahme hinausgeht und von ihr nicht erfasst wird. Die Maßnahme stellt sich als Verwaltungszwang dar, denn die Beamten gehen gegen den Z mit körperlicher Gewalt vor (unmittelbarer Zwang in Form der körperlichen Gewalt; vgl. § 58 Abs. 1, Abs. 2 PolG NRW).
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Es ist von einer gefahrenabwehrenden Zielsetzung auszugehen; strafverfolgende Aspekte sind nicht ersichtlich. Mit der Maßnahme soll die Ingewahrsamnahme (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW) durchgesetzt werden.