Kitabı oku: «Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama», sayfa 2

Yazı tipi:

Obama hingegen hat häufig gesagt, wie sehr er Merkel dafür bewundere, wie gut sie ihr schweres Los zu meistern wusste und zu der Person wurde, die sie heute ist. Ohne Frage begegneten sich die beiden Politiker stets mit viel Respekt, der sicherlich auch in der geschichtlichen Bedeutung der beiden Länder zueinander begründet liegt – aber nicht nur: Angela Merkel war das erste deutsche Staatsoberhaupt, das aus der ehemaligen DDR stammt und zudem die erste Frau in dieser wichtigen Rolle; und Barack Obama war der erste Schwarze, der jemals in das Amt des US-Präsidenten gewählt wurde. Obama sagte es zuerst, aber später dann auch Merkel: „[…] Unsere Lebensgeschichten stehen im Einklang mit dieser Gesinnung. Es ist offensichtlich, dass keiner von uns genauso aussieht wie unsere jeweiligen Vorgänger. Aber die Tatsache, dass wir hier als Präsident der Vereinigten Staaten und als Kanzlerin von einem vereinten Deutschland zusammenstehen, zeugt von Fortschritt und Freiheit, die in unserer Welt möglich sind.“19

Warum soll nun hier die Geschichte der beiden erzählt werden? Biografien über Obama und Merkel gibt es zuhauf, auch wurden schon viele Bücher über die Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA geschrieben. Dieses Buch beinhaltet jedoch ihre Arbeitsbeziehung und ihre besondere Freundschaft zueinander. Vor dem Hintergrund einer sich immer schneller verändernden Welt scheint diese Analyse aktuell und dringlich.

Mit der Formation von Allianzen wie der NATO und Partnerschaften wie der EU ist die Zeit nach dem Zeiten Weltkrieg weitestgehend eine vom Frieden gekennzeichnete. Einen großen Weltkrieg hat es bisher nicht gegeben und politische Partnerschaften wie die zwischen Thatcher und Reagan sowie Obama und Merkel haben eine signifikante Rolle dabei gespielt, den Frieden und die Harmonie innerhalb Europas und den Vereinigten Staaten aufrecht zu erhalten. Jedoch ersetzt heutzutage der rapide Anstieg von radikalen Ideologien und terroristischen Aktivitäten immer häufiger die traditionelle Kriegsführung. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 haben sich die Aktivitäten terroristischer Gruppen verstärkt. Das hat zur Folge, dass sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in ganz Europa nationalistische und ausländerfeindliche Bewegungen an Momentum gewannen.

Die im Juni 2016 stattgefundene Brexit-Abstimmung, bei der sich die Bürger in Großbritannien für den Ausstieg aus der EU entschieden, und der Wahlsieg von Donald Trump sind auf beiden Seiten des Atlantiks Belege dieses neuen Wertewandels. Außerdem zogen 2017 in Frankreich und in den Niederlanden rechte Präsidentschaftskandidaten in den Wahlkampf, wenn auch mit erfolglosen Kampagnen. In Polen verzeichnet Antisemitismus den höchsten Stand seit Ende des Zweiten Weltkriegs und erst kürzlich wählte Österreich einen Kanzler mit einer ausländerfeindlichen und nationalistischen Einstellung. Waren es früher die als notwendig angesehenen Allianzen zwischen Staatsführern und ihren Ländern, die Grenzen zu sichern wussten, so fällt heute diese Rolle in die Hände einer nationalistischen und isolationistischen Philosophie. Während Organisationen wie die NATO in den Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkrieges für die Erhaltung des Friedens von zentraler Bedeutung waren, spielten die politischen Beziehungen zwischen Staatsführern wie Barack Obama und Angela Merkel eine ebenso wichtige Rolle.

Jüngst hat die Administration von Donald Trump die amerikanische Botschaft in Israel nach Jerusalem verlegt und damit einen weltweiten Sturm der Entrüstung entfacht. Auch Deutschland lehnte diese Maßnahme ab. So erklärte der damalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel: „Deutschland kann nicht länger nur auf die Politik der USA reagieren, sondern muss seinen eigenen Standpunkt schaffen […] sogar nachdem Trump das Weiße Haus verlässt, wird die Beziehung zu den USA nicht mehr die gleiche sein.“20 In Anbetracht dieser drastischen Veränderungen bei der Außenpolitik und ihren Akteuren ist es wichtig, die Bedeutsamkeit von Allianzen zwischen Ländern und ihren Staatsführern zu untersuchen und sich ihrer bewusst zu werden.

* * *

Im Vergleich zu den in der Vergangenheit geführten Kriegen und militärischen Angriffen geht es bei den heute drohenden Gefahren um weit mehr als nur dem bloßen Einmarsch in ein Land und das Überschreiten von Staatsgrenzen: Heute geht es um Angriffe auf die Werte, für die Amerika und seine Verbündeten stehen. Zudem können Terroranschläge durch die Allgegenwärtigkeit von Internet und sozialen Medien von überall und jedem geplant werden. Es ist daher besonders jetzt wichtig, dass Länder in gutem Kontakt zueinanderstehen und ihre Regierungschefs sich nicht entfremden. Die Unfähigkeit, mit seinen politischen Partnern auszukommen und Informationen der jeweiligen Geheimdienste zu teilen, ist nicht nur gefährlich für die eigene Sicherheit, sondern möglicherweise auch für die der restlichen Welt. Zudem nimmt die Globalisierung ständig zu und Themen wie der Klimawandel oder Wirtschaftskrisen gehen nicht nur ein oder zwei Länder an, sondern beeinflussen jede Nation. Um sich diesen Realitäten zu stellen ist es wichtiger denn je, dass Staatsführer und Länder Partnerschaften aufbauen und zusammenarbeiten.

Kapitel 1: „Unsere Lebenswege“

Nichts illustriert den Unterschied zwischen den freien westlichen Staaten und den kommunistischen Staaten während des Kalten Krieges besser als der Bau der Berliner Mauer im August 1961. Als das kommunistische Regime in Ostdeutschland den „antifaschistischen Schutzwall“ rechtfertigte, war Angela Kasner gerade 7 Jahre alt geworden. Später gab sie an, dass der Mauerbau die erste Erinnerung an ein wichtiges politisches Ereignis gewesen sei.

An jenem historischen Sonntagmorgen, dem 13. August 1961, machte sich Familie Kasner gerade auf den Weg zum Gottesdienst. „Mein Vater predigte an jenem Sonntag. Die Atmosphäre in der Kirche war fürchterlich,“ erinnert sich Angela Merkel, „ich werde das nie vergessen. Menschen haben geweint, meine Mutter auch. […] Das ganze Land wurde plötzlich zu einem Gefängnis. Sämtliche Grenzen wurden mit Stacheldraht und Kontrolltürmen verstärkt und ganz Westberlin war plötzlich von einer 155 Kilometer langen, vier Meter hohen Mauer umgeben.“1

Weil die Vereinigten Staaten und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg so starke Verbündete waren, lehnten die Amerikaner die Handlungen der kommunistischen Regierung stark ab. Im Laufe der Jahre haben die US-Bürger und die US-Regierung mehrere Maßnahmen getroffen, um ihre Solidarität zu ihren transatlantischen Freunden zu zeigen.

In den 27 Jahren, in denen es eine innerdeutsche Grenze gab, haben sich ganz gewöhnliche US-Bürger und amerikanische Politiker regelmäßig für Demokratie und Einheit in Deutschland eingesetzt: So haben z. B. amerikanische Bürger 1960 als Symbol der Solidarität eine „Freiheitsglocke“ getreu der historischen „Liberty Bell“ nach Berlin geschickt. Noch deutlicher machte es der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy mit seiner ergreifenden „Ich bin ein Berliner“-Rede vor dem Brandenburger Tor 1961. Hier erklärte er vor tausenden Berlinern: „Diejenigen, die den Unterschied zwischen der freien und kommunistischen Welt nicht kennen, sollen nach Berlin kommen.“2 Ein ähnlich emotionales Plädoyer machte Präsident Ronald Reagan 1988, als er mit dem russischen Staatschef Michail Gorbatschow gemeinsam vor der Berliner Mauer stand und forderte: „Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder.“3 Eineinhalb Jahre später, nachdem er diese berühmten Worte sprach, erlebten Millionen Ostdeutsche zum ersten Mal, was Freiheit bedeutete. Und zum ersten Mal nach 27 Jahren war die Berliner Mauer kein unüberwindbares Hindernis mehr.

Niemand hat von diesen Ereignissen mehr profitiert als die damals 35-jährige Angela Merkel. Der Fall der Berliner Mauer ebnete ihr den Weg von der unbekannten Physikerin aus dem Osten zum ersten weiblichen Staatsoberhaupt Deutschlands und gleichzeitig zur ersten Kanzlerin des vereinten und freien Deutschlands. Im Laufe von Merkels politischem Aufstieg entstand für sie ein ganz besonderes Image von den USA – nämlich das von einem Land, das mit dem Kalten Krieg verbunden ist und ihrem Deutschland, das durch eine grausame Grenze geteilt war, Hilfe und Unterstützung bot. Sie war überzeugt, dass Amerika einen großen Einfluss auf ihre persönliche Freiheit und ultimativ auf ihren eigenen Erfolg hatte. Daher bildeten für Angela Merkel transatlantische Beziehungen die zentrale Grundlage der deutschen Außenpolitik.4 Diese Denkweise half ihr, eine Beziehung mit sämtlichen amerikanischen Präsidenten aufzubauen, mit denen sie in ihrer Amtszeit zusammenarbeiten sollte.

* * *

Angela Dorothea Kasner wurde am 17. Juli 1954 in Hamburg geboren. Ihr Vater, Horst Kasner, war damals Pfarrer und kam im selben Jahr dem Wunsch der evangelischen Kirche nach, mit seiner Familie aus dem freien Westdeutschland in den von den Kommunisten kontrollierten Osten zu ziehen, um den dortigen Mangel an evangelischen Pastoren auszugleichen. Kasner ließ seine Frau Herlind, die damals mit Angela im siebten Monat schwanger war, zunächst in Hamburg zurück und sollte seine Tochter zum ersten Mal sehen, als Herlind mit der acht Wochen alten Angela in ihrem neuen Zuhause im Osten ankam.5

Hans Otto Wölber, einer von Kasners älteren Pastoren-Kollegen in Hamburg und späterer Bischof für den Sprengel Hamburg, riet dem jungen Kasner zu diesem Schritt. Da Kasner ursprünglich aus dem Osten Deutschlands stammte, war dieser leicht zu überzeugen – aber scherzte, dass „… diejenigen, die in den Osten reisten, ganz normale ‚kommunistische Idioten‘ sind.“6 Seine Motivation hatte jedoch religiöse Gründe: „Ich würde überall auf der Welt die Worte Gottes predigen, selbst in Afrika.“7 Es war ohne Frage eine kontroverse Entscheidung und eine, die er später bereute.8

In der neuen Heimat angekommen leitete Angelas Vater ein Seminar für kirchliche Dienste sowie eine Einrichtung für geistig Behinderte. Ihre Mutter, eine studierte Lehrerin für Latein und Englisch, kümmerte sich um die Familie. Angela, ihr jüngerer Bruder und ihre jüngere Schwester wuchsen in Templin auf, einer von Landwirtschaft geprägten Kleinstadt, ungefähr 80 km nördlich von Berlin. Obwohl Angelas Mutter lediglich den Haushalt führte – die Ostregierung hatte ihr die Arbeit als Sprachlehrerin untersagt –, lebte die Familie ein angenehmes Mittelklasse-Leben und hatte sogar zwei Autos, was für damalige Verhältnisse geradezu luxuriös war.9

Pastor Kasner war mit den Prinzipien der sozialistischen Lehre zwar einverstanden, allerdings war er vehement dagegen, in welcher Form die kommunistische Regierung sie damals implementierte. Zu den vielen Restriktionen, welche die ostdeutsche Regierung ihrem Volk auferlegte, gehörte das Verbot, in der Öffentlichkeit politische Diskussionen zu führen. Zudem spionierte das Regime seine eigenen Bürger aus und es wurde auf jeden geschossen, der aus dem Land fliehen wollte. In seinem Priesterseminar hielt er oft politische Veranstaltungen und beim Abendessen der Kasners gab es hitzige Diskussionen.10

Angelas Mutter Herlind wuchs während der Nazi-Ära auf und bestand darauf, dass ihre Kinder vor der Propaganda der Ost-Regierung geschützt werden sollten. Sobald die Kinder von der Schule nach Hause kamen, hielt Herlind daher zunächst eine Art Tages-Nachbesprechung ab; die Kinder mussten sie über alles Gelernte informieren, wobei Herlind dann die Fakten richtigstellte. Angela sagte später über diese zweistündigen Sitzungen mit ihrer Mutter, dass es eine Zeit der „Widerworte“11 war, die Herlind dazu nutzte, um die „Gehirnwäsche“ der von der Regierung kontrollierten Schule möglichst gering zu halten.

Obwohl die Bürger in Ostdeutschland mehr Freiheiten als die Menschen in anderen kommunistisch regierten Staaten genossen, hatten dort Mitarbeiter der Kirchen und ihre Familien im Vergleich zu anderen DDR-Bürgern besonders mit Verfolgung und Diskriminierungen zu kämpfen. Pastor Kasner und seine Familie waren dem kommunistischen Regime alles andere als willkommen. Seine Verbindung zur Kirche in Kombination mit seinen westdeutschen Wurzeln löste bei der Stasi, der ostdeutschen Geheimpolizei, Verdacht aus, sodass alle seine Unternehmungen in einer Akte dokumentiert wurden.12 Die Tatsache, dass Angela als Teenager ihren Glauben mit einer Konfirmation in der evangelischen Kirche feierte, statt mit der für das DDR-Regime üblichen „Jugendweihe“, verstärkte nur den Verdacht der Stasi. Aufgrund dieser besonderen Situation meldeten ihre Eltern sie 1968 für die Freie Deutsche Jugend (FDJ) an, der staatlichen Jugendorganisation der DDR. Dieser Beitritt warf später Fragen auf. Doch der einzige Grund für Angelas Eltern, diese Mitgliedschaft gutzuheißen, war eine damit verbundene Garantie auf einen Studienplatz. Denn in der DDR wurde Schülern häufig der Zugang zu Universitäten verweigert, wenn diese nicht Mitglieder der FDJ waren.13

Die Teilnahme daran stellte sich als wichtig heraus, denn Merkel gab später in einem Artikel von George Packer für The New Yorker zu, dass ihre Mitgliedschaft bei der FDJ „siebzig Prozent Opportunismus“ war.14 Merkels Eltern waren eindeutig mit den Maßnahmen der kommunistischen Diktatur nicht einverstanden. Aber sie verstanden, dass es der Kinder wegen notwendig war, zumindest so zu tun, als ob man sich an die Regeln der Regierung halten würde – eine wichtige und nützliche Fähigkeit, vorallem für erfolgreiche Führungspersönlichkeiten oder Politiker.

Schon früh zeigte sich, dass Angela eine besondere Begabung für Mathematik und Russisch hatte. Politikwissenschaftler Matthew Qvortrup schrieb in seinem Buch Angela Merkel: Europe’s Most Influential Leader, dass Angelas Eltern sie dazu ermutigten, Russisch zu lernen – „nicht nur, weil sie und damit auch ihre Familie guten Willen zum Regime zeige, sondern sich dadurch auch die Möglichkeit ergab, berühmte Autoren wie Leo Tolstoi zu lesen.“15 Ein ehemaliger Mathematiklehrer sagte über Angela, dass sie „die begabteste“ Schülerin war, die er jemals unterrichtet habe. Und auch ihr Russisch war so gut, dass sie sich im Alter von 14 Jahren für die Russisch-Olympiade qualifizierte.16 Offensichtlich hatte Angela ihr Talent für Sprachen von ihrer Mutter vererbt bekommen – ein Können, das sich später im Laufe ihre Karriere als Politikerin noch als praktisch erweisen sollte.

Obwohl es noch einige Jahre dauern sollte, ehe Angela sich für Politik interessierte, so haben doch die vielen politischen Diskussionen in ihrem Elternhaus ihre Studienwahl entscheidend beeinflusst: „Ich wollte Physik studieren, weil das ostdeutsche Regime die Grundrechenarten und physikalischen Gesetze nicht einfach abschaffen konnte.“17 Gerade mal 19 Jahre alt, überraschte Angela ihre Eltern damit, Physik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig zu studieren. Ihr wurde Templin zu eng. „Ich wollte von zu Hause weg und vor allem raus aus dieser Kleinstadt.“18

Die Beziehung zu ihrem Vater war damals nicht leicht und Pastor Kasner fing an, seine Entscheidung zu bereuen, mit seiner Familie in den Osten umgesiedelt zu sein. Wie Matthew Qvortrup berichtete, hatte Kasner immer hart gearbeitet und Angela hatte als Kind nicht viel von ihrem Vater gehabt. Angela erinnerte sich in einem späteren Interview: „Arbeit und Freizeit waren nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Und manchmal denke ich, dass die Verantwortung gegenüber seiner Familie oft seiner vielen Arbeit zum Opfer fiel.“19

* * *

Kurz bevor die kommunistische Regierung die Berliner Mauer errichtete und das Leben der damals siebenjährigen Angela für immer veränderte, wurde Barack Hussein Obama II am 4. August 1961 in Honolulu auf Hawaii geboren. Sein Vater, Barack Obama Senior, gehörte dem Volk der Luo an und stammte aus Allegro, einem Dorf in Kenia. Er lernte 1960 seine zukünftige Ehefrau Stanley „Ann“ kennen, während beide die University of Hawaii besuchten.20 Als Ann und Barack Senior heirateten, war die Eheschließung zwischen unterschiedlichen Rassen in mehr als der Hälfte der US-Bundesstaaten eine Straftat. In seiner Autobiografie Dreams from My Father erklärte Obama seine Verwunderung darüber, dass seine Großeltern ihrer Tochter damals überhaupt die Erlaubnis gegeben hatten, einen Mann mit einer anderen Hautfarbe zu heiraten.21 Die Ehe hielt jedoch nicht sehr lange und wurde 1964 bereits geschieden. Sein Vater kehrte zurück nach Kenia, wo er später erneut heiratete. Obama sah seinen Vater nur noch einmal danach, nämlich als er die Familie zu Weihnachten 1971 auf Hawaii besuchte. Sein Vater verstarb bei einem tragischen Autounfall in Kenia 1982, als Obama gerade 21 Jahre alt war.22 Die große Abwesenheit seines Vaters in seinem Leben bewegte Obama dazu, auf der Suche nach seiner Herkunft und Familie zu sein. Die Antworten, die er bei dieser Mission fand, sollten den Grundstein für seine spätere Karriere bilden.

Obwohl die Eltern von Obama erst im März 1964 offiziell geschieden wurden, trennte sich das Paar bereits 1962, als Obamas Vater nach Harvard zog, um dort seinen Master-Studiengang in Wirtschaft zu beenden.23 Gleich nach der Scheidung 1964 heiratete Obamas Mutter Lolo Soetoro, einen Geologen, der aus Indonesien stammte. Drei Jahre später zog die Familie nach Indonesien und lebte dort in der Hauptstadt Jakarta. Obamas Stiefvater arbeitete als Tunnel- und Straßenvermesser für die Armee und seine Mutter unterrichtete Englisch an der amerikanischen Botschaft.24 Obama zufolge hat Lolo ihn zwar wie einen Sohn behandelt, aber er blieb distanziert. „Er hat nicht viel geredet, doch war es immer recht einfach, mit ihm zusammen zu sein. Gegenüber seiner Familie und seinen Freunden hat er mich stets als seinen Sohn vorgestellt, wobei er mir niemals mehr als nüchterne Ratschläge erteilte oder vorgab, dass unsere Beziehung mehr war als das.“25 Es gab zwar unterschiedliche Gründe, doch auch Obama hatte genau wie Angela eine ähnlich angespannte Beziehung zu den Vaterfiguren in seinem Leben.

Obamas Mutter schätzte die Güte und Freundlichkeit, die Lolo ihrem Sohn gegenüber zeigte, doch sie fühlte sich in ihrer neuen Heimat nicht wohl und oft einsam. Um sich davon abzulenken, konzentrierte sich Ann auf die Ausbildung ihres Sohnes. Die Familie hatte nicht genug Geld, um Obama an eine internationale Privatschule zu schicken. Daher ergänzte sie seinen Schulunterricht in Indonesien mit Materialien einer amerikanischen Fernschule. Während ihrer Zeit in Indonesien realisierte Ann, dass Obamas „wirkliches Leben irgendwo anders ist“26 und vermutete, dass die besten Chancen dafür zu Hause in den Staaten zu finden seien. Von daher begann sie, ihrem Sohn an fünf Tagen die Woche von 4 Uhr bis 7 Uhr morgens Englischunterricht zu geben.27 Ähnlich wie Angelas Eltern ihre Tochter ermutigten, sich mit Russisch zu beschäftigen, um ihr Leben im kommunistischen Ostdeutschland zu vereinfachen, so war Obamas Mutter davon überzeugt, dass er gute Englischkenntnisse für seinen Erfolg in den Staaten brauchte. Und während Angelas Eltern versuchten, den Lehren der kommunistischen Diktatur mit ihrer eigenen Überzeugung zu konterkarieren, so versuchte Obamas Mutter der rassenspezifischen Stereotypisierung in der amerikanischen Gesellschaft entgegenzuwirken.

Obama erklärte später, dass seine Mutter davon überzeugt war, dass jegliche Form von Bigotterie falsch sei und jeder Mensch als einzigartiges Individuum behandelt werden solle, unabhängig von seiner Rasse.28 Sie kaufte ihm regelmäßig Bücher, Zeitschriften und Aufnahmen von wichtigen Anführern der Bürgerrechtsbewegung, einschließlich Martin Luther King Jr. und Mahalia Jackson.29 Weil seine Mutter und Großeltern ihn vor sämtlichen Konfrontationen in Bezug auf Rasse schützten, gab er später zu, dass er als Kind nicht wahrnahm, „[…] dass mein Vater anders aussah als alle anderen um mich herum – dass er schwarz war wie Pech und meine Mutter weiß wie Milch habe ich kaum registriert.“30 Ann war sich der Hürden bewusst, die ein schwarzes Kind in einem weißen Amerika zu bewältigen hatte und wollte ihren Teil dazu beitragen, ihren Sohn vor Fehlinformationen und falschen Rassen-Stereotypen zu schützen.

Im Sommer 1971, nach Abschluss der vierten Klasse, ging Obama zurück nach Honolulu, um dort mit seinen Großeltern mütterlicherseits zu leben und um die renommierte Privatschule Punahou zu besuchen. Diese hochangesehene Schule – die Beste auf Hawaii und eine der ältesten Privatschulen westlich des Mississippis – befand sich 10 Minuten zu Fuß entfernt von der kleinen Wohnung seiner Großeltern.31 Die ersten drei Jahre lebte Obama in dieser kleinen Wohnung, in der auch noch seine Mutter und seine Halbschwester Maya Soetoro wohnten. Aber 1975 zogen die beiden zurück nach Indonesien, während Obama bei seinen Großeltern blieb, um die Schule zu beenden. Seine Mutter verbrachte die folgenden zwanzig Jahre in Indonesien, ließ sich von Lolo 1980 scheiden und erhielt ihren Doktortitel in Anthropologie 1992, ehe sie drei Jahre später auf Hawaii an einer gynäkologischen Krebserkrankung verstarb. Es ist tragisch, dass gerade sie, die Obama so viele Jahre lang gefördert und unterstützt hatte, nicht mehr miterleben konnte, wie ihr ältester Sohn der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten wurde.

Obama beendete 1979 die Highschool und zog nach Pasadena, einem Vorort von Los Angeles, um das Occidental College zu besuchen, eine kleine, auf Geisteswissenschaften spezialisierte Privatuniversität. Nach zwei Jahren entschied sich Obama, in einer größeren Stadt zu wohnen; er zog nach New York City und schrieb sich 1981 in die Columbia University ein. Sein Studium der Politikwissenschaften beendete er zwei Jahre später mit einem Bachelor-Abschluss in der Tasche und arbeitete für die kommenden zwei Jahre als Manager für Bürger-Projekte, Finanzforscher und Autor.

Mit seinem Umzug nach Chicago, Illinois, im Juni 1985 wechselte er auch sein berufliches Umfeld: Er arbeitete als Gemeinde-Organisator für eine kirchliche Organisation namens The Developing Communities Project, um das Leben der Menschen in acht katholischen Gemeinden in Roseland, West Pullman und Riverdale an Chicagos South Side zu verbessern. Während seiner dreijährigen Arbeitszeit rief er ein Berufsvorbereitungs-Programm ins Leben, Vorbereitungskurse für den Besuch von Colleges und eine Mieterschutzorganisation.32 Allerdings fehlte ihm in Chicago Identität; er fühlte sich leer und beschrieb seine Situation als „einer Sprache entzogen, einer Arbeit entzogen, sogar der Fixierung auf Rasse entzogen, an die ich mich gewöhnt hatte und die mich zwang, in mein Inneres zu sehen, wo ich aber nur eine große Leere fand.“33 Auf Anraten seiner Kollegen reiste Obama im Sommer 1988 nach Kenia, um dort sein inneres Vakuum zu füllen und auch, um mit seinem Vater ins Reine zu kommen. Die Begegnungen mit seinem Vater und seiner Familie in Afrika sollten die Grundlage für Obamas Autobiografie Dreams from My Father werden.

Als Obama im Herbst 1988 wieder in die Staaten zurückkehrte, schrieb er sich als Jura-Student an der Harvard Law School ein. Nach Chicago kam er jedoch in den folgenden Jahren während der Sommermonate immer wieder zurück, um bei der Anwaltskanzlei Sidley Austin als Praktikant zu arbeiten. 1989 wurde ihm dort eine Mentorin zugewiesen: Michelle LaVaughn Robinson. Am 17. Januar 1964 in Chicago, Illinois geboren und aufgewachsen, absolvierte Michelle 1985 die Princeton University cum laude mit einem Abschluss in Soziologie und besuchte anschließend die Harvard Law School, die sie 1988 beendete. Ihre Beziehung zu Obama entwickelte sich im Laufe jenes Sommers und begann mit einem geschäftlichen Mittagessen und einer Gemeindeveranstaltung, auf der Obama sie zu beeindrucken wusste.

Der Harvard Law Review, eine von Jura-Studenten der Harvard Universität herausgegebene Zeitschrift, wählte Obama 1990 als ersten Schwarzen in ihr Herausgeber-Team. Dies weckte die Aufmerksamkeit der amerikanischen Medien und Obama erhielt daraufhin einen Publikations-Vertrag. Obama nutzte diese Gelegenheit und schrieb für den Harvard Law Review Essays über die Erlebnisse in Afrika, die später die Basis für seine Autobiografie Dreams from My Father wurden.

Obama absolvierte Harvard 1991 und ging zurück nach Chicago. Dort unterrichtete er von 1992 an Verfassungsrecht an der University of Chicago Law School. 2004 wurde er Mitglied der Anwaltskanzlei Davis, Miner, Barnhill & Galland, einer aus 13 Anwälten bestehenden Firma, die auf Bürgerrechts-Prozesse und Stadtteil-Entwicklung spezialisiert war.

Was sein Privatleben betraf, so heirateten Michelle und Barack im Oktober 1992. Aus ihrer Ehe gingen zwei Töchter hervor: Malia Ann (geboren 1998) und Natasha (genannt „Sasha“, geboren 2001). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Michelle Obama mit gleich zwei Abschlüssen von US-Elite-Universitäten eine der am besten ausgebildeten First Ladies in der Geschichte der Vereinigten Staaten war. Als Ehemann einer tüchtigen Anwältin, Sohn einer akademisch-geprägten Mutter und Enkelsohn einer geachteten Matriarchin – Madelyn Dunham, sie verstarb nur einen Tag vor seiner Wahl – war Obama von der Anwesenheit intelligenter und gebildeter Frauen offensichtlich alles andere als eingeschüchtert; ein Umstand, der ebenfalls den Respekt und die Chemie zwischen ihm und Angela Merkel erklären könnte.

* * *

Angela traf Ulrich Merkel, ihren ersten Ehemann, während des Studiums. Sein Nachname sollte später einer der wichtigsten auf der weltpolitischen Bühne werden. Matthew Qvortrup schreibt in seinem Buch, dass Ulrich seine zukünftige Frau zum ersten Mal in einer Bar sah, wo sie hinter dem Tresen arbeitete. Ihre Beziehung begann, nachdem die beiden 1972 im Rahmen einer studentischen Veranstaltung nach Leningrad reisten. Beide erinnerten sich an ihre gemeinsame Zeit in Leipzig als „sorgenfrei“. Im Rahmen ihrer eingeschränkten Reisefreiheit fuhren sie in Urlaub und gingen in ihrer Freizeit ins Kino oder Theater. Die beiden zogen 1976 in eine kleine Wohnung mit zwei anderen Paaren und teilten sich mit ihnen die Küche und das Badezimmer.34 Ulrich und Angela heirateten im September 1977.

Sowohl Angela als auch Ulrich arbeiteten an der renommierten Akademie der Wissenschaft der DDR in Berlin, der damals wichtigsten Forschungseinrichtung in Ostdeutschland. Ulrich wirkte als Assistent am Zentralen Institut für Optik und Angela als Assistentin an der Physikalischen Chemie. Beide waren sehr auf ihre Karriere konzentriert, sodass ihre Beziehung darüber zerbrach und nach vier Jahren Ehe Angela unerwartet ihren Mann verließ. Ulrich beschrieb die Umstände wie folgt: „Eines Tages packte sie plötzlich ihre Koffer und ging aus unserer gemeinsamen Wohnung. Sie hat alle Vor- und Nachteile genau analysiert und alle Konsequenzen in Betracht gezogen. Wir haben uns in Freundschaft getrennt. Wir waren beide finanziell unabhängig. Es gab nicht so viele Dinge, die wir zwischen uns aufteilen mussten.“35

Merkel konnte auf eine erfolgreiche Karriere als Quantenphysikerin blicken und hatte viele wissenschaftliche Artikel veröffentlicht. Jedoch realisierte sie, dass eine wissenschaftliche Laufbahn nicht das war, was sie sich für ihr Leben vorgestellt hatte: „Die Aussicht war nicht sehr reizvoll, für die kommenden 25 Jahre Forschung mit einem kleinen Budget zu betreiben.“36 Doch glücklicherweise begann sich die Welt, so wie sie sie bisher kannte, langsam zu verändern und es sollten sich bald Möglichkeiten ergeben, mit denen sie ihre wahre Berufung finden würde.

Obwohl es unter der politischen Oberfläche der Ost-Berliner Regierung bereits rumorte, sollte es die missverstandene Arbeitsanweisung eines Parteisprechers sein, welche die Berliner Mauer vorzeitig zum Einsturz brachte – etwas, mit dem niemand gerechnet hatte: Der Sprecher verkündete am Abend des 9. November 1989, dass ostdeutsche Bürger von nun an ohne besondere Papiere problemlos in den Westen reisen könnten. Als Resultat fiel die Mauer und veränderte über Nacht für Millionen von Menschen ihr Leben.

In seiner BBC-Dokumentation von 2013 The Making of Merkel berichtet Filmemacher Andrew Marr, dass Merkel an jenem Abend ihrem üblichen Donnerstag-Ritual frönte – ein Saunabesuch mit Kollegen und anschließendem Bier.37 Doch ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Fall der Mauer dauerte nicht lange. Sie war gerade mal 35 Jahre alt, also noch „jung genug, dass ein Neubeginn mit einer neuen Karriere möglich war,“38 kommentierte ein ehemaliger Freund und Kollege.

Der Sprung von der Physikerin zur Politikerin schien zwar unwahrscheinlich, aber er war laut Filmemacher Marr durchaus möglich: „Sie wollte ihre Macht nutzen – vor dem Fall der Mauer war es die Macht über Moleküle, danach wollte sie ihre Macht auf eine größere Bühne bringen.“39 Angela Merkel war in einer Familie aufgewachsen, in der Politik immer eine große Rolle gespielt hatte und der Samen für ein Interesse daran wurde vielleicht unbewusst schon früh ausgesät. Als plötzlich alle Beschränkungen verschwanden und Merkel offen über Politik sprechen konnte, schien sie ihre wahre Berufung gefunden zu haben.

Merkel begann ihre politische Karriere bei dem Demokratischen Aufbruch (DA), einer politischen mitte-rechts Organisation. Nach eigenen Angaben ist sie einfach in das Büro der DA hineingegangen und fragte, ob sie helfen könnte. Die westdeutsche Regierung hatte zu jenem Zeitpunkt der DA dutzende Computer gespendet, die aus ihren Kartons herausgenommen und angeschlossen werden mussten. Dies wurde Merkels Aufgabe, über die sie später sagte, dass ihr die wissenschaftliche Ausbildung gut zupasskam, um sich mit dem politischen Prozess vertraut zu machen. In einem Interview von 2004 beschreibt Merkel diese Reformation als „Zauber eines neuen Anfangs. Man wird nie wieder so etwas Schönes erleben dürfen.“40

Merkels politische Karriere sollte sich bald in einem beispiellosen Tempo beschleunigen. Hatte sie gerade erst Kartons ausgepackt, so wurde ihr nur sechs Monate später eine Position im deutschen Kabinett angeboten. Die große Preisfrage, so Dokumentarfilmer Marr, ist daher: Wie gelang es Merkel, von einem normalen Mitglied der ostdeutschen Gesellschaft in kurzer Zeit zu einer führenden Politikerin Deutschlands zu werden? Für Marr gibt es nur eine logische Antwort: Sie war die richtige Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort.41

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
410 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783991078296
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi: