Kitabı oku: «Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama», sayfa 5

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Auch Obama fasste das Treffen zusammen und äußerte sich zur Wirtschaftskrise wie folgt: „Ich denke, dass auf beiden Seiten des Atlantiks bereits Fortschritte zur Stabilisierung der Wirtschaft gemacht wurden, aber wir sind damit noch lange nicht fertig. […] Wir arbeiten fleißig daran, die finanziellen Regulierungsmaßnahmen auszubauen, sodass eine derartige Krise nicht noch einmal passiert; und die Koordination zwischen Europa und den Vereinigten Staaten wird bei einer verstärkten Regulierung der Finanzmärke wichtig werden. Wir versichern, dass wir dabei keinen Protektionismus betreiben werden. Und, so wie es alle tun um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, werden auch wir sicherstellen, dass die Grenzen offen sind und sich Firmen zwischen den USA und Europa frei hin und her bewegen können, um dabei Waren und Dienstleistungen in dem jeweiligen Land anzubieten.“22

Als Obama die aktuellen Sicherheitsfragen ansprach, betonte er die Wichtigkeit der NATO und wie wertvoll Deutschland als Partnerland seit jeher wäre.23 Er fügte hinzu, dass das Verhindern von Terroranschlägen eine kollektive Verpflichtung aller NATO-Partner war und betonte, dass diese Verpflichtung weiterhin bestehen bleiben müsste. Auch als der Präsident über das Verhindern eines nuklearen Wettlaufs mit dem Iran und die Zweistaatenlösung sprach, betonte er, dass diese Ziele nur mithilfe anderer Nationen erreicht werden könnten.

Obama beendete seine Rede, indem er Merkel gegenüber seine Bewunderung zum Ausdruck brachte und sie abermals als „Freundin“ bezeichnete: „Es ist ein großes Vergnügen, erneut hier mit meiner Freundin zu sein, die ich gerne für intelligente Analysen aufsuche und mit der ich Klartext reden kann.“24 Obwohl Merkel immer noch nicht dazu in der Lage war, offen über ihre persönliche Beziehung oder ihre Gefühle gegenüber Obama zu sprechen, machte Obama keinen Hehl aus seiner Affinität zur Kanzlerin – und das nun schon zum zweiten Mal und öffentlich.

Aus den nachfolgenden Fragen der Presse war jedoch Skepsis darüber herauszuhören, ob Obamas Kommentare tatsächlich aufrichtig oder nur „Show“ für die Medien waren. Denn mit der ersten an den Präsidenten gerichteten Frage ging es um „wilde Spekulationen“ in Bezug auf seinen Kurzbesuch in Deutschland und sein angeblich angespanntes Verhältnis zur Kanzlerin. Hierbei waren die Kameras auf Angela Merkel gerichtet, deren ernster Gesichtsausdruck sich plötzlich entspannte und ein kleines Lächeln trug. Obama beteuerte, es wären tatsächlich nur „wilde Spekulationen“, und schließlich wären auch simple Faktoren wie Reiseplanung oder sehr enge Zeitpläne zu berücksichtigen.25 Oder, anders ausgedrückt, die Presse würde zu viel in seinen Kurzbesuch hineininterpretieren.

Mit den nun folgenden Worten sollte er weltweite Aufmerksamkeit erhalten und diejenigen amüsieren, die zu jenem Zeitpunkt präsent waren: Obama sagte der Presse, sie solle aufhören, über Probleme zu reden, die nicht existieren. Dann hob er den Journalisten zugewandt seinen Zeigefinger und forderte: „Also, bitte aufhören, alle von Ihnen. Ich weiß, dass Sie etwas finden müssen, worüber Sie berichten können. Aber wir haben genug Probleme und brauchen nicht noch hausgemachte.“26 Leider waren die Kameras in jenem Moment auf Obama gerichtet, sodass man Merkels Reaktion nicht sehen konnte. Das Lachen des Publikums war jedoch überwältigend.

Die Kanzlerin wartete bis Obama mit seiner Antwort fertig war, um dann mit Nachdruck zu kommentieren: „Erlauben Sie bitte, wenn ich einmal sagen darf, dass es sehr viel Spaß macht, mit dem amerikanischen Präsidenten zu arbeiten, weil sehr ernste, tiefe analytische Diskussionen uns oftmals zur gleichen Schlussfolgerung bringen. Und ich denke, dass wir das in London bewiesen haben, wir haben das auch in den Meetings davor bewiesen. Ich denke, das ist ein Teil unserer Aufgabe, nicht wahr, dass wir unsere Ansichten austauschen, auch andere Ansichten, die man vielleicht hat. Und wo immer es nötig ist, kommen wir zu einer gemeinsamen Lösung. Von daher freue ich mich auf eine zukünftige Zusammenarbeit.”27 Dies war ein kühnes Statement von einer sonst doch eher reservierten Kanzlerin. Ihre Worte ließen erkennen, dass nun auch sie Hoffnung in ihn setzte, so wie viele ihrer deutschen Mitbürger auch. Sie hat lange genug mit Obama gearbeitet um zu erkennen, dass hinter seinen Worten tatsächlich Taten standen.

Als ein Reporter das heikle Thema Guantanamo aufbrachte – Obama hatte versprochen, bei seinem Wahlsieg das Lager einzustellen – bestätigte der Präsident die Komplexität der Angelegenheit und dass er mit Merkel und anderen europäischen Politikern in Bezug auf die Schließung gesprochen habe. Obama stellte klar, dass die Kanzlerin hierbei keinerlei Einsatzbereitschaft zeigte, er jedoch auch keine von ihr verlangt habe. Obama fügt hinzu: „Die Kanzlerin ist sehr offen, mit uns darüber zu diskutieren […] ich bin über Offenheit sehr dankbar, nicht nur über Merkels, sondern auch über die Tatsache, dass andere europäische Länder mit uns zusammenzuarbeiten wollen. […] Ich schätze die konstruktive Art, mit der Merkel dieses Thema angeht.“28

Als die Kanzlerin diese Frage beantwortete, gab sie zu, dass Deutschland, und insbesondere ihre Regierung, sehr stark die Schließung befürworte und dass Verhandlungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten stattfinden. Die Schließung dieser Einrichtung war ein Punkt, auf den sich Obama und Merkel von Beginn an einigen konnten. Auch dominierte diese Angelegenheit viele Diskussionen in der Anfangszeit, aber leider musste sie wegen fehlender Unterstützung seitens des US-Kongresses auf spätere Treffen vertagt werden. Merkel bekräftigte: „Ich bin sehr davon überzeugt, dass wir eine gemeinsame Lösung finden werden.“29

Bei einer anderen Pressefrage ging es um die andauernde Krise zwischen den Israelis und Palästinensern im Mittleren Osten. Hier bekräftigte Obama, dass insbesondere nach einer jahrelangen Sackgasse die Hilfe aller Nationen wichtig sei und betonte dabei die Rolle von Merkel im Verhandlungsprozess: „Ich schätze sehr die Bereitschaft von Kanzlerin Merkel, Prestige und Ressourcen der deutschen Regierung hinter die gleiche Sache zu stellen. Ich denke, dass die gesamte internationale Gemeinschaft eine Verantwortung darüber hat, diesen Parteien dabei zu helfen, einen hart erkämpften Frieden zu erreichen, was letztlich im Sinne der Sicherheitsinteressen aller ist.“30

Bei ihrer Antwort ergriff Merkel die Gelegenheit, dem Präsidenten zu danken. Sie erklärte, dass Obamas Worte und Taten eine neue Dringlichkeit in dieser Angelegenheit zeigten – eine Sache, von der sich die vorherige Administration abgewandt hatte. „Ich glaube jetzt, dass mit der neuen amerikanischen Regierung, mit Präsident Obama, eine einzigartige Gelegenheit existiert.“31Sie stimmte dem zu, dass Israel und Palästina bereit sein müssten, die von Obama umschriebenen Schritte zu gehen. Wenn dies passiere, dann könnten sich beide Nationen sowohl auf die Unterstützung Deutschlands als auch der USA verlassen.32 In Bezug auf Israel hegte Merkel Schuldgefühle über die Dinge, die den Juden während des Holocausts angetan wurden. Die Juden zu schützen war daher ein wichtiger Bestandteil ihrer Agenda.33 Sie war fest davon überzeugt, dass ein Zweistaatensystem die sicherste Lösung für beide Länder war, um friedlich nebeneinander zu leben. Der Schutz von Frieden und die Sicherheit Israels gehörten zu den Eckpfeilern von Merkels Außenpolitik. Die Tatsache, dass auch Obama bereits sehr früh in seiner Amtszeit diese Angelegenheit als Top-Priorität behandelte, könnte ebenfalls dazu beigetragen haben, dass sich eine gute Beziehung zwischen Obama und Merkel entwickelte.

Von einem Reporter auf seinen bevorstehenden Besuch im Konzentrationslager Buchenwald angesprochen, erklärte der Präsident dies geschähe im Zusammenhang mit seiner Kurzreise in die Normandie, wo er den 65. Jahrestag der Landung der alliierten Truppen würdigte. Zudem hätte er noch nie ein Konzentrationslager besucht. Obama hatte ganz speziell Buchenwald gewählt, da sein Großonkel Charles Payne zu den Truppen gehörte, die damals das Lager befreiten.34 Als Merkel das Wort ergriff, betonte sie, dass es viele Politiker abgelehnt hätten, einen so grausamen Ort der deutschen Geschichte überhaupt aufzusuchen. Sie hingegen unterstütze den Besuchswunsch des Präsidenten und nannte dies eine Ehre: „Ich bin sehr davon ergriffen, einen amerikanischen Präsidenten, in diesem Fall Barack Obama, als Besucher in Buchenwald zu sehen. Er hat von seinem persönlichen Bezug dazu gesprochen. Sehen Sie, Buchenwald ist eines dieser schrecklichen Konzentrationslager, die von amerikanischen Truppen befreit wurden.“35 Merkels Worte zeigten, dass sie sich der Bedeutung von Obamas Buchenwald-Besuch bewusst war – nicht nur in Bezug auf den Präsidenten persönlich, sondern auch auf die diplomatische Beziehung der beiden Länder zueinander.

Zum Abschluss der Pressekonferenz gaben sich beide Politiker die Hand, lächelten einander an und schienen sichtlich entspannter als noch 40 Minuten vor dem Treffen. Merkel war zwar noch nicht so weit, Obama als einen „Freund“ zu bezeichnen, aber sie zeigte zum ersten Mal sehr offen Respekt für den neuen Präsidenten.

* * *

Im Anschluss an die Pressekonferenz begleitete Merkel den Präsidenten bei der gut 200 km langen Fahrt von Dresden zur Gedenkstätte Buchenwald. Merkel, die zuvor einen knalligen gelbgrünen Blazer trug, wechselte hierfür ihre Garderobe und erschien in einem schwarzen Hosenanzug, der die Dunkelheit desjenigen Ortes demonstrierten sollte, der als Nächstes auf ihrer Agenda stand. Zwei ehemalige Buchenwald-Häftlinge, Elie Wiesel und Bertrand Herz, begleiteten die beiden Staatsführer. Es war ein historisches Ereignis, zumal Präsident Obama der erste amerikanische Präsident war, der ein ehemaliges Konzentrationslager besuchte und zudem eine persönliche Verbindung damit hatte. Er wollte die schrecklichen Dinge aus nächster Nähe sehen, über die sein Großonkel gesprochen hatte, als dieser als junger Soldat im April 1945 Buchenwald sowie ein zu Buchenwald gehöriges Außenlager in Ohrdruf befreite.

Die Zeitschrift Der Spiegel kommentierte das Ereignis mit „Es ist März-Wetter im Juni“36, eine wahrlich gut gewählte Metapher für den Besuch eines Ortes mit solch düsterer Vergangenheit. Vor Beginn der Tour legten Obama, Merkel, Wiesel und Herz eine weiße Rose auf eine Gedenktafel zu Ehren der 50 000 Menschen, die hier ihr Leben ließen. Anschließend sprachen Merkel, Obama und Wiesel über den Horror in Buchenwald und seine historische Bedeutung. Merkel war sichtlich berührt. Sie erklärte, dass die Deutschen die Pflicht und Verantwortung hätten, an einer Welt frei von Xenophobie, Rassismus, Anti-Semitismus und rechtsradikalem Extremismus zu arbeiten, um zu verhindern, dass sich die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges wiederholten.37 Ähnlich wie Präsident Obama die Verantwortung über die Finanzkrise auf dem Londoner G20-Gipfel übernahm, bekannte sich Merkel zu der Brutalität des Zweiten Weltkrieges. „Dieser Appell der Überlebenden fordert eine Verantwortung, mit der wir Deutschen uns unserer Geschichte stellen müssen.“38 Merkel endete abschließend damit, sich nicht nur bei Obama für seinen Besuch zu bedanken, sondern auch ihre Dankbarkeit gegenüber den Vereinigten Staaten für die jahrelange Hilfe auszudrücken: „Wir Deutschen werden nicht vergessen, dass wir die Chance zum Neuanfang, zu Frieden und Freiheit nach dem Krieg der Entschlossenheit, dem Einsatz und ja, auch dem Blutzoll der Vereinigten Staaten und all derer zu verdanken haben, die an ihrer Seite als Alliierte oder Widerstandskämpfer standen.“39

Auch Präsident Obama war sichtlich berührt, als er zu seiner Rede ansetzte. Er bekundete, dass „dieser Ort im Laufe der Zeit nichts von seinem Horror verloren hat.“40 Gedenkstätten wie Buchenwald würden die Menschen daran erinnern, sich nicht in einer falschen Behaglichkeit zu wiegen, dass das Leiden anderer nicht auch ihr Problem sei. Zudem erinnere Buchwald an die Verpflichtung, sich denjenigen zu widersetzen, die andere für ihre eigenen Interessen unterjochen.41 Merkels Körpersprache zeigte bei Obamas Worten sichtliches Unbehagen. Die Kanzlerin, die direkt neben dem Präsidenten stand, verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ihre Arme und Hände waren unruhig und es liefen Tränen aus ihren Augen.

Obama wies auf die enorme Widerstandskraft der Gefangengen hin. Dem Publikum zugewandt erklärte er, dass die Häftlinge, die hier auf diesem Gelände so viele Jahre gelitten hatten, sich nicht vorstellen konnten, dass es später einmal ein Museum und ein Denkmal geben würde und dass die Turmuhr für immer 3 Uhr 15 anzeigen würde – dem Moment der Befreiung, für alle zukünftigen Generationen sichtbar.42 Er fügte hinzu: „[…], dass man damals noch nicht wissen konnte, dass Israel einmal aus dem zerstörerischen Holocaust emporsteigen und ein starkes, beständiges Bündnis zwischen dieser großen Nation und meiner eigenen entstehen würde. Und sie konnten nicht wissen, dass eines Tages ein amerikanischer Präsident diesen Ort besuchen und über sie sprechen würde und dass er dabei Seite an Seite mit der deutschen Kanzlerin in einem Deutschland stehen würde, das jetzt eine lebendige Demokratie und wertvoller Verbündeter Amerikas ist.“43

Obamas für ihn untypische, strenge, aber emotionale Haltung reflektierte seine Dankbarkeit, in Solidarität neben der Staatsführerin einer Nation zu stehen, die ein ehemaliger Widersacher war. Obama teilte mit Merkel die Ansicht, dass es eine Verpflichtung gegenüber den Überlebenden sei zu versichern, dass so etwas nicht noch einmal geschehen würde. Er argumentierte: „Es liegt an uns, der Ungerechtigkeit, Intoleranz und Gleichgültigkeit zu widerstehen […] und sicherzustellen, dass diejenigen, die wir hier verloren haben, nicht umsonst starben. Es liegt an uns, diesen Glauben zu rehabilitieren. Es liegt an uns, dies zu bezeugen; all diejenigen zu erinnern, die überlebten und die umkamen, und sie nicht als Opfer zu erinnern, sondern als Individuen, die genau wie wir hofften und liebten und träumten.“44

Zum Schluss dankte er Merkel dafür, die Verantwortung für eines der dunkelsten Kapitel der modernen Geschichte zu übernehmen: „Ich möchte meinen besonderen Dank Merkel und dem deutschen Volk aussprechen, da es nicht leicht ist, auf diese Weise in die Vergangenheit zu schauen, sie anzuerkennen und etwas daraus zu machen; den Entschluss, dass sie sich gegen Taten wie diese stellen werden, damit so etwas nicht nochmal passiert.“45

Der Besuch des Konzentrationslagers hatte sicherlich einen anderen Charakter als ein traditioneller Staatbesuch in Berlin, aber er war ohne Frage gleichermaßen lehrreich und informativ für beide Staatsführer. Aus persönlicher Sicht konnte Obama direkt die Eindrücke von jenem Ort mitnehmen, der seinem Großonkel über viele Jahre ein Ort des Horrors gewesen war. Aus professioneller Sicht sah Obama mehr von dem „Mensch“ Angela Merkel, da sie ihre Vorbehalte nun abgelegt hatte und sich im Gegensatz zu ihrem sonst sehr reservierten Charakter auch von ihrer emotionalen Seite zeigte. Zudem hatte Obama die Gelegenheit anhand ihrer Worte und Taten die Charakterzüge zu erleben, die er so sehr an ihr bewunderte – nämlich ihre Ehrlichkeit und ihre Stärke.

Ähnlich wie Obama sich auf dem Gipfel in London für die Rezession verantwortlich zeigte, machte sich Merkel die Grausamkeiten des Holocausts zu eigen. Auch für Merkel war dieses Treffen ein Schlüsselerlebnis. Wie bereits erwähnt, hatte sie zu Beginn arge Bedenken gegenüber dem Präsidenten – er würde nur reden und nicht handeln. Jedoch ließ seine Bereitschaft bzw. sein Insistieren, nach Buchenwald zu gehen, ihre Befürchtungen zunichtewerden.

Wenn aus diesem Besuch eines deutlich wurde, dann war es die Tatsache, dass auch ohne eines traditionellen Staatsbesuchs Allianzen erneut bekräftigt, politische Maßnahmen diskutiert und Partnerschaften gestärkt werden können. Oder anders formuliert: Zwei bereitwillige Parteien sind wichtiger als Orte und Traditionen.

Kapitel 4: „Eine Änderung der Sichtweise“

Juni 2009

Der erste offizielle Besuch der Bundeskanzlerin in Washington D.C. seit Obamas Vereidigung als US-Präsident war am 26. Juni 2009. Bereits davor gab es in den Medien diverse Berichte über die Meinungsverschiedenheiten der beiden Staatsführer, insbesondere in Bezug auf den Klimawandel, Afghanistan und die Wirtschaftskrise. In einem Artikel in Spiegel Online von Anfang Juni äußerte Merkel ihre Skepsis gegenüber den Maßnahmen, die von der US-Zentralbank implementiert wurden, und sagte vor einem Publikum in Berlin, sie plädiere für eine „rationale Wirtschaftspolitik“.1 Ihre Kollegen innerhalb und außerhalb der EU verstanden dies als Ablehnung gegenüber ausschweifenden Stimulus-Paketen seitens der Regierung und insofern als direkte Kritik gegenüber der Politik, die Obama unterstützt hatte.

Falls die Medien oder die Öffentlichkeit jedoch ein kontroverses Treffen zwischen Obama und Merkel erwartet hatten, so wurden sie enttäuscht. Denn in der darauffolgenden Pressekonferenz war immer mehr von der Freundschaft der beiden Staatsoberhäupter zu spüren, mit einem Präsidenten, der Merkel lobte und einer Kanzlerin, die diese Komplimente zurückgab.2

Bei ihren Treffen wurde es zunehmend üblich und fast schon erwartet, dass Obama in der sich anschließenden Pressekonferenz gleich zu Beginn seine Verehrung für die Kanzlerin zum Ausdruck bringen würde. Dabei betonte er vor allem ihre Führungsqualitäten, ihre Offenheit und Intelligenz sowie ihren pragmatischen Ansatz, „die Dinge zu erledigen.“3 Im Anfangsstadium ihrer Arbeitsbeziehung, als es galt zu lernen miteinander auszukommen, stand in ihren öffentlichen Erklärungen die Stärke der Partnerschaft zwischen ihren Ländern im Fokus. Dieses Treffen in Washington war keine Ausnahme. Von daher stellte der Präsident die Wichtigkeit der Beziehung zwischen den USA und Deutschland heraus, als er sagte: „Der Besuch der Kanzlerin ist das jüngste Kapitel in der langen Partnerschaft zwischen unseren beiden Ländern; der Dienst, den unsere Männer und Frauen in Uniform Seite an Seite gemeinsam während des Kalten Krieges leisteten und auch heute noch in Afghanistan absolvieren, die Innovation, mit der unsere Unternehmer unsere Wirtschaft unterstützen, und die Freundschaft und das Vertrauen zwischen unseren Völkern ist unzerstörbar.“4

Der Präsident wies daraufhin, dass die Zusammenarbeit zwischen Nationen wichtig sei im Gegensatz zu isoliertem Handeln: „Kanzlerin Merkel teilt meine Auffassung, dass keine Nation alleine die Herausforderungen unserer Zeit meistern kann. Heute haben wir erneut bestätigt, dass die Vereinigten Staaten und Deutschland, einer unserer engsten Verbündeten und unverzichtbarer Partner, weiterhin gemeinsam eine führende Rolle bei den unterschiedlichsten Herausforderungen einnehmen werden.“5

Als Obama die kontrovers diskutierte Finanzkrise anschnitt, betonte er die Lösungen, die für Merkel wichtig waren, nämlich die finanziellen Regulierungen zu verschärfen und das Vermeiden von Protektionismus. Auch sprach er Merkel seine Anerkennung aus, sich für eine Finanzreform einzusetzen.6 Obama fand hier nicht nur bewundernde Worte für die Kanzlerin; er versicherte ihr und dem deutschen Volk, dass das Amerika unter seiner Regierung die Verbindung der beiden Staaten zueinander schätze und er die Isolationspolitik seines Vorgängers rückgängig machen wollte.

Neben der Wirtschaftskrise sollten zudem die Herausforderungen der globalen Klimaveränderungen angesprochen werden. Deutschland und andere EU-Staaten hatten sich zum Ziel gesetzt, ihre CO2-Emissionen bis 2020 beziehend auf ihre Werte von 1990 um 20 Prozent zu senken. Zudem ließ die EU verlauten, dass „dieses Ziel auf 30 % erhöht werden könnte, wenn andere Hauptverursacher sich ihnen anschließen würden.“7 Obwohl UN-Wissenschaftler betonten, dass bei Industrienationen ein Rückgang von 25 bis 40 Prozent dringend nötig wäre, um die verheerenden Folgen der globalen Erwärmung zu verhindern, zögerten die Vereinigten Staaten, diese ambitionierten Ziele zu unterstützen. Vielmehr wies der US-Klimabeauftragte Todd Stern die Forderungen nach höheren Quoten ab und behauptete fest, dass „40 Prozent unter dem Wert von 1990 etwas ist, das in unseren Augen nicht Not tut und auch mit Blick auf die Ausgangslage nicht machbar ist.”8 Sterns Kommentar zeigte deutlich den Widerwillen der US-Regierung, sich auf neue Umweltrichtlinien einzulassen, und die Sturheit, auch nur ansatzweise Wissenschaftler und ihre Vorschläge anzuhören.

Angesichts dieser prekären Ausgangslage war man auf beiden Seiten des Atlantiks gespannt. Wie wohl würde der erste offizielle Staatsbesuch der Kanzlerin in Washington ausgehen? Verständlicherweise blieb Merkel skeptisch, ob sie wirklich Einfluss auf den US- Präsidenten ausüben und ihn zu mehr Verantwortung bewegen konnte, seinem Volk die Dringlichkeit der Situation bewusst zu machen. Doch die Kanzlerin stand unter enormem Druck. Die Folgen der Klimaveränderung waren offensichtlich und sowohl die Deutschen als auch Merkels internationale Politiker-Kollegen erwarteten Ergebnisse; sie wusste, dass sie es versuchen musste. Umweltschützer in Deutschland forderten, die Kanzlerin sollte ihren Einfluss auf Obama geltend machen und ihn von der Notwendigkeit strengerer Emissionsreduktionen überzeugen.9 Ein Klimaexperte von Greenpeace kommentierte gegenüber Spiegel Online: „Wir haben den Eindruck, dass der amerikanische G8-Delegierte die Diskussion verlangsamt. Es ist wichtig, dass Frau Merkel gegenüber Obama klar macht, dass bei dem G8-Gipfel etwas Wesentliches herauskommen muss.“10

Zufällig stand während Merkels Besuch ein neues Energie-Gesetz im US-Repräsentantenhaus zur Debatte, das sogenannte Waxman-Markey-Gesetz. Sollte der 1200 Seiten umfassende Entwurf tatsächlich verabschiedet werden, dann hätte sich die USA verpflichtet, bis 2020 ihre Treibhausgase um 17 % der Werte von 2005 zu reduzieren, und bis zum Jahr 2050 sogar um mehr als 80 %.11 Nach einem Bericht der amerikanischen Umweltbehörde (EPA) lagen die Emissionswerte von 2005 bei rund 7320 Millionen Tonnen. Im Jahr 2015 waren diese allerdings bereits um 9,3 Prozent reduziert, nämlich auf 6638 Millionen Tonnen. Die USA waren also auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen.12 Des Weiteren sah der Entwurf vor, saubere Energien zu unterstützen, einschließlich den Ausbau der bisherigen Wind- und Solarenergie, und die Entwicklung „grüner“ Bautechnologien zu unterstützen.13 Suzanne Goldenberg brachte es in der britischen Zeitung The Guardian auf den Punkt: „Es könnte nicht mehr auf dem Spiel stehen. Eine Niederlage würde die letzte Chance zunichte machen, ein wichtiges Energiegesetz noch vor den UN-Verhandlungen in Kopenhagen zu erlassen.“14

Jedoch kein einziger republikanischer Abgeordneter befürwortete den Entwurf, weil sie befürchteten, dass es sich bei dem Waxman-Markey-Gesetz um eine versteckte „Energiesteuer“ handelte.15 Obwohl in einer Vorabstimmung der damaligen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, dafür genug Unterstützung von den Demokraten zusammenkam, war man sich in Washington über den Ausgang nicht sicher. Präsident Obama verstand die Bedeutung der bevorstehenden Abstimmung: Im Rosengarten des Weißen Hauses hielt der Präsident eine leidenschaftliche Rede und betonte erneut die Dringlichkeit der Sache. Er wies auf längst überfällige Reformen hin, welche die Führungsrolle der USA auf dem internationalen Parkett illustrieren würde, und betonte: „Wir haben seit Jahren über diese Dinge gesprochen, jetzt ist es Zeit zu handeln.“16

Die Deutschen zeigten sich von Obamas Appell jedoch unbeeindruckt. Die US-Gesetzgeber waren offensichtlich nicht in der Lage, den ambitionierten Zielen, zu denen sich die EU verpflichtet hatte, ebenfalls nachzukommen.17 Der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel fand kritische Worte: „Was das Umweltbewusstsein angeht, so leben die USA und Europa in zwei verschiedenen Welten.“18

Aber Obama bekräftigte, dass sich die USA stärker beim Kampf gegen den Klimawandel beteiligen wolle, insbesondere im Bereich Energieverbrauch. Er wies erneut auf die bevorstehende Abstimmung des Waxman-Markey-Gesetzesentwurfs hin und lobte die Vorgehensweise der deutschen Regierung in Bezug auf Klimaveränderungen: „Lassen Sie mich eines sagen, Kanzlerin, ich bin sehr beeindruckt von der Weitsicht Deutschlands und seiner Verpflichtung zu sauberer Energie.[…] Es ist meine Hoffnung, dass die Vereinigten Staaten heute dieser Verpflichtung ebenfalls nachkommen werden, wenn das Repräsentantenhaus über ein wichtiges Energiegesetz abstimmt, das eine neue Generation von sauberen und erneuerbaren Energien in unserem Land fördert.“19

Obamas Worte waren alles andere als leere Wahlversprechen. Ihm lag es tatsächlich am Herzen, die amerikanische Umweltbilanz zu verbessern. Und, indem er seine Hoffnungen für bessere US-Gesetze mit Deutschland verknüpfte, hoffte er auch auf eine Verbesserung der angespannten Beziehung zwischen den beiden Ländern.

Als Merkel während der Pressekonferenz das Thema Klimawandel ansprach, bezog auch sie sich auf den im Repräsentantenhaus vorliegenden Gesetzentwurf: „Ich sehe eine Änderung in der Sichtweise […] Die USA nehmen das Klima sehr ernst.“20 Dabei erwähnte Merkel, dass sie in ihrem eigenen Land ähnliche Debatten führen musste und daher verstand, wie schwierig die Konsensfindung sei.21 Obwohl sie in ihren Bemerkungen über den Fortschritt in der Bewusstseinsänderung Obama nicht namentlich nannte, ist es eindeutig, auf wen sie sich bezog als sie sagte: „Ich denke, dass es sehr wichtig ist, uns einig zu sein, wenn wir einen Erfolg in Kopenhagen haben wollen. Wir müssen mit den aufstrebenden Ländern und aufstrebenden Volkswirtschaften über ihre möglichen Beiträge sprechen. Aber die Tatsache, dass wir hier mit den Vereinigten Staaten stehen, ist ein großer Erfolg, den ich nicht für möglich gehalten habe – den ich vor einem Jahr nicht möglich gehalten habe, das muss ich ernsthaft sagen.“22

Merkel war sich sicher, dass das Momentum, das plötzlich bei den US-Gesetzemachern in puncto Umweltschutz aufkam, auf die Bemühungen des Präsidenten zurückzuführen war.

* * *

In den Wochen vor Merkels Besuch in Washington sorgte ein Staatsstreich im Iran für Schlagzeilen: Gleich nach dem Ausgang der dortigen Wahlen am 13. Juni 2009 annullierten Ayatollah Khamenei und Mahmud Ahmadinejad das Wahlergebnis, das den Reformkandidaten Mir Hossein Mussawi als Gewinner hervorbrachte. Gegen den Willen des Volkes übernahm Mahmud Ahmadinejad die Kontrolle über die Regierung. Der Iran-Experte und Buchautor Farhang Jahanpour kommentiert die Situation wie folgt: „Die auf dem Spiel stehende Angelegenheit hat sich weit über die Wahlen und das Ergebnis hinaus verlagert. Die ausschweifenden Proteste der iranischen Bevölkerung trafen auf disproportionale Gewalt seitens der Regierungsbevollmächtigten und der Miliz.“23

Als Reaktion auf die offensichtliche Wahlfälschung protestierte die Bevölkerung und die iranische Regierung konterte. Die Dinge gerieten dermaßen schnell außer Kontrolle, dass sich zu dem Zeitpunkt, an dem Jahanpour seinen Artikel „Die gestohlenen Wahlen im Iran und was als nächstes kommt“ am 18. Juni veröffentlichte, bereits die folgenden Grausamkeiten ereignet hatten: Acht Menschen wurden bei friedlichen Demonstrationen in Teheran am 15. Juni 2009 ermordet und mehr als 300 Reform-unterstützende Politiker und Journalisten verhaftet. Zudem fanden grausame Überfälle auf Universitäten statt, die eine große Anzahl an Toten und Verletzten zur Folge hatten. Kommunikation in Form von Textnachrichten, sozialen Medien und Internet-Zugang wurde geblockt und ausländische Reporter durften keine ungenehmigten Demonstrationen besuchen oder sich außerhalb Teherans aufhalten.24

Diese Ereignisse – allesamt ein Schlag ins Gesicht der Demokratie – waren sowohl für Merkel als auch für Obama ein großes Anliegen. Obama betonte, dass die USA und Deutschland in dieser Sache Seite an Seite stehen und die Aktivitäten der iranischen Regierung extrem verurteilen: „Heute sprechen wir mit einer Stimme. Das Recht der iranischen Bevölkerung, sich zu versammeln und frei zu sprechen, um sich Gehör zu verschaffen, das sind universelle Ansprüche. Die Gewalt, die gegen sie vorgebracht wird, ist unfassbar. Und trotz der Bemühungen der Regierung, dass die restliche Welt diese Gewalt nicht bezeugen kann, so sehen wir sie und missbilligen sie zutiefst.“25

Der Präsident wiederholte seinen Plan, den Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu entwickeln, um ein nukleares Wettrennen im Mittleren Osten zu verhindern. Er erklärte, dass eine Koordination zwischen China, Russland, Deutschland und anderen EU-Staaten notwendig sei, um die iranische Regierung zu Aktivitäten zu bewegen, die zu mehr Sicherheit und Wohlstand für die iranische Bevölkerung führten – ohne dabei in Konflikt mit internationalen Gesetzen zu sein.26

Obama erneuerte seinen Standpunkt für die Existenz einer Zweistaatenlösung im Mittleren Osten; Israel und Palästina sollten „Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben.“27 Dann stellte er eine Verbindung zu seiner letzten Deutschlandreise her: „[…] Während unseres Besuches in Buchenwald sprach Kanzlerin Merkel eloquent über die dauerhafte Verantwortung zum Schutz und zur Sicherheit Israels. Deutschland wird zukünftig weiter ein kritischer Partner in unseren Bemühungen sein, Schutz und Sicherheit für die Israelis, die arabischen Staaten und die Palästinenser aufzubringen, die Gewalt ablehnen und die Existenz Israels anerkennen müssen.“28 Erneut stellte Obama hier Deutschland und die Kanzlerin ins Rampenlicht, um die starke Allianz und Partnerschaft der zwei Nationen zu betonen.

Auch die Kanzlerin hatte das Bedürfnis, die Krise im Iran und ihre Unterstützung für das iranische Volk anzusprechen: „Ich möchte unterstreichen, dass der iranischen Bevölkerung das Recht zu friedlichen Demonstrationen gegeben werden muss […] das Recht, ihre Stimme gezählt zu bekommen und auf ein legitimes Wahlresultat; […] die Rechte der Menschen, der Individuen, der Bürger sind auf der ganzen Welt unteilbar und gelten daher auch für das iranische Volk.“29

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