Kitabı oku: «Improvisationstheater», sayfa 3

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2.6Wovor sich Impro-Spieler fürchten

Impro-Spieler sind immer wieder mal von Angst getrieben, auch wenn sie es ungern zugeben. Sie fürchten sich davor,

•unbekanntes Territorium zu betreten,

•vom Publikum beurteilt zu werden

•in der Szene nicht weiterzuwissen,

•vor Veränderung.

Die Liste ließe sich erweitern, aber nach meiner Beobachtung sind dies die wichtigsten Punkte. Schauen wir sie uns einzeln an.

2.6.1Die Angst vor dem unbekannten Territorium

Wenn man eine Weile Improtheater gespielt hat, entwickelt man Antennen dafür, welche Themen sich für eine gute Impro-Szene eignen und welche nicht, welches Spiel ein gutes Abschluss-Spiel ist, mit welchen Sätzen man ein Publikum gut aufwärmt usw. Das kann zu einem wahren Regel-Fetischismus führen. So traf ich einmal auf eine Gruppe, die für sich herausgefunden hatte, dass Synchro-Spiele12 gut funktionieren, wenn handwerkliche Berufe eine Rolle spielen (womit sie ja nicht falsch lagen, da die Körperlichkeit des Handwerks sich für verbale Spiele gut eignet). Irgendwann fuhren sie sich aber derart in dieser Sicht fest, dass sie glaubten, man könne dieses Spiel ohne handwerklichen Beruf überhaupt nicht spielen.

Auf der anderen Seite sorgen Themen wie tödliche Krankheiten oder sexueller Missbrauch mit großer Sicherheit dafür, dass nicht nur ein leichtes Impro-Spiel ruiniert wird, sondern die ganze Show anschließend darunter leidet. Aber heißt das, dass heikle Themen im Improtheater überhaupt nicht zum Gegenstand von Impro-Szenen werden dürfen?

Alles, was das konventionelle Drama (inklusive Film und Theater) darf, dürfen wir im Improtheater auch. Aber wenn wir zum Beispiel das Thema AIDS im Improtheater aufnehmen, sollten wir damit so sensibel und behutsam wie möglich umgehen. Das Problem ist nur, dass wir bei solchen Themen ein viel höheres Risiko des Scheiterns eingehen als wenn wir ein vergleichsweise harmloses Thema wie zum Beispiel einen kleinen Ehestreit behandeln. Eine unangemessene Geste, ein idiotischer Satz können bei diesen heiklen Themen schon genug sein, um der ganzen Show einen Anstrich von Geschmacklosigkeit zu geben oder sie gar abstürzen zu lassen. Die Herausforderung besteht dann vielmehr darin, eine angemessene Form zu finden, so etwas auf die Bühne zu bringen.

Jeder Spieler hat außerdem seine eigenen kleinen „heiklen Themenbereiche“, die einen gewissen Mut erfordern. Aber diesen Mut müssen wir natürlich aufbringen, wenn wir Improtheater zu seinem Recht verhelfen wollen – nämlich tendenziell alles spielen zu können.13

Unbekannte Territorien betreffen nicht nur die Themen, sondern auch die Formen. Wenn man über Jahre gewohnt ist, Storys oder Impro-Formate auf eine bestimmte Art und Weise aufzuführen, glaubt man irgendwann, das ginge nur so und sonst gar nicht. So sind zum Beispiel Storytelling und Bühnenverhalten im Improtheater heutzutage ziemlich film-geprägt. Monologe und Abstraktionen, wie sie im modernen Theater üblich sind, kommen nur an den dafür vorgesehenen Stellen vor. Das Brechen alter Muster in der Improvisation erfordert ebenfalls Mut. Nur wenn wir alte Bahnen verlassen, wenn wir unser gegenwärtiges Spielen immer wieder auf eingeschliffene Muster überprüfen, werden wir unsere Kreativität wirklich freisetzen können.

2.6.2Die Angst vorm Urteil des Publikums
Der Vergleich mit den Mitspielern

Die Show ist vorbei. Das Publikum klatscht begeistert. Verbeugung des Ensembles. Der Applaus brandet noch einmal auf. Dann der Applaus für die einzelnen Spieler.

Tom – Applaus und Jubel.

Sibylle – Applaus, begeisterte Pfiffe.

Lukas – Applaus, begeistertes Stampfen mit den Füßen.

Du – lediglich Höflichkeitsapplaus.

Na? Zwickt es dich? Wenn du diese Situation nicht nur ertragen, sondern wirklich mit Freude genießen kannst, hast du ein großes Impro-Herz.

Nach der Show grübelst du vielleicht, und dir fällt ein: Ja, Tom war am Ende der letzten Story der strahlende Held, der außerdem noch mit seinem Wissen über moderne soziologische Theorie brillierte. Sibylle hat mit ihrem Gesang alle begeistert. Lukas hat fast jede Szene mit einem urkomischen Satz beendet, der für die größten Lacher des Abends gesorgt hat. Was hast du gemacht? Du hast den Helden unterstützt, indem du einen fiesen Gegenspieler etabliert hast. Du hast der Sängerin Platz gelassen, damit ihre Stimme strahlen konnte. Und du hast die Enden für sich stehen lassen, ohne noch etwas vom Lacher abkriegen zu wollen. Mit anderen Worten: Du hast dafür gesorgt, dass die anderen ihr Potential entfalten konnten. Du hast deine ganze Kraft der Show gegeben. Du bist wahrscheinlich ein guter Improvisierer.

Lasst euch nicht vom Applaus verführen. Lasst euch schon gar nicht von Lachern und vom Lob verführen. Haltet eure Eitelkeit im Zaum. Vergleicht euch nicht zu sehr mit euren Mitspielern, und vergleicht niemals das Lob, das sie einheimsen mit dem euren. Denn egal, ob ihr bei diesem Vergleich besser oder schlechter abschneidet als eure Mitspieler, das Vergleichen selbst nährt am Ende doch wieder nur die Eitelkeit.

Die Angst, für dumm, humorlos oder unattraktiv gehalten zu werden

Viele der bekanntesten Impro-Spiele zielen darauf ab, der Phantasie und der Freiheit der spontanen Assoziation einfach freien Lauf zu lassen. Die Originalität des Unbewussten, das schneller ist als unser Denken wirkt dann oft genial. Oft erreichen dann die Spieler ein Plateau und glauben, nun von der Angst, für dumm gehalten zu werden, befreit zu sein. Aber listig kehrt diese zu unerwarteten Gelegenheiten zurück: Wenn wir darauf kommen, Langform-Impro zu spielen, wenn wir Storys entwickeln wollen, wenn wir Charaktere mit Substanz spielen wollen. Dann flüstert sie tückisch: „Kann ich denn das überhaupt?“. Sie sind manchmal fasziniert von den Fähigkeiten oder dem Wissen ihrer Kollegen und glauben, genau so sein zu müssen. Sie fürchten, nicht nur vom Publikum, sondern auch von den Mitspielern für dumm gehalten zu werden.

Was deine Fähigkeiten oder die Könnerschaft einer bestimmten Form betrifft, so kannst dir das Training nicht ersparen. Aber: Du kannst trotzdem mutig auf die Bühne springen wie am ersten Impro-Tag, denn Scheitern gehört dazu. Außerdem gibt es nie die eine Art, eine Geschichte zu erzählen. Wenn du deine Kollegin vielleicht dafür bewunderst, wie es ihr gelingt, aus jeder Story-Plattform das herrlichste Melodram zu basteln, so sei dir darüber im Klaren, dass Melodramen zwar bewegend sein mögen, aber längst nicht das einzige Genre auf diesem Planeten.

Wir müssen auch die Tatsache akzeptieren, dass wir nie so klug sein werden wie unsere Mitspieler. Aber sie auch nie so klug wie wir. Ich beobachte immer wieder, dass Impro-Spieler ein überaus reiches Wissen in den unterschiedlichsten Bereichen haben. Sie haben Lebenserfahrungen gemacht, um die man sie beneidet. Aber sie wagen oft nicht, aus diesem Brunnen zu schöpfen. Im Idealfall ergänzen sich unsere Kenntnisse und Weisheiten perfekt.

Nutze deine Intelligenz und sei dir deiner Intelligenz bewusst! Leider spielen immer noch viel zu viele Impro-Spieler dumme Charaktere, um nicht für dumm gehalten zu werden. Das mag paradox klingen, aber es scheint zunächst leichter und sicherer, einen betrunkenen Zahnarzt zu spielen, der von nichts eine Ahnung hat, als einen nüchternen, kompetenten. Außerdem kommt der Lacher aus dem Publikum schneller. Natürlich gehen wir ein Risiko ein, wenn wir einen kompetenten Zahnarzt spielen. Aber da müssen wir eben behaupten! Wir dürfen nicht aus Angst, für dumm gehalten zu werden, dumm spielen!

Die Angst, für humorlos oder langweilig gehalten zu werden, findet auf der Bühne ihr Ventil im Gagging – dem Zerstören einer Szene für den schnellen Lacher.14 Gagging bricht sich auch in anderen Situationen Bahn, zum Beispiel wenn der Spieler die Spannung der Szene, die Verletzlichkeit der Figur oder einfach nur die Stille im Publikum nicht aushält. Niemand will das Publikum langweilen. Das Problem ist nur, dass wir auf der Bühne kaum ein Signal aus dem Publikum bekommen, das uns verrät, ob es sich langweilt oder nicht. Wenn man von extremen Äußerungen wie Jubeln oder Schluchzen absieht, dann ist die einzige regelmäßige akustische Äußerung des Publikums das Lachen. Dieses positive Feedback ist für einige Spieler dermaßen anregend, dass sie nervös werden, wenn einmal nicht gelacht wird.

Dieses Phänomen beobachten wir auch bei Gruppen, die den Übergang von Kurz- zu Langformen wagen. Klassische Impro-Spiele sind, wenn man sich nur halbwegs anstellt, fast eine Lacher-Garantie, ein Selbstläufer. Langformen funktionieren anders, und zwar selbst dann, wenn man langformatige Comedy spielt. Der Rhythmus der Lacher ist ein anderer, die Art der Lacher abwechslungsreicher. Es geht nicht nur um Gags, komische Figuren und Situationen, sondern um den Aufbau von Spannungsmomenten und einer ganzen Story. Wenn wir aber jeden Story-Ansatz für einen Gag opfern, kann nichts entstehen. Du bekommst zwar vielleicht noch deinen Lacher, aber deine Partner sind nun am Zuge, die Story-Karre wieder zum Laufen zu bekommen. Bei Improvisationen, die nicht in erster Linie auf Comedy abzielen, ist die Herausforderung noch größer: Schweigt das Publikum, weil es sich langweilt oder weil es von der Story gefesselt ist? Die Versuchung ist für viele Spieler übermächtig, doch noch hier und da ein kleines Witzchen zu platzieren, um sich als lustiger Typ darzustellen, der bei allem Ernst die Story ironisiert. Haltet die Spannung aus. Haltet es aus, gerade in der Anfangsphase von Langform-Impro nicht zu wissen, was das Publikum gerade empfindet.15

Während die Angst, für humorlos gehalten zu werden, vor allem junge Männer betrifft, dreht sich das Geschlechterverhältnis bei der Angst, für unattraktiv gehalten zu werden, um.16 Die darunter liegende Angst ist natürlich die Angst vor der Verletzlichkeit. Die Flucht ins Sexy-Sein macht eine Spielerin unangreifbar und unveränderlich. Aber als Impro-Spielerin musst du dich verändern lassen, du musst in der Lage sein, wütend und hässlich zu werden, deine Figur die falschen Entscheidungen treffen lassen. Du musst beweglich bleiben. Aber im Theater geht es nicht um dich! Es geht um die Szene, um die Story. Wenn du auf der Bühne stehst, um Männern oder Frauen zu gefallen, oder überhaupt um jemanden zu beeindrucken, was du für ein toller Mensch bist, dann bist du im Improtheater fehl am Platz. Improtheater lebt davon, dass die Spieler in der Lage sind, ihr Ego auszuschalten, ihr kleines „Ich will doch geliebt werden“ zuhause zu lassen und stattdessen in der großen Gemeinsamkeit aufzugehen.

2.6.3Die Angst, nicht weiterzuwissen

Fast scheint die Angst, nicht weiterzuwissen rational. Schließlich stellen sich die Spieler ohne Text auf die Bühne! Einfach so entsteht, ohne dass sie sich abgesprochen hätten, eine Szene. Manchmal fragt man sich selbst als Improspieler: Wie kann das denn eigentlich funktionieren?

Die Angst, dass einem überhaupt nichts mehr einfällt, führt zu verkrampftem Spielen. Spieler, die fürchten, nicht weiterzuwissen, tendieren oft zum Blockieren oder Auslöschen von Angeboten, in der Szene verharren sie auf der Stelle, indem sie vor sich her plappern. Wenn sie im Off sind, trauen sie sich nicht, die Szene zu betreten.

Nach meiner Erfahrung ist keine Angst so einfach zu bekämpfen wie diese. Viele Spiele nehmen genau diese Angst aufs Korn. Gleich einem Bierfass stechen wir das Fass der Phantasie und der Assoziation an, und es beginnt zu sprudeln. Sobald die Schüler sehen, dass alles, was sie sagen, konstruktiv verwendet werden kann, wird die Angst, nicht weiterzuwissen, erlöschen.

Aber wie jede Angst kann sie auch bei Profis wieder auftauchen. Wenn wir etwa komplexere Storys spielen, wenn wir uns bei fremden Genres bedienen, wenn wir andere Stile verwenden als bisher, schleicht sich bei einigen Spielern die alte Angst wieder ein. Es hilft, hier immer wieder zu den einfachsten Übungen zurückzukehren, vor allem zur freien Assoziation, deren Komplexität sich nach und nach steigern kann.

Übung: Assoziationsstufen

Stufe 1)

Einfache bildliche Assoziation: Holz – Schrank – Kleid – Hochzeit …

Stufe 2)

Einfache Assoziation, die emotional angereichert wird: Holz – ein düsterer Schrank – ein frisches Kleid – eine chaotische Hochzeit … (Entscheidend sind hier weniger die Adjektive, sondern dass die Assoziationen mit emotionalisiertem Atem und emotionalisierter Stimme genannt werden.)

Stufe 3)

Biografisch-narrative Assoziation: Holz – „Auf dem Dachboden meiner Großeltern stand ein alter verschlossener Schrank. Ich hatte mich immer gefragt, was sich darin befinden möge. Und eines Tages fand ich den Schlüssel auf dem Oberteil des Schranks. Ich öffnete ihn und sah darin ein weißes Kleid …“

2.6.4Die Angst vor Veränderung

Du spielst in einer erfolgreichen Impro-Gruppe. Eure Shows sind gut besucht, die Qualität eurer Aufführungen wird allenthalben gelobt. Und da schlägt ein Spieler der Gruppe eine Veränderung vor: Ein neues Format, ein neues Genre, einen Stil, der euren jetzigen Shows anscheinend widerspricht. Warum, so fragen sich einige, sollte man ein Pferd wechseln, das ein Rennen nach dem anderen gewinnt?

Improtheater bleibt nur lebendig, wenn wir neue Pfade beschreiten. Tatsächlich gelingt das manchen Gruppen innerhalb des immergleichen Formats, und zwar dann, wenn dieses offen genug ist, um künstlerische Weiterentwicklung zuzulassen. Aber selbst dann ist es oft lohnenswert, sich mal links und rechts umzuschauen.

Je größer das Team, umso mehr neigt es zu Inflexibilität, da viele Stimmen gehört werden müssen.17 Gerade deshalb solltet ihr auch strukturell offen bleiben.

Wenn ich von ausgetretenen Impro-Pfaden spreche, meine ich aber nicht nur Formate, Stile und Genres, sondern sämtliche Aspekte einer Impro-Show: Die dramatische Herangehensweise an Szenen, Szenenübergänge, die Präsentation einer Show – von der Moderation bis zur Kleidung -, die Entscheidung zwischen Kurz- und Langform, die Themenvielfalt, der Story-Aufbau.

Manche Änderungen werden von der Gruppenmehrheit verworfen, nur weil die neue Form einmal nicht funktioniert hat. Auch hier braucht man Beharrlichkeit und Ausdauer. Die Angst vor Veränderung ist verschwistert mit der Bequemlichkeit. Denn natürlich ist jede Veränderung mit Mühe verbunden. Jedes neue Format muss ausprobiert werden, man muss sich damit geistig auseinandersetzen, man muss unter Umständen lesen, diskutieren, Meinungsunterschiede aushalten. Und schließlich: Der Erfolg ist nie sicher. Improtheater ist eine flüssige Kunst, man kann sie nicht festhalten oder fixieren. Man muss sich mit ihr bewegen.

2.7Die Kanäle der Angst

Angst sucht sich auf der Bühne ihre Kanäle. Sie kommt selten als pure Angst daher, manchmal spüren wir sie nicht einmal. Denn meist tritt sie maskiert auf.

Blockieren

Angst offenbart sich, wenn wir Angebote unseres Spielpartners regelmäßig blockieren. Jedes Angebot ist die Zumutung einer neuen Ungewissheit und Unsicherheit. Unsicherheit ist angstbeladen, und deshalb verharrt so mancher Impro-Spieler und verbarrikadiert sich hinter Nein und Geht-nicht. Spricht man ängstliche Spieler darauf an, werden sie oft ihre Antworten szenisch rechtfertigen:

„Aber meine Figur konnte wirklich nicht das Päckchen annehmen.“

oder

„Nicht ich, sondern meine Figur hatte Angst.“

Negativität

Negativität ist eng verwandt mit dem Blockieren. Allerdings wird hier nicht das Angebot blockiert, sondern der Spieler gibt jedem Aspekt der Szene einen negativen Anstrich. Es wird genörgelt, gemäkelt, gedroht. Wenn wir uns junge unsichere Teenager anschauen, sehen wir dieses Verhalten wie unter der Lupe: Viele Jugendliche neigen zu dieser negativen Coolness, um sich zu schützen, um sich unangreifbar zu machen. Aber Veränderbarkeit und Verletzlichkeit sind unersetzbare Eigenschaften im Improtheater.

Dominanz und Zurückhaltung

Die Stresshormone, die in den Spielerkörper ausgeschüttet werden, wenn die Dinge auf der Bühne zu unübersichtlich oder zu unsicher werden, führen dazu, dass die meisten Spieler in solchen Situationen entweder mit übermäßiger Dominanz oder übermäßiger Zurückhaltung spielen. Lass das Chaos auf der Bühne eskalieren, und fast jeder Spieler wird regelmäßig zur einen oder zur anderen Seite neigen.

Die einen versuchen, die Szenen „in den Griff“ zu bekommen, indem sie ihre Mitspieler herumkommandieren und sich nicht verändern lassen. Die anderen bleiben entweder im Off oder schwimmen einfach nur mit der Szene mit, ohne etwas beizutragen.

Gagging

Wir haben es bereits diskutiert: Spieler, die glauben, die Szene sei schlecht, sobald mal eine halbe Minute nicht gelacht wird und die dann schnell auf Teufel komm raus lustige Sprüche klopfen oder sich ulkig benehmen, zerstören die Szene. Panik-Gagger von ihrer Witzelsucht zu befreien, ist eine der wichtigsten Aufgaben im Impro-Unterricht.

Schwatzen

Die Angst, das Publikum zu langweilen und also für dumm gehalten zu werden, kanalisiert sich gerne in einer Angst vor der Stille. Stille ist in unserer Kultur manchmal schwer auszuhalten. Also wird geschwatzt. Und das setzt sich auf der Impro-Bühne fort. Das Problem ist nur: Wer schwatzt, hört erstens nicht richtig zu, denn er gibt dem, was der andere sagt, keine Chance, sich zu entfalten (und wird sich selbst nicht verändern). Zweitens wird alles Gesagte auf die Ebene des Smalltalks herabgezogen. Drittens: Sprache ist im Theater zu wichtig, um die Lücken mit Geschwätz aufzufüllen. Gib dem Gesagten Bedeutung und halte die Stille aus.

Verharren

Vor allem bei Anfängern kann man ein seltsames Phänomen beobachten: Sie fürchten sich vor dramatischen Gefahren, als seien sie echt. Wenn Georgia zum Beispiel eine vor dem Fernseher strickende Frau spielt und Marvin als Einbrecher in die Wohnung einsteigt, reagiert sie als Spielerin panisch und versucht zu verhindern, dass sie und der Einbrecher aufeinandertreffen. Sie wird dann wahrscheinlich die Türen und Fenster verrammeln, statt ihrem Einbrecher-Mitspieler den Rücken zuzuwenden. Dabei ist das gerade das, was wir als Zuschauer sehen wollen.

Wenn die Figur eines ängstlichen Spielers vor einer schwierigen Aufgabe steht, zum Beispiel einen Hubschrauber fliegen, so findet er 999 Gründe, warum er diese Aufgabe nicht erfüllen kann: Schlüssel vergessen, Termin beim Arzt, erst mal eine rauchen usw. Fortgeschrittene Impro-Spieler kennen dieses Phänomen natürlich, und dennoch schleicht es sich auch bei ihnen ein: Sie weichen Gefahren aus, sie lassen ihre Figuren nur ungern verletzen oder töten. Und später wundern sie sich, dass die Story nicht vorangekommen ist.

Über-Ritualisierung

Diese Form der Kanalisierung ist vergleichsweise harmlos. Wir finden sie oft als Ausdruck des Lampenfiebers vor der Show. Die meisten Gruppen haben irgendeinen Ablauf der Show-Vorbereitung gefunden: Technik-Check, Warm Up, Umziehen usw. Diese Vorbereitung in gewissem Maße zu ritualisieren, ist durchaus in Ordnung, da man auf diese Weise nicht jedes Mal neu zu diskutieren braucht, wie man sich vorbereiten soll.

Aber ich habe Gruppen erlebt, die vor Panik im Dreieck sprangen, wenn zum Beispiel ein Aufwärmspiel durch ein anderes ersetzt werden sollte: „Ohne Ich-bin-ein-Baum können wir uns nicht richtig aufwärmen.“ Ich kenne Gruppen, deren Spieler sich vor der Show eine halbe Stunde einsingen, inklusive vierstimmiger Harmonisierungen, obwohl am Abend selten mehr als zwei Lieder gesungen werden.

Diese Über-Ritualisierungen sind im Grunde nervöse Reaktionen eines fürs Rennen bereiten Pferdes. In ihrer Form sind sie erst mal nur kurios, aber sie haben auch eine Kehrseite: Die Zeit vor der Show ist wertvoll, da wir uns geistig, körperlich und seelisch vorbereiten. Die Über-Ritualisierungen können uns vielleicht das Gefühl vermitteln, dass nun alles in Ordnung sei, aber wir brauchen ein Grundvertrauen, wir können die Zeit genauso zum Zusammenfinden oder zur Meditation nutzen, um das allgemeine Stresslevel zu senken.

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