Kitabı oku: «Von dem Leben und den Meinungen berühmter Philosophen», sayfa 6
Zweites Buch
Erstes Kapitel
Anaximander
1. (1) Anaximander, Praxiades Sohn, war ein Milesier.
2. Er sagte, Ursprung und Grundstoff seien das Unendliche, ohne dass er Luft oder Wasser oder sonst etwas bestimmte. Die Teile desselben würden zwar verändert, aber das Ganze sei unveränderlich. Die Erde sei in die Mitte gestellt und nehme den Mittelpunkt ein, sie sei rund. Der Mond habe ein erborgtes Licht und werde von der Sonne erleuchtet; die Sonne aber sei nicht kleiner als die Erde, und sie sei das reinste Feuer.
3. Er erfand auch zuerst den Sonnenzeiger und stellte ihn auf der Sonnenuhr in Lakedämon auf, wie Favorin in seinen vermischten Geschichten schreibt. Er verfertigte auch Werkzeuge, um die Sonnenwenden und Nachtgleichen anzuzeigen, ingleichen zur Stundenbemerkung. (2) Den Umfang der Erde und des Meeres hat er zuerst gezeichnet und auch eine Kugel verfertigt. Die Hauptpunkte seiner Lehren hat er auseinandergesetzt, welche Schrift dem Athener Apollodor in die Hände fiel.
4. Dieser sagt auch in seiner Zeitgeschichte, dass er im zweiten Jahr der 58. Olympiade 64 Jahre alt gewesen und bald nachher gestorben, und dass seine Blüte vorzüglich in die Zeiten des samischen Gewaltfürsten Polikrates falle. Man erzählt, die Knaben hätten ihn beim Singen ausgelacht, und er habe, wie er das gewahr geworden, gesagt: ich werde besser singen müssen, wegen der Knaben.
5. Es gab außer ihm noch einen Anaximander, der ein Geschichtsschreiber war und auch aus Milet kam und in der ionischen Mundart geschrieben hat.
Zweites Kapitel
Anaximen
1. (3) Anaximen[es], Eurystrats Sohn, ein Milesier, hörte Anaximander. Einige sagen, er habe auch den Parmenides gehört. Er machte die Luft und das Unendliche zum Ursprung und behauptete, dass die Sterne sich nicht über, sondern um die Erde bewegten. Er bediente sich der ungekünstelten und ungeschmückten ionischen Mundart. Er wurde, nach Apollodors Bericht, in der 63. Olympiade geboren und starb um die Zeit der Eroberung von Sardes.
2. Es sind noch zwei andere Anaximenes gewesen, beide von Lampsakos, ein Redekünstler und ein Geschichtsschreiber, welcher ein Schwestersohn des Redekünstlers war und Alexanders Taten beschrieben hat.
3. Von unserem Philosophen sind folgende Briefe:
Anaximen an Pythagoras.
(4) Thales ist in einem rühmlichen Alter auf eine unglückliche Weise gestorben. In einer heiteren Nacht ging er, seiner Gewohnheit nach, mit einer Magd aus seiner Wohnung und beobachtete die Sterne, und da er bei seinen Beobachtungen nicht daran dachte, dass er auf einer Klippe stand, so stürzte er hinab. Nun sagen die Milesier: das Ende hat der Himmelsbeobachter genommen! Wir selbst aber, seine Schüler, wollen uns des Mannes nicht allein erinnern, sondern auch noch unsere Kinder und Zuhörer mit seinen Reden unterhalten. Thales soll immer der Anfang unserer Gespräche sein.
4. Und weiter:
Anaximen an Pythagoras.
(5) Du hast den besten Entschluss unter uns gefasst, dass du von Samos nach Kroton gezogen bist, wo du ruhig lebst. Aber die Söhne des Aiakus sinnen nicht nur auf Böses gegen andere, sondern fahren auch fort, die Milesier eigenmächtig zu beherrschen. Den medischen König aber haben wir zu fürchten, doch nicht, wenn wir ihm Steuern bezahlen wollen. Die Ionier indes stehen im Begriff, die allgemeine Freiheit von den Medern mit den Waffen zu erkämpfen. Werden sie besiegt, so ist keine Hoffnung der Rettung mehr für uns. Wie kann also Anaximen seinen Geist mit Himmelsbeobachtungen beschäftigen, da er in Furcht des Todes oder der Knechtschaft sein muss? Du aber bist den Krotonern lieb und wert und auch den anderen Italiern. Aus Sizilien werden ebenfalls Zuhörer zu dir kommen.
Drittes Kapitel
Anaxagoras
1. (6) Anaxagoras, Hegesibuls oder Gubuls Sohn, war ein Klazomenier. Er war Anaximens Zuhörer und legte der Materie zuerst Verstandesvermögen bei, indem er seine Schrift, die in einem angenehmen und prächtigen Stil geschrieben ist, so anfängt: Alle Dinge waren zugleich, nachher kam der Verstand, welcher sie ordnete und davon benannt wurde. Timon schreibt in den Sillen also von ihm:
Drum nennt man Anaxagoras den mächtigen Helden,
Nennt ihn den Verstand; ihm war es Verstand, der plötzlich sich erhob,
Und alles verband, das vorher getrennt war.
2. Er zeichnete sich durch Adel und Reichtum, aber auch durch Geistesgröße aus, denn er überließ sein väterliches Vermögen seinen Verwandten. (7) Da sie ihn nämlich der Sorglosigkeit beschuldigten, sagte er: nun denn, warum sorgt ihr nicht dafür? Zuletzt zog er sich zurück und beschäftigte sich mit Betrachtungen der Natur, ohne sich um Staatssachen zu bekümmern. Als ihm nun einmal einer sagte: Bekümmerst du dich denn gar nicht um dein Vaterland? antwortete er: Sprich gut! Mein Vaterland liegt mir recht sehr am Herzen! wobei er gen Himmel wies.
3. Er soll bei dem Zuge des Xerxes 20 Jahre alt gewesen sein, und sein Leben auf 72 Jahre gebracht haben. Apollodor schreibt in seinen Zeitbüchern, dass er in der 70. Olympiade geboren, und im ersten Jahr der 78. Olympiade gestorben sei. Er fing zu Athen unter Kallias zu philosophieren an, wie er 20 Jahre alt war, schreibt der Phalerier Demetrius in seinem Buch von den Archonten, und er soll sich daselbst 30 Jahre aufgehalten haben.
4. (8) Er behauptete, die Sonne bestehe aus glühendem Eisen und sei größer als die Peloponnes. Andere schreiben dies Tantalus zu. Der Mond, sagte er, sei bewohnt und habe Hügel und Täler. Der Anfang aller Dinge wären kleine, sich ganz ähnliche Teilchen; denn wie das Gold aus Teilstaub bestehe, so sei aus einander ähnlichen Teilchen auch das All zusammengesetzt. Die Vernunft mache den Anfang der Bewegung. Von den körperlichen Teilen nähmen die schweren den unteren Platz ein, wie die Erde, die leichten aber zögen sich in die Höhe, wie das Feuer; Wasser aber und Luft befänden sich in der Mitte. Daher stände auf der Erde, wo sie weit und flach wäre, das Meer, indem die Feuchtigkeiten durch die Sonne verdünnt würden. (9) Die Sterne hätten anfänglich wie ein Gewölbe in der Höhe gestanden, so dass der Pol sich immer der Spitze der Erde gezeigt habe, nachher erst hätten sie die Neigung bekommen. Die Milchstraße sei eine Brechung der Sonnenstrahlen, da die Sterne nicht herableuchtend wären. Die Kometen entständen aus der Zusammenkunft der Planeten, die Strahlen von sich ausließen. Die Sternschnuppen wären Feuerfunken, die von der Luft hin und her geschwankt würden. Die Winde entstünden durch Verdünnung der Luft durch die Sonne. Der Donner sei ein Zusammenstoßen der Wolken, und der Blitz ein Reiben der Wolken aneinander. Das Erdbeben entstehe durch das Drängen der unterirdischen Luft. Lebendige Geschöpfe wären durch Wasser, Wärme und Erde erzeugt und nachher von einander selbst, und zwar die männlichen von der Rechten und die weiblichen von der Linken.
5. (10) Man sagt auch, dass er den Fall des Steins beim Ziegenflusse vorausgesagt und auch gesagt habe, er werde aus der Sonne herunterfallen. Daher habe auch Euripides, der sein Schüler war, im Phaeton die Sonne einen Goldklumpen genannt. Als er zu Olympia angekommen, habe er sich in ein Wildschauer gehüllt hingesetzt, weil es bald regnen würde und dies sei auch erfolgt. Als man ihn gefragt, ob die Berge in Lampsakos einmal wieder Meer werden würden, soll er geantwortet haben: wenn die Zeit nicht vorher aufhört.
6. Als man in fragte, wozu er geboren sei, sagte er, zur Betrachtung der Sonne, des Mondes und des Himmels. Als ihm jemand sagte, du bist der Athener beraubt worden, erwiderte er: nicht ich ihrer, sondern sie meiner. Beim Anblick des Grabmals des Mausolus sagte er: ein kostbar erbautes Grab ist ein Bild in Stein verwandelten Reichtums. (11) Als einer sich für unglücklich hielt, weil er in einem fremden Land sterbe, sagte er: Man findet an allen Orten einen Hinabweg zum Hades.
7. Wie Favorin in seinen vermischten Geschichten erzählt, war er der erste, der öffentlich sagte, Homer habe von Tugend und Gerechtigkeit gedichtet, und zu dieser seiner Behauptung soll sein Freund Metrodor der Lampsaker noch mehr hinzugesetzt haben, der den Dichter auch zuerst in Rücksicht auf Physik studiert haben soll.
8. Anaxagoras hat auch zuerst ein geschriebenes Buch herausgegeben. Silen erzählt im ersten Buch seiner Geschichte, dass unter dem Archon Dimyl ein Stein vom Himmel gefallen; (12) und dass Anaxagoras gesagt habe, der ganze Himmel sei aus Steinen zusammengesetzt, die durch die Schnelligkeit der Bewegungen zusammengehalten würden und wenn diese nachließe, herunterfallen müssten.
9. Von seinem Rechtshandel gehen verschiedene Sagen. Sotion sagt nämlich in seiner Folge der Philosophen, Kleon habe ihn der Unehrfurcht gegen die Götter angeklagt, weil er gesagt habe, die Sonne sei ein Klumpen glühendes Eisen; sein Schüler Perikles habe ihn zwar verteidigt, aber er sei zu einer Strafe von fünf Talenten und zur Landesflucht verurteilt worden. Satyr aber schreibt in den Lebensbeschreibungen, dass Thukydides ihn gerichtlich belangt habe, der ein Gegner des Perikles in Staatssachen war; die Klage habe auch nicht allein seine Unehrfurcht gegen die Götter, sondern zugleich seine medischen Gesinnungen betroffen, und er sei in seiner Abwesenheit zum Tod verurteilt worden.
(13) Als ihm nun zugleich die Verurteilung und der Tod seiner Söhne berichtet worden, soll er, die Verurteilung betreffend, gesagt haben: über sie und über mich hat die Natur selbst schon abgeurteilt; in Rücksicht seiner Söhne aber: ich wusste, dass sie als Sterbliche gezeugt waren. Einige schrieben dies Solon, andere wieder Xenophon zu. Von ihm erzählt der Phalerier Demetrius in seinem Buch vom Alter, dass er seine Söhne mit eigenen Händen begraben habe. Hermipp hat in den Lebensbeschreibungen, dass man ihn lebenslang eingekerkert habe. Nun sei Perikles gekommen und habe gefragt, ob sie seinem Leben Vorwürfe zu machen hätten? Und da sie geantwortet, gar keine; so habe er gesagt: ich bin des Mannes Zögling, lasst euch also nicht durch Verleumdungen hinreißen, den Mann zu töten, sondern folgt mir und lasst ihn los! Worauf er losgelassen worden, er habe aber diese Beschimpfung nicht ertragen können und sich selbst einen Ausweg eröffnet. (14) Hieronymus aber erzählt im zweiten Buch seiner zerstreuten Denkwürdigkeiten, dass ihn Perikles ganz beschmutzt und abgezehrt von einer Krankheit vors Gericht geführt habe, und dass er mehr aus Mitleid, denn aus Rechtsgründen freigesprochen worden. Dies mag genug sein von seinem Rechtshandel. Man hält ihn für den Feind Demokrits, weil er mit ihm nicht zu einer Unterredung kommen konnte.
10. Zuletzt begab er sich nach Lampsakus, wo er starb, und als ihn die Stadtobrigkeit fragen ließ, was sie für ihn noch tun könnten sagte er, sie möchten alle Jahre in seinem Sterbemonat die Kinder zusammen spielen lassen. Dieser Gebrauch wird noch jetzt beobachtet. (15) Nach seinem Tod begruben ihn die Lampsaker sehr ehrenvoll, und setzten ihm die Grabschrift:
Anaxagoras ruht hier, der am weitesten eindrang
In die wahre Natur dieser himmlischen Welt.
Die unsrige auf ihn ist diese:
Anaxagoras ward darob zum Tod verdammet,
Dass er die Sonne genannt einen glühenden Ball.
Ihn befreite sein Freund Perikles, er selber, der Weise,
Ging den sanftesten Gang aus dem Leben hinaus.
11. Es sind noch 3 andere Anaxagoras gewesen, bei deren keinem sich alles fand; der eine war ein Redekünstler aus Isokrats Schule; der andere ein von Antigon erwähnter Bildhauer; der dritte ein Sprachlehrer, aus Zenodots Schule.
Viertes Kapitel
Archelaus
1. (16) Archelaus, ein Athener oder Milesier, Apollodors oder nach einigen Mysons Sohn, Anaxagoras Schüler, war Sokrates’ Lehrer.
2. Er hat zuerst die physische Philosophie aus Ionien nach Athen gebracht, weshalb er der Physiker genannt wurde, weil mit ihm die physische Philosophie aufhörte, da Sokrates die ethische einführte. Doch scheint auch er die ethische schon mit berührt zu haben, denn er philosophierte auch über Gesetze, über Anständigkeit und Gerechtigkeit. Von ihm nahm Sokrates dies an und erweiterte es so, dass er für den Erfinder gehalten worden ist.
3. Er nahm zwei Ursachen der Erzeugung an, Wärme und Kälte, und ließ die lebendigen Wesen aus Schlamm entstehen. Gerechtigkeit und Schändlichkeit, sagte er, bestimme nicht die Natur, sondern das Gesetz. Seine Gründe waren diese: (17) Wenn das Wässerige durch die Wärme flüssig gemacht wird, erzeugt es, insoweit es feurigen Wesens ist, Erde, insoweit es aber herumfließt, Luft; daher wird jene von der Luft, diese aber von der Umgebung des Feuers beschränkt. Die Tiere, sagte er, entstehen aus erwärmter Erde, und der Schlamm gebe ihnen eine der Milch sehr nahekommende Nahrung. Auf solche Art wären auch die Menschen entstanden. Er behauptete zuerst, dass die Stimme durch einen Stoß der Luft entstehe, dass das Meer in den Höhlungen der Erde zusammengehalten werde; dass die Sonne das größte der Gestirne, das All aber unbegrenzt sei.
4. Es sind noch drei andere Archelaus gewesen, ein Erdbeschreiber der von Alexander durchzogenen Länder; ein anderer, der die Naturerzeugnisse jedes Ortes beschrieben, und ein dritter, der über die Redekunst geschrieben habe.
Fünftes Kapitel
Sokrates
1. (18) Sokrates war ein Sohn des Steinmetzes Sophroniskus und der Hebamme Phänarete, wie Platon im Theatet schreibt. Als Athener gehörte er zum alopekischen Demus.
2. Man glaubte, dass er dem Euripides an seinen Dichterwerken helfe, daher sagt Mnesitoch:
Zum neuen Drama des Euripides,
Die Phryger, trug auch Sokrates sein Früchtchen.
Und wiederum:
Euripides, der Sokratesklammerer.
Und Kallias in den Gefesselten:
Ja, du hochmutest jetzt, und prahlst so groß!
Das kann ich auch. Mir hilft ja Sokrates.
Aristophanes in den Wolken:
Euripides, der Trauerspiele dichtet,
Die voll Geschwätz, das ist, voll hoher Weisheit sind.
3. (19) Er hat, wie einige sagen, den Anaxagoras gehört, auch den Damon, wie Alexander in den Folgen sagt. Nach dessen Verurteilung hörte er den Physiker Archelaus, mit dem er, wie Aristoxen sagt, in Liebesverbindung gestanden haben soll.
4. Duris schreibt, er habe auch Sklavendienste getan und Steine gemetzt; und die bekleideten Charitinnen auf der Burg sollen, nach einiger Behauptung, seine Arbeit sein. Daher sagt auch Timon in den Sillen:
Und von ihnen wich ab der Sprecher des Rechtes, der Steinmetz,
Der Hellenenweissager, der feine Denker und Lehrer,
Jener Spöttler, Rhetorenverachter, der überverfeinte Attiker, der Ironiker. –
5. Er besaß auch eine Stärke in der Rhetorik, wie Idomeneus schreibt, aber die Dreißiger untersagten ihm, wie Xenophon berichtet, die Redekust zu lehren. (20) Aristophanes lässt ihn in der Komödie als einen auftreten, der eine schlechte Sache als eine gute vorzustellen weiß. Er war nämlich der erste, wie Favorin in den vermischten Geschichten erzählt, der zugleich mit seinem Schüler Äschines die Kunst des Vortrags lehrte. Eben das sagt auch Idomeneus, in seinem Buch von den Sokratikern. Er hielt auch zuerst Vorträge über das menschliche Leben und war der erste der Philosophen, der zum Tode verdammt und hingerichtet worden. Aristoxen, Spinthars Sohn, sagt auch, dass er Wucher getrieben habe, und das auf Zinsen gegebene Geld mit den Zinsen wieder einzuziehen gewohnt gewesen sei, nach deren Verzehrung er solches wiederum ausgetan habe. Der Byzanter Demetrius schreibt, Kriton habe ihn aus der Werkstatt herausgeholt und ihn unterrichtet, weil er sich in die Anmut seines Geistes verliebt hatte.
6. (21) Nachdem er aber erkannt, dass die Betrachtungen der Natur für uns unnütz wären, habe er über die Ethik sowohl in der Werkstatt, als auf dem Markt philosophiert und gesagt, er untersuche, was uns im Hause zum Wohl und was zum Schaden gereiche.
Er habe es verachtet, wenn er bei seiner Untersuchung oftmals heftiger sprach und man ihm Maulschellen gab und Haare ausraufte und ihn öfters auslachte: das alles soll er geduldig ertragen haben. Als sich jemand wunderte, dass er gelassen bliebe, wie ihn einer mit dem Fuße stieß, sagte er: Sollte ich wohl einen Esel anklagen, der mit dem Fuß nach mir ausschlüge? Das sagt Demetrius.
7. (22) Ins Ausland zu gehen, wie viele andere, hielt er nicht für nötig, es müsste denn ein Feldzug zu tun sein. Die übrige Zeit blieb er immer an einem Ort und unterredete sich ergiebiger mit denen, die sich mit ihm in Unterredungen einließen, nicht, um sie in ihren Meinungen zu widerlegen, sondern um einen Versuch zu machen, dadurch die Wahrheit zu finden. Man erzählt, Euripides habe ihm eine Schrift Heraklits gegeben und ihn gefragt, was ihm davon dünke? Er habe geantwortet: Was ich verstanden habe, ist vortrefflich, und also glaube ich, wird es auch das sein, was ich nicht verstehe; übrigens ist ein delischer Schwimmer dazu nötig. Er hielt auf Leibesübung und hatte einen gutgehaltenen Körper. Er machte den Feldzug nach Amsipolis mit und rettete Xenophon, da er ihn auffing, wie er im delischen Treffen vom Pferde stürzte. (23) Als alle Athener hier flohen, zog er sich langsam zurück, indem er ganz ruhig öfters umwendete und sich gegen die zu wehren suchte, die etwa auf ihn loskommen möchten. Er war auch mit bei dem Seezuge gegen Potidäa, denn der Krieg machte einen Landzug dahin unmöglich. Hier soll er die ganze Nacht hindurch stets eine Stellung beobachtet, und wie er den Preis der Tapferkeit erhalten, diesen dem Alkibiades abgetreten haben, von dem Aristipp im vierten Buch von den Wolllüsten der Alten sagt, dass er von ihm sehr geliebt worden sei. Der Chier Ion sagt, er sei in der Jugend mit Archelaus nach Samos gereist, und Aristotel schreibt, er sei auch nach Pytho gekommen. Favorin im ersten Buch der Denkwürdigkeiten lässt ihn auch nach dem Isthmus reisen.
8. (24) Er war fest in seinen Meinungen und für die Volksregierung, welches daraus sichtbar ist, dass er dem Kritias nicht nachgegeben, wie er die Vorführung des reichen Salaminiers Leon verlangte und ihn hinrichten zu lassen. Er allein hat auch durch seine Stimme die zehn Strategen befreit; und ob er gleich aus dem Kerker entfliehen konnte, hat er’s doch nicht gewollt und den ihn Beweinenden Vorwürfe gemacht und in seinen Fesseln noch die schönsten Unterredungen mit ihnen gehalten.
9. Er war selbstgenügsam und ehrwürdig. Als ihm Alkibiades, nach Pamphilas Erzählung im 7. Buch der Denkwürdigkeiten, einen großen Platz schenkte, um ein Haus darauf zu bauen, soll er gesagt haben: Wenn ich Schuhe nötig hätte, würdest du mir dann auch Leder gegeben haben, um Schuhe daraus zu machen? Und wäre ich nicht lächerlich, wenn ich’s annähme? (25) Oftmals sagte er zu sich selbst beim Anblick der Menge der verkäuflichen Dinge: wieviel Dinge sind doch, die ich nicht nötig habe! Sehr oft pflegte er auch diese Jamben zu wiederholen:
Die silbernen und purpurnen Geräte sind für die Bühne,
nicht fürs Leben nützlich.
Er verachtete auch den Makedonier Archelaus, Skopas Kranonius Sohn, und Euryloch Larisäus Sohn recht sehr, nahm weder Geld von ihnen an, noch ging er zu ihnen und führte eine so wohlgeordnete Lebensart, dass er allein bei den öfteren Seuchen in Athen nicht erkrankte.
10. (26) Aristotel sagt, dass er zwei Frauen gehabt habe, die erste sei Xanthippe gewesen, mit welcher er den Lamprokles gezeugt, die zweite Myrto, eine Tochter Aristides des Gerechten, die er ohne Aussteuer genommen und mit ihr den Sophroniskus und Menexen gezeugt habe. Andere sagen, Myrto sei seine erste Frau gewesen, und noch andere, er habe beide zugleich gehabt, zu welchen Satyr und der Rhodier Hieronymus gehören. Man sagt nämlich: um bei einem Mangel an Männern doch die Volksmenge zu vermehren, hätten die Athener durch einen Volksschluss festgesetzt, dass ein Mann zwar nur eine Bürgerin zur Frau nehmen, aber doch mit einer zweiten solle Kinder zeugen können: das habe nun auch Sokrates getan.
11. Er war auch fähig, die über ihn spottenden zu übersehen; (27) und er hielt sich wegen seiner Genüglichkeit für ehrwürdig. Er forderte gar keinen Lohn und sagte, dass Essen und Trinken schmecke ihm dann am angenehmsten, wenn er am wenigsten Zukost gebrauche und am wenigsten einen Trunk erwarte, den er nicht hätte. Dadurch, dass er die kleinsten Bedürfnisse habe, nähere er sich den Göttern. Dies kann man schon aus den Lustspieldichtern abnehmen, die es nicht wissen, dass sie ihn eben durch das loben, was sie an ihm spöttlich tadeln. So sagt Aristophanes:
O Mensch, du strebst mit Recht nach großer Weisheit,
Um glücklich in Athen und anderwärts zu leben.
Ferner:
Sei eingedenk, und sinne drüber nach,
Es ist was jämmerliches in dem Sinn.
Du wirst nie müde, weder wenn du stehst,
Noch wenn du gehst, auch Winterkälte schmerzt
Dich eben nicht, du fühlst auch keine Gier
Nach Speise, du enthältst dich immerfort
Von Wein und Schmaus und anderm Torenunsinn.
(28) Ameipsias lässt ihn in einem alten Mantel auftreten und drückt sich so aus:
Sokrates, bester von wenigen Menschen,
Albernster unter den meisten, auch du
Kommst auch zu uns her, kannst was vertragen!
Woher wollt’st du ein Wams auch nehmen?
In das Unglück bist du gekommen,
Weil du die Lederschneider verspottet hast.
Wenn ihn auch noch so sehr hungerte, so konnte er’s doch nicht von sich erhalten, zu schmeicheln. Dieses Herabsehen, diesen Hochmut wirft ihm auch Aristophanes in folgenden Ausdrücken vor:
Auf den Straßen schreitest du hoch einher,
Wirfst nur Seitenblicke hochmütig,
Barfuß gehst du, duldest viel Böses,
Und machst immer die heitersten Mienen.
Doch aber fügte er sich zuweilen auch in die Zeiten und zog ein Staatskleid an, wie zum Beispiel, da er nach Platons Gastmahl zum Agathon ging.
12. (29) Er verstand beides, das Anmahnen und Abmahnen zu und von einer Sache. So hat er, wie Platon schreibt, den Theätet bei einer Unterredung von der Wissenschaft ganz begeistert entlassen; den Euthyfron aber, der seinem Vater einen Prozess machen wollte wegen der Fremdheit, brachte er durch eine Unterredung über die Kindespflichten davon ab. Auch den Lysis machte er durch sein Zureden sehr wohlgesittet, da er die Kunst verstand, immer die rechten Worte für jede Sache zu finden. Auch seinen Sohn Lamprokles, der gegen seine Mutter aufgebracht war, lenkte er herum, wie Xenophon erzählt. Platons Bruder Glaukon, der sich Staatsgeschäften widmen wollte, aber kein Geschick dazu hatte, brachte er davon ab, wie ebenfalls Xenophon schreibt, den Charmides im Gegenteil beredete er dazu, weil er Geschick dazu hatte. (30) Dem Feldherren Isikrates flößte er Mut ein, indem er ihm zeigte, wie die Hähne des Scherers Midas gegen die des Kallias mit den Flügeln stritten. Und ihn selbst hielt Glaukonides würdig, die Stadt zu schmücken gleich einem Fasan und Pfau. Er sagte auch, es sei etwas auffallendes, dass ein jeder leicht sagen könne, was er hätte, aber keiner angeben könne, welche Freunde er habe, so sorglos betrüge man sich in Ansehung derselben. Als er sah, dass Euklides sehr gern Streitreden hörte, sagte er: Euklides, du kannst die Sophisten wohl nützen, aber gar nicht die Menschen; denn er hielt, wie Platon im Euthydem sagt, ein unanständiges Gerede über solche Dinge für unnütz.
13. (31) Als ihm Charmides Sklaven schenkte, um damit etwas zu verdienen, nahm er sie nicht an und achtete auch, nach einigen, der Schönheit des Alkibiades nicht.
14. Er lobte die musse als das Schönste aller Güter, wie Xenophon im Gastmahl sagt. Er sagte, es gebe nur ein Gut, das Wissen und nur ein Übel, die Unwissenheit. Reichtum und edle Geburt hätten nichts Ehrwürdiges, im Gegenteil vielmehr alles Böse. Als ihm jemand sagte, Antisthenes habe eine Thrakerin zur Mutter, antwortete er, glaubst du denn, dass von zwei Athenern ein solcher Edler gezeugt werde? Da Phädon als ein Gefangener festsaß, forderte er Kriton zu dessen Befreiung auf und machte einen Philosophen aus ihm.
15. (32) Bei Gelegenheit lernte er auch die Leier spielen und sagte, es sei gar nicht unschicklich, dass man das lerne, was man nicht wisse. Er tanzte auch viel, weil er glaubte, dass diese Leibesübung dem guten Behagen des Körpers zuträglich sei, welches auch Xenophon im Gastmahl erzählt.
16. Er sagte auch, dass ein Dämon ihm das Künftige vorher anzeige, und ein guter Anfang sei zwar nichts Kleines, aber nahe dem Kleinen. Er wisse nichts außer nur dies, dass er nichts wisse. Von denen, welche die Früchte der Jahreszeiten teuer kauften, sagte er, sie wüssten nicht die Zeitigung abzuwarten. Als man ihn fragte, was die Tugend eines Jünglings sei, antwortete er, nicht übers Ziel auszuschweifen. (33) Er sagte, man müsse die Erdmesskunst so weit verstehen, dass man sich sein Land zumessen und es anderen wieder zumessen könne. Als Euripides in seiner Auge von der Tugend sagte:
Am besten ist’s, sie ohne Preis aufzugeben,
stand er auf und ging weg mit den Worten: es sei lächerlich, dass man’s der Mühe wert hielte, einen vermissten Sklaven aufzusuchen, und die Tugend so wolle verloren gehen lassen. Als man ihn fragte, was ist besser, zu heiraten oder nicht, antwortete er, du magst tun, was du willst, du wirst es bereuen. Er müsse sich über die wundern, sagte er, welche Bilder aus Steinen verfertigten, wie sie darauf bedacht wären, dass der Stein dem Urbild am gleichsten werde, aber keine Acht auf sich selbst hätten, dass sie dem Stein nicht zu gleichen schienen. Den Jünglingen riet er, sich immer im Spiegel zu betrachten, und wenn sie hässlich wären, die hässlichkeit durch Kenntnisse zu verbergen. (34) Als er reiche Leute zu Tisch gebeten hatte, und Xanthippe errötete, sagte er, sei nur zufrieden, denn wenn sie bescheidene Leute sind, so werden sie sich in uns schicken, sind sie aber schlecht, nun so haben wir uns nicht um sie zu bekümmern. Er sagte, andere Leute lebten, um zu essen, er esse aber, um zu leben. Von einer unnützen Volksmenge sagte er, es sei damit ebenso beschaffen, als wenn jemand ein Vierdrachmenstück für falsch hielte und doch einen Haufen solcher aufgeschütteten Stücke für gut halten wollte. Als Äschines zu ihm sagte, ich bin arm und habe nichts, darum gebe ich dir mich selbst, antwortete er, merkst du denn nicht, dass du mir das größte Geschenk machst? Zu einem, der verdrießlich darüber war, bei der Anordnung der Dreißiger übersehen worden zu sein, sagte er: Hast du schon etwas zu bereuen? (35) Als ihm einer sagte: die Athener haben deinen Tod beschlossen, antwortete er: und die Natur den ihrigen. Einige aber legten dies dem Anaxagoras bei. Als ihm seine Frau sagte: du hast den Tod nicht verdient! sagte er: wolltest du etwa lieber, dass ich ihn verdient hätte? Es kam ihm im Traum vor, dass einer zu ihm sagte:
An dem dritten Tag gelangst du ins liebliche Phthia.
Worauf er zu Äschines sagte: ich werde am dritten Tage sterben. Als er den Schierling trinken sollte, gab ihm Apollodor einen schönen Mantel, um in denselben eingehüllt zu sterben. Er sagte aber: Wie? Da mir mein Mantel gut genug war, um darin zu leben, warum nicht auch, um darin zu sterben? Als ihm jemand sagte: es hat einer sehr übel von dir gesprochen, antwortete er, der hat nicht gut zu sprechen gelernt. (36) Als Antisthenes den zerrissenen Teil seines Mantels nach der äußeren Seite hinkehrte, sagte er: durch deinen durchlöcherten Mantel sehe ich deine Eitelkeit, glänzen zu wollen. Als ihm einer sagte: wird dir nicht sehr viel Böses nachgeredet? antwortete er: nein, denn das Böse findet sich nicht an mir. Er sagte, man müsse sich den Komikern bloßstellen; denn wenn sie etwas tadelten, das wir an uns hätten, so könnten wir uns dadurch zurechtweisen lassen und wo nicht, nun so ginge es uns nichts an.
17. Als Xanthippe ihn erst ausschimpfte und hernach noch mit Wasser begoss, sagte er; habe ich’s nicht gesagt, dass auf Xanthippes Donner Regen folgen werde? Als Alkibiades zu ihm sagte: Xanthippe ist mit ihrem Geschmähle unausstehlich, erwiderte er: daran bin ich so gewöhnt, wie man das Rollen eines Wagenrads gewöhnt wird. Weiter sagte er: Du hast dich ja auch an Gänsegeschrei gewöhnt? (37) Jener erwiderte: ja, die legen mir Eier und brüten mir Junge aus! Nun denn, gab er zur Antwort, Xanthippe gebiert mir auch Kinder! Als sie ihm einmal auf dem Marktplatz den Mantel weggenommen hatte, so reizten ihn seine Bekannten, dass er sich mit seinen Händen rächen sollte. Beim Zeus, sagte er, wenn wir uns denn mit Fäusten schlügen, so würde der eine von euch rufen: brav! Sokrates! Der andere: brav! Xanthippe! Er sagte, er gehe mit seiner unverträglichen Frau so um wie Reitmeister mit unbändigen Pferden, denn so wie dieselben mit anderen leichter fertig werden könnten, wenn sie diese gebändigt hätten, so würde auch ihm durch den Umgang mit Xanthippe der Umgang mit anderen Menschen leichter.
18. Da er nun so sprach und auch so handelte, so erhielt er von der Pythia das Zeugnis, das sie dem Chärefon in dem allgemein bekannten Orakel erteilt hat:
Von allen Menschen ist Sokrat der weiseste.
(38) Hieraus entstand hauptsächlich der hass gegen ihn, so wie auch dadurch, dass er diejenigen, die sich selbst soviel einbildeten, als unverständige Leute tadelte, wie er unter anderen auch den Anyt, wie Platon im Memon schreibt, getadelt hat. Dieser konnte nämlich die Spöttereien Sokrats nicht ertragen und hetzte zuerst den Aristophanes gegen ihn an und beredete nachher auch den Melit zur Eingebung der Klage gegen ihn, dass er die Götterehrfurcht aus den Augen setze und die Jugend verführe. Melit ward also sein Ankläger. Polyneukt aber trug die Klage im Gericht vor, wie Favorin in seinen vermischten Geschichten erzählt. Der Verfertiger der Rede war, wie Hermipp sagt, der Sophist Polykrat, oder, wie andere wollen, Anyt. Der Volkslenker Lykon hat alles vorbereitet. (39) Antisthenes aber in der Philosophenfolge und Platon in der Schlussschrift sagen, dass er drei zu Anklägern gehabt habe, den Anyt, Lykon und Melit. Anyt habe sich wegen der Volksführer und Staatsleute, Lyon wegen der Redekünstler und Melit wegen der Dichter zu rächen gesucht, die von Sokrates alle bespöttelt worden wären. Favorin aber sagt im ersten Buch der Denkwürdigkeiten, es sei unwahr, dass Polykrat gegen Sokrates eine Rede gehalten habe, denn es komme in derselben die Wiederaufbauung der Mauern durch Konon vor, die erst sechs Jahre nach Sokrats Tod geschehen sei. Und dies verhält sich auch also.