Kitabı oku: «Das Osmanische Reich», sayfa 7

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aÜbersetzung: Michael Reinhard Heß, Textbasis: https://tr.wikisource.org/wiki/Hakikatin_m%C3%A2n%C3%A2s%C4%B1 [Zugriff: 19. September 2017]

Zeit und Schicksal

Die enorme Bandbreite dieses ganzheitlichen spirituellen und intellektuellen Lebens zeigt sich an jenen Themen, die unter der glatten Oberfläche der berichteten Ereignisse in Aşıkpaşazades Taten und Daten aufscheinen. Das Buch steht in der Tradition zweier älterer Literaturgattungen, der im Titel genannten „Taten“ (menakıb) und „Daten“ (tevarih).41 Beim ersten dieser Vorgängergenres, dem „Buch der Taten“, handelte es sich um das, was mittelalterlich gesta genannt wird, eine Sammlung von Anekdoten über die wundertätige Tugend eines Helden, üblicherweise in Versform.42 Wie die volkstümliche Gattung der Romanze bezogen solche Gesten ihren Inhalt aus Geschichten, die in der mündlichen Überlieferung umliefen. Diese Geschichten waren oft glaubhaft, selbst wenn die Historizität des Helden selbst (es handelte sich stets um Männer) nicht so leicht festzustellen ist. Der Ton der Einzelepisoden reichte von der Hagiographie, wie im Fall Scheich Bedrettins, bis zum Phantastischen. Kämpfe mit Ungläubigen und Dämonen, ein Wettstreit zwischen Derwischen und christlichen Priestern, sie alle waren Schauplätze für Zeichen und Wunder.

Während die Taten und Daten ihr gaza-Motiv, ihren Militarismus und die Freude an der Gewalt, aus der Gestenliteratur bezogen, entnahmen sie ihre Chronologie und viele Episoden aus der anderen Vorläufergattung, der Annalistik. Annalen – so der Begriff des westlichen Mittel alters, der sich aus der Ordnung nach Jahren (anni) ableitet; der türkische Terminus bedeutete wörtlich „Daten“ (tevarih, der Plural von tarih, „Datum“) – waren chronologisch geordnete Ereignislisten. Sie waren schmucklos und vorliterarisch, ohne offenkundige Analyseanteile. Die Annalen der Osmanenzeit erscheinen in takvim genannten Handschriften neben den Annalen anderer Dynastien.43 Takvim war ein Begriff aus der Astronomie, der eine jährliche Ephemeridentabelle bezeichnet, die für jeden einzelnen Tag des Jahres die Positionen von Sonne, Mond und Planeten angibt.44 Astrologen benutzten die Takvim, um individuelle Horoskope zu erstellen und den Ausgang von Ereignissen vorherzusagen. Die Verwendung des Begriffs takvim für Listen historischer Daten deutete darauf hin, dass Annalisten Daten für die Erforschung von Mustern und Verbindungen in historischen Ereignissen bereitstellen sollten. Denen, die sie erlebten, war der Sinn von Ereignissen manchmal zwar unklar, gleichwohl lautete die Prämisse der Astrologie, dass das menschliche Leben Teil einer ganzheitlichen Ökologie der Schöpfung sei, deren grundlegende Prinzipien und Bestimmung letztendlich der Vernunft zugänglich sein müssten.45 So wie die Bewegungen der Himmelskörper auf Einzelschicksale hindeuteten, so bildeten die Muster des historischen Verlaufs mit all seinen Überraschungen und Absonderlichkeiten ein Tableau der verborgenen Bestimmung der Gesellschaft.

Man sollte den geistigen Tiefgang der Annalen nicht unterschätzen. Schließlich ging es in ihnen um die Zeit und deren Bedeutung. Annalen setzten dieselbe hochentwickelte, philosophisch fundierte Astronomie voraus, die der wissenschaftlichen Arbeit überall im südwestlichen Eurasien zugrunde lag. Es war jene Astronomie, die auch Kopernikus benutzte,46 und die in osmanischen Medresen und Tekken gelehrt wurde; dort verfügte man beispielsweise über eine neue türkische Übersetzung von Nasir al-Din Tusis grundlegendem Text über Kalender.47 Die ältesten bislang entdeckten osmanischen Annalen, die aus der Herrschaftszeit Sultan Murads II. stammen (1421–51), sind ihrerseits Kopien und Fortsetzungen noch älterer Texte. Die Praxis dürfte also fast bis in die Anfänge der Dynastie zurückreichen.48 Die Einträge führen schlicht Ereignisse auf, wobei sie sich der Formel bedienen: „Es ist so und so lange her, seit …“ Einer beginnt beispielsweise mit folgendem Satz: „Es ist 205 Jahre her, seit Osman Bey in Erscheinung trat.“49

Die ersten Einträge sind kurz und vage, und die eigentlichen Ereignisse wurden durch wiederholtes Abschreiben heillos entstellt. Doch allmählich werden die Einträge ausführlicher und schließen nicht nur Feldzüge ein, sondern auch Geburten, Beschneidungen und Eheschließungen der Sultanssöhne, den Tod wichtiger Persönlichkeiten, Kometen und Sonnenfinsternisse samt der durch sie verursachten Panik sowie Katastrophen, etwa Erdbeben und Seuchen. Bei Hofe Annalen zu führen, war, anders gesagt, eine Methode, aktuelle Ereignisse in einen Kontext einzubetten, in dem sich politische Geschichte, Natur- und Heilsgeschichte vereinten.

Indem sie Elemente von Gesten und Annalen verknüpften, schufen Aşıkpaşazade und andere Chronisten etwas, das sich von beiden Vorläufergattungen völlig unterschied. An die Stelle der Verwendung schauriger Schreckensbilder und grotesker Elemente in den Gesten und die moralische Neutralität der Annalen trat ein entschiedener Moralismus. Wo die Annalisten den Sinn der Zeitäufte im Dunkeln ließen, fassten Aşıkpaşazade und die Chroniken ihn in Worte – die verborgene Bestimmung der Gesellschaft war die schicksalhafte Ausdehnung der islamischen Souveränität mittels der gazas der Osmanensultane. Die osmanischen Siege über andere Muslime spielte Aşıkpaşazade herunter; er erwähnte auch nicht die christlichen Heere, die in Wirklichkeit als Vasallen an der Seite der Osmanen kämpften, und er zeigte keinerlei Interesse an der Art von spontanem interreligiösen Dialog, zu dem es gelegentlich kam, beispielsweise als der christliche Kaiser Manuel 1391 zusammen mit Sultan Bayezid Krieg gegen den Muslim Burhanettin von Sivas führte.50 Die politische Bedeutung der Chronik war der neuen Gattung inhärent: Der Stammbaum der Dynastie war eine Metapher für die Geschichte, deren Ziel die Ausdehnung der islamischen Souveränität auf die ganze Erde war.

Die Gedichte, welche die Chroniken füllten, bündelten den persönlichen Beitrag des Autors und vermittelten im Gegensatz zur politischen Auslegung größtenteils ihre emotionale Lesart.51 Man benutzte mehrere Standardgedichtformen, wobei das erzählerisch gehaltene Mesnevi, ein in Paarreimen verfasstes Gedicht unterschiedlicher Länge, seiner formalen und emotionalen Flexibilität wegen den relativen Vorzug gegenüber den anderen Formen erhielt. Durch den Wechsel zwischen Poesie und Prosa-Anekdoten entledigten sich die Chroniken der Lust an der Gewalt in den Gesten und schlugen einen elegischen Tonfall an. Besonders Aşıkpaşazades Chronik, die den Sinn der Vergangenheit durch Entsprechungen zwischen Zahlensymbolik und Gedächtnis aufzeigte, geriet zu einer ausführlichen Meditation über die Vorsehung und die Zeit und handelte, wie jedes gute Geschichtswerk, ebenso sehr von der Gegenwart wie von der Vergangenheit.

Aşıkpaşazade kam zu dem Schluss, dass Daten irgendwie mit Schicksalen verbunden waren.52 Die Spanne der menschlichen Geschichte sei festgelegt, so wie die Tage, die jedem Menschen zugemessen sind. Theologen und Gelehrte seien sich einig, schrieb er, dass seit der Sintflut des Propheten Noah vier Zeitalter vergangen seien.53 Auf dem Weg über eine Erörterung des hebräischen Kalenders und der Korrekturen an ihm kam er zu dem Schluss, dass von der Erschaffung Adams bis zur Hidschra des Propheten Mohammed, dem Beginn des islamischen Zeitalters, 6038 Jahre vergangen seien. Aus der Tora hatten abbasidische Gelehrte abgeleitet, dass die Welt genau 7000 Jahre bestehen werde. Das Ende der Welt musste also nahe sein. Nicht zu nahe, wie sich erwies – dieses letzte Zeitalter der Menschheitsgeschichte war durch das Erscheinen der Osmanen gesegnet. Aşıkpaşazade studierte Daten der Vergangenheit, um deren innere Wahrheit zu erfahren, sie sogar mit seinen eigenen Lebensdaten zu verknüpfen und so seine eigene Bestimmung zu verstehen. Schreiben war wie ein Gebet – ein mysteriöses, durch Worte wirkendes Mittel, das günstige Zusammentreffen von Ereignissen sicherzustellen. Der Akt des Aufschreibens der Daten selbst bedeute, ewige Zeichen zu transponieren.54

Ein Annaleneintrag

Annalisten vermerkten nicht nur Feldzüge und Einzelheiten der osmanischen Gebietsausdehnung, sondern auch die Umweltbedingungen des menschlichen Lebens und deren Folgen:

Und seit man die Donau überquert, gegen die Walachen Krieg geführt und gekämpft und den größten Teil des Landes der Walachen verwüstet und geplündert und sie zu Gefangenen gemacht hat, seit Sultan Mehmed Han gefallen ist, seit sich in der Stadt Bursa und in der Provinz Rum nacheinander in Folge gewaltige Erdbeben ereignet haben und die Erde erschüttert wurde, seit in Bursa und Erzincan und an vielen Orten zahlreiche Gebäude verwüstet worden sind und seit nach Rum ungezählte und unvergleichlich viele Heuschrecken gekommen sind und an vielen Orten die Ernteerträge aufgefressen und verwüstet haben, und seit sie sich über ganz Rum ausgebreitet und ihre Samen verbreitet haben, sind es neunundzwanzig Jahre.a

aÜbersetzung: Michael Reinhard Heß; Textgrundlage: Osman Turan (Hrsg.): İstanbul´un fethinden önce yazılmış tarihî takvimler, Ankara: Türk Tarih Kurumu Basımevi, 1954, S. 56f.

Frömmigkeit, Überfluss und öffentliche Bauten

Dank den Annalisten können wir annehmen, dass in etwa der Hälfte jener 29 Jahre, die Murad II. regierte (1421–51), kein größerer Feldzug unter Führung des Sultans unternommen wurde. In der Zeit zwischen der Rückeroberung von Saloniki (1430) und dem Einfall in Transsilvanien (Siebenbürgen) und Serbien (1438) scheint Murad in Edirne geblieben zu sein. Manchmal verbrachte er den Sommer in den Höhenlagen Anatoliens – in einem Jahr wegen einer Seuche, welche die Stadt heimsuchte.55 In dieser Zeit relativen Friedens machte sich Murad daran, nach den langen Jahren voller Kriege und Katastrophen die osmanischen Lande wieder aufzubauen.

Einkünfte und Ausgaben galten als Posten zweier getrennter Kassen, der Staatskasse und der Privatschatulle des Sultans. In die Sultanskasse flossen das Fünftel, das seinen Anteil an Beute und Sklaven bildete, sowie die Tribute fremder Königreiche, Geschenke an den Herrscher und seine Familie und schließlich die Einkünfte aus Familienstiftungen. Aus diesem Topf wurden Familienausgaben bestritten. Die Sultane glaubten nicht, dass sie mit der Finanzierung des Wiederaufbaus zu etwas so Unpersönlichem wie der wirtschaftlichen Entwicklung beitrugen.56 Vielmehr hatte das, was sie schufen, gemeinnützigen und wohltätigen Charakter. Die Staatskasse (Beytü’l-mal) enthielt Geldmittel aus Steuereinnahmen. Die Angehörigen des erweiterten Haushalts des Sultans bezogen ihre Gehälter aus der Staatskasse und mussten keine Steuern zahlen. In der Praxis gab es keine undurchdringliche Grenze zwischen den beiden Kassen; gelegentlich funktionierte die Schatulle des Sultans als Sparkonto.57 Das öffentliche Wohl profitierte von den persönlichen Mitteln des Herrschers.

Die Aufgabe des Wiederaufbaus war beachtlich. Sie begann mit einer neuen Silberwährung und konzentrierte sich zunächst auf die Königsstädte Edirne und Bursa.58 Beide hatten durch wiederholte Regimewechsel während des Bürgerkriegs gelitten, und Bursa hatte zudem noch Schäden bei dem Erdbeben davongetragen.

Bursa war die Seidenstadt. Die meiste Seide, die dort eintraf, stammte aus den iranischen Gebieten südlich des Kaspischen Meeres; Ausgangspunkt für die Karawanen nach Westen war seit der Mongolenzeit Täbris. Die Handelsroute folgte dem Flusstal des Aras bis Erzurum, durchquerte die Steppen mit Zwischenhalten in Erzincan am Euphrat, Sivas am Kızıl Irmak sowie Tokat am Yeşıl Irmak und erreichte dann über Amasya und Ankara Bursa. Durch den Erfolg dieser Route gerieten jene Routen unter starken Druck, die von den Rivalen der Osmanen gefördert wurden: der Überlandweg nach Aleppo und der Seeweg nach Konstantinopel über Trapezunt (Trabzon). Angefangen mit Sultan Orhan subventionierten fünf Osmanensultane Stiftungskomplexe in Bursa, zu denen jeweils eine Moschee, eine Medrese, eine Suppenküche, Mausoleen und fast immer auch ein Bad gehörten. Unter den Bauten der Sultane fanden sich auch eine Elementarschule, die Orhan gründete, sowie von Murad II. errichtete Thermalbäder. Und das waren nur die Sultansbauten. Die Frauen der Herrscherdynastie sowie führende Staatsmänner und Frauen der Gesellschaft errichteten mehrere weitere Bauten. Auch die Sklaven standen nicht zurück. Vor allem Angehörige des Militärs beschäftigten Sklavenbedienstete in großer Zahl, deren Funktionen sie darauf vorbereiteten, durch Freilassung selbst zur herrschenden Schicht zu stoßen.59 Eine Generation jüngere Nachlassunterlagen zeigen, dass es sich bei 15 Prozent der in Bursa registrierten Vermögen – also denen der reichsten Bevölkerungsschicht – um den Besitz ehemaliger Sklaven handelte.60

Edirne am Zusammenfluss von Tundscha und Mariza im östlichen Thrakien war ein Vorposten und Knotenpunkt an der Route nach Buda und Prag über Plovdiv, Sofia, Niš und das am Zusammenfluss von Donau und Save gelegene Belgrad. Mindestens ein halbes Dutzend bedeutender Stiftungskomplexe wurde hier während der Herrschaft Murads II. von führenden Staatsmännern subventioniert. Die steinerne Moschee, deren Bau im Bürgerkrieg begonnen worden war, vollendete später Mehmed I., und bald gesellte sich eine weitere hinzu. Die alte verfügte über Einkünfte aus einem überdachten Markt oder bedestan, der zu ihrer Finanzierung gestiftet worden war. Neben anderen Läden umfasste der Markt auch „die Hauptniederlassung und das Lagerhaus der Genuesen, wo es etwa hundert Händler mit einer gewaltigen Menge an Waren gab“.61 Die neue Moschee, deren Schlussstein Murad 1437–38 setzte, brach mit den älteren Architekturmustern – den Gottesdienstraum überspannte eine einzige Zentralkuppel, und eines der Minarette wies drei Balkone auf.

Die Kontrolle der Meerenge durch die Osmanen ermöglichte via Gallipoli eine Verbindung zwischen den beiden Königsstädten; Aşıkpaşazade beschrieb, wie genau der Staat bei dieser Route hinsah. Sultan Murad finanzierte eine gut anderthalb Kilometer lange Steinbrücke über den Fluss Ergene rund 80 Kilometer südlich von Edirne. Das dichtbewaldete Gebiet wimmelte von Räubern. Der Sultan befahl, die Bäume zu fällen und die Gegend zu säubern, dann errichtete er auf beiden Flussufern an den Brückenköpfen Siedlungen mit einer Moschee, einem Bad und Märkten. Siedlern, die sich dort niederlassen wollten, winkte Steuerfreiheit. In Gesellschaft von Ulema und Derwischen wohnte der Sultan höchstpersönlich der Einweihungsfeier des Baukomplexes bei. Bei dieser Gelegenheit verteilte er Geld, beschenkte die Architekten mit Ehrengewändern und ließ eine öffentliche Festtafel für ein großes Gelage herrichten.62

Abb. 2.2: Panoramablick auf Bursa von den Abdullah Frères, ca. 1880–1893. Das Foto gehörte zu einem der Alben, welche die osmanische Regierung zur Weltausstellung von 1893 nach Chicago schickte; ein Exemplar davon wurde der Library of Congress geschenkt.

Auf diese Weise wurden die mitteleuropäischen Märkte auch ohne Konstantinopel an den Rest Südwest-Eurasiens angeschlossen. Damit drohte Konstantinopel nicht die Eroberung, sondern die Bedeutungslosigkeit. Als Bertrandon de la Brocquière im Jahr 1432 auf Vermittlung eines italienischen Handelsattachés mit Murad zusammentraf, wurde Konstantinopel bereits durch diese Strecke Bursa–Edirne umgangen. Auf seiner Rückkehr vom Heiligen Grab in Jerusalem, bei der er über Land mit einer muslimischen Pilgerkarawane reiste, berichtete de la Brocquière, Genueser Großhändler aus Pera, dem Handelsvorort von Konstantinopel, kauften ihre Seide zu Exportzwecken direkt von osmanischen Lieferanten in Bursa.63 Konstantinopel zu erobern, sei damit unnötig, wie Aşıkpaşazade und andere eigens betonten.64 Türkische Kaufleute besuchten Konstantinopel regelmäßig und handelten auf einem wöchentlichen Markt mit Wachs, Trockenfrüchten, Häuten, Textilien und Kriegsbeute einschließlich Sklaven. Der osmanische Silber-Akçe wurde als Währung akzeptiert. Es gab sogar eine Moschee und einen muslimischen Richter für die Bedürfnisse der Händler.65 So wurde die Stadt durch eine Art stellvertretender sichtbarer Vertrautheit trotzdem die ihre. Mit ihrer Silhouette, ihren Gebäuden, ihren Mauern und ihren Stadträumen war sie so vertraut wie das Haus eines Nachbarn.

Karte 2.2: Die großen Routen für den Überlandhandel

Die Stiftung

Den Kern der Stadtzentren entlang dieser Handelswege bildete jener Komplex öffentlicher Einrichtungen, dessen finanzielle und rechtliche Basis die wohltätige Stiftung oder vakıf darstellte.66 Die Scharia-Rechtsschule der Hanafiten hütete den alleinigen Anspruch des Monarchen darauf, den Grund und Boden des Reiches zu verteilen, betrachtete sie ihn doch als göttliche Gabe an das Sultanat kraft Eroberung. Auf Ackerland behielten die Dörfler den Nießbrauch, wie es die göttliche Gerechtigkeit erforderte. Die Steuereinnahmen, die auf diese Flächen fällig wurden und ein Bargeldäquivalent zu Lehnsdiensten darstellten,67 wurden in Paketen (hass) verteilt. Die Hass-Einkünfte des Sultans selbst wurden von seinen Steuereintreibern für seine Privatschatulle eingetrieben, der Rest wurde im Rahmen eines lehnsrechtlichen Geschäfts, bei dem Unterhalt (dirlik) gegen Dienst getauscht wurde, Reitersoldaten zuerkannt. Privater Landbesitz (mülk) war nur durch Übertragung aus dem Besitz des Sultans selbst zu bekommen. Wer Stiftungen für ein vakıf ausstatten wollte, durfte das nur mit Grund und Boden tun, der sich in Privatbesitz befand.68

Errichtet wurde ein vakıf durch einen Rechtsvertrag, der ordnungsgemäß bei der Zivilverwaltung registriert werden musste. Die Urkunde benannte die Finanzmittel, mit denen die Stiftung errichtet wurde, und ihren spezifischen religiösen oder wohltätigen Zweck.69 Außerdem führte sie namentlich einen Verwalter und dessen Personal auf, welche die Stiftungstätigkeit überwachten. Jede Form von Geschäfts- und Wohnimmobilien – einschließlich Grundbesitz in der Stadt und auf dem Land – oder auch von beweglichem Eigentum konnte in ein vakıf überführt und dann vermietet werden, um Kapital für die Nutznießer zu erwirtschaften. Frauen und Männer, Gemeine und Adlige gründeten gleichermaßen Stiftungen. Ein städtischer Gebäudekomplex auf vakıf-Basis umfasste typischerweise eine Moschee, eine öffentliche Küche, einen Markt, eine Herberge, oft auch das Grab des Stifters, ein Bad und das Ordenshaus oder Kloster jener Derwischgruppe, die den Vertrag angebahnt hatte.70 Die han oder bedestan genannten Marktbauten beherbergten die Läden, aus denen die Einkünfte zur Finanzierung der übrigen öffentlichen Bauten stammten. Üblicherweise war das Marktgebäude eine gewölbte Halle, die auf beiden Seiten von Läden mit Kuppeldächern gesäumt war. Manche dieser Hallen waren zweigeschossig und fungierten zugleich als Herbergen (Karawansereien) für Händler und andere Reisende. So kam in ihm die architektonische und institutionelle Verflechtung von Gemeinschaftsleben, Handel und Reinlichkeit zum Ausdruck sowie die moralische Pflicht, seinen Reichtum für wohltätige Zwecke einzusetzen. Die Stadtverwaltung ernannte einen öffentlichen Aufseher, der die Interessen ziviler Behörden schützte.

Zwar war das vakıf in der islamischen Welt nichts völlig Neues, doch hatte sich seine hohe Flexibilität als Finanzinstrument während der Seldschuken- und Mamlukenzeit erwiesen, besonders was die Finanzierung der Medrese und damit der öffentlichen höheren Bildung betraf.71 Evrenos, der mächtige Untergebene Murads I., hatte der Stiftung als Mittel zum Aufbau türkischer Siedlungen in Thrakien und Makedonien, wo viele von ihren christlichen Einwohnern verlassene Städte mit muslimischen Türken aus Anatolien neu besiedelt worden waren, den Weg geebnet.72 Stiftungen wurden zum sichersten Instrument der Kapitalakkumulation und zur wichtigsten Schöpferin neuer Arbeitsplätze in den osmanischen Ländern. Ihr finanzielles Potenzial wurde in osmanischer Zeit ausgeschöpft wie in keiner anderen Phase der islamischen Geschichte.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
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9783534747030
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