Kitabı oku: «Kartellrechtliche Schadensersatzklagen», sayfa 13

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bb) CDC Hydrogen Peroxide

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Nach den Feststellungen des EuGH im CDC-Urteil kann der Kläger in einem Verfahren gegen in mehreren Mitgliedstaaten ansässige Beklagte, die sich in zeitlich und örtlich unterschiedlicher Weise an einem Kartellverstoß beteiligt haben, an einem einheitlichen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung klagen, wenn die Kommission einen einheitlichen und fortgesetzten Verstoß („single and continuous infringement“) der Beklagten gegen das europäische Kartellverbot festgestellt hat und der Kläger zum Kreis der mutmaßlich Geschädigten gehört.132

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Weiter soll dem Kläger oder den Klägern im Einklang mit der bislang zu Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ergangenen Rechtsprechung die Wahl zwischen dem Handlungs- und dem Erfolgsort offenstehen.133 Deren Bestimmung unterliegt allerdings vom EuGH spezifisch für kartellrechtliche Schadensersatzprozesse aufgestellten Besonderheiten. Zur Begründung verweist der EuGH auf das Interesse an einer geordneten Rechtspflege, auf die Nähe zum Streitgegenstand und die Möglichkeit der Beweiserbringung.134

(1) Handlungsort: Gründungsort oder Ort der Einzelabsprache

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Es bestehen nach Auffassung des EuGH zwei unterschiedliche Möglichkeiten, den Handlungsort eines Verstoßes gegen das Kartellverbot zu bestimmen.

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Zunächst soll der Ort als Handlungsort in Betracht kommen, an dem das Kartell „definitiv gegründet“ wurde.135 Zur Begründung führt der EuGH an, dass das für eine Schädigung ursächliche Ereignis in der Beschränkung der Vertragsfreiheit durch das jeweilige Kartell liegt. Die Vielzahl der auf der Kartellabsprache beruhenden, die vertraglichen Beziehungen zwischen den Kartellteilnehmern und anderen Wirtschaftsteilnehmern betreffenden Durchführungshandlungen, die den Wettbewerb erst unmittelbar behindern und den am Markt gebildeten Preis verfälschen, werden als eine notwendige Folge dieser grundlegenden Kartellabsprache angesehen.136

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Der EuGH erkennt selbst an, dass es in vielen Fällen nicht möglich sein wird, einen einzigen Gründungsort des fraglichen Kartells zu bestimmen, wenn dieses durch eine Vielzahl von Kartellvereinbarungen bei verschiedenen Treffen und Konsultationen an verschiedenen Orten gegründet wurde.137 In solchen Fällen soll es eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des Handlungsortes geben, allerdings nur bezüglich eines Teilschadens.138 So kommt nach dem EuGH auch jeder Ort in Betracht, an dem eine spezifische Einzelabsprache getroffen wurde, die einen bestimmten Schaden allein verursacht hat.139 Bei dieser Alternative ist die Entscheidungs- bzw. Kognitionsbefugnis des Gerichts auf den jeweils durch die Einzelabsprache verursachten Teilschaden beschränkt.

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Offenbar soll der so verstandene deliktische Gerichtsstand des Handlungsortes auch Klagen gegen Kartellbeteiligte ermöglichen, die an diesem Ort (unstreitig) nicht gehandelt, d.h. keine Absprache getroffen haben. Bislang hat der EuGH eine Zurechnung der Verursachungsbeiträge der anderen Kartellbeteiligten zum Zwecke der Zuständigkeitsbegründung in Fällen deliktischer Haftung abgelehnt.140 Nunmehr heißt es jedoch: „Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens spräche jedoch nichts dagegen, mehrere Mitbeklagte zusammen vor demselben Gericht zu verklagen.“141

(2) Erfolgsort: Sitz des Geschädigten

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Der Erfolgsort ist der Ort, an dem sich der Schaden konkret zeigt.142 Für Kartellschadensersatzverfahren soll der Erfolgsort ausweislich der Entscheidung CDC am Ort des Geschäftssitzes des jeweiligen Geschädigten liegen, der einen kartellbedingt überhöhten Preis entrichtet hat.143 Zur Begründung führt der EuGH aus, dass das Gericht des Ortes, an dem ein geschädigtes Unternehmen seinen Sitz hat, „offensichtlich“ am besten über die Entstehung eines kartellbedingten Schadens entscheiden könne.144 Dabei setzt sich der EuGH nicht mit seiner sonstigen Rechtsprechung auseinander, die den Ort der Vermögensbelegenheit (den Sitz) als Erfolgsort gerade nicht hat ausreichen lassen.145

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Der EuGH stellt aber klar, dass es auf den Sitz des ursprünglich geschädigten Unternehmens ankommt. Eine „Bündelung“ durch Abtretung vermeintlicher Schadensersatzansprüche verschiedener Geschädigter am Sitz des Zessionars ist nicht möglich.146

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Das Gericht am Sitz des Geschädigten ist nach Auffassung des EuGH „für die Entscheidung über den gesamten Schaden zuständig, der dem mutmaßlich geschädigten Unternehmen aufgrund der Mehrkosten für den Bezug der von dem Kartell betroffenen Produkte entstanden ist“.147 Eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis auf den jeweiligen Mitgliedstaat liegt damit nicht vor. Eine Begründung der Zuständigkeitsverdichtung nimmt der EuGH nicht vor. Ebenso wie bei bestimmten Persönlichkeitsrechtsverletzungen scheint der EuGH damit auch für kartellrechtliche Schadensersatzklagen von seiner zur Auslegung von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO vertretenen „Mosaik“-Lösung abzuweichen.148 Auch insoweit hatte er ein spezielles Prozessrecht für Kartelldelikte geschaffen.149

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Aus der Entscheidung CDC ergab sich nicht, wie der Erfolgsort im Falle eines Nachfragekartells zu bestimmen wäre. Konsequent wäre es, in diesem Fall auf den Firmensitz des Anbieters abzustellen.

cc) FlyLAL-Lithuanian Airlines

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In der Sache flyLAL-Lithuanian Airlines befasste sich der EuGH erneut mit der Bestimmung des Deliktsgerichtsstandes. Die litauische Fluglinie flyLAL klagte gegen die lettische Fluglinie Air Baltic sowie den Betreiber des Flughafens in Riga (Lettland) in Litauen auf Schadensersatz. FlyLAL behauptete, der Flughafenbetreiber habe der Fluglinie Air Baltic auf Grundlage rechtswidriger Absprachen gem. Art. 101 AEUV unzulässige Rabatte bei den Gebühren für Flughafendienste in Riga gewährt. Durch diese Einsparungen habe Air Baltic – unter Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV – Kampfpreise für Flüge von und nach Vilnius (Litauen) anbieten können. Hierdurch sei flyLAL vom Markt verdrängt worden. Auf eine Zuständigkeitsrüge der Beklagten befasste sich der EuGH mit Vorlagefragen zur Auslegung des Handlungs- und Erfolgsortes.

(1) Handlungsort: Gründungsort des Kartells oder Ort des Marktmachtmissbrauchs

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Für den Handlungsort betonte der EuGH, dass bei Vermögensdelikten oft mehrere kausale Tatbeiträge in Betracht kommen. In jedem Fall sei Handlungsort der Ort, an dem die Kartellabsprache definitiv geschlossen wurde,150 im Streitfall in Lettland. Damit bestätigt der EuGH seine Rechtsprechung aus CDC Hydrogen Peroxide. Nachfolgende Umsetzungshandlungen dieser Absprache begründen i.d.R. keinen eigenen Handlungsort, sondern nur ausnahmsweise dann, wenn die Umsetzungshandlung ihrerseits ein neues Delikt verwirklicht, hier einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV.151 Der EuGH differenziert folglich: Soweit die schadensbegründende Handlung eine wettbewerbswidrige Vereinbarung gem. Art. 101 AEUV ist, befindet sich der Handlungsort dort, wo die Vereinbarung geschlossen wurde und das unabhängig von reinen Durchführungshandlungen. Falls das nachfolgende Verhalten – Angebot von Kampfpreisen – aber einen gesonderten Verstoß gegen Art. 102 AEUV darstellt, ist der Handlungsort zusätzlich dort zu verorten, wo das missbräuchliche Verhalten verwirklicht wird, hier also in Litauen als dem umkämpften Markt.152

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Bei zwei unabhängigen Kartelldelikten gibt es folglich zwei parallele Handlungsorte.153 Sind die unterschiedlichen Handlungen dagegen Ausdruck einer umfassenden einheitlichen Strategie zur Verdrängung eines Wettbewerbers vom Markt, so der EuGH weiter, hat das nationale Gericht zu ermitteln, welchem Geschehen aus dieser Kette von Handlungen „besonders große Bedeutung zukommt“.154 Nur dieser Handlungsort sei dann zuständigkeitsbegründend.155

(2) Erfolgsort: Marktort

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Zur Lokalisierung des Erfolgsortes stellte der EuGH nicht auf den Sitz der geschädigten Fluglinie ab, sondern auf den durch das wettbewerbswidrige Verhalten beeinträchtigten Marktort.156 Vorliegend also Litauen als Ziel- und Abflugsort der flyLAL-Flüge sowie Ziel der von Air Baltic eingesetzten Kampfpreis-Strategie. Die Festlegung dieses Ortes entspreche den Vorgaben der Sachnähe und Vorhersehbarkeit und stelle auch die notwendige Kohärenz mit Art. 6 Abs. 3 der Rom II-Verordnung her.157

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Damit hat der EuGH die auch hier in der Vorauflage geäußerte Kritik am CDC-Urteil aufgegriffen, jedoch das konkrete Verhältnis der beiden Entscheidungen offengelassen. Teilweise wird in flyLAL eine (bewusste) Abkehr bzw. ein offener Widerspruch zum CDC-Urteil gesehen.158 Nach anderer Auffassung bestehe angesichts der unterschiedlichen tatsächlichen Konstellationen kein Widerspruch. Die voneinander abweichenden Beurteilungen seien aufgrund der Art des Kartells (Marktverdrängung durch Kostennachlässe und Dumping-Preise auf der einen Seite und horizontale Preisabsprachen auf der anderen Seite) und damit durch die unterschiedlichen Arten des Kartellerfolgs gerechtfertigt.159 Es sei naheliegend, zwischen einer Preiserhöhung einerseits (hier verwirklicht sich der Schaden durch die Bezahlung überhöhter Preise an sich – Sitz des Geschädigten) und einem anderweitigen Eingriff in den Markt andererseits (hier die Verdrängung eines Konkurrenten – Ort des betroffenen Marktes) zu differenzieren.160 Ich meine auch, dass der EuGH den Marktort als zusätzlichen Erfolgsort etablieren wollte. Ansonsten wäre eine Abgrenzung von der CDC-Entscheidung zwingend zu erwarten gewesen.

dd) Tibor-Trans, Erfolgsort: Marktort, an dem der Schaden eintritt

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Im Jahr 2019 folgte ein weiteres Urteil des EuGH zur Auslegung des Ortes der unerlaubten Handlung im Sinne der EuGVVO. Die Europäische Kommission hatte festgestellt, dass fünf Hersteller von Lkw, darunter DAF Trucks, wettbewerbswidrige Absprachen über Preise für Lkw getroffen hatten. Das ungarische Transportunternehmen Tibor-Trans hatte im Kartellzeitraum Lkw von in Ungarn ansässigen Vertragshändlern bezogen und erhob 2017 in Ungarn eine Schadensersatzklage gegen DAF-Trucks. Nach einer Zuständigkeitsrüge durch DAF-Trucks leitete das ungarische Berufungsgericht ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH ein. Die Vorlagefrage lautete, ob ein indirekter Abnehmer (Tibor-Trans) einen Kartellbeteiligten mit Sitz im Ausland (DAF Trucks in den Niederlanden) in seinem eigenen Heimatland (Ungarn) verklagen kann, wenn er einen kartellbedingt überhöhten Preis an einen dritten Vertragshändler in diesem Land gezahlt hat.

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Der EuGH stellte zunächst klar, dass Schäden mittelbarer Abnehmer nicht nur Folgeschäden aus Umsatzeinbußen der direkten Abnehmer sind, sondern einen unmittelbaren Erstschaden verkörpern. Dieser kann bei den Gerichten der Mitgliedstaaten eingeklagt werden, in dessen Hoheitsgebiet sich der Schadenserfolg verwirklicht hat.161 Einem Kartell liegt somit kein einheitlicher Erfolgsort zu Grunde, sondern dieser ist für jeden Kläger und abhängig von der Marktstufe eigenständig zu bestimmen.162

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Zur Bestimmung des Erfolgsortes stellte der EuGH nicht mehr nur auf den Sitz des geschädigten Logistikunternehmens ab. Vielmehr legte er den Erfolgsort in den Mitgliedstaat, dessen Markt von dem Kartell betroffen war und in dem sich der behauptete Schaden konkret gezeigt hatte.163 Dieses Gericht sei aufgrund der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme am besten in der Lage, die Schadensersatzklage sachgerecht zu prüfen.164 Zudem werde der Gleichklang mit dem kollisionsrechtlichen Auswirkungsprinzip in Art. 6 Abs. 3 Rom II-Verordnung hergestellt. Schließlich sei auch das Vorhersehbarkeitskriterium beachtet, denn ein Kartellbeteiligter müsse damit rechnen, in denjenigen Ländern verklagt zu werden, auf die sich seine wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen ausgewirkt haben.

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Mit diesem Urteil hat der EuGH seine Feststellungen im CDC-Urteil ergänzt. Anders als bei flyLAL lag bei Tibor-Trans eine vergleichbare Konstellation zugrunde. Der EuGH hätte somit die Grundsätze der CDC-Entscheidung anwenden und auf den Sitz des geschädigten Abnehmers in Ungarn als Erfolgsort abstellen können. Stattdessen hat er einen anderen Ansatz gewählt und auf den beeinträchtigten Markt sowie die dortige Schadensentstehung abgestellt. Dieser Ansatz führte im konkreten Fall zu keinen Schwierigkeiten, denn das Lkw-Kartell erstreckte sich auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum, somit auch auf den Markt in Ungarn, und zugleich war der Schaden der Klägerin dort entstanden, weil sie ihren Geschäftssitz dort hat.

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Es stellt sich aber die Folgefrage, was gilt, wenn der Ort des Schadens und der betroffene Markt auseinanderfallen (etwa bei Diskrepanz zwischen Sitz des Abnehmers und faktischem Lieferort oder bei nur mittelbaren Schäden165). Einige meinen, dass es in diesen Fällen allein auf den Marktort ankommt.166 Dafür ließe sich mit der Tibor-Trans-Urteilsbegründung argumentieren, wonach Kartellanten damit rechnen müssen, in denjenigen Mitgliedstaaten verklagt zu werden, deren Märkte sie verzerren. Demgegenüber könne der Ort des tatsächlichen Schadenseintritts von Zufälligkeiten geprägt sein, die keinerlei Bezug zum Kartelldelikt aufweisen.167 Es bleibt abzuwarten, wie sich der EuGH in dieser Frage positionieren wird. Er wird – angesichts der vielen anhängigen Kartellschadensersatzverfahren – hierzu Gelegenheit haben. Vermutlich wird er den Marktort neben dem Geschäftssitz des Geschädigten als Erfolgsort etablieren.

ee) Konsequenzen für die gerichtliche Praxis und offene Fragen

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Obgleich der EuGH nicht, wie vom Generalanwalt Jääskinen im CDC-Urteil168 gefordert, den Handlungsort als Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeitsbestimmung in komplexen Kartellfällen hat entfallen lassen, dürfte dem Forum am Kartell-Gründungsort nur geringe praktische Bedeutung zukommen.169 Hierfür wird es in den meisten Fällen schlicht an einer alles determinierenden „Ur-Kartellabrede“ fehlen. Das gilt vor allem im Falle eines über einen langen Zeitraum andauernden Verstoßes mit vielen und wechselnden, europa- oder gar weltweit verteilten Beteiligten. Auch in der Entscheidungspraxis der Kommission wird regelmäßig kein zentraler „monokausaler“ Gründungsort eines Kartells identifiziert.

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Zudem lassen sich abgestimmte Verhaltensweisen, denen schon ihrem Wesen nach nicht zwingend eine konkrete Einzelabsprache zugrunde liegt, auf diese Art nicht erfassen. Selbst wenn es in einem Einzelfall einen solchen Gründungsort geben sollte, dürfte es den Klägern in der Praxis schwerfallen, diesen hinreichend darzulegen und zu beweisen. Da ein bestimmter Gründungsort für die Begründetheit eines Kartellschadensersatzanspruchs keine notwendige Voraussetzung ist, handelt es sich dabei um keine doppelrelevante Tatsache, so dass ein schlüssiger Vortrag nicht ausreicht.

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Die dem Kläger im CDC-Urteil alternativ eröffnete Möglichkeit, sich mittels der Darlegung einer konkreten Einzelabsprache auf den deliktischen Gerichtsstand des Handlungsortes zu berufen, führt zu einer Vielzahl von potenziellen Gerichtsständen, wie sie der EuGH in anderen Fällen zu vermeiden bestrebt ist.170 Sie ist aber auch für den Kläger kaum hilfreich. Zum einen wird der Kläger dazu gezwungen, eine Reihe von Gerichtsverfahren parallel zu führen, da die Kognitionsbefugnis der Gerichte am Teilgerichtsstand eingeschränkt ist. Zum anderen steht er vor erheblichen Darlegungs- und Beweisproblemen hinsichtlich der Absprache und deren alleiniger Ursächlichkeit für einen konkreten Schaden.171 Auch hinsichtlich der für die Darlegung einer Einzelabsprache notwendigen Details gilt, dass sich diese regelmäßig nicht der jeweiligen Kommissionsentscheidung entnehmen lassen, zumindest was die nichtvertrauliche Fassung betrifft. Ohnehin würde dem Kläger dadurch nicht der Nachweis der Ursächlichkeit einer bestimmten Einzelabsprache für einen konkreten Teilschaden erspart, weil er sich insoweit nicht auf die Bindungswirkung der Kommissionsentscheidung berufen kann.

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Erschwerend kommt hinzu, dass die einzelnen Teilabsprachen in einem über einen längeren Zeitraum hinweg fortgesetzten Kartell regelmäßig nicht isoliert für sich stehen, sondern ineinandergreifen und aufeinander aufbauen. Es wird im Regelfall kaum möglich sein, diese ineinandergreifenden Kausalketten künstlich so aufzuspalten, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen nur einer Teilabrede und dem Gesamtschaden hergestellt werden kann.172

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Die Klarstellung des EuGH in Sachen flyLAL, namentlich dass die „Durchführung“ einer wettbewerbswidrigen Abrede eine eigene unerlaubte Handlung (im zuständigkeitsrechtlichen Sinne) darstellen kann und in diesem Fall einen gesonderten Gerichtsstand begründet, ist zu begrüßen. Die vom EuGH zusätzlich geforderte Festlegung auf einen Gerichtsstand bei einer einheitlichen Strategie der Kartellbeteiligten, führt allerdings zu Rechtsunsicherheit. Mangels klarer Kriterien zur Bestimmung des „Schwerpunkthandlungsortes“ gerät diese Auslegung mit dem europäischen Harmonisierungsziel in Konflikt.

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Größere praktische Bedeutung kommt ohnehin dem Erfolgsort i.S.d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO zu. Wie dargelegt, hat der EuGH in jüngerer Zeit verstärkt auf das Marktortprinzip abgestellt, zumindest wenn der Schaden auch konkret am Marktort eintritt. Ob darin eine Abkehr vom Klägergerichtsstand am Firmensitz des Geschädigten zu sehen ist, ist noch offen, erscheint aber eher unwahrscheinlich.

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Der EuGH wird sich auch künftig mit Vorlagefragen zur internationalen Zuständigkeit in kartellrechtlichen Schadensersatzprozessen auseinandersetzen müssen. Ein weiteres Vorabentscheidungsverfahren zum forum delicti in einer Klage zum Lkw-Kartell ist bereits beim EuGH anhängig.173 Auslöser für die Vorlagefrage eines Madrider Gerichts war eine Follow-On-Klage eines geschädigten Lkw-Abnehmers. Der Kläger mit Sitz in der Stadt Córdoba richtete seine Klage gegen vier Unternehmen der Volvo-Gruppe. Bei drei der beklagten Unternehmen handelt es sich um Adressaten der Lkw-Kartell-Bußgeldentscheidung mit Sitz außerhalb Spaniens. Die vierte Beklagte, eine spanische Tochtergesellschaft der Volvo-Gruppe, ist nicht Adressatin der Bußgeldentscheidung und hat ihren Sitz in Madrid.174

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Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass spanische Gerichte unter Zugrundelegung der CDC- und Tibor Trans-Entscheidungen gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO international zuständig sind. Der Erfolgsort liege in Spanien, da das Lkw-Kartell (auch) den spanischen Markt beeinträchtigt und der Kläger dort seinen Schaden erlitten habe. Das Gericht hat jedoch Zweifel an der Reichweite von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO: Regelt Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ausschließlich die internationale Zuständigkeit oder handelt es sich um eine doppelte bzw. gemischte Vorschrift, die sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit festlegt, ohne dass auf nationale Prozessvorschriften zurückgegriffen werden muss?

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Sollte Art. 7 Nr. 2 EuGVVO nur die internationale Zuständigkeit regeln, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach nationalem Prozessrecht. Nach spanischem Recht ist auf kartellrechtliche Schadensersatzklagen die besondere Zuständigkeitsregel für Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs in Art. 52 Abs. 1 Nr. 12 der spanischen Zivilprozessordnung (Ley de Enjuiciamiento Civil, LEC) entsprechend anwendbar. Danach ist das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem die Wirkungen der unerlaubten Handlung eintreten. Das wäre in Córdoba, da der Kläger dort die fünf streitgegenständlichen Lkw gekauft bzw. geleast hatte. Da die Beklagten jedoch zu keinem Zeitpunkt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts in Madrid gerügt hatten, ging das vorlegende Gericht von einer stillschweigenden Zuständigkeitsbegründung (Prorogation) nach Art. 56 LEC aus.175

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Sieht man Art. 7 Nr. 2 EuGVVO hingegen als gemischte Vorschrift an, die sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit regelt, wäre das Gericht am Sitz des Geschädigten (Erfolgsort) zuständig, somit in Córdoba und nicht in Madrid. Das vorlegende Gericht verweist dabei auf die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Erfüllungsortes bei vertraglicher Haftung in Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO.176 Diese Vorschrift soll sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit regeln und „den Gerichtsstand unmittelbar und ohne Verweis auf die innerstaatlichen Regeln der Mitgliedstaaten“ bestimmen.177

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Das spanische Gericht hat den EuGH indes nicht gefragt, ob die Tochtergesellschaft, die nicht Adressatin der Bußgeldentscheidung ist und ihren Sitz in Madrid hat, als Ankerbeklagte im Sinne von Art. 8 Nr. 1 EuGVVO dienen kann. Auch auf diese Weise hätte das Gericht in Madrid seine Zuständigkeit für die Klage gegen alle Beklagten begründen können. Geht der EuGH nicht über die Vorlagefrage hinaus oder deutet sie entsprechend um, wird er die in der CDC-Entscheidung offengelassene Frage, ob der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs auf konzernrechtlich verbundene Nichtadressaten der Kommissionsentscheidung Anwendung findet, nicht beantworten.178

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