Kitabı oku: «Kirchliches Arbeitsrecht in Europa», sayfa 11

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(2) Fehlende theologische Fundierung

Teilweise wird auch moniert, der Begriff der Dienstgemeinschaft beruhe nicht auf einer eigenständigen theologischen Fundierung. Juristen hätten um den Begriff der Dienstgemeinschaft eine „imposante Rechtsarchitektur“ geschaffen, an der Theologen kaum beteiligt gewesen seien.407 Die Dienstgemeinschaft sei keine biblische Kategorie und entstamme keiner kirchlichen Tradition.408

Lührs analysiert die Einträge zur Dienstgemeinschaft innerhalb religionswissenschaftlicher Enzyklopädien und stellt fest, dass in diesem Zusammenhang keine theologische Referenzliteratur benannt werde und die Autoren ausschließlich einen Bezug zum kirchlichen Arbeitsrecht herstellten.409 Er folgert daraus, dass die Verwendung des Begriffs der Dienstgemeinschaft in der katholischen und evangelischen Theologie auf den Zusammenhang des kirchlichen Arbeitsrechts begrenzt sei und es sich um ein von Juristen „theologisiertes“ Konzept handele.410

Dementsprechend distanzieren sich zuweilen auch Theologen und Religionswissenschaftler von dem Begriff. Nach Buttler „verschleiere die Dienstgemeinschaft die in praktischer Theologie wie im Kirchenrecht durch unterschiedliche Dienstverhältnisse gesehenen Probleme“; „es sei eine neue Interpretation von Dienst in der praktischtheologischen Reflexion erforderlich“.411 Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck – zurückhaltender in der Kritik – spricht sich für eine „gewisse Nüchternheit“ gegenüber dem Begriff der Dienstgemeinschaft aus.412

cc) Ekklesiologische Grundlagen

Entgegen der vereinzelt im Schrifttum zum Ausdruck gebrachten Kritik handelt es sich bei dem Begriff der Dienstgemeinschaft um ein theologisch begründetes Prinzip des kirchlichen Dienstes. Es handelt sich ohne Zweifel um eine „theologische Begrifflichkeit“413. Zwar mag es zutreffen, dass eine genuine und eigenständige „Theologie der Dienstgemeinschaft“ in den Religionswissenschaften nicht existiert; doch der kirchliche Dienst wird durch zahlreiche Aspekte der Glaubenslehre ausgestaltet und charakterisiert, die zugleich die ekklesiologische Grundlage der Dienstgemeinschaft bilden.414 Hinsichtlich ihres theologischen Ursprungs ist die Dienstgemeinschaft somit ein vielschichtiger Begriff.415 Dabei entspricht es der ganz herrschenden Auffassung, dass seine Begründung von der katholischen als auch von der evangelischen Kirche trotz deren konfessionellen Unterschiede im Wesentlichen gleich vorgenommen wird.416

Seine expliziten biblischen Wurzeln hat das Leitbild der Dienstgemeinschaft im 2. Brief des Paulus an die Korinther, in dem eine „Gemeinschaft des Dienstes“ als anzustrebendes Ziel für die Tätigkeit in der christlichen Gemeinde beschrieben wird.417 In einem noch umfassenderen Sinn lässt sich der Begriff zudem auf zwei der vier Grundvollzüge bzw. Dimensionen der Kirche zurückführen. Denn die kirchliche Existenz lässt sich nach der Lehre beider christlichen Konfessionen in die vier Dimensionen Martyria (Zeugnis), Leiturgia (Gottesdienst/Ritus), Diakonia (Dienst) und Koinonia (Gemeinschaft) aufteilen. Im Begriff der Dienstgemeinschaft finden die Dimensionen der Diakonia und Koinonia ihre Vereinigung.418

Teilweise wird die theologische Fundierung der Dienstgemeinschaft in der jüngeren Literatur im Sinne einer Doppelbegründung auf zwei Dimensionen gestützt, deren wechselseitiges Verhältnis nicht abschließend geklärt ist.419 Dies ist auf der einen Seite die objektiv-funktionale Dimension der gemeinschaftlichen Ausübung des kirchlichen Sendungsauftrags (1). Auf der anderen Seite besteht die subjektive Dimension des Priestertums aller Gläubigen (2). Als weiterer theologischer Grundgedanke lässt sich zudem die communio-Ekklesiologie anführen (3).

(1) Kirchlicher Dienst als Erfüllung des Sendungsauftrags

Die gemeinschaftliche Ausübung des Sendungs- und Verkündigungsauftrag der Kirche bildet die fundamentale theologische Grundlage des Leitbilds der Dienstgemeinschaft.420 Die davon ausstrahlende religiöse Dimension bildet den Kern des kirchlichen Dienstes.421 Darin findet der kirchliche Dienst seine Finalität; jegliches von ihm ausgehende Wirken ist an dieser religiösen Dimension zu messen und hat sich nach ihm auszurichten. Ohne diesen transzendenten Ursprung würde der kirchliche Dienst nicht existieren, da die Kirche andernfalls ihrer Sendung nicht gerecht werden würde.422

Inhalt des kirchlichen Sendungsauftrags ist die Verkündigung des Evangeliums, die Feier der Sakramente und der Dienst am Menschen.423 Dem liegt zum einen der Öffentlichkeitsauftrag der Christenheit nach dem Missionsbefehl im Matthäusevangelium zugrunde:

„Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“.424

Zum anderen wird das soziale Handeln gegenüber den Mitmenschen im neuen Testament zu einem zentralen Gebot erhoben, woraus der diakonische Auftrag folgt. So heißt es bei Matthäus – stellvertretend für ähnliche Aussagen in den anderen Evangelien:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“425

Die Kirche ist auf Anweisung Jesu Christi dazu berufen, diesen religiösen Auftrag in der Welt zu erfüllen. Daraus folgt zugleich, dass der entscheidende Dienstherr und Dienstgeber letztlich Jesus Christus als moralisch-ideeller Dienstgeber neben dem arbeitsrechtlichen Dienstgeber der kirchlichen Einrichtung ist.426 Dieser Gedanke kommt auch in der Enzyklika „Laborem Exercens“ von Papst Johannes Paul II. zum Ausdruck, in der von einem indirekten und einem direkten Arbeitgeber die Rede ist.427 Bezogen auf die Dienstgemeinschaft ist der indirekte Dienstgeber die Gesamtheit aller religiös-theologischen und moralisch-ideellen Faktoren, welche die Grundlage des kirchlichen Dienstes bilden.

Im Ausgangspunkt ist die Kirche in ihrer Gesamtheit die Adressatin zur Erfüllung des Sendungsauftrags. Dazu überträgt sie diesen Auftrag auf ihre Glieder, zu denen auch ihre einzelnen Einrichtungen gehören.428 Folge dieser Übertragung ist, dass die gesamte kirchliche Einrichtung einschließlich sämtlicher ihrer Funktionen durch die religiöse Dimension des Sendungsauftrags bestimmt ist.429 Jeder Einzelne in der kirchlichen Einrichtung, der an der Erfüllung des Auftrags verantwortlich mitarbeitet – unabhängig vom Umfang seiner Verantwortung – bleibt Jesus Christus voll verantwortlich.430 Dies bedeutet, dass sämtliche in der jeweiligen Einrichtung tätigen Mitarbeiter dem Sendungsauftrag der Kirche dienen und damit als Ganzes zu einer Gemeinschaft in Ausübung des kirchlichen Dienstes – einer Dienstgemeinschaft – werden. Der kirchliche Sendungsauftrag konstituiert mithin durch seine einende Wirkung zugleich das Gemeinschaftselement der Dienstgemeinschaft.431

Die Verschiedenheit der einzelnen in der kirchlichen Einrichtung ausgeübten Dienste konterkariert die alles verbindende Einheit der Sendung nicht.432 Es liegt in der Natur einer arbeitsteiligen Organisation – der sich selbstredend auch die kirchlichen Einrichtung bedienen –, dass der Sendungsauftrag von verschiedenen Diensten wahrgenommen wird. Doch jeder einzelne Dienst bzw. jede einzelne Funktion repräsentiert auf jeweils eigene Weise den Dienst Christi. Die einzelnen Dienste sind aufeinander angewiesen und müssen sich zu einem organischen Ganzen zusammenfügen.433 Alles Institutionelle der Kirche muss der Glaubwürdigkeit ihres Evangeliums dienen.434

Dieses Ideal einer Verbindung vieler zum gemeinsamen Wirken in einer Gemeinschaft findet sich auch in der Bibel wieder. Im Brief von Paulus an die Römer heißt es:

„Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir, die vielen ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied. Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.“435

Im kirchlichen Arbeitsrecht wird die theologische Dimension sämtlicher Tätigkeiten durch die Bezeichnung der kirchlichen Arbeitgeber als „Dienstgeber“ und ihrer Arbeitnehmer als „Dienstnehmer“ akzentuiert.436

(2) Das Priestertum aller Gläubigen

Vielfach erfolgt die theologische Begründung des Leitbilds der Dienstgemeinschaft auch mit der neutestamentlichen Konzeption des Priestertums aller Gläubigen.437 Danach sind nicht nur die Amtsträger zur Erfüllung des kirchlichen Auftrags berufen, sondern vielmehr ist dies allen Kirchengliedern aufgrund ihrer Taufe übertragen.438 Für die katholische Kirche wurde dies im Rahmen des Zweiten Vatikanischen Konzils mehrfach betont und spiegelt sich insbesondere auch in der Lehre vom Apostolat der Laien wider.439 Nach dem protestantischen Verständnis geht das Priestertum aller Gläubigen bereits auf die Lehre Luthers440 zurück.

In der Bibel findet sich ein Beleg für das allgemeine Priestertum der Gläubigen im 1. Brief des Petrus, in dem die Christengemeinde auf die folgende Weise beschrieben wird:

„Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht.“441

Daraus folgt für beide christliche Kirchen, dass jedes einzelne Mitglied der Gemeinde mit dem kirchlichen Sendungs- und Verkündigungsauftrag betraut ist. Dies hat eine ganz besondere Bedeutung für die karitativen und diakonischen kirchlichen Dienste. Das Priestertum aller Gläubigen ist mithin gemeinsamer Träger der kirchlichen Sendung und somit zugleich verbindendes Element des kirchlichen Dienstes.442

Es wäre allerdings unzureichend, wenn man das Leitbild der Dienstgemeinschaft ausschließlich auf den theologischen Gedanken des allgemeinen Priestertums stützte. Denn dann würde sich die Dienstgemeinschaft lediglich aus Kirchengliedern zusammensetzen können, Nichtchristen und die Mitglieder der jeweils anderen Kirche blieben ausgeschlossen. Dies wird von den Kirchen aber keinesfalls beabsichtigt. Wie sich für die katholische Kirche aus Art. 1 S. 1 ihrer Grundordnung des kirchlichen Dienstes entnehmen lässt, gehören alle in einer kirchlichen Einrichtung Tätigen – unabhängig von ihrer Kirchenmitgliedschaft zur Dienstgemeinschaft. Gleiches lässt sich für die evangelische Kirche aus der Präambel deren Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen folgern, nach der alle Frauen und Männer, die beruflich in Kirche und Diakonie tätig sind, zu einer Dienstgemeinschaft verbunden sind. Maßgebend ist somit für beide Kirchen die Tätigkeit im kirchlichen Dienst. Im Schrifttum wird daher zuweilen moniert, der Rekurs auf das Priestertum aller Gläubigen sei zur theologischen Fundierung der Dienstgemeinschaft ungeeignet.443 Es spricht daher einiges dafür, dem objektiven Element der gemeinschaftlichen Ausübung des Sendungsauftrags bei der theologischen Begründung der Dienstgemeinschaft einen „relativen Vorrang“ einzuräumen.444

(3) communio-Ekklesiologie

Eine weitere theologische Fundierung der Dienstgemeinschaft bildet die communio-Ekklesiologie. Insbesondere seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird die Kirche auch nach katholischem Verständnis als Gemeinschaft begriffen, die eine der eingangs bereits genannten vier Grunddimensionen bildet. In Abgrenzung zur societas–Ekklesiologie wird die Funktion der Kirche damit als Gemeinschaft der Menschen mit Gott und untereinander durch Jesus Christus verstanden, die sich durch ihren geistlichen Auftrag definiert.445 Dieser Gemeinschaftsbegriff hat zwei Dimensionen: Die vertikale Gemeinschaft der Menschen mit Gott und die horizontale Gemeinschaft der Menschen untereinander.446 Die Dienstgemeinschaft beinhaltet mithin den horizontalen Aspekt des communio-Prinzips. Diese Gemeinschaft wählt der Heilige Geist zur Erfüllung seines Heilshandelns.447 Darin kommt abermals die Funktion der Dienstgemeinschaft zur Erfüllung des kirchlichen Sendungsauftrags zum Ausdruck.

Zwar ist der Begriff der Dienstgemeinschaft nicht mit der Kirche als Gemeinschaft (communio) kongruent.448 Denn zur Gemeinschaft der Kirche gehören nur die getauften Christen, wohingegen zur Dienstgemeinschaft auch die Nichtchristen gezählt werden. Unabhängig von dieser Abweichung lässt sich indes feststellen, dass die communio-Ekklesiologie im Begriff der Dienstgemeinschaft einen deutlichen Widerhall im kirchenarbeitsrechtlichen Kontext erfährt.449

Hinsichtlich des hierarchischen Aufbaus der Dienstgemeinschaft lassen sich für die beiden christlichen Kirchen unterschiedliche Ableitungen aus der communio-Ekklesiologie vornehmen. Denn deren Verständnis von der Struktur und Ordnung der kirchlichen Gemeinschaft divergiert im Einzelnen. Elementar unterschiedliche Implikationen für die Ausgestaltung der Dienstgemeinschaft erwachsen daraus jedoch nicht.

Nach dem protestantischen Verständnis ist die Kirche als egalitäre Gemeinschaft mit einer horizontalen Teilhabestruktur konstituiert.450 Daraus folgt, dass auch deren Dienstgemeinschaft nicht durch eindeutige Über- und Unterordnungsverhältnisse ausgestaltet sein kann. Dies lässt sich insbesondere mit der 4. These der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 begründen. Diese lautet:

„Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes“.451

Demgegenüber interpretiert die katholische Kirche die ekklesiologisch vorgegebene Struktur der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil als communio hierarchica.452 Danach ist zwar von einer grundsätzlichen Gleichheit aller Gläubigen auszugehen, allerdings sind in organisatorischer Hinsicht bestimmte Aufgaben den Klerikern vorbehalten.453 Dies kann insbesondere Konsequenzen für die Ausübung von Leitungsmacht in kirchlichen Einrichtungen haben.454 Unter dieser Prämisse erhält auch die Organisationsstruktur der Dienstgemeinschaft in der katholischen Kirche eine vertikal-hierarchische Nuancierung.455

Dennoch ist davon auszugehen, dass auch unter Berücksichtigung der Lehre von der communio hierarchica die grundlegende Gemeinschaft zwischen Dienstgeber und Dienstnehmern im Rahmen der Dienstgemeinschaft nicht aufgehoben wird. Denn auch insoweit wird die grundlegende Konzeption nicht aufgehoben, dass gerade keine Trennung von Kapital und Arbeit besteht, sondern vielmehr alle Beteiligten durch die gemeinsame Erfüllung des kirchlichen Sendungsauftrags miteinander verbunden sind.456 Eine Aufspaltung in antagonistische Interessen auf Dienstgeberseite einerseits und Dienstnehmerseite andererseits wird damit auch von der katholischen Ekklesiologie nicht impliziert.

b) Staatliches oder kirchliches Recht?

Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ist verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt für die Kirchen, innerhalb der Schranken des „für alle geltenden Gesetzes“ ihren Dienst zu regeln und auszugestalten. Die Entscheidung, welche Dienste in ihren Einrichtungen zur Verfolgung des kirchlichen Auftrags (bspw. der Caritas bzw. Diakonie)457 geleistet werden sollen, zählt zu ihren eigenen Angelegenheiten.458 Ob insoweit durch Kirchenrecht ein eigenständiges kirchliches Dienstrecht jenseits von öffentlichem Dienst- und allgemeinem Arbeitsrecht etabliert werden könnte, ist praktisch bislang nicht relevant geworden, da die Kirchen ihre Beschäftigungsverhältnisse größtenteils auf Grundlage von privatrechtlichen Arbeitsverträgen abschließen. Dennoch veranschaulicht die Beantwortung dieser Frage die durch den Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts vermittelte Reichweite der kirchlichen Freiheit. Erhebliche Bedeutung kommt demgegenüber der Frage zu, ob die Entscheidung der Kirchen für das staatliche Arbeitsrecht jegliche Modifikation staatlichen Arbeitsrechts für sie ausschließt. Zunächst ist daher zu klären, in welcher Weise das kirchliche Selbstbestimmungsrecht grundlegend bei der Ausgestaltung der Dienstverhältnisse der Kirchen und ihrer Einrichtungen zu berücksichtigen ist.

aa) Normsetzungsbefugnis kircheneigenen Arbeitsrechts?

Dass die Kirchen zur Ausgestaltung aller ihrer Dienstverhältnisse ein eigenes, originär kirchliches Dienstrecht auf der Grundlage von Kirchenrecht zu schaffen berechtigt sind, hat unter der Geltung des Grundgesetzes zuerst Kalisch vertreten.459 Nach seiner Ansicht bleibe ein derart begründetes Dienstrecht im Hinblick auf den Schrankenvorbehalt aber in das Gesamte der Rechtsordnung in einer Weise eingeordnet, sodass unaufgebbare Normen des Arbeitsrechts dennoch Wirksamkeit entfalten würden.460 Diese Auffassung fand zahlreiche Unterstützung in der Literatur461, hat aber auch Widerspruch462 gefunden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits Sympathie für die Möglichkeit eines derartigen kircheneigenen Arbeitsrechts erkennen lassen.463 Angesichts der Regelung in can. 1286 Nr. 1 CIC, nach der die Vermögensverwalter der katholischen Kirche bei der Beschäftigung von Arbeitskräften das weltliche Arbeits- und Sozialrecht genauestens zu beachten haben,464 wird dieser Meinungsstreit wohl mangels praktischer Relevanz auch künftig nicht aufgelöst werden müssen.

bb) Vorrang staatlichen Rechts infolge des Abschlusses von Arbeitsverträgen?

Demzufolge haben sich die Kirchen in Deutschland auch dazu entschlossen, weit überwiegend durch den Abschluss von Arbeitsverträgen das staatliche Arbeitsrecht als Grundlage des kirchlichen Dienstes zu wählen.465 Resultiert daraus aber ihre uneingeschränkte Bindung an das staatliche Arbeitsrecht? Richtiger Ausgangspunkt ist jedenfalls, dass grundsätzlich das staatliche Arbeitsrecht Anwendung findet, nämlich als schlichte Folge einer Rechtswahl.466 Die Kirchen haben daher grundsätzlich die arbeitsrechtlichen Regelungen aus §§ 611a ff. BGB und etwa das Kündigungsschutzrecht aus § 1 KSchG, § 626 BGB zu beachten.467

Vereinzelt wird aber darüber hinaus gefolgert, die Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr versage es den Kirchen, spezifische Regelungen zur Wahrung des kirchlichen Proprium unter Rückgriff auf ihr Selbstbestimmungsrecht zu treffen.468 Als Begründung wird angeführt, die Kirchen überschritten durch Gebrauch des Privatrechts ihren Rechtskreis und könnten sich infolgedessen nicht mehr auf Art. 137 Abs. 3 WRV berufen.469 Damit würde aber die Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts – namentlich die Bestimmung der eigenen Angelegenheiten – in verfassungswidriger Weise verkürzt. Dieses muss von den Kirchen auch dann in Anspruch genommen werden können, wenn sie von der allgemeinen Vertragsfreiheit zum Abschluss von Arbeitsverhältnissen Gebrauch machen. Wegen des staatskirchenrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes sind die Angelegenheiten der Kirchen nach deren Selbstverständnis zu bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht hat daher deutlich gemacht, dass die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht nicht etwa deren Zugehörigkeit zu den eigenen Angelegenheiten der Kirchen aufhebt.470 Diese Feststellung ist essentiell: Die Kompatibilität von privatrechtlich begründeten Beschäftigungsverhältnissen und kirchlichem Selbstbestimmungsrecht ist damit gewährleistet.

cc) Synthese: Staatliches Recht modifiziert nach kirchlichem Selbstverständnis

Auf dieser Grundlage ist es den Kirchen kraft ihres Selbstbestimmungsrechts auch unter Rückgriff auf die Privatautonomie ermöglicht, die „religiöse Dimension“ ihres Wirkens im Sinne ihres Selbstverständnisses durch entsprechende Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse sicherzustellen.471 Daraus folgt aber kein originäres kirchliches Arbeitsrecht, das von der staatlichen Rechtsordnung unabhängig ist.472 Vielmehr ist die Reichweite etwaiger Exemtionen und Modifikationen für jeden einzelnen Teilbereich des staatlichen Arbeitsrechts am Maßstab der verfassungsrechtlichen Grundlagen zu bestimmen. Zwar finden sich teilweise bereits auf Gesetzesebene verfassungsrechtlich gebotene Bereichsausnahmen zugunsten der Kirchen, wie etwa innerhalb der Mitbestimmungsordnungen oder in § 9 AGG. Doch in allen anderen Fällen ist die Möglichkeit einer Abweichung vom allgemeinen Arbeitsrecht an dem einschlägigen Schrankenvorbehalt des „für alle geltenden Gesetzes“ zu messen.473 Dann stellt sich die Frage, ob eine bestimmte arbeitsrechtliche Regelung als ein solches Gesetz zu qualifizieren ist. Dabei ist die Bedeutung jener Norm für den sozialen Rechtsstaat unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerrechte dem Erfordernis einer Abweichung von dieser aus Sicht des kirchlichen Selbstverständnisses gegenüberzustellen. Inwieweit innerhalb dieses Abwägungsvorgangs staatliches Arbeitsrecht durch die Kirchen zu einem kirchlichen Arbeitsrecht modifiziert werden kann, stellt sich – mit v. Campenhausen gesprochen – als eine diffizile Bereichsabgrenzung von staatlichem und kirchlichem Recht dar.474

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