Kitabı oku: «Kirchliches Arbeitsrecht in Europa», sayfa 12
c) Geltungsbereich des kirchlichen Arbeitsrechts
Eine abstrakte, einfachgesetzliche Abgrenzungsnorm zwischen dem Anwendungsbereich weltlichen und kirchlichen Arbeitsrechts existiert nicht. Nur in den Regelungen zur Reichweite der Mitbestimmungsordnungen (§ 118 Abs. 2 BetrVG, § 112 BPersVG) hat der Gesetzgeber die Trennlinie normativ gezogen. Dabei musste er sich an den verfassungsrechtlichen Anforderungen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts orientieren.475 Denn die Reichweite dessen Schutzbereichs bestimmt zugleich die Reichweite der Möglichkeit einer Modifikation des weltlichen Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich. Jene Regelungen können daher als pars pro toto476 für die Distinktion zwischen kirchlichem und weltlichem Arbeitsrecht insgesamt herangezogen werden.477
d) Die kircheneigenen Regelungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts
Zur Etablierung einer einheitlichen Rechtsgrundlage für den kirchlichen Dienst sind sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche der häufig geäußerten Aufforderung478 nachgekommen, arbeitsrechtliche Regelungswerke zu erlassen. Damit füllen sie die ihnen durch das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht zuerkannten Freiheiten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts aus. Die Regelungen intendieren eine homogene Ausgestaltung des kirchlichen Selbstverständnisses anhand des Leitbilds der Dienstgemeinschaft.479 Als Kirchenrecht können die Regelungen allerdings grundsätzlich nicht unmittelbar Geltung für die kirchlichen Arbeitsverhältnisse entfalten; eine arbeitsvertragliche Bezugnahme ist daher erforderlich.480
aa) Katholische Kirche
Erstmalig erließ die Deutsche Bischofskonferenz eine rechtsverbindliche Regelung für den Dienst der katholischen Kirche am 22. September 1993.481 Seitdem besteht eine „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ (GrOkathK), zuletzt novelliert am 27. April 2015 durch die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands.482 Sie bildet ein umfassendes Regelungswerk für das kirchliche Arbeitsrecht: Art. 3 bis 5 GrOkathK treffen die Grundentscheidungen auf dem Gebiet des Individualarbeitsrechts; Art. 6 und 7 GrOkathK regeln Fragen zur gewerkschaftlichen Betätigung und den sogenannten „Dritten Weg“. Art. 8 GrOkathK legt die Grundlage für die kircheneigene Mitarbeitervertretungsordnung MAVO und Art. 10 Abs. 2 GrOkathK gewährleistet kircheneigenen gerichtlichen Rechtsschutz.
Die Grundordnung ist Kirchenrecht und von den Bischöfen aufgrund ihrer Gesetzgebungsbefugnis nach can. 391 CIC für ihre jeweilige Diözese erlassen.483 Sie gilt nach der (deklaratorischen) Regelung des Art. 2 Abs. 1 GrOkathK für die darin bezeichneten Rechtsträger, die der Gesetzgebungsgewalt des Bischofs unterliegen. Nach Art. 2 Abs. 2 GrOkathK werden aber auch diejenigen kirchlichen Rechtsträger, die dessen Gesetzgebungsgewalt nicht unterworfen sind, verpflichtet, die Grundordnung in ihren Statuten zu übernehmen.484 Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die bischöfliche Gesetzgebungsgewalt nicht den gesamten Anwendungsbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts umfasst.485 Die Arbeitsverträge katholischer Rechtsträger enthalten eine dynamische Bezugnahmeklausel auf die Grundordnung.486
bb) Evangelische Kirche
Für die evangelische Kirche besteht eine der katholischen Grundordnung vergleichbare einheitliche Regelung für das gesamte kirchliche Arbeitsrecht nicht. Maßgeblich sind vielmehr verschiedene Rechtsquellen. Für den Bereich des Individualarbeitsrechts hat der Rat der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am 9. Dezember 2016 die Richtlinie „über kirchliche Anforderungen der beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie“ auf Grundlage487 des Art. 9 b) Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland (GO-EKD) erlassen (Loyalitätsrichtlinie).488 Auf dem Gebiet des Kollektivarbeitsrechts wurden das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG-EKD)489 vom 12. November 2013 und das Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz (ARGG-EKD)490 vom 13. November 2013 erlassen.
2. Individualarbeitsrecht
Das kirchliche Individualarbeitsrecht weist insbesondere in Bezug auf die Personalauswahl, bei der Festlegung spezifischer Loyalitätsobliegenheiten und – damit verknüpft – innerhalb des Kündigungsrechts Besonderheiten auf. Die damit verbundenen Rechtsfragen werden in den nachfolgenden Darstellungen erörtert. Dabei ist vorauszuschicken, dass sich das Meinungsbild in diesem Bereich nach einer wegweisenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1985 zunächst gefestigt hatte. Nach der Jahrtausendwende flammte die rechtswissenschaftliche Debatte – maßgeblich bedingt durch europarechtliche Vorgaben in Gestalt der Antidiskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG und durch Rechtsprechung des EGMR zum deutschen kirchlichen Arbeitsrecht – wieder auf. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 bestätigte das Bundesverfassungsgericht zwar seine knapp dreißig Jahre zuvor ergangene Entscheidung, doch war die damit herbeigeführte Rechtssicherheit äußerst kurzlebig. Initiiert durch zwei vom BAG eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren hat der EuGH in jüngerer Vergangenheit zwei Urteile erlassen, die mit den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen brechen. Wie das Bundesverfassungsgericht darauf reagieren wird, ist noch ungewiss.
Dieser kurze chronologische Abriss macht bereits deutlich, dass das gegenwärtige deutsche kirchliche Individualarbeitsrecht maßgeblich durch einen Konflikt zwischen nationalem Verfassungsrecht und Europarecht geprägt ist. Nachfolgend soll daher zunächst der vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht vermittelte Schutz dargestellt werden, wie er insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten und bei einer arbeitgeberseitigen Sanktionierung als Reaktion auf deren Verletzung konkretisiert wurde (a). Dem sind in einem zweiten Schritt die Einwirkungen des europäischen Rechts gegenüberzustellen (b).
a) Der vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gewährleistete Schutz
aa) Personalauswahl
Grundsätzlich bevorzugen es die Kirchen, ihre eigenen Mitglieder zur Erfüllung ihres Sendungsauftrags zu beschäftigen.491 Eine Beschäftigung von Arbeitnehmern, die keine mit der kirchlichen Einrichtung übereinstimmende Konfession aufweisen, ist zwar auch nach dem Leitbild der kirchlichen Dienstgemeinschaft grundsätzlich möglich; jedenfalls für diejenigen Tätigkeiten, die eine besondere Nähe zum Sendungsauftrag aufweisen, kommen nach dem kirchlichen Selbstverständnis aber nur Kirchenmitglieder in Frage. Andernfalls wäre die Glaubwürdigkeit der Einrichtung infrage gestellt und sie liefe Gefahr, ihre spezifisch kirchliche Identität zu verlieren. Diese Notwendigkeit resultiert aus der Konzeption der Dienstgemeinschaft, da diese auf eine Weise personell beschaffen sein muss, dass die kirchliche Einrichtung den Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann.
Der verfassungsrechtliche Schutz der kirchlichen Autonomie trägt dem Rechnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts492 und der herrschenden Meinung in der Literatur493 ist die Personalauswahl der Kirchen vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht geschützt und basiert damit nicht lediglich auf der aus der allgemeinen Vertragsfreiheit folgenden Auswahlfreiheit. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV gestattet es kirchlichen Arbeitgebern zur Wahrung der religiösen Dimension ihres Dienstes, die an ihre Stellenbewerber gerichteten Maßstäbe autonom festzulegen. Der Abschluss eines Arbeitsvertrages kann danach etwa von der Zugehörigkeit zur Kirche abhängig gemacht werden.494 Als Reflex einer rechtmäßig an einen Stellenbewerber gerichteten Anforderung ist auch ein entsprechendes Fragerecht zulässig.495
bb) Loyalitätsobliegenheiten und Sanktionierung bei deren Verletzung
(1) Grundlagen
Die Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten sowie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei ihrer Verletzung ist einer der bedeutendsten Teilbereiche des kirchlichen Arbeitsrechts und kann zu Recht als dessen „Herzstück“496 bezeichnet werden; hier zeigt sich besonders plastisch die Abweichung vom allgemeinen weltlichen Arbeitsrecht. Zahlreich sind die Entscheidungen der Arbeitsgerichte zur Wirksamkeit von Kündigungen wegen eines Verstoßes gegen jene Obliegenheiten;497 das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang seine beiden fundamentalen Entscheidungen zum kirchlichen Arbeitsrecht erlassen.
Die in den arbeitsrechtlichen Regelungswerken der Kirchen bestimmten Loyalitätsobliegenheiten betreffen letztlich die allgemeine Lebensführung und damit insbesondere das außerdienstliche Verhalten der Arbeitnehmer. Als Ausprägung der in den §§ 242, 241 Abs. 2 BGB verankerten vertraglichen Nebenpflichten werden derartige Bindungen im allgemeinen Arbeitsrecht nur sehr zurückhaltend anerkannt.498 Insbesondere ist der weltliche Arbeitgeber durch den Arbeitsvertrag nicht zum Sittenwächter über die in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmer berufen.499 Die private Lebensführung des Arbeitnehmers darf im Zusammenhang mit der Leistungstreuepflicht wegen der Berücksichtigung dessen allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nur eingeschränkt werden, sofern sich dies unmittelbar durch die zu erbringende Arbeitsleistung rechtfertigen lässt.500 Daran sind insbesondere vertragliche Regelungen zu messen. Als „echte“ Loyalitätsobliegenheit hat der Arbeitnehmer in einem weltlichen Arbeitsverhältnis unter Abwägung mit seinem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 GG nur zu berücksichtigen, auch durch außerdienstliches Verhalten nicht den Ruf des Arbeitgebers zu schädigen.501
Aus Perspektive der Kirchen besteht aber ein darüber hinausgehendes Bedürfnis, ihre Arbeitnehmer zur Beachtung der wesentlichen Grundsätze ihrer Glaubenslehre zu verpflichten und entsprechendem Fehlverhalten mit Sanktionen begegnen zu können. Dieses Erfordernis basiert maßgeblich auf dem Leitbild der Dienstgemeinschaft. Denn daraus folgt die an die kirchlichen Arbeitnehmer gerichtete Anforderung einer hinreichenden Identifikation mit der religiösen Dimension ihres Dienstes. Da der kirchliche Dienst eine Lebens- und Wesensäußerung der Kirche ist, erwartet die Kirche von ihren Mitarbeitern, dass diese sich sowohl in ihrem beruflichen als auch persönlichen Verhalten an den grundlegenden Wahrheiten und Normen des Glaubens orientieren.502 Kirchlicher Dienst als Bekenntnis und Zeugnis des Glaubens verlangt mithin mehr als vertragsgemäße Arbeit nach dem üblichen Verständnis des Arbeitsrechts.503
Zudem können die Glaubwürdigkeit und die spezifische Eigenart kirchlicher Einrichtungen nur gewahrt werden, wenn die Lebensführung und somit auch das außerdienstliche Verhalten der Beschäftigten nicht im Widerspruch mit den kirchlichen Grundüberzeugungen steht.504 Der kirchliche Dienst setzt die grundlegende Bereitschaft voraus, auch das private Leben danach einzurichten, dass es der Sendung der Kirche und dem Verkündigungsauftrag nicht widerspricht.505 Nur auf diese Weise kann der kirchliche Sendungsauftrag im Zusammenwirken einer Gemeinschaft des Dienstes erfüllt werden. Die Dienstgemeinschaft reicht mithin über den Bereich der Tätigkeit in der Einrichtung bis in die private Sphäre hinein.506 Diese Konzeption wird durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht geschützt.
Auseinandersetzungen über die Verletzung von Loyalitätsobliegenheiten werden vor allen Dingen dann virulent, wenn ein kirchlicher Arbeitgeber aus diesem Grunde arbeitsrechtliche Sanktionen – etwa in Form des Ausspruchs einer Kündigung – ergreift. Zur Beurteilung der Wirksamkeit einer solchen Kündigung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Wesentlichen zwei Prüfungsschritte vorzunehmen:507 Zunächst stellt sich die Frage, ob eine spezifische Loyalitätsobliegenheit für das Arbeitsverhältnis verbindlich gemacht wurde und ob der Arbeitnehmer diese verletzt hat; auf dieser Grundlage kann sodann geprüft werden, ob jener Verstoß den kirchlichen Arbeitgeber zu einer Kündigung berechtigt.
(2) Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen beiden fundamentalen Urteilen zum kirchlichen Arbeitsrecht festgestellt, dass die Kirchen auf der Grundlage ihres Selbstbestimmungsrechts aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV und der korporativen Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ihren Arbeitnehmern die tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre auferlegen und von diesen verlangen können, nicht gegen die fundamentalen Verpflichtungen zu verstoßen, die sich aus der Zugehörigkeit zur Kirche ergeben.508 Dogmatisch betrachtet wird die Norm des § 241 Abs. 2 BGB damit gewissermaßen durch die kirchliche Autonomie überlagert und modifiziert.509 Die Verschmelzung von Vertragsfreiheit und Selbstbestimmungsrecht gewährt den Kirchen damit einen Freiraum, der gewöhnlichen Arbeitgebern nicht zusteht, zur Erbringung des kirchlichen Diensts aber unabdingbar ist.
Wegen ebenjener privatrechtlichen Begründung der Arbeitsverhältnisse bedarf es dafür zunächst einer hinreichend bestimmten vertraglichen Regelung jener Obliegenheiten,510 die regelmäßig durch eine Bezugnahme auf das jeweilige kirchliche arbeitsrechtliche Regelungswerk erfolgt. Da der Arbeitnehmer nur auf dieser Grundlage an die Obliegenheiten gebunden werden kann, müssen ihm deren Inhalt und Reichweite sowie die Konsequenzen eines etwaigen Verstoßes gegen diese mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar sein.511 Dass die Regelungen abstrakt gehalten sind,512 steht einer derartigen Erkennbarkeit insbesondere dann nicht entgegen, wenn das Anforderungsprofil eines Arbeitnehmers aufgrund seines Glaubens oder seiner Stellung ohnehin die Kenntnis der kirchlichen Lehre voraussetzt.513 Im Zweifel sollte der kirchliche Arbeitgeber aber die abstrakten Termini zum Verständnis des Arbeitnehmers im Rahmen der individualvertraglichen Vereinbarung konkretisieren.514
Eine richterliche Prüfung der Wirksamkeit von Loyalitätsobliegenheiten einschließlich der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten eines Arbeitnehmers einen Verstoß gegen diese begründet, ist stark eingeschränkt.515 Denn auf der Grundlage ihres Selbstbestimmungsrechts ist es den Kirchen überlassen, „verbindlich zu bestimmen, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert, was spezifisch kirchliche Aufgaben sind, was Nähe zu ihnen bedeutet, welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre sind und was als – gegebenenfalls schwerer – Verstoß gegen diese anzusehen ist“.516 Die staatlichen Gerichte müssen insoweit den kirchlichen Freiraum der Ordnung und Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten akzeptieren und dürfen sich kein eigenes Urteil über die angesprochenen Fragen anmaßen. Dies ist auch Folge des staatskirchenrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes.
Staatlichen Institutionen fehlt ohnehin zur Beantwortung derartiger Fragen die theologische Kompetenz, sie haben kein ekklesiologisches Mandat.517 Sollte in Einzelfällen unklar sein, ob das Verhalten eines Arbeitnehmers einen Verstoß gegen die Glaubens- und Sittenlehre begründet, bedarf es bei einem etwaigen Rechtsstreit einer klärenden Anfrage des Gerichts bei der jeweiligen Amtskirche bzw. der zuständigen Kirchenbehörde.518 Da das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 WRV unmittelbar nur den verfassten Kirchen zusteht, bestimmt sich ausschließlich nach den von ihnen anerkannten Maßstäben der Inhalt und die Reichweite der Loyalitätsobliegenheiten.519 Die Auffassung einer einzelnen kirchlichen Einrichtung ist dabei irrelevant, da diese von der Kirchenautonomie nur derivativ Gebrauch machen kann.
Grundsätzlich dürfen sich die staatlichen Gerichte nicht über die kirchlichen Vorgaben hinwegsetzen und können allenfalls im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle überprüfen, ob die Anforderungen und Wertungen des kirchlichen Arbeitgebers dem kirchlichen Selbstverständnis entsprechen.520 Eine Angemessenheitskontrolle der vertraglichen Regelungen – etwa auf Grundlage von § 307 Abs. 1 BGB – findet nicht statt.
Eine Grenze kann ausschließlich durch den Art. 137 Abs. 3 WRV immanenten Vorbehalt des „für alle geltenden Gesetzes“ gezogen werden. Dieser wird vom Bundesverfassungsgericht im Kontext der Festlegung von Loyalitätsobliegenheiten durch eine Trias der Grundprinzipien der Rechtsordnung, namentlich dem allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), sowie dem Begriff der guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) und des ordre public (Art. 6 EGBGB), präzisiert.521 Damit wird den Kirchen ein weiter Gestaltungsspielraum überlassen.
Dieser Vorbehalt gleicht demjenigen der Anwendung ausländischen Rechts im Internationalen Privatrecht;522 er legt als Kontrollmaßstab nur den Kernbestand des staatlichen Rechts zugrunde. Friktionen mit diesen Grundsätzen werden regelmäßig nicht auftreten, wenn von Arbeitnehmern die Einhaltung der christlichen Glaubens- und Sittenlehre verlangt wird, da diese nicht im Widerspruch zu den essentiellen Grundprinzipien des Verfassungsstaats stehen.523 Dass auf diese Weise strengere Anforderungen begründet werden, als vom weltlichen Arbeitsrecht vorgesehen, bedeutet freilich noch keinen Verstoß gegen die tragenden Grundprinzipien; entscheidend ist nur, dass keine wertordnungsfeindlichen Loyalitätsobliegenheiten konstituiert werden.
Durch die Festlegung jener Begrenzungen steht auch zugleich fest, dass eine Abwägung mit den Grundrechten der Arbeitnehmer auf der Prüfungsebene der Wirksamkeit einer Auferlegung von Verhaltenspflichten nicht vorzunehmen ist. Zwar ist das Meinungsbild im Schrifttum524 zu dieser Frage geteilt und überdies hatten zwischenzeitlich zwei Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts525 diesbezüglich Zweifel aufkommen lassen. In der Entscheidung des 2. Senats vom 22. Oktober 2014 wurden die bestehenden Grundsätze aus BVerfGE 70, 138 aber ausdrücklich bestätigt.526 Damit wird der dogmatischen Einordnung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts als institutioneller Garantie Rechnung getragen, die nicht als gewöhnliches grundrechtliches Freiheitsrecht zu verstehen ist und daher auch nicht per se im Wege der praktischen Konkordanz mit Arbeitnehmergrundrechten abzuwägen ist.527 Maßgeblich ist allein der besondere Schrankenvorbehalt des „für alle geltenden Gesetzes“, der im vorliegenden Zusammenhang durch das Bundesverfassungsgericht auf die Grundprinzipien der Rechtsordnung begrenzt wird.
Dementsprechend wäre das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen auch verletzt, wenn man ihnen oktroyierte, ob und in welcher Weise sie die von ihnen geforderten Loyalitätsobliegenheiten im Verhältnis zur Verkündigungsnähe ihrer Arbeitnehmer abstufen. Dennoch ist dies immer wieder in der Literatur gefordert worden.528 Auch das BAG hatte noch bis zum Jahr 1985 vertreten, dass bspw. Verstöße einer Schreibkraft oder eines Betriebshandwerkers gegen die kirchliche Lehre wegen der untergeordneten Funktion jener Mitarbeiter nicht die Glaubwürdigkeit der Kirche berührten und entsprechende Loyalitätsobliegenheiten auch unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts unbeachtlich seien.529 Dieser Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung vom 4. Juni 1985 explizit widersprochen: Die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine „Abstufung“ der Loyalitätsobliegenheiten eingreifen soll, ist eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit.530
Staatlichen Gerichten ist es daher verwehrt, anhand der Position und Funktion eines kirchlichen Arbeitnehmers die Reichweite von dessen Loyalitätsobliegenheiten zu prüfen und deren Verbindlichkeit ggf. einzuschränken. Verstöße gegen tragende Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre können nicht deshalb für arbeitsrechtlich unbeachtlich erklärt werden, weil der Mitarbeiter nach Ansicht eines Gerichts keine „Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben“ hat. Darin läge eine unzulässige Ingerenz des säkularen Staates in Gestalt seiner Judikative gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht.
Die erzwungene Abstufung von Verhaltensanforderungen würde die kirchliche Autonomie bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen auf einen reinen Tendenzschutz verkürzen. Kirchen und ihre Einrichtungen sind aber keine Tendenzbetriebe.531 Ihre Tätigkeit lässt sich nicht wie bei politisch, wissenschaftlich oder künstlerisch motivierten Unternehmungen auf ein spezifisches geistig-ideelles Ziel eingrenzen.532 Sie sprechen den Menschen in seiner Gesamtheit an und legen ihrem gesamten Handeln die umfassende Lehre christlicher Weltanschauung zugrunde. Verfassungsrechtlich gesprochen: Anders als bspw. ein Pressebetrieb seine Freiheiten als Tendenzunternehmen nur im Rahmen des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 GG – und daher bei spezifisch journalistischen Funktionen – begründen kann, garantiert das kirchliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 137 Abs. 3 WRV eine umfassende Freiheit vor staatlichen Eingriffen bei der Ordnung und Verwaltung des kirchlichen Dienstes. Die Art und Weise der Gewährleistung und Sicherstellung der religiösen Dimension ihres Wirkens ist allein den Kirchen überlassen, sofern die Grundprinzipien staatlicher Rechtsordnung dabei gewahrt bleiben. Sie allein können darüber entscheiden, ob und inwiefern eine Abstufung von Loyalitätsanforderungen mit der Integrität der Dienstgemeinschaft und der Glaubwürdigkeit kirchlichen Wirkens vereinbar ist.533 Sofern ein staatliches Gericht eine derartige Differenzierung anhand eigener Maßstäbe selbst vornähme begründete dies einen Verstoß gegen die im Kontext des staatskirchenrechtlichen Trennungsprinzips sowie des Neutralitätsgrundsatzes auszulegende Kirchenautonomie.
Aus den vorangehenden Feststellungen folgt grundsätzlich noch keine Klerikalisierung der Rechtsstellung des kirchlichen Arbeitnehmers.534 Allerdings leitet das Bundesverfassungsgericht aus den Grundprinzipien der Rechtsordnung auch ab, dass kirchliche Einrichtungen in Einzelfällen keine „unannehmbaren Anforderungen“ an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen dürfen.535 Demzufolge dürften kirchliche Arbeitsverhältnisse keine Ersatzform für kirchliche Ordensgemeinschaften und Gesellschaften des apostolischen Lebens sein.536 Wann die Beurteilung einer Loyalitätsanforderung als unannehmbar ausfallen muss, wird freilich nicht immer trennscharf bestimmt werden können. Als unzulässig dürfte jedenfalls zu erachten sein, wenn der theologische Dogmenkanon und die religiösen Ge- und Verbote arbeitsrechtlich möglichst umfassend und detailgetreu abgebildet würden.537
Dieser allgemeine Vorbehalt vermag jedoch nicht als Einfallstor für eine Aufweichung kirchlicher Selbstbestimmung bei der Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten zu dienen. Zwar mögen manche Teile einer sich säkularisierenden Gesellschaft bereits die wesentlichen Loyalitätsobliegenheiten als „unannehmbar“ empfinden, doch ist dies nicht der Maßstab zur Einschränkung der verfassungsrechtlich verbürgten Kirchenautonomie. Das deutsche Trennungssystem in seiner wohlwollenden Ausprägung akzeptiert und anerkennt die kirchliche Sitten- und Glaubenslehre. Die vertragliche Auferlegung der Befolgung ihrer wesentlichen Bestandteile kann daher aus der Perspektive der staatlichen Wertordnung niemals grundsätzlich als unannehmbar betrachtet werden, wenn der kirchliche Dienst vom christlichen Glauben geprägt ist.538 Ohnehin beschränkt das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit einer etwaigen Unannehmbarkeit auf Einzelfälle.