Kitabı oku: «Kirchliches Arbeitsrecht in Europa», sayfa 4

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3. Territoriale Reichweite der Länderberichte

Schließlich ist auch eine Präzisierung bzw. Erläuterung der geographischen Terminologie vorzunehmen. Denn die territoriale Reichweite der Untersuchung der einzelnen Rechtsordnungen ist zur Begrenzung des Erörterungsumfangs notwendigerweise eingeschränkt.

a) England

Das aus den Ländern England, Wales, Schottland und Nordirland bestehende Vereinigte Königreich unterscheidet sich hinsichtlich seiner einzelnen staatskirchenrechtlichen Ordnungen ganz erheblich.42 Eine Betrachtung der Rechtslage im gesamten britischen Staat würde wegen dieser Divergenz den Umfang der vorliegenden Arbeit sprengen. Die Untersuchung ist daher bewusst auf England beschränkt.

b) Frankreich

Auch in Frankreich besteht in territorialer Hinsicht kein gänzlich einheitliches staatskirchenrechtliches System. Aus historischen Gründen besteht in den drei Départements Elsass-Lothringens (Haut-Rhin, Bas-Rhin, Moselle) eine andere Rechtslage als im Reststaat.43 Auch die rechtlichen Gegebenheiten in den überseeischen Départements und Territorien unterscheiden sich.44 Diese Besonderheiten müssen hier unberücksichtigt bleiben.

II. Methodik
1. Rechtsvergleichender Ansatz

Der Maxime des Nestors der Rechtsvergleichung Ernst Rabel folgend, „der Stoff des Nachdenkens über die Probleme des Rechts muss das Recht der gesamten Erde sein (…)“45, sollen in dieser Arbeit bei der Darstellung des kirchlichen Arbeitsrechts die staatlichen Grenzen überschritten werden. Ein wie von Rabel geforderter universalistisch-globaler Ansatz kann jedoch für den Einzelnen wegen unüberwindlicher zeitlicher wie auch sprachlicher Grenzen nur Utopie bleiben. Der durchgeführte Vergleich muss daher ausschnitthaft sein, er bleibt notwendigerweise oberflächlich und fragmentarisch.46 Gerade deshalb darf die Auswahl der zu vergleichenden Rechtsordnungen aber nicht beliebig geschehen, sondern sollte nachvollziehbaren Kriterien folgen.47 Dafür bietet sich ein exemplarischer Vergleich an, der aber eine geeignete Schematisierung verschiedener Rechtsordnungen im Hinblick auf die untersuchte Thematik erfordert.

Da das kirchliche Arbeitsrecht als Modifikation und Abweichung vom weltlichen Arbeitsrecht ganz wesentlich von der den Kirchen gewährten Autonomie abhängig ist, bildet das Staatskirchenrecht das Fundament für dessen Ausgestaltung. Die grundlegende Einteilung des Staat-Kirche-Verhältnisses in drei Staatskirchensysteme48 bietet insoweit eine geeignete Orientierung, durch Heranziehung idealtypischer Repräsentanten der drei verschiedenen staatskirchenrechtlichen Grundsysteme den Erkenntniswert der Untersuchung zu maximieren. Dabei repräsentiert in dieser Untersuchung England das Modell einer Staatskirche, Frankreich das laizistisch geprägte Trennungssystem und Österreich49 (entsprechend der deutschen Rechtslage) das Kooperationsmodell. Insoweit bilden das französische und englische Modell nach dieser Einteilung die „äußeren Pole“50 des europäischen staatskirchenrechtlichen Panoramas. Auch die Tatsache, dass die grundlegenden staatskirchenrechtlichen Entscheidungen von Frankreich und England als prototypische Wegbereiter erheblichen Einfluss auf andere europäische Länder hatten,51 erhöht den Vergleichswert dieser Rechtsordnungen. Überdies kommt England als Vertreter des Rechtskreises des Common Law eine besondere Stellung gegenüber den übrigen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen zu.

Die staatskirchenrechtliche Fundierung des kirchlichen Arbeitsrechts hat zur Folge, dass die Durchführung einer reinen sogenannten „Mikrovergleichung“52 – dies wäre vorliegend ausschließlich eine Untersuchung der arbeitsrechtlichen Fragestellungen – in einer derart isolierten Form nicht aussagekräftig wäre. Zwar verfolgt diese Arbeit primär das Ziel, die rechtliche Stellung der Kirchen als Arbeitgeber zu beleuchten. Dies kann indes nicht ohne die Durchführung einer sogenannten „Makrovergleichung“53 geschehen, in deren Verlauf auch die im Kontext der eigentlichen Fragestellung stehenden Grundsätze der jeweiligen Rechtsordnungen untersucht werden. Denn ohne die staatskirchenrechtlichen, historischen und kulturellen Hintergründe ließen sich Inhalt, Auslegung und Rechtsfolgen der einzelnen Normen und Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts nicht oder nur unzureichend erschließen. Zudem gewinnt die Analyse einer ausländischen Rechtsordnung insbesondere dann an Erkenntniswert, wenn auch ein Verständnis für die den einzelnen Regelungen zugrunde liegenden Ursachen und Grundbedingungen gewonnen werden kann. Erst auf dieser Basis ist eine aussagekräftige Kontrastierung mit der deutschen Rechtslage durchzuführen, durch die das Verständnis der eigenen rechtlichen Zusammenhänge geschärft werden kann. Daraus folgt der Grundsatz der Rechtsvergleichung, dass auch beim „Mikrovergleich“ einzelne Vorschriften zumeist nur im Gesamtzusammenhang der jeweiligen Rechtsordnung untersucht werden können.54

Eine darüber hinausgehende Konkretisierung der Methodik kann im Vorfeld nur in groben Zügen vorgenommen werden. Grundprinzip der vergleichenden Betrachtung ist dasjenige der Funktionalität55. Die Untersuchung der ausländischen Rechtssysteme darf sich demzufolge nicht auf die bekannten nationalen Termini, Rechtsquellen und Perspektiven beschränken; diese können allenfalls eine erste Orientierung bieten. Von Bedeutung ist vielmehr eine übergeordnete, abstrakte Fragestellung als Vergleichsgrundlage. Diese lautet im Zusammenhang mit dem Rechtsgebiet des kirchlichen Arbeitsrechts etwa folgendermaßen:

„In welcher Weise berücksichtigt das ausländische Recht das religiös fundierte Selbstverständnis der Kirchen bei der Ausgestaltung des anzuwendenden Arbeitsrechts, wenn diese Arbeitnehmer auf der Grundlage von privatrechtlichen Arbeitsverträgen beschäftigen?“

Auf Grundlage dieses Tertium Comparationis wird im zweiten Teil dieser Arbeit zunächst in Länderberichten die Rechtslage innerhalb der einzelnen Rechtsordnungen dargestellt; eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse sowie ein Vergleich mit der deutschen Rechtslage steht am Ende eines jeden Länderberichts. Innerhalb des abschließenden dritten Teils erfolgt die Zusammenführung sowie die Ordnung der dabei gewonnenen Erkenntnisse. Dabei soll versucht werden, eine übergeordnete Struktur für die in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen vorgefundenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu finden. Detaillierte methodische Grundsätze lassen sich für diesen zweiten Schritt nicht a priori festlegen, da die spezifische Vorgehensweise maßgeblich durch die zuvor gefundenen Ergebnisse bedingt ist.56

Voranzuschicken ist der folgenden Darstellung schließlich noch, dass die spezifischen Erfahrungen und Erkenntnisse des Auslands nur in ganz bestimmter Weise zur Ableitung eines vertieften Verständnisses des eigenen Rechts nutzbar gemacht werden können.57 Denn im hier gegebenen Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsgebiete des Staatskirchenrechts und des Arbeitsrechts im Fokus des Rechtsvergleichs stehen. Beide Bereiche sind in großem Maße von nationalen Besonderheiten geprägt: Auf der einen Seite mag es zwar innerhalb der EU die zunehmende Tendenz einer Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts geben, doch basiert dieser Bereich auch immer noch in hohem Maße auf dem ideologischen Vorverständnis und der ökonomischen Lage einer Gesellschaft.58 Auf der anderen Seite ist insbesondere die verfassungsrechtliche Stellung der Kirchen als ganz individueller Ausdruck der politischen und geistesgeschichtlichen historischen Entwicklung eines Nationalstaates anzusehen.59 Diese nationalstaatlichen Charakteristika werden durch den supranationalen Einfluss der Europäischen Union keinesfalls obsolet, zumal sie ohnehin keine staatskirchenrechtlichen Kompetenzen besitzt; darüber hinaus hat der durch nationales Recht vermittelte Status der Kirchen nunmehr auch in Art. 17 Abs. 1 AEUV einen besonderen Schutz im Primärrecht erhalten. Das kirchliche Arbeitsrecht ist angesichts dessen zuvorderst Ausdruck einer nationalen Rechtstradition.

Die insofern zu konstatierende Unmöglichkeit einer pauschalen Übertragung der in anderen Staaten vorgefundenen Lösungsansätze im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts macht eine Rechtsvergleichung aber keinesfalls irrelevant. Denn die grundlegenden Interessengegensätze sind gleicher Natur; entscheidend ist vielmehr, mit welchen Wertungen und auf welcher Grundlage deren Ausgleich herbeigeführt wird. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge vermag dann möglicherweise eine weitere Perspektive auf das eigene Recht zu etablieren. Zudem erfordert es die hohe Bedeutung des Gemeinschaftsrechts für das nationale Arbeitsrecht, auch seine jeweilige Umsetzung in den Nachbarländern zu untersuchen.60 Dies ist für das kirchliche Arbeitsrecht insbesondere im Hinblick auf die Richtlinie 2000/78/EG von Relevanz. Zudem ist es auch im Rahmen der vom EGMR angewendeten margin of appreciation von besonderem Interesse, inwieweit sich im europäischen Rechtsvergleich einheitliche oder divergierende nationale Standards bei der Beurteilung einer Rechtsfrage ermitteln lassen. Schließlich schärft ein Vergleich der unterschiedlichen Rechtsstellung der Kirchen innerhalb der Mitgliedstaaten auch das Verständnis, inwieweit im Rahmen von Art. 17 Abs. 1 AEUV ein spezifisch national geprägter kirchlicher Status gegeben ist, dem dann ein umso größeres Schutzbedürfnis zukäme.

Ungeachtet dieses konkreten Vergleichsnutzens muss sich die Methode der Rechtsvergleichung aber ohnehin nicht durch die Angabe spezifischer Ziele legitimieren.61 Denn als Bestandteil der Rechtswissenschaft ist bereits das abstrakte Streben nach Erkenntnis ein sie wesentlich bedingender Zweck. Rechtsvergleichung ist Horizonterweiterung im besten Sinne.62

2. Gang der Darstellung der einzelnen Rechtsordnungen

Da es sich beim Rechtsgebiet des kirchlichen Arbeitsrechts um einen Hybrid von Staatskirchenrecht und Arbeitsrecht handelt, ist auch die Untersuchung der einzelnen Rechtsordnungen in zwei Hauptteile gegliedert. Den Auftakt der rechtlichen Untersuchung bildet dabei das Staatskirchenrecht, da die Regelung des grundlegenden Verhältnisses zwischen Staat und Kirche elementar für die Beantwortung der Fragestellung ist, inwieweit allgemeine Rechtsnormen – wie jene des Arbeitsrechts – gegenüber den Kirchen Anwendung finden. Ohne diese Grundsteinlegung wäre die isolierte Darstellung der kirchenarbeitsrechtlichen Rechtslage unvollständig. Daher geht die Untersuchung erst nach jenem staatskirchenrechtlichen Teil in medias res – der Untersuchung der (ggf. modifizierten) Geltung des Arbeitsrechts für die Kirchen. Da die Kenntnis des gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Hintergrunds zur Erfassung eines Rechtssystems von großer Bedeutung ist,63 erfolgt als Einführung in jede Rechtsordnung eine kurze Darstellung des gesellschaftlichen Rahmens, in den die Kirchen als Religionsgemeinschaft eingebettet sind und in welchem Umfang bzw. auf welche Weise sie als Arbeitgeber tätig werden.

Der darauffolgende staatskirchenrechtliche Teil beginnt zunächst mit einer Darstellung der historischen Entwicklung des jeweiligen nationalen Verhältnisses von Staat und Kirche hin zum status quo. Dieser historische Prolog mag insbesondere aus der Perspektive des Juristen entbehrlich erscheinen, ist zum Verständnis der Materie aber unverzichtbar. Erst das Wissen um die jahrhundertealten Konflikte und Verwerfungen zwischen weltlicher und geistlicher Sphäre ermöglicht eine fundierte Bewertung der gegenwärtigen rechtlichen Regelungen. Daher soll erst auf dieser Grundlage eine Untersuchung der staatskirchlichen Grundelemente einschließlich des Staatskirchensystems erfolgen. Im Zentrum steht dabei sodann die Darstellung, ob und inwieweit den Kirchen als Ausdruck institutionell gewährter Glaubensfreiheit eine Autonomie zur Durchführung ihrer Angelegenheiten gewährt wird.

Der sich daran anschließende zentrale zweite Teil zum kirchlichen Arbeitsrecht beleuchtet die für die Kirchen geltenden Besonderheiten bei der Beschäftigung ihrer Arbeitnehmer und gliedert sich in einen individualrechtlichen und in einen kollektivrechtlichen Abschnitt. Dabei wird die Darstellung der ausländischen Rechtsordnungen zunächst von einer kurzen Erörterung der allgemeinen Grundlagen des Arbeitsrechts eingeleitet. Innerhalb der sich daran anschließenden individualrechtlichen Untersuchung wird die Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten und das Kündigungsrecht einen Schwerpunkt bilden, daneben ist aber auch die kirchlichen Arbeitgebern gewährte Freiheit und deren etwaige Begrenzung bei der Personalauswahl zu behandeln. Auch in diesem Zusammenhang ist die nationale Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG, insbesondere einschließlich ihres Art. 4 Abs. 2, von besonderem Interesse. Der kollektivrechtliche Abschnitt wird in Abhängigkeit von der Existenz nationaler Besonderheiten in Bezug auf die Kirchen unterschiedlich lang ausfallen. Er befasst sich mit der Ausgestaltung der arbeitnehmerseitigen Interessenvertretung bei kirchlichen Arbeitgebern sowie insbesondere der Zulässigkeit eines Streikrechts kirchlicher Arbeitnehmer und des modus operandi zur kollektiven Festlegung von Arbeitsbedingungen.

III. Einwirkungen des europäischen Rechts auf das nationale kirchliche Arbeitsrecht

Eine eingehende Untersuchung des Europäischen kirchlichen Arbeitsrechts – also der Gesamtheit der Rechtsregeln der EU, die einen kirchenarbeitsrechtlichen Bezug aufweisen – ist nicht Gegenstand dieser Arbeit;64 vielmehr soll die Thematik vorrangig aus der nationalen Perspektive der einzelstaatlichen Rechtsordnungen beleuchtet werden. Prima facie mag eine solche Herangehensweise in Anbetracht der stetig wachsenden Relevanz des supranationalen Rechts anachronistisch erscheinen.65 Dabei darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass das kirchliche Arbeitsrecht in erster Linie – vor allen Dingen aufgrund seiner staatskirchenrechtlichen Fundierung – maßgeblich durch die nationalen Rechtsordnungen geprägt ist.66 Ohnehin gilt freilich auch in diesem Zusammenhang das allgemeine Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 EUV, das einer umfassenden Rechtsgestaltung der Europäischen Union entgegensteht. Danach darf sie nur dort tätig werden, wo ihr eine entsprechende Kompetenz durch die Mitgliedstaaten innerhalb der Verträge67 eingeräumt ist. Dementsprechend kommt der EU auch keine umfassende Zuständigkeit auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zu, wenngleich ihre zumeist auf der zentralen Kompetenzgrundlage des Art. 153 Abs. 1 AEUV basierenden Rechtsakte eine ganz erhebliche Bedeutung für das nationale Arbeitsrecht entfalten.68 Zur unmittelbaren Regelung staatskirchenrechtlicher Aspekte besitzt die Europäische Union hingegen keine Kompetenz.69 Dies berücksichtigt den Umstand, dass die grundlegende Regelung des Verhältnisses von Staat und den Kirchen als essentieller Teil der nationalen Identität einer vereinheitlichenden europäischen Regelung nicht zugänglich ist.70

Doch trotz dieser Prämissen sieht sich das kirchliche Arbeitsrecht seit einigen Jahren zunehmend „europarechtlichen Herausforderungen“71 ausgesetzt. Denn die Rechtsetzung der EU im Bereich des Arbeitsrechts – insbesondere in Gestalt des Antidiskriminierungsrechts – ist geeignet, das nationale Staatskirchenrecht mittelbar zu beeinflussen, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen Kompetenzübertragung für die Regelung staatskirchenrechtlicher Fragen bedürfte.72 Insofern können gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, die (auch)73 die Kirchen in ihrer Funktion als Arbeitgeber betreffen, Konsequenzen für die nationale Ausgestaltung kirchlicher Selbstbestimmung entfalten. Gleiches kann durch Arbeitnehmergrundrechte induziert werden, die durch die EMRK sowie durch die von dieser inspirierten, neu geschaffenen Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) garantiert werden. Ein gänzlich autonomes einzelstaatliches kirchliches Arbeitsrecht ist angesichts eines derartigen Einflusses durch Europarecht und Völkerrecht somit nicht mehr denkbar. Dabei wird die Bedeutung des Gemeinschaftsrechts durch die Rechtsprechung des EuGH74 und des BVerfG75 untermauert, wonach diesem normenhierarchisch der Vorrang gegenüber nationalem Recht – einschließlich des Verfassungsrechts – zugesprochen wird.

Aufgrund jener europarechtlichen Ingerenzen soll nachfolgend – den Länderberichten vorangestellt – eine kursorische Darstellung der insofern bedeutendsten Rechtsquellen vorgenommen werden. Dies ist auch vor dem Hintergrund des Gebots der unionsrechtskonformen Auslegung76 nationalen Rechts erforderlich. Eine vertiefte Erörterung wird dabei nicht stattfinden, denn sofern jene Einwirkungen im Rahmen von spezifischen Rechtsfragen innerhalb der einzelnen nationalen Rechtsordnungen Relevanz entfalten, werden sie an entsprechender Stelle im jeweiligen Länderbericht aufgegriffen. Intendiert ist vielmehr eine kurze Einführung, die den Grundstein für ein Bewusstsein der supranationalen Einflüsse für das nationale kirchliche Arbeitsrecht schaffen soll. Die maßgeblichen Regelungen sind vielfältig und auf verschiedene Rechtsnormen unterschiedlichen Ranges verstreut.77 Von hervorgehobener Bedeutung sind dabei die als Völkerrecht etablierte EMRK sowie diverse Rechtsquellen des europäischen Primär- und Sekundärrechts.

1. Die EMRK und ihr Einfluss auf die nationalen Rechtsordnungen

Rechtlich konstituiert ist die am 4. November 1950 von den Mitgliedern des Europarats unterzeichnete Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) als multilateraler völkerrechtlicher Vertrag. Nach Art. 1 EMRK werden die Vertragsstaaten verpflichtet, allen unter ihrer Hoheitsgewalt stehenden Personen die von der Konvention gewährleisteten Rechte und Freiheiten zuzusichern. Dabei sind die Individuen nicht nur Objekt, sondern Subjekt der Regelungen.78 Denn mit der Erhebung einer Individualbeschwerde79 nach Art. 34 EMRK beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kann jede natürliche Person nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs die Verletzung eines ihr gewährleisteten Konventionsrechts durch einen Vertragsstaat rügen. Dem EGMR kommt dabei nach Art. 32 Abs. 1 EMRK ein Auslegungsmonopol hinsichtlich des Umfangs der in der Konvention enthaltenen Rechtspositionen zu. In Anbetracht dessen wird deutlich, dass die EMRK auch im Rahmen des kirchlichen Arbeitsrechts virulent werden kann, dem in seinen verschiedenen Teilbereichen ein Konfliktpotential zwischen den Grundrechten der kirchlichen Arbeitgeber und ihrer Arbeitnehmer inhärent ist. Entsprechend sind vom EGMR bereits drei Urteile zur Zulässigkeit von Kündigungen wegen der Verletzung von Loyalitätsobliegenheiten im Zusammenhang des deutschen kirchlichen Arbeitsrechts erlassen worden, die an entsprechender Stelle darzustellen sein werden.80

Infolge ihrer Genese als durch den Europarat geschaffenes Völkerrecht ist die EMRK aber kein Gemeinschaftsrecht im „engeren Sinne“ und unterliegt infolgedessen einer grundlegend abweichenden dogmatischen Einordnung in die nationalen Rechtsgefüge.81 Dabei überlässt es die EMRK der Ausgestaltungsfreiheit der einzelnen Konventionsstaaten, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Befolgung der Konventionsvorschriften nachkommen.82 Dies hat eine Vielfalt unterschiedlicher Umsetzungsmodi zur Folge, die sich in drei Gruppen schematisieren lassen.83 Österreich ist dabei der Gruppe von Staaten zuzuordnen, in denen die EMRK Verfassungsrang genießt.84 Frankreich nimmt eine mittlere Stellung ein, indem die Konvention dort in einen Rang zwischen der Verfassung und den einfachen Gesetzen erhoben wurde.85 In England steht die EMRK hingegen als Folge ihrer Umsetzung durch den Human Rights Act 1998 nur auf der normenhierarchischen Position des Gesetzesrechts.86 Auch in Deutschland kommt der EMRK entsprechend ihrer Umsetzung nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG in formaler Hinsicht nur der Rang eines Bundesgesetzes zu.87 Dementsprechend ist die Menschenrechtskonvention innerhalb der deutschen Rechtsordnung kein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab.88 Das Grundgesetz genießt gegenüber der EMRK normenhierarchisch den höheren Status und unterwirft sich nicht gegenüber nichtdeutschen Hoheitsakten.89

Allein auf Grundlage dieser Prämissen ließe sich aber ihre besondere Bedeutung für das deutsche Recht noch nicht ableiten. Diese folgt vielmehr daraus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das gesamte nationale Recht einschließlich des Grundgesetzes völkerrechtsfreundlich ausgelegt werden muss.90 Entsprechend dieses Grundsatzes haben die an Art. 20 Abs. 3 GG gebundenen deutschen Gerichte die EMRK und die zu ihr vom EGMR ergangene Rechtsprechung bei der Interpretation der Grundrechte und der einfachen Gesetze im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen.91 Diesem Erfordernis wird ein nationales Gericht gerecht, indem es die streitrelevanten Konventionsrechte im Sinne einer gebührenden Auseinandersetzung in die Entscheidungsfindung einbezieht.92 Damit erhält die EMRK in Gestalt der Auslegung durch die Rechtsprechung des EGMR eine „normative Leitfunktion“93 für das deutsche Recht. Allerdings erfährt der auf diese Weise konkretisierte Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung insbesondere dann eine Begrenzung, sofern der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes eingeschränkt würde.94 Dazu kann es insbesondere im Rahmen der mehrpoligen Grundrechtsverhältnisse der kirchlichen Arbeitsverhältnisse kommen, bei denen der Zugewinn an Freiheit des einen Grundrechtsträgers zugleich eine Einbuße des anderen darstellt.95

Auf der Ebene des Rechts der Europäischen Union entfaltet die EMRK hingegen bislang mangels Inkorporation (noch)96 keine unmittelbare Wirkung.97 Doch nach Art. 6 Abs. 3 EUV sind die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. Daraus folgt ihr Status als Rechtserkenntnisquelle.98 Entsprechend hat sich der EuGH in der Vergangenheit häufig auf die EMRK bezogen und dabei auch die Rechtsprechung des EGMR zugrunde gelegt.99 Im Sinne einer Reziprozität zieht auch der EGMR zuweilen die Rechtsprechung des EuGH heran.100 Seit dem Inkrafttreten der europäischen Grundrechtecharta dürfte die EMRK und die dazu ergangene Rechtsprechung des EGMR allerdings in ihrer Bedeutung als Erkenntnisquelle für europäisches Recht dezimiert worden sein.101

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